BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clemens Brentano

1778 - 1842

 

Der andere Brentano

 

Gedichte

 

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Ich grüß euch liebe traute Beide

In eurem nagelneuen Bund

Herr Bräutigam sein Hochzeitskleide

Ist wie der Rock der Braut so rund.

 

Braut:

Also soll es sein,

Also nur allein

Sind wir gleich und gleich gesellet

In den Frieden hingestellet,

In den Sonnenschein

Zwei gepaarte Röselein.

 

Ich grüß euch wunderbare Kinder,

In eurem nagelneuen Spiel,

Herr Bräutigam, nicht mehr nicht minder,

Und Jungfer Braut, gleich eben viel.

 

Bräutigam:

Also ist es schön

Also beide stehn

Wir im gleichen Wunsch auf Erden,

Und in gleicher Sehnsucht werden

Wir die Sterne sehn

Bis sie unter gehn.

 

Ich grüß euch Muster aller Ehen

In eurem nagelneuen Schwur

Doch am Brautwagen seh ich gehen

Zwei Räder und nur eine Spur.

 

Braut:

Also müssen wir,

Also wissen wir

Daß wir auf der weiten Reise

Immer in demselben Gleise

Uns der Wagen führ

Nie die Spur verlier.

 

Ihr rühmet mir dieselben Gleise

Du scheinst mir eine Gleisnerin

In ewger Linie geht die Reise

Langweilig, ihr kommt nimmer hin.

 

Bräutigam:

Also denke du!

Doch ich lenke nu

Meine buntgeschmückten Rosse

Nach dem hohen Hochzeitsschlosse,

Recht in süßer Ruh

Allen Freuden zu.

 

Ums spansche Luftschloß hochgelegen

Stehn böhmsche Dörfer ringsherum

Kommt euch ein andres Paar entgegen

So wette ich ihr werfet um.

 

Beide:

Also wallen wir

Also fallen wir

Wie es Gott wird wohl gefallen

Daß der, dem ich zugefallen

Auch gefalle ihr

Doch vor allem mir.

 

Glückauf, ihr tapferen Naturen

Verstecke Leda nun das Ei

Denn dies suchen Dioskuren,

Sie picken dirs gewiß entzwei.

 

(Beide:)

Den Heroen gleich

Also lohen gleich

Uns vom Haupt zwei heilge Flammen

Die zum Zwillingsstern zusammen

Längst entflohen euch

Zu dem hohen Reich.

 

Ihr wollt gerecht den beiden Helden

Was an dem Leukippidenpaar

Sie fromm getan nun fromm vergelten,

Doch denkt daß einer sterblich war!

 

(Beide:)

Auch wir teilen gern

Vor dem ewgen Herrn

Sinkt zur Nacht und steigt zu Tage

In der ewig gleichen Wage

Dort der Zwillingsstern

Überm Erdenkern

 

Ihr gleichet recht den beiden Gleichen,

Sie lebten auch in einer Eh'

Doch einst gemeinem Nutzen weichen

Ich jeder einzeln Vorteil seh –

 

(Beide:)

Zweie müssen sein

Sonst wir büßen ein

Was wir beide uns geschworen

Und das keinem geht verloren

Das Gewissen rein

Zweie müssens sein.

 

Ach könnt ich nur den andern finden

Wär ich nicht so absonderlich

Ich wollte mich mit ihm verbinden

Wär eurer Reise hinderlich.

 

(Beide:)

Bester schweigen sie

Sich versteigen sie,

Daß sie ohne Gleichens bleiben

Wollen wir hier unterschreiben

Daß erreichen nie

Ihres gleichen sie.

 

So war mein Brautlied dann zu Ende

Gefüget wäre Reim an Reim,

Ich steh, ihr macht mir Komplimente,

Und wer das Glück hat führt euch heim.

 

Als ich euch dies Lied vollendet

Ging ich zu dem Hochzeitsfeste,

Stand im Garten, glanzgeblendet,

So viel Lampen, so viel Gäste!

Und die schönen Musikalien

Und die vielen Victualien.

 

Federhüte, goldne Borten

Keine Trauer mehr im Hause,

Aber Kuchen viel und Torten

Und Trompeten bei dem Schmause

(Und das Kindsgeschrei) abscheulich

Und die Polizei erfreulich eilig

 

Stiller Himmel, dunkle Lauben,

Blumenbeete, Bohnenstangen

Und gar manche Turteltauben,

Heiß Verlangen, süß Erlangen

Ein Exempel auf dem Eiskeller

Ward des Tempel Säulenkreis heller.

 

In die dunkle Nacht gesternet

Steht brillianten die Gloriette,

In sich, mit sich durchlaternet,

Ein galantes Hochzeitsbette

Glanzberauschte verwunderte Nationen

Treten nieder manche Bohnen.

 

Aber in dem Nachbars Garten

Sich die Lichter auch ergießen

Ernst und Falk brät Hochzeitsschwarten,

Überm Feuer an den Spießen,

Eine Brücke taliter qualiter

Führt dahin wenigstens moraliter.

 

Und nun zucket aus den Büschen

Festlich schmetternd die Trompete,

Und sie sagen, zu den Tischen

Führet Hans jetzt seine Grete!

– mit meinem Gedicht ich paße

In der Gasse voll Populace.

 

Die Brauteltern sah ich kommen

Wenn es gleich war ziemlich dunkel

Ohne Pfeifen ohne Trommen

Ohne sonderlich Gefunkel.

Geputzte Tante galanter Oheim

Ich hoffe sie kommen heut recht froh heim.

 

Hätten sie mich stolz vergessen

Mich mit Namen nicht gescholten

Für incognito Prinzessen

Hätten sie mir schier gegolten,

Gespickt der Kragen ganz enorm

Geschmückt den Magen, uniform.

 

Und nun wurd ich immer dummer

Setz mich in die Bretterlaube

Fiel in einen großen Kummer

Oder Schlummer wie ich glaube

Mein Hochzeitslied hat ich fest in der Taschen

Und in der Hand, nicht viel zu naschen.

 

Jetzo kommt das Brautpaar selber

Und ich fing an aufzulauren

Und es schrien wie die Kälber

Rings die Jungen auf den Mauren.

Doch wie veraltet, o Spektakel,

Gefaltet, erkaltet, o Mirakel.

 

Ist's die Braut die ich besungen

Ist's die kleine Honigbiene,

Zarte Haut so rauh zersprungen

Sind sies freundliche Cousine,

Und der Lästrer (?) in dem Perückenkranz

Ei der Spaß, der ist zum Verrücken ganz.

 

Und der Bräutigam grau gebücket

Nein, es ist nur Maskerade,

Selbst wenn Blumen (er ge)pflücket

Ging der Meininge schön grade.

Und ich protestierte gen die Zuschauer

Aber Musika blies den Dessauer.

 

Ca done Ca done

Ca done Ca done

So leben wir alle Tage hoch

In der allerschönsten Braut compagen

Ich sitze schon zu Pferde

Und reite in das Feld

Als wie der allerschönste

Siegesheld.

 

Haltet ein, hier ists nicht richtig

Diese Braut ist nicht die rechte

Nicht für dieses Brautpaar dicht ich

Das sind mir (ja) schlechte Hechte

Macht mir keine faule Fisch an jetzt

Daß ich euch das Maul nicht wisch zuletzt.

 

Und wie ich auch möchte zanken

Wie ich immer war empöret

Zog der Zug hin durch die Schranken

Seinen Weg ganz ungestöret,

Endlich sah ich wandern Bertha

Gehn mit einem andern Herr da.

 

Und ich sah im Transparente

B.C. S.J. helle Lettern

Ach ich es verstehen könnte

Ich unseligster der Vettern

Branntwein, Glanz, Schöps Immer

Rief da einer durch den Lampenschimmer.

 

Bald hoch auf des Tempels Spitzen,

Sah ich einen roten Engel

Spiritus ins Feuer spritzen,

Kupferrot erglänzt der Bengel,

Und es öffnet sich der Himmel hell

Und es regnet Doppel Kümmel schnell.

 

Vivat schrien alle Gäste,

Das ist recht im Staat das beste

Dieses trocknet die Moräste

Dadurch steht das Haus so feste.

Leert des Fasses Reste mit Hebern

Und die Schweine Mäste mit Trebern

 

Last hochleben unser Georgen

Den vergoldeten Hochzeiter

Gestern, heut und übermorgen

Und die andre Woche weiter.

Aber im Tempel am Boden gewahre

Ich jetzt die Wiege der Toten, die Bahre.

 

Ich erwache tief gerühret,

Bei den Lampen und den Kerzen,

Seh von einem Herrn geführet,

Die vermeinte Braut ich scherzen,

He Werda! Wer ist der Herr da

Herr von Treskow sagte Bertha,

 

Und ihr Bräutigam Stockhausen?

Ja die ist verloren worden,

In den Schatten muß sie hausen

Mutter sucht sie aller Orten.

Und nun flatterts und schäkerts hinunter,

Und mein Glaub an die Ehe ging unter!

 

Doch jetzt sucht ich in den Büschen

Bei den Lampen, bei den Tischen,

An der Spree selbst bei den Fischen

Den Herrn Bräutigam zu erwischen.

Alle Lichter zeigten andre Gesichter

Gott ist Richter! spricht der Dichter.

 

Entstanden zwischen 1815 und 1819 in Berlin