BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Bettine von Arnim

1785 - 1859

 

Petöfy dem Sonnengott

 

1849/51

 

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Reinschrift

 

Petöfy dem Sonnengott.

 

Wie Vögel die kaum befiedert im Frühlicht flattern

Nächtlich aufrauschen im Nest, Schlummertrunken;

Wähnend im Schlaf sich zu heben gen Abend oder gen Morgen,

So aus Traumen auffahrend, ungewohnt schwebender Fühlung

5

Nicht ihr vertrauend – sincket betäubt Ihr zurück

Schüchterne Vögel Gedanken.

Nacht ists! – betheuert der Mond Euch und glitzernde Sterne

Die Flügel verschranckt duckt Ihr zusammen im Nest.

Da schwellen Träume Euch den Busen.

10

Aus der umfangenden Eos Saffranbinde

Windeln sich los – so träumt Ihr – Morgenwinde

Und tragen, Goldbewimpelt glorreich durchs leuchtende Blau

Euer Gefieder Helikons Gipfel hinan zur schwankenden Fluth

die sein Bild malt dem Narciß.

15

– Und er liebt sich in ihr – nur des liebenden Spiegel ist Liebe –

Wie Ihr, Schönheitslusttrunken Euerm Abglanz zu lauschen

auf Sonniger Welle sendet lieblich der heitere Gott

Euch umleuchtend, Euer Antlitz zurück Euch,

Träumende Vögel Gedanken! –

20

Und Hymnenbeschwingt durchrudert Ihr Rhythmusströmende Lüfte

Dem tönenden Schwan nach, der frei von der Sorge Befleckung,

Siegender Feuerkraft voll, das trübe Leben das sterblich nur ist

Über die alles schauende Zeit,

Zum Hochwolkigen Zeus mit unsterblichem Liede hinauftönt.

25

Oder in Wolkensammelnder Gewitter Sturmbett,

Über Donnergeprassel und wirbelnder Purpurglut

Getragen Euch bringt mit sausendem Fittig.

Euch durchschauern nicht am Nachtgedeckten Himmel

Die hintreibenden Winde. – Denn warm eingehüllt ganz

30

In deiner Strahlen goldnem Schnee,

Wenden im Traum, das Antlitz sie dir zu Apollon

Der herablächelnd wieder sie anglühest Phoibus Apollon

und tönest – so wähnen sie träumend und lauschen

Zärtlichen Wiegengesang ihnen zu.

35

Und während Dunkel auf irrenden Pfaden

der Menschen Geschicke umkreist

preisen das Ahnungsvolle Licht sie in Sonnedurchschimmerter Nacht

Dir geheiligt O Taggott.

O wecke zu früh nicht Geräusch ihr Päanzwitschern

40

Horche Lichtspender eh noch dein singendes Lied

Nächtlich dem Widerhall ruft – Dem Io im Traum dir gesungen

Süßer Zärtlichkeit voll – schlummerumpfangen von Dir.

Doch jezt weckt Mondlicht sie

Das jenseit der Haine hinabsinckt.

45

Silbern leuchtet der Fluß durch Morgennebel

Die bald du zertheilest Himmelwandlender.

Wie flockigte Herden hinab zur Fluth sie treibend.

Schon streift die frühe Schwalbe

Mit schneidendem Flug die kreiselnden Wasser

50

Durchkreuzt Lustathmend deine Bahn.

In wallender Bläue fängt ihr nachtlich Gefieder

Deiner Pfeile blitzenden Glanz auf

Und am weiten Himmelsbogen erspäht sie

Allein nur deines Tempels Zinne schützender Gott

55

So Leuchtender, – der die Himmelsweiten durchmißt –

Ermesse an deines Tempels Gebälk

Klein wie ein Vöglein bedarf mir den Raum

Wo ich schlafe, in Träumen Dir nach mich schwingend,

Wo Dein frühester Strahl mich weckt

60

Und wie die Schwalbe die Flügel ich netze im Quell

Dem Rossehuf, zwischen Reigen Goldumschleierter Musen

silbern entsprudelnd, hinab vom Gipfel

der von allen stolzen gebirgen zuerst am Morgen

den Purpurhüllenden Mantel abwirft am Morgen

65

Deinem feuerküssenden Strahl.

Dann wie die Schwalbe durchkreuz ich deine Bahn

Mit Morgenfrischem Hauch fort bis zum Abend

In Deinem Licht, milder Gott, mich freuend

Und beseligt daß dein ich gehöre

70

Berg ich beim Sternenlicht im Nest mich am Tempel

wo Du, Wissender! – Der Menschen sterbliche Sinne Unsterblich erleuchtest! –

Da schlaf süß ich – im Träumen schüchtern deiner Saiten Spiel rührend

Und mich freuet ihr Klang – Wie wenn selber Du anschlägst das Erz

Dann im geträumten Zwielicht blitzet vergoldet der Hain

75

Des heiligen Lorbeer und am Wanckenden Zweig

bersten schwellende Knospen dem kommenden Tag.