BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Charlotte von Stein

1742 - 1827

 

Dido, ein Trauerspiel

in fünf Aufzügen.

 

Zweiter Aufzug.

 

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Zweite Scene.

Die Vorigen. Albicerio.

 

Albicerio (zur Königin).

Die Stunde hat geschlagen, wo mich deine Befehle hierher ruften.

 

Königin.

Sei mir willkommen, liebster Albicerio! Der abkühlende Abend wird dir auch nach ausgestandener Schwüle in diesem Garten wohlthun. (Sie nimmt ihn bei Seite.) Theurer Albicerio! Hier unter diesem schönen freien Himmel, wo mich schon mannigmal dunkle Ahndungen von erhebender unerklärbarer Trauer ergriffen haben, hier sollst du mir einen Rath ertheilen. Aber laß uns dort in dem einsamen Cypressengang niedersitzen, wo ich dir meinen gefaßten Entschluß unter ihren himmelragenden Spitzen ruhiger mittheilen kann. (Gehen ab.)

 

Jarbas (zum Feldherrn).

Dies war ja der Mann, den wir suchten.

 

Feldherr.

Er hat ein zu edles Ansehn zu deinem Vorhaben.

 

Jarbas.

Laß uns indeß noch in diesen Gärten weiter gehen, bis ich Gelegenheit zu einer Bekanntschaft mit diesem Manne finde.

 

Feldherr (zu Elissa).

Erwartest du die Königin hier?

 

Elissa.

Hinter dieser Blumenbank, die sie selbst erzog, will ich mich in Erwartung ihrer 1) niedersetzen. Es ist mir süß, ungestört an meine Freundin zu denken.

 

Jarbas (zum Feldherrn).

Verstehst du? sie heißt uns gehen.

 

Elissa.

Ungern erlaube ich euch diese Auslegung; denn ihr seid gesittete Männer; aber mein Gemüth nimmt schwer etwas Fremdes auf.

 

Jarbas.

Deiner Aufrichtigkeit können wir unsern Beifall nicht versagen.

 

Elissa.

Aber die Aufrichtigkeit ist die allerungesellschaftlichste Tugend.

 

Feldherr.

Nun, so werden uns die wirthbaren Schatten dieser Bäume williger aufnehmen. (Ab. Elissa entfernt sich hinter ein Blumenbeet. Indem sie gehen, kommen die drei Gelehrten spaziert.)

 

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1) ursprünglich stand «in ihrer Erwartung».