BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Charlotte von Stein

1742 - 1827

 

Ryno, ein Schauspiel

in drey Abtheilungen

 

1776

 

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Erste Abtheilung.

Ryno tritt in den Saal, wo eben getanzt wird.

Adelheide. Thusnelde. Gertrud. Kunigunde.

 

Ryno (bey Seite).

Sind da eine Menge Gesichter herum;

Scheinen alle recht adlig gänsedumm.

(Verschiedene werden präsentirt.)

 

Adelheide.

Wir haben Dich lang bey uns erwart',

Du einziges Geschöpf in Deiner Art.

(Ryno beugt sich).

 

Thusnelde.

Ich bin neugierig auf Dich gewesen;

s' ist nun einmal so in meinem Wesen.

 

Ryno.

Können also jetzt Ihre Neugier stillen

Wie's Ihnen beliebt nach Ihrem Willen.

 

Gertrud (von weitem).

Gleichgültig ist er mir eben nicht,

Doch weiß ich nicht, ob er oder Werther spricht.

 

Kunigunde.

Ja, ja, 's ist Werther ganz und gar.

So liebenswerth als er mir immer war.

(Gertrud und Kunigunde werden präsentirt.)

 

Gertrud.

Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen,

(Ryno verbeugt sich.)

Apropos des Balles: mögen Sie gern tanzen und lachen?

 

Ryno.

Manch mal, doch meistens schleicht mit mir

Herum ein trauriges Gefühl

Ueber das ew'ge Erdengewühl. (Geht ab.)

 

Gertrud.

Ist mir doch, als wär' das Int'reße der Gesellschaft vorbey.

 

Adelheide.

Mir ist hier alles recht ennuyant einerley.

 

Kunigunde (traurig).

Heut' mag ich gar nicht gerne tanzen.

 

Thusnelde.

Nun daß er auch fort ist, über den dummen Hansen!

(Streichen sich.)