BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clemens Brentano

1778 - 1842

 

Ponce de Leon

Ein Lustspiel

 

Der dritte Akt:

Auf dem Gute.

Nachmittag bis Mitternacht desselben Tags

 

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Dritter Akt

 

 

Erster Auftritt

 

Szene vor dem Landhause Sarmientos, eine Art Esplanate vor dem mit einem Tore versehenen Schloßhofe; ein Flügel des Schloßhofs so gebaut, daß Personen vom Fenster herab deutlich erscheinen und sprechen können. Es ist Nachmittag. Valeria als Negerin maskiert mit kurzem Haar, ein Bündelchen auf dem Rücken, ein Tamburin in der Hand, kömmt schüchtern und reisend vor dem Schlosse an; sie lehnt an einen Baum.

 

Valeria. Da bin ich nun, allein und müde – wenn sie mich nur annehmen! – Die Liebe ist närrisch mit mir gewesen. Ponce, Ponce; ich will lieben, was du liebst, und dir zeigen, daß ich lohnen kann, – wenn mich der Vater nur nicht erkennt! Sieht in ein kleines Spiegelchen. Ich gleiche mir nicht, die langen schwarzen Haare sind aufgeopfert, – was tut es? Porporino hätte sie doch nicht so schön geflochten als Ponce. Ich liebe mich mehr als sonst und bin doch häßlicher. – Ich will ein wenig singen, vielleicht hört mich jemand.

 

Wenn die Sonne weggegangen,

Kömmt die Dunkelheit heran,

Abendrot hat goldne Wangen,

Und die Nacht hat Trauer an.

 

Seit die Liebe weggegangen,

Bin ich nun ein Mohrenkind,

Und die roten, frohen Wangen

Dunkel und verloren sind.

 

Dunkelheit muß tief verschweigen

Alles Wehe, alle Lust,

Aber Mond und Sterne zeigen,

Was ihr wohnet in der Brust.

 

Wenn die Lippen dir verschweigen

Meines Herzens stille Glut,

Müssen Blick und Tränen zeigen,

Wie die Liebe nimmer ruht.

Valerio in dem Hofe. Ei, ein Singvögelchen!

Valeria. Das ist mein Vater. Versteckt sich.

 

 

Zweiter Auftritt

 

Valerio. Es ist mir hier wie einem einsamen Robinson, so ein Singvögelchen wäre mir gerade recht. He! wo bist du? Lockt pfeifend.

Valeria. Da bin ich –

Valerio. Ei, ein Rabe!

Valeria. Ist dein Herz von Gold, so will ichs stehlen!

Valerio. Ei, so sei artig, daß du schwarz werdest; wo kommst du dann her?

Valeria. Ich war bei einer Edelfrau, sie jagte mich weg, weil sie glaubte, ihr Geliebter wende sich zu mir. Nun suche ich einen andern Dienst. Ich zog in Sevilla abends durch die Straßen, und nährte mich mit Singen, aber die Ritter stellten mir nach. Da bin ich denn fortgelaufen bis hierher, und weiß nun nicht wohin.

Valerio. Du bist freilich schwarz genug, um eine Alletagsdame zu verdunkeln und sieh, die Nachstellungen, mußt du wissen, sind Nachtstellungen; die Nacht ist keines Menschen Freund. Vielleicht kannst du hier bleiben, du mußt dich aber noch ein paar Minuten verstecken. Es wird gleich ein Sarg herausgetragen werden und ein Totengräber hinterdrein gehen; wenn der fort ist, darfst du dich sehen lassen, schöne Trauer.

Valeria. Ist jemand gestorben?

Valerio. Nein, es ist eigentlich vielmehr eine alte Schachtel als ein Sarg, vielmehr eine alte Tante, die abreist, und vielmehr ein Grobian, ein Totärgerer, als ein Totengräber, vielmehr ein grober Hausmeister, der sie begleitet; die werden nun bald fortgehen, dann bin ich mit zwei jungen Fräulein allein, und die nehmen dich wohl an. – Sieh, ich habe das Singen nötig, denn ich habe sonst täglich meine Tochter singen hören. Du mußt aber ihre Lieder von mir lernen. Nun verstecke dich, ich höre sie schon kommen. Valeria verbirgt sich. Es ist mir, als wäre ich in der Neuen Welt, auf einer Entdeckungsreise, da habe ich nun einen schwarzen Singevogel. Was abreist, sind Naturalien, die ich gleich nach Haus ins königliche Kabinett schicken muß, weil sie sich nicht lange halten. Wahrlich, die Tante ist schon sehr unscheinbar, und der Hausmeister kann sich auch nicht halten, denn er ist immer besoffen. Doch, das ist der Weingeist um das Präparat.

 

 

Dritter Auftritt

 

Donna Juanna, eine uralte Dame in der steifsten ältesten spanischen Tracht, wird von zwei Dienern auf einem Tragstuhle sitzend heraus getragen; Perez, der vorige Hausmeister, abenteuerlich gekleidet und bewaffnet, geht neben dem Tragstuhle, und hält einen großen Sonnenschirm über Juanna. Am Fenster erscheinen Melanie und Isidora, mit Schnupftüchern vor den Augen.

 

Juanna zu Valerio. Kann Er sich nicht beugen? sind die Maultiere am Ende der Esplanate? hat Er einpacken lassen? ist der Tragsessel gewaschen? sind die Polster geschüttelt?

Valerio tief beugend. Alles zu Euren Diensten von Eurem untertänigsten Diener. Ich stehe nur hier, um Eurer Herrlichkeit traurigstem Abscheiden mein unwürdiges Beileid zu bezeugen und dann die Tore zu schließen in diesem Hause der Trauer und Dunkelheit. Er beugt sich tief, stößt Perez, daß ihm das Parasol etwas über Juannas Augen niederfällt.

Perez. Nun, Tölpel –

Valerio. Ihr seid wankelfüßig, der Regenschirm bezeugte nur seinen Beifall.

Juanna. Es ward mir soeben wieder ganz dunkel vor den Augen aus Traurigkeit. Perez, sind meine Niècen, wie schicklich, am Fenster, ihr Beileid zu bezeugen? Gebt mir meine Trauerbrille und, Träger, wendet mich nach dem Schlosse!

Perez zu Valerio. Nun nehmt mir den Sonnenschirm ab, Tölpel. Er stolpert.

Valerio. Dankt Gott, daß Ihr über Euren eigenen Tölpel stolpertet, sonst wollte ich Euch die schiefen Beine gerade brechen. Seid Ihr schon so frühe besoffen?

Juanna. Besoffen, wer? Welche Ausdrücke!

Perez zu Valerio. Still, Freund, ich lasse dir den Kellerschlüssel! – Eure Herrlichkeit, er sagte nur, daß er den Maultieren habe zu saufen gegeben. Setzt ihr eine ziemliche Brille auf. Hier ist dero Herrlichkeit Brille – die tugendhaften Fräulein weinen schon lange.

Juanna hinaufsehend. Mein Gott, Isidora, wie halten Sie sich wieder in der Gegenwart meiner Abwesenheit? Sie werden buckelig werden, ehe ich wiederkomme; und Melanie, wie fassen Sie das Schnupftuch – mit beiden Händen – ist das eine Traurigkeit von Stand, eine Kondolenz? Sie würden eine schlechte Rolle bei der Abreise einer Königin-Mutter spielen. So, das ist schicklicher – alles mit Sitte und Anstand. Haben Sie nicht vergessen, wie Sie die Stunden bis zur Ankunft der Schwester meines schätzbaren Vetters, ihres verehrungswürdigen Vaters, zubringen sollen?

Isidora und Melanie verneigen sich. Nein, Ihre Herrlichkeit.

Juanna. Nein? Schon so unhöflich, seit ich vor der Türe bin?

Beide verneigen sich. Sie verzeihen; nein, Ihre Herrlichkeit!

Juanna. So leben Sie wohl, und mäßigen Sie Ihre Trauer; gegen Abend können Sie sich derselben wieder etwas überlassen. Auch erinnere ich Sie nochmals, hochspanisch zu sprechen, denn respektable Gefühle sollen in respektablen Worten ausgedrückt werden, so will es die Moral. Sie wird leise links durch die Kulissen weggetragen.

Melanie und Isidora verneigend und ein wenig die Hände ringend. O! Sie Vortrefflichste verlassen uns – Ziehen sich zurück.

 

 

Vierter Auftritt

 

Valerio. He, Mohrenkind, freundliche gute Nacht! komme auf den schwülen Hundstag.

Valeria. Wollt Ihr mich nun hineinbringen, Freund?

Valerio. Rühre deine Musik, da werden sich die Fräulein sehen lassen.

Valeria rührt das Tamburin; Isidora und Melanie treten ans Fenster; für sich. Ach! das ist sie, das ist Ponces Geliebte; o gerne trete ich zurück.

Melanie. Tanze, Mädchen!

Isidora. Singe lieber, du scheinst müde von der Reise.

Valeria sie singt, begleitet sich mit dem Tamburin, schreitet dabei zierlich hin und wider, oder steht still, wie es die Pantomime des Wechselgesangs, den sie singt, erfordert. Da sie in dem Duodrama des Liedes beide Personen spielt, so muß sie die vier ersten Zeilen jeder Abteilung etwas tiefer singen, denn sie sind der Gesang des Liebhabers, der sein Liebchen im Walde einsam träumend findet, die ihn nicht eher erkennt als im letzten Verse.

Was mag dich nur betrüben,

Daß du so traurig denkst?

Du mußt wohl Buße üben,

Weil du die Blicke senkst.

 

Wie durch die stillen Wiesen

Die Bächlein murmelnd gehn,

Die Blumen, die dran sprießen,

Wie die hinuntersehn,

 

So seh ich zu, so horch ich zu,

Bin freundlich mit ihnen auf du und du,

Und wollt, daß es mein Liebchen wär;

Ei, das begreifst du wohl nimmermehr.

Isidora. Recht artig.

Valeria. Kommt doch ein wenig zu mir in den Sonnenschein.

Melanie. Isidore, gehe ein wenig mit, ich möchte mit dem Mädchen plaudern.

Isidora. Ich wünschte wohl, aber ich weiß nicht, ob es sich schickt. Die Tante könnte uns vielleicht nicht gerne unten finden. Doch gehe du, ich will bleiben. – Melanie ab. – Singe fort, mein Kind!

Valeria.

Was ist dir nur geschehen?

Daß du so ganz allein

Im dunkeln Wald magst gehen,

Du mußt wohl närrisch sein!

 

Wie grüne Büsche lauschen

Und Echo wiederklingt,

Was leis die Büsche rauschen

Und froh das Vöglein singt,

 

So horch ich zu, so ruf ich zu,

Bin freundlich mit ihnen auf du und du,

Und wollt, daß es mein Liebchen wär;

Ei, das begreifst du wohl nimmermehr.

 

 

Fünfter Auftritt

 

Melanie und die Vorigen.

 

Melanie. Woher des Landes, kleine Sängerin?

Valeria. Ich habe keine Herrschaft mehr, und biete Euch meine Dienste an; ich heiße Flammetta.

Valerio. Nehmt das Kind an, Fräulein, sie erquickt uns alle mit ihrem artigen Wesen. Eure Tante, ich kenne sie, ist eine gute Dame, und wird sich ihrer freuen.

Valeria. Ich kann singen und tanzen, auch nähen und sticken, und will Euch recht schön putzen.

Isidora. Wenn du nur singst, so ists schon gut. Bleibe nur bei uns.

Melanie. Bleibe, Lohn können wir nicht geben, aber du kannst mit uns teilen.

Isidora. Ja, du kannst alles teilen.

Valeria vor sich. Ponce, Ponce.

Melanie. Tanze auch ein wenig, dann tanze ich mit.

Valeria. Gleich, ich singe mein Lied nur aus, am Ende gehört ohnedies der Tanz dazu.

 

Ich kann es wohl begreifen,

Sieh nicht so vor dich hin,

So wirst du wohl begreifen,

Daß ich dein Liebchen bin.

 

So laß uns tanzen, springen

Im kühlen, grünen Wald,

Die Töne laß erklingen,

Daß alles freudig schallt,

 

Tur, lu, tu, tu, tur, lu, tu, tu,

Wir leben und schweben auf du und du,

Und wenn es nicht mein Liebchen wär,

Ei, so begriff ichs wohl nimmermehr.

 

Melanie tanzt am Ende des Liedes mit ihr

 

Isidora. Schön, recht schön, aber komme herauf, liebe Melanie, ich höre die Glocken von Maultieren, unsre Tante kömmt wohl. Zieht sich zurück.

Melanie geht nach dem Tor. Je, da ist die Türe zugefahren; habt Ihr den Schlüssel, Hausmeister?

Valerio. Nein, er ist drinne.

Melanie. Isidora, Isidora, wirf mir den Schlüssel herunter!

Isidora am Fenster. Sie kömmt, ich sehe sie an dem Ende der Allee, ich suche den Schlüssel.

 

 

Sechster Auftritt

 

Porporino als Arzt, sehr verstellt. Hausmeister, geschwind, empfangt die Signora.

 

Isidora wirft den Schlüssel herunter, er fällt auf ihn. – Valerio ab.

 

Valeria vor sich. Wie Porporino närrisch aussieht!

Porporino zu Melanie. Ei, bei solcher Luft, wo es Schlüssel regnet, vor dem Hause, mein Kind! Fühlt ihr den Puls. Der Puls geht sehr schnell, und er läuft gleichsam, Ihr werdet ihm nicht nachkommen können.

Melanie. Er mag gehen, wie er will, Herr Doktor, so geht er Euch doch nichts an. – Meine gespannte Erwartung, und weil ich über die geschloßne Türe erschrocken bin –

Porporino. Ich nehme Euch für krank an – Geht zu Valerien, die in einem Winkelchen sitzt, und scherzt mit ihr.

 

 

Siebenter Auftritt

 

Valerio führt die Tante Isabella herein.

 

Isabella umarmt Melanie. Willkommen, Liebe!

Melanie. Verzeiht, mich hier zu treffen, ich wollte Euch entgegengehen.

Isabella. Es freut mich, so konnte ich dich gleich küssen.

Porporino zu Valerien. Du kleine Hexe wirst sicher noch verbrannt. Ich sei ein schlechter Arzt, sagst du, und ein guter Mensch? Freilich ich bin heilloser verliebt als in der Heilkunde erfahren.

Melanie. Ihr seid sehr gütig, liebe Tante!

Isabella. Wo ist deine Schwester, Liebe?

Melanie. Oben.

Isabella. Oben? Geschwinde soll sie herunterkommen; sie fürchtet sich doch nicht vor mir?

Melanie ruft hinauf. Isidore, Isidore, du sollst herabkommen!

Isidora am Fenster, verneigt sich. Ich freue mich sehr, liebe Tante!

Isabella. Wenn du dich freust, so komme herunter, Kind! Isidora zurück. Aber was ist das für eine kleine Mohrin?

Porporino führt Valerien hervor. Eine von den Schwarzen; übrigens will ich sie nicht bei Euch anschwärzen, denn sie scheint so gut als schwarz.

Valeria. Man nahm mich soeben hier auf, ich bin ein armes Kind, ich habe keine Eltern mehr.

Porporino. Sie ist ein kleiner Widerspruch, sie ist eine schwarze Waise.

Isabella. Du gefällst mir; wenn du willst hübsch lustig sein und dich mit allen gut vertragen, so sei mir willkommen; aber sei wahr und aufrichtig!

Valeria. Ich will euch allen Freude machen und allen aufrichtig begegnen.

Porporino. Ja, Farbe mußt du halten, bekennen oder trumpfen.

Valerio. Mache nur, daß sie dich nicht in den Skat legt.

Porporino. Der Bube sticht den Kavalier nicht, Hausmeister.

 

 

Achter Auftritt

 

Vorige, Isidora; Melanie führt sie heran.

 

Melanie. Sei nicht schüchtern, Liebe, die Tante ist sehr freundlich.

Isidora nähert sich. Ich freue mich sehr – Die Tränen in den Augen. meines lieben Vaters Schwester zu sehen.

Isabella umarmt sie. Auch ich, auch ich, seine lieben Kinder! Wie ihr noch klein waret, hatte ich euch oft auf dem Schoße; nun seid ihr schöne Jungfrauen, nun sind wir Freundinnen. Aber lustig! Ihr seid so schüchtern, wie habt ihr denn gelebt?

Isidora. Hier war ich nie, vor dem Tore, ich bin so gerührt!

Melanie. Donna Juanna war sehr strenge.

Isabella. Arme Kinder, nun wollen wir leben in Sonnenschein und freier Luft, und Euer Vater kömmt bald, da wollen wir noch fröhlicher sein. Lustig, Herr Leitarzt! nehmt meine Niècen an den Arm, wir wollen einen freudigen Einzug halten.

Porporino steht gebückt zwischen beiden mit hingebotenen Armen; sie stehen verwundert.

Isabella. Ein Arzt darf sogar verbotene Bücher lesen, scheut euch nicht, Kinder! Mohrenkind, tanze voraus, rühre dein Tamburin!

Porporino der immer in der vorigen Stellung stand. Meine Damen, ich schwöre euch, Sie geben ihm den Arm. ich bin zwar ein bißchen dumm, aber doch kein Esel zwischen zwei Heubündeln, auch setze ich mich nicht zwischen zwei Stühlen nieder, sondern ich stehe zwischen zwei Feuern. Und soll man wirklich das Eisen schmieden, wenn es warm ist, so gebt mir einige Schläge. Melanie schlägt ihn etwas mit der Hand. – Valeria tanzt vor ihnen hin mit dem Tamburin. Porporino mit den Mädchen nach.

Isabella zu Valerio. Nun, lieber Freund meines Bruders, wie geht es mit uns?

Valerio nimmt sie bei der Hand. Es wird mit mir im Tanzen so schlecht gehen, daß es mehr gehen wird als tanzen. Alle ab.

 

 

Neunter Auftritt

 

Zwei Diener mit dem Koffer Isabellens, den sie auf dem Rücken ins Schloß tragen.

 

Erster. Setz ab – was nur so eine Dame Schweres im Koffer haben mag?

Zweiter. Das sind die Jahre, das sammelt sich bei so einer Herrschaft von Jugend auf.

Erster. Braucht sie's doch nicht selber zu tragen.

Zweiter. Huck auf! Sie heben auf. Da haben wir ihre Vierzig auf dem Rücken.

Erster. Alle Monat ein Hemd – macht zwölf im Jahr – macht vierzig Dutzend – nun wer die auf dem Leibe hat –

Zweiter. Daran hat ein Esel genug.

Erster. Und so eine alte Dame auch überflüssig. Beide ab.

 

 

Zehnter Auftritt

 

Garten, links eine Statue des Apollo auf einem viereckigen Piedestal, um welches ringsum Bänke angebracht sind. Porporino und Valerio treten ein.

 

Porporino. Nun, wie geht es dem Hausmeister?

Valerio. Nicht besser als dem Leibarzte. Ich habe kein Haus als meines in Sevilla, und an dieses denke ich den ganzen Tag.

Porporino. Und ich habe keinen Leib als den meinen, an den denke ich den ganzen Tag. Besonders seit dem Jahre, daß die Perücken aufkamen, die kosten mir viel Studium.

Valerio. Tue sie ab, armer Schelm, bis jemand kömmt.

Porporino. Ich möchte, der Herr Apoll trüge sie statt meiner! Er nimmt sie ab und legt sie auf das Piedestal. So, nun kann ich trocken hinter den Ohren werden – ich opfre sie ihnen einstweilen auf.

Valerio. Es ist ordentlich recht melancholisch hier im Garten, so recht still; nicht wahr, Porporino?

Porporino. Ja, es scheint eine gute, stille Haushaltung, alles an seiner Stelle, im Hause pfeifen die Hausmäuse, und hier die Feldmäuse.

Valerio. Du kannst deine Perücke in acht nehmen, daß dir die lieben Hausmäuse kein Mäusehaus daraus machen. Was das Gras so hoch stellt! – Der vorige Hausmeister war ein Esel.

Porporino. Vermutlich ein verwöhnter, der kein Gras mehr fraß. – Ich wollte nur, Aquilar und Ponce kämen, uns die Zeit zu vertreiben; wahrlich, ich werde nicht eher Hausarzt gewesen sein, bis ich die Mäuse mit dem Gift, das die beiden haben werden, vertrieben habe. Es wird alles freundlich aussehen, wenn sie einen Tag hier sind, wir wollen ihnen einen Esel bohren, der schon in das Gras beißen wird.

Valerio. Die Leute sind freundlich und gut, aber auch die Mäuse sind sehr human. Ich konnte die vorige Nacht gar nicht schlafen, ich mußte mit dem tölpelhaften Perez in einem Bette schlafen. So sehr er auch mit Wein zugedeckt war, zog er mir doch immer die Decke weg; da dachte ich dann recht herzlich nach Hause. Was mich so recht daran erinnerte, war eine von den vielen lieben Mäusen; die pfiff ordentlich wie die in meiner Kammer zu Sevilla. Du weißt, sie war schon zu meiner selgen Frau Zeit da, es war, als wäre sie mitgezogen.

Porporino. Ja, ich kenne sie wohl, sie wird jetzt recht allein sein.

Valerio. Valeria hört sie nun, dachte ich immer.

Porporino. Die hört jetzt eine andere Gattung – die hört Kirchenmäuse, die singen gar auferbaulich. – Habe ich es Euch nicht gesagt? daß sie das Haus verschlossen und zu Eurer Base ins weiße Nonnenkloster ist.

Valerio. Ist sie? Brav – nu sieh, was das Kind auf Ehre hält.

Porporino. Ach, ich wollte, sie wäre hier, sie wäre mein, ich bin des Scherzes so müde!

Valerio. Es wäre schön, es wird auch werden. Hier bei den lieben Fräulein wird sie erst recht artig werden.

Porporino. Artiger? Sie kann nicht. Ich muß ohnedies schon viel artiger werden, um sie einzuholen.

Valerio. Ei, laß das; behalte deine Fröhlichkeit. Sieh, da kommen die lieben Leute. Porporino setzt die Perücke auf.

 

 

Eilfter Auftritt

 

Isabella, Valeria, die beiden Fräulein und die Vorigen.

 

Isabella. Nun, liebe Kinder, geht noch etwas im Garten auf und ab, und vertragt euch gut mit Flammetten.

Isidora. Liebe Tante, wir wissen gar nicht, wie uns geschieht, wir haben nie so gelebt. Es ist alles ganz anders.

Melanie. Ja, das ganze Gut ist verändert; es ist, als ob der Garten viel lustiger und grüner sei, seit Ihr da seid.

Isabella. Ich teile alle Eure Freude. Hört, heute abend will ich von jeder ein Liebesliedchen hören. Valeria und die beiden Fräulein ab.

 

 

Zwölfter Auftritt

 

Isabella, Valerio, Porporino.

 

Valerio. Ihr seid schon recht einig mit Euren Niècen.

Isabella. Die armen Kinder waren so verschüchtert, Ihr glaubt nicht, wie sie mich rührten. Isidore blieb etwas kalt, ihr Feuer ist im Herzen; Melanie ist leichter, ihr Feuer ist in der Welt.

Porporino. Ach, mein Feuer ist auch im Herzen, ich wollte Valeria wäre hier!

Isabella. Geduld, meine Freunde! Ich glaube, heute abend kommen die Pilger noch. Porporino, Ihr müßt ein wenig im Walde herumspionieren. Kommt jetzt herauf, wir wollen das Nötige noch verabreden. Alle ab.

 

 

Dreizehnter Auftritt

 

Isidora, Melanie, Valeria.

 

Isidora. Die Tante ist schon wieder oben, Melanie, sollten wir ihr nicht folgen? Zwar bliebe ich gern noch hier, bleibst du wohl lieber als ich?

Melanie. Ich freue mich so, daß du lebendig wirst und unsre Freude mitgenießest – ich gehe hinauf.

Isidora. Wir sollen ihr heute noch singen; was singen wir dann?

Melanie. Wir haben ja noch die weltlichen Lieder, die uns Felix brachte. – Wir haben sie so heimlich lernen müssen, wirst du deine Stimme noch können?

Isidora. Ich glaube wohl.

Melanie. Ich kann so etwas nicht behalten, ich will mich ein wenig üben, dann rufe ich dich. Ab.

Isidora. Komme, setzen wir uns hierher, Flammetta, wir wollen reden, damit wir bekannter werden. Sie setzen sich an die Statue. Erzähle mir allerlei von dir.

Valeria. Und wenn ich Euch nun etwas von Euch erzählte, was Euch noch nicht bekannt ist? Ihr seid so still und Eure Schwester ist so fröhlich?

Isidora. Ich war selten abends im Freien, der Abend berührt mich still, so antworte ich. Doch, Liebe, was weißt du von mir? Ich glaubte nicht, daß jemand von uns spräche; wir leben so verborgen.

Valeria. Wo Schätze tief in der Erde verborgen sind, erscheint oft ein Feuer in der Nacht, auch stellt der Regenbogen seinen Fuß dahin. Das Vortreffliche bleibt nie geheim.

Isidora. Es ist ein schöner Aberglaube.

Valeria. Geizhälse glauben noch an ihn, und einen solchen hört ich sprechen.

Isidora. Mädchen, sei nicht so geheimnisvoll, du bist schon ohnedies ein Wunderkind. Du wirst mir bange machen; sage, was hörtest du von mir?

Valeria. O – großes Lob! wie stolz und sanft Ihr seid, wie fröhlich, und wie fromm, und schön, wie schön! Ich hörte Eurem Bruder eine Stunde zu.

Isidora. Mein Bruder! Ich Kind, daß ich nicht an ihn dachte; wer kann mich loben als Don Felix? – Wo sahst du ihn?

Valeria. Er kam von Euch zurück und war noch ganz gerührt. Es war auf einem Balle, ich hatte mich mit einem kleinen Bürgermädchen hingeschlichen, die mir sehr gut geworden ist.

Isidora. Mein Bruder sprach so öffentlich von mir?

Valeria. Er wurde dazu aufgefordert, denn Ponce, sein Freund, drang mit vielen Fragen in ihn.

Isidora. Du sprichst so abgebrochen, Flammetta, als sollte ich immer staunen. – Ich höre gern von Felix sprechen, und von seinen Freunden – von Ponce hat er mir oft erzählt. Ich hörte immer mit größerer Freude zu, denn Felix liebt ihn sehr; er sagt, daß Ponce unendlich von ihm verschieden sei, und doch so liebenswürdig, darüber habe ich oft gedacht. Erzähle, was du weißt, aber nicht abgebrochen.

Valeria. Das Mädchen, das mich hinbrachte, stand mit mir am Eingange, und zeigte mir Don Ponce, sie liebt ihn.

Isidora. Liebt ihn – wer ist dies Mädchen denn?

Valeria. Seht, nun unterbrecht Ihr mich selbst. Sie ist ein armes Bürgermädchen, aber sie hat ein gutes, weiches Herz, und Ponce ging lange mit ihr um. Zu diesem Balle selbst hatte sie ihn angekleidet, und freute sich, wie er so zierlich aussah.

Isidora. Ist er ein schöner Mann?

Valeria. Ich bin viele Städte durchzogen, und habe keinen schönern Mann gesehen. Er fragte Euren Bruder so dringend nach Euch, und wie dieser so schön von Euch sprach, war er ganz entzückt, und wollte gar nichts anders mehr hören. Meine Freundin war sehr traurig darüber, denn sie liebt ihn sehr.

Isidora. Felix sagte mir oft, er sei sehr wankelmütig.

Valeria. Aber er verwandelt sich immer in etwas Schöneres. Da das arme Mädchen sah, wie er sich verändere, ging sie zu ihm hin.

Isidora. Vor allen diesen Menschen?

Valeria. Die Liebe könnte wohl dies Mädchen bewegen, ihm die weite Welt nachzufolgen. Aber er lachte über sie, er sagte kalt, es liebe niemand ihn in Sevilla.

Isidora. Er lachte? Flammetta, das konnte er wohl nicht, du hörtest falsch, oder er verstand das Mädchen nicht.

Valeria. Ich hörte es wohl, das Mädchen ging mit mir nach Haus, und weinte sehr, – Ponce kam auch nicht mehr zu ihr. Weint.

Isidora. Du bist ein gutes Kind, daß dich das Leid deiner Freundin so schmerzt. Auch mich schmerzt es sehr – sehr; hat er das Mädchen denn jemals wirklich geliebt?

Valeria. Ihr kennt das Mädchen nicht, und seid gerührt?

Isidora. Ich weiß nicht, aber dieser Ponce, gerade dieser – ich kannte außer Felix keinen Mann als ihn; doch sah ich ihn nie. Liebte er das Mädchen je? sage –

Valeria. Das Mädchen schien es fest geglaubt zu haben, daß er sie liebe; ja, er hatte sie ganz verwandelt.

Isidora. Wie das?

Valeria. Sie war vorher geringer, und brauchte weniger im Herzen und im Leben. Aber nun ist sie wohl bald wieder wie ehedem, denn auch Ponce habt Ihr verwandelt.

Isidora. Ich? ich sah ihn nie!

Valeria. Valeria sagte mir, er sei ganz anders geworden, er sei lebendig und sanfter geworden, Euer Bild sei in seine Brust wie ein Funken in ein schönes Kunstfeuer gefallen, und tausend schöne Flammen loderten aus ihm empor, die alle alle Euren Namen in ihren hellen Zügen kreisten.

Isidora. Die arme Valeria! Was soll das Spiel mit mir? Auch das wird bald verloschen sein. Das ewige Feuer kreist und sprühet nicht, es war vor der Nacht, und zog als Sonn und Mond und Stern am neuerschaffenen Himmel hin.

Valeria. Doch da die Welt aus der Liebe hervorbrach, war da das Feuer nicht einem Kunstfeuer zu vergleichen, das sich in seiner schönen Ordnung in die Planeten entzündete?

Isidora. Doch nie verlosch –

Valeria. Wißt Ihr das Ende der Welt, und wißt Ihr das Ende von Ponces Liebe zu Euch? Valeria wird glücklich, wenn Ihr ihn liebt.

Isidora steht auf. Wer bist du, Mohrenkind? Es ist, als wärst du eine Zauberin, als wär ich dort in der Fontäne eingeschlummert und eine Nymphe sag' mir wundersamen Traum ins Ohr. – Vor wenig Stunden war ich noch allein – und nun bewegt sich eine fremde Welt um mich.

Valeria. Verzeiht, wenn man so traulich spricht und sich liebt, von Dingen redet, die beiden lieb sind, so trägt oft das Gespräch, wie ein geheimes drittes Leben, die Seelen wunderbar empor. Doch wißt, Liebe, Valeria hat mich gebeten, Euch zu grüßen. «Wenn sie so hold ist,» sagte sie, «als Ponce sie liebt, so bitte sie, daß sie ihn wiederliebe, mich wird das glücklich machen.» Auch ist sie wieder froh, wie ehedem.

Isidora. Ich werde nimmer diesen Ponce lieben, der meine Freundin so gekränkt, und dieser Ponce – wie will er zu mir gelangen? Mein Vater ist nicht hier, – Felix darf ihn nicht bringen; ich wollte, er hätte von mir geschwiegen, ich wollte, ich wäre bei Valeria! – Felix will ich schreiben, er solle mit diesem Manne behutsamer sein. Auch ich will nicht mehr an ihn denken, denn ich bin schuld an allem.

Valeria. Ihr seid es nicht, Ihr seid nicht schuld an Eurer Anmut, und Ponce ist auch nicht schuld, daß er Euch liebt.

 

 

Vierzehnter Auftritt

 

Valerio, Vorige.

 

Isidora. Man ruft mich, Liebe, und deiner Freundin schreibe, daß ich Ponce niemals lieben werde, weil sie ihn liebt.

Valerio. Eure Fräulein Schwester bittet Euch, zu ihr zu kommen. Auch wird es dunkel, und da die Mäuse hier im Schlosse so kultiviert sind, daß sie den Gebrauch aller Speisen kennen, so ist es sehr wahrscheinlich, daß auch einige Aerostatiker oder so genannte Fledermäuse unter ihnen sind, drum zieht Euch zurück.

Isidora. Ich gehe; lebe wohl, Flammetta. Ab.

Valerio. Du, kleine Silhouette! gehe mit mir, wir wollen uns vor das Tor in die Esplanate setzen und gegen Sevilla gucken. Beide ab.

 

 

Funfzehnter Auftritt

 

Porporino schleicht stillschweigend übers Theater weg und giebt mit Pantomime zu verstehen, daß er die Ankunft der beiden Ritter bemerkt.

 

 

Sechszehnter Auftritt

 

Ponce geht ohne Rock und Hut rasch quer über das Theater weg, von der Rechten zur Linken; Aquilar tritt auf, er geht müde, schwer bepackt, auf seinem großen Pilgerhut hat er noch Ponces Pilgerhut sitzen; er hat zwei Pilgerstäbe, zwei Mäntel und die Laute – steht und ruft dem Ponce in die Kulisse.

 

Aquilar. Der Verliebte läuft wie unsinnig; he, Ponce, stehe! Ich gehe keinen Schritt weiter.

Ponce in der Kulisse. Wir sind ja gleich dort, es zieht wie ein Magnetfelsen.

Aquilar. Gleich dort? Ich spüre nichts als meine Müdigkeit und deine Bequemlichkeit – ich gehe keinen Schritt mehr – nimm deinen Mantel, und deinen Hut – du läufst wie zwei.

Ponce tritt ein. Verdammt der Schritt zurück! und folgst du nicht wie zwei, hast du nicht zwei Hüte, zwei Mäntel, zwei Röcke, könntest du nicht folgen?

Aquilar. Du bist unerträglich bequem, seit du verliebt bist.

Ponce. Ach, fühltest du die Last, die auf mir liegt; auch dieses Kleid möchte ich abwerfen, um hinzufliegen.

Aquilar. Oho – nackt möchtest du wohl willkommen sein.

Ponce. Noch mehr als nackt, ermorden möcht ich mich, daß meine Seele in den Himmel schwebe – in den Himmel, sage ich, denn sicher wölbet sich ein seidner Himmel voll selger Träume über ihrem Bette, – ich will nicht selig werden, Aquilar, in keinem Himmel als in diesem.

Aquilar wirft Ponces Kleider hin. Nimm – du bist ja sehr erfahren in der Himmelskunde.

Ponce kleidet sich an. Auch das, ich will dich lehren – drei Himmel sind. Der dritte ist der schlechteste. – Der erste Himmel ist über Liebchens Bette, wo Leben, Liebe und Tod sich lösen, wo alles eins nur wird, das ist der höchste, beste Himmel. Der zweite Himmel ist der Himmelwagen oder Totenwagen, in ihm ist Liebe und Leben hin, der Tod fährt einmal noch spazieren, das ist der ganze Spaß. Der dritte Himmel aber ist ein armer Himmel, der alle seine Freude an das Leben versetzte, da ist kein Anfang und kein Ende, kein Leben und kein Tod, da sitzt die Liebe ganz allein – das ist ein langweiliger Himmel – Wirft den Mantel um. Fort, mein Mantel brennt, – es ist heute meine Himmelfahrt – Ab.

Aquilar. Stecke nur den Wald nicht an. Ab.

Ponce. Du Kalter, lösche seine grünen Flammen. Hinter der Szene.

 

 

Siebenzehnter Auftritt

 

Valerio und Valeria in der Esplanate auf einer Bank; es ist schon ziemlich dunkel.

 

Valerio. Du hast also meine Tochter gesehen?

Valeria. Wie ich Euch sagte, lieber Valerio – Sie reichte mir im Kloster die Suppe.

Valerio. Da ist sie wohl ordentlich wie ein Nönnchen – was sprach sie dann?

Valeria. Wenig – sie schien traurig zu sein.

Valerio. Traurig? Ja, das ist es eben, das ist es – ich bin auch traurig – sieh, meine Tochter ist verliebt – und da ist sie traurig.

Valeria. Davon sprach sie nichts; ich fragte sie, ob sie eine Nonne werden wolle. Ei, behüte Gott! sagte sie.

Valerio. Ja, ja, Nonne werden, das war auch eine possierliche Frage. – Ei, behüte Gott! sagte sie; das sieht ihr ähnlich.

Valeria. Ich fragte sie, warum sie so traurig sei.

Valerio. Da sagte sie wohl, ich bin verliebt? Doch das sagte sie nicht – man sagt es nicht was sprach sie da?

Valeria. Sie sprach, mein lieber Vater ist verreist, und das tut mir leid.

Valerio. Sagte sie das? Komme, Mädchen, Er küßt sie. du bist viel Geld wert, ich lasse dich dafür in Gold einfassen, und trage dich am Finger wie Karfunkelstein.

Valeria. Wie Euch das freut! Wenn ich einen Vater hätte, der so gut wäre, ich liefe ihm nach.

Valerio. Wenn aber dein Geliebter in der Stadt wäre, machtest du es wie sie, und bliebst dort.

Valeria. Wenn aber Euer Mädchen Euch nachliefe, und ihrem Geliebten, wie dann?

Valerio. Dann –? Wenn ich es jetzt bedenke, wäre es nicht recht; wäre sie aber da, ich verzieh' es ihr aus Freude.

 

 

Achtzehnter Auftritt

 

Porporino kömmt rechts aus der Allee, singt mutwillig.

Die heiligen drei König mit ihrem Stern,

Sie essen und trinken und bezahlen nicht gern.

Guten Abend, Herodes! guten Abend, Mohrenkönig! die zwei andern kommen schon, der Verliebte läuft wie besessen, der andere muß schon aus einem trägern Klima sein, er kann kaum nach.

Valerio. Was schwätzest du?

Valeria. Herr Doktor, ihr seid sehr lustig.

Porporino faßt sich. Man ist nicht grade kein Mensch, wenn man ein Doktor ist, obschon etwas unmenschlich. Ich wollte Euch nur sagen, Herr Hausmeister, die Patienten laufen schnurstracks hierher, und sind schwer verwundet, ich schlich immer um sie herum, und schon wieder – Ab. – Schleicht durch eine andere Kulisse denselben Weg.

Valerio. Ich gehe herein, mein Kind.

Valeria. Ich komme Euch gleich nach, laßt mich noch ein wenig. Valerio ab.

 

 

Neunzehnter Auftritt

 

Valeria allein. Gleich darauf Ponce; es ist dunkel.

 

Valeria. Er kömmt, er kömmt – nun kömmt er! Ach, was hat mir dieser Mann getan, und was kann ich um ihn tun? Sonst liebte er mich, und hielt mich in den Armen – und eine andere nimmt ihn hin, die er nie sah. Unter einem Dache wird er mit mir sein, und mein armes Kind, die Sklavin seiner Geliebten. Ich bin es gern, er soll durch mich zu ihr nur einmal noch, o könnt ich nur ein einzig armes Mal noch ihn umarmen! An seiner Brust soll mir der Sieg entgegenkommen, an seiner Brust, an der mein Mut erlag. Ich höre seine Schritte – er ist es – er redet – nein – wie anders ist seine Stimme – Zieht sich an die linke Seite des Theaters; Ponce erscheint auf der rechten Seite.

Ponce. Da bin ich armer Pilger nun – wie arm, die ganze Welt legt vor mir.

Valeria. O wenn er es wäre! Ich harre schon den ganzen Tag mit Schmerzen.

Ponce. Ich höre sprechen – sie harrt mit Schmerzen – o wäre sie es selbst! O Gott, sie harrte eines andern – o Isidora!

Valeria. Schweig, banges Herz! er ist es, er nannte ihren Namen, meinen nennt er nimmer – ich will hin, will ihn um einen Kuß betrügen.

Ponce. Bei Gott, sie ist es, sie liebt schon; ich komme zu der Stunde, die ein anderer versäumte.

Valeria lauter ihm entgegen. Geliebter, mein Geliebter, trete näher!

Ponce nähert sich. Wer sollte solchem holden Ruf nicht folgen?

Valeria umfängt ihn. O lieber, einzig lieber Mann!

Ponce. Verzeiht, ich kenne Euch nicht, ich bin ein Pilger.

Valeria hält ihn immer umfangen.

Ponce. O wäre ich der, der ich deinen Armen bin! Laßt mich, ich bin ein Fremdling!

Valeria zurücktretend. Ein Fremdling – ach! ein Fremdling seid Ihr? Ich irrte mich – verzeiht, – und rühmt Euch nicht, daß Euch an diesem Schlosse ein Weib umarmte. Sie geht schnell ins Schloß.

 

 

Zwanzigster Auftritt

 

Ponce allein; heftig. Ein Schurke bist du, den dies Weib erwartete – ein Schurke, der solche Liebe nicht empfing, – und ach! so köstlich ist die Liebe, kein Tropfen ihres süßen Giftes soll verloren gehen – was jenem hingegeben war wie Süßigkeit, brennt nun wie Gift durch alle meine Adern! O käme er nun, der schändlich solche Gabe versäumte, er müßte sterben, weil ich ihm das Leben abgewann – ich höre Schritte – war er es vielleicht – dicht hinter diesem ersten Himmel geht der Himmelwagen, und wer nicht in den Arm der Liebe fiel, gehört dem Tod – Er zieht den Dolch.

 

 

Einundzwanzigster Auftritt

 

Aquilar, Ponce.

 

Ponce geht auf ihn los und faßt ihn. Du kömmst zu spät zum Leben, zum Tode eben recht.

Aquilar stößt ihn zurück. Und du kommst zu früh – was willst du mit dem Dolche? Ich glaube, du bist verrückt.

Ponce. Bist du es, träger Freund? O wärst du doch der träge Feind, den ich erwartete!

Aquilar. Ich glaube gar, du willst mich ernstlich verwunden! So ist es nicht bedungen.

Ponce. Ich bin zerrissen –

Aquilar. Nein, abgerissen bist du, hier zu lärmen, wo wir als arme, bedrängte Pilger ankommen sollen.

 

Man hört hier eine Laute und weiblichen Gesang im Schlosse,

in dem einzelne Fenster erleuchtet sind.

 

Ponce. O höre, wie zerschneidet das das Herz!

Aquilar. Ich finde, daß es Ohr und Herz erquickt, ich höre keinen falschen Ton.

Ponce. Wie sollten solche süße Lippen falsche Töne singen? Doch sage ich, des Menschen Herz ist falsch, den diese klagenden Töne beschuldigen, und falsch ist der, der sie hört, denn ach! ich bin der Rechte nicht.

Aquilar. Sei klug – mache, daß wir hineinkommen; wenn wir länger warten, gehen die guten Leute schlafen.

Ponce. Ach! sie wird heute nicht schlafen können.

Aquilar. Wenn du die ganze Nacht hier lärmst, nein! Mache fort, und singe – ich bin schon verwundet Er setzt sich an einen Baum. – langweile mich nicht hier im Dunkeln.

Ponce. Singen? Bei Gott! ich singe keine Note, mir sind die Lippen so versiegelt, die Augen so geöffnet, weinen möchte ich.

Aquilar. Nun so will ich schreien – Ach! – helft!

Ponce. Um Gotteswillen, schweige! – ich höre ihn.

 

 

Zweiundzwanzigster Auftritt

 

Porporino aus dem Wald.

Ach wenn das Mädchen wüßte,

Daß ich, daß ich es bin,

Der sie so freundlich küßte,

Sie gäb, sie gäb sich hin.

Ponce springt auf ihn los. Du kömmst zu spät – ich habe schon genommen, was dir gehört.

Porporino. Hülfe! ins Teufels Namen, mein Herr! seid Ihr ein Mörder, oder Vor sich. mein Nebenbuhler?

Aquilar hält Ponce zurück. Was soll das, Gabriel, so höre auf; ich glaube, du bist verrückt.

Porporino. Ihr habt mir genommen, was mir gehört, das mag wohl sein, Ihr scheint eine Anlage zum Stehlen zu haben, aber das Leben sollt Ihr mir nicht nehmen.

Ponce Aquilar hält ihn. So lasse mich doch, er ist es.

Aquilar. Ich begreife dich nicht.

Ponce. Wer seid Ihr? sprecht.

Porporino. Ich bin der Arzt hier aus dem Schlosse, und komme aus dem Walde, der voller Diebe sein soll, aber hier vermutete ich keine.

Aquilar läßt Ponce los. Ach! so seid Ihr besser weggekommen als wir – wir sind arme Pilger, man hat uns geplündert, und ich bin verwundet – mein Freund hielt Euch für den Täter.

Porporino. Mein Herr, seid in Zukunft nicht so hastig im Halten, und Euch danke ich, daß Ihr ihn so schnell festhieltet.

Ponce. Verzeiht, Herr Doktor, helft uns, schafft uns ein Unterkommen!

Aquilar lehnt am Baum. Ach, die Anstrengung erschöpfte mich ganz!

Porporino. Wartet, ich will rufen, daß man Euch hereinschaffe. Ab.

 

 

Dreiundzwanzigster Auftritt

 

Ponce, Aquilar.

 

Ponce. Ich danke dir, Freund, daß du meinen Anfall so gut gewendet hast.

Aquilar. Deinen Anfall? Du hast einen erschrecklich dummen Anfall.

Ponce. Sei zufrieden, wir kommen so hinein. Das Schicksal hat es gut gewendet – ach, Aquilar, wenn du wüßtest, was ich erfahren habe!

Aquilar. Ich wundre mich nicht, du hast dich in ein Gemälde verliebt, und könntest über jede Schilderei eifersüchtig werden. Aber auch ich habe etwas Fatales erfahren.

Ponce. Und?

Aquilar. Es ist ein Arzt im Hause, der wird nun immer nach meiner Wunde sehen wollen, die ich nicht habe.

Ponce. Setze ihm eine Brille mit goldnen Gläsern auf, so sieht er sie nicht.

Aquilar. Das ist auch keine Kunst, eine Kunst wäre, sie zu sehen; doch man kömmt.

 

 

Vierundzwanzigster Auftritt

 

Vorige, Porporino mit einer Fackel, zwei Diener mit einer Tragbahre.

 

Porporino. Wo ist Ihre Wunde, mein Herr?

Aquilar. Meine Wunde? Sie ist – sie ist –

Ponce. In der rechten Seite.

Porporino. So gebe Gott, daß Ihr links seid, wie es auch scheint, da Ihr nicht wußtet, daß Eure Wunde rechts ist. Träger, ladet ihn auf. Sie stellen die Bahre hin und wollen ihn fassen.

Aquilar. Ich bitte, ich werde wohl noch so weit gehen können.

Träger. Ei, legt Euch nur auf die Bahre.

Aquilar. Auf die Bahre? So weit bin ich hoffentlich noch nicht.

Porporino. Wir wollen Euch schon hinbringen; legt ihn auf die Tragbahre. Sie legen ihn drauf.

Aquilar. O Gabriel! ich werde des Teufels –

Porporino. Seid nur geduldig, es wird schon werden.

Ponce. Ruhig, Fernand, wenn ich nur je des Engels wurde! Sie tragen ihn langsam ab. Du bist ein wahres Bild des Lebens, ein festlich Kleid, das später tragbar wird, und endlich abgetragen.

Porporino. Nun fort, Kerls! Ich hätte in der Zeit eine Festung abtragen wollen. Alle ab.