BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clemens Brentano

1778 - 1842

 

Der andere Brentano

 

Gedichte

 

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[Parodie auf Goethes Gedicht

«Es war ein König in Thule»]

 

 

Es saß der Meister vom Stuhle,

Gar frech im eignen Kot,

Wer wagt sich zu dem Pfuhle,

Es tun ihm Prügel not,

 

Wer schmeißt mich über und über,

Wer bläst das Licht mir aus,

Wer giebt mir Nasenstüber,

Wer schickt mich recht nach Haus.

 

Und kömmt er einst zum sterben,

So stirbt sein ganzes Reich,

Die Frösche all verderben,

Krepiert er in dem Teich.

 

Er saß einst an der Saale,

Nun sitzt er auf dem Sand,

Und hat bei seinem Mahle

Die Esel all zur Hand.

 

Da sitzt er, keiner frecher,

Und platzet fast vor Wut,

Und reicht den giftigen Becher

Sich selbst und seiner Brut.

 

Wir sehn ihn platzen, sinken

Und stinken in eigner Schmer,

Laßt ihn nur aus sich stinken,

Dann stinkt es nimmermehr.

 

Entstanden 1803

 

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Goethe

Der König in Thule

 

Es war ein König in Thule

Gar treu bis an das Grab,

Dem sterbend seine Buhle

Einen goldnen Becher gab.

 

Es ging ihm nichts darüber,

Er leert' ihn jeden Schmaus;

Die Augen gingen ihm über,

Sooft er trank daraus.

 

Und als er kam zu sterben,

Zählt' er seine Städt im Reich,

Gönnt' alles seinem Erben,

Den Becher nicht zugleich.

 

Er saß beim Königsmahle,

Die Ritter um ihn her,

Auf hohem Vätersaale,

Dort auf dem Schloß am Meer.

 

Dort stand der alte Zecher,

Trank letzte Lebensglut,

Und warf den heil'gen Becher

Hinunter in die Flut.

 

Er sah ihn stürzen, trinken

Und sinken tief ins Meer.

Die Augen täten ihm sinken;

Trank nie einen Tropfen mehr.