BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clemens Brentano

1778 - 1842

 

Der andere Brentano

 

Gedichte

 

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Klage eines vertriebenen Hamburger Bootsmanns

um seine gescheiterte Vaterstadt

nach ihrer Wiedereinnahme durch Davoust

 

Hamburg, o Hamburg!

Du treue deutsche Stadt,

Fluch dem Tyrannen

Der dich zertreten hat,

Jeder Deutsche soll dir singen,

Und für deine Freiheit ringen,

Hamburg o Hamburg

Du treue deutsche Stadt.

 

Hamburg du Hamburg

Hast alles dran gesetzt,

Gen deine Feinde

Das Bürgerschwert gewetzt,

Bist den Drachen kühn entsprungen,

Deren Rachen dich verschlungen,

Der seinen Knecht nun

Auf deinen Hals gehetzt.

 

Hamburg o Hamburg!

Wer deutsch, klagt deinen Fall

Was dich betroffen

Das drohte Deutschen all,

Weiber, Greise, müssen schanzen

Für den übermütgen Franzen,

Gärten und Häuser

Sind deines Feindes Wall.

 

Hamburg o Hamburg!

Deutschland klagt dein Los

Denn in deinem Blute

Säuft sich der Drache groß.

Deine Güter zu erlangen

Läßt er deine Kinder fangen

Reißt sie als Geisel

Aus ihrer Mütter Schoß!

 

Hamburg o Hamburg!

Wie warst du froh und frei,

Nun heben deine Fähnlein

Um Hülfe ein Geschrei,

Deinen Turm hat dir zerbrochen,

Der einst vor der Welt gesprochen,

Daß er ein Kämpfer

Für Menschenrechte sei!

 

(Hamburg o Hamburg

Nicht gut hast du trassiert

Es haben deine Wechsel

Die Dänen protestiert

Sie teilen deine Masse,

Gestürzt ist deine Kasse

Weil alle deine Soue

Sich früher retiriert.)

 

Hamburg o Hamburg!

Du Wrack auf hoher See,

Dein Notschuß war vergebens,

Du unterliegst dem Weh,

In dem Räume hundert Lecke

Zwingt dein Feind auf dem Verdecke

Dich für ihn zu pumpen

Daß er nicht untergeh!

 

Hamburg o Hamburg!

Beneide Moskaus Not,

O hättst du dich gerettet,

Doch in der Russen Boot,

Und mit deiner Pulverkammer

Aufgesprenget deinen Jammer

Gerettet war die Flagge

Der Kompaß und das Lot!

 

Hamburg o Hamburg!

Der jetzt dein Steur ergriff,

Versenkt in deinem Hafen

Dich selbst du teures Schiff,

Schmiedet dich zu einer Kette

Schließet mit dir selbst dein Bette,

O wärst du doch gescheitert

Im Sturm am Felsenriff.

 

Hamburg o Hamburg!

Dein Tau ist ruiniert

Du wirst von falschen Booten

Am Schleppseil nun buxiert

Weh dein Besam ging verloren,

Man will in den Grund dich bohren,

Weil du Englands Flagge

In offner Schlacht geführt.

 

Hamburg o Hamburg,

Du alte deutsche Stadt,

Zerrissen ist dein Segel,

Das dich ernähret hat,

Auf den sturmgekappten Masten,

Sieh den Leichenadler rasten,

Hungrig aufkrächzend,

Wer macht mit Blut mich satt?

 

Schreie nur Schreie!

Dir wird noch Blut genug,

Blut das dir fluchet

Um Falschheit, Lug und Trug,

Sieh, drei Sonnenadler schwingen

Über dir, dir Blut zu bringen,

Einhorn und Löwen

Folgen ihrem Zug.

 

Taube! o Taube!

Dich und der Friedenszweig,

Hat nun der zerrissen,

Der einem Raben gleich,

Adler, der so tückisch hocket,

Friß nun was du eingebrocket

Dem Preußen, dem Reußen,

Dem alten Österreich!

 

Hamburg o Hamburg!

O hebe deinen Mut

Denke deines Heilands

Und seiner Märtrer Blut,

Wer ein Heide, muß verderben

Heil wird heilger Kampf erwerben,

Kämpfer für Heilges,

Heiligt Gottes Hut.

 

Heilig o heilig!

Ist alte deutsche Zeit,

Ordnung und Treue,

Und fleißge Heiterkeit,

Herr, dann läßt sich freudig beten

Und mit Ernst zum Kampfe treten,

Wenn der Väter Sitte

Uns Schwert und Tempel weiht.

 

Schaue o schaue,

Nun Gott auf unser Schwert,

Das sich erbaue

Der Deutsche sichern Herd,

Aus dem deutschen Tempel treibe,

Daß kein Lügenwuchrer bleibe,

Herr, den Versucher,

Der nach dem Tod begehrt!

 

Entstanden um 1814