BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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Sturm sie nicht zerknickt. Warum giebt es nicht mehr Pflanzschulen für arme Künstler?

Manchmal gehe ich längs der Seine hin, auf den sogenannten Quais, wo ein ganzes Heer Antiquare ihre bestaubten Bücher ausgestellt haben. Hier ist Neues und Altes, Gutes und Schlechtes – die Lust herum zu kramen treibt mich näher, gleich kommt so ein Fant, blättert auch in einem Buche und starrt mir neugierig in's Gesicht. Da geh' ich verdrießlich weiter. Eine Frau ist doch ein genirtes Ding; die Frau gehört eben in's Haus. Die Deutschen haben das durchschaut, und hübsch getroffen, indem sie uns beim rechten Namen nennen: Hausfrau! Frauenzimmer! – Nie hörte ich öfters, als in Paris, das Wort: Decence aussprechen, wohl deswegen weil sie hier nur in der Idee existirt.stler?

Doch nun ist es Zeit, für heute die Fenster meines Guckkastens zu schließen, und so lebe denn wohl, und erhalte mir Deine Liebe!

 

 

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IV.

Paris, am 20. Februar

 

Diesmal geliebter Vaters mußt Du schon etwas Deine Criminalisten-Würde verläugnen und mich, Deine Parise­rin, hinbegleiten, wohin du wohl sonst wenig Lust zu ge­hen hättest, ich meine: in die Opera Italiana, in eine Soiree musicale  und  zu  Mr.  Comte.  Vorgestern  Abends, gegen

 

acht Uhr versetzte mich mein musikalischer Glücksstern in eine der schönsten Mittellogen des Theatre Italien. Man gab: il Pirata, und Rubini's Stimme, ein wahrer Rubin, ent­zückte Jeden und natürlich auch mich. Der Riesenstimme von Lablache schloß sich der liebliche Gesang Tamburini's an, – kurz diesen italienischen Zaubervögeln ist keine Höhe zu hoch, und keine Tiefe zu tief, und kein Herz zu philisterhaft, es muß durch den Zauber ihrer Töne besiegt werden. Das einzige, was mich wieder einigermaßen nüchtern macht, ist, wenn ich selbst an meinem Instrument produzierend sitze. Gut! daß hundert Meilen uns trennen, denn verzweifeln müßtest Du, lieber Vater, wenn Du mich hörtest die Kalkbrenner'sche Schule durchüben. Herr Osborne, ein Irländer, (Kalkbrenner's erster Schüler) ist nun auch mein Lehrer geworden. Seine treffliche Methode, durch welche man der schweren Mechanik des Klaviers völlig Meister werden kann, wünsche ich allen denen anzupreisen die auf diesem Instrument etwas leisten wollen. Der ganze Unterricht besteht in wenigen einfachen Regeln, auf die sich alle, auch die kühnsten Passagen zurückführen lassen. Die herrschende Unart der deutschen Klavier­spieler,  die  mit  den  Armen,  ja  mit  dem ganzen Menschen  handthieren,  und losstürmen, je toller je besser, ist ganz unerträglich, wenn man Kalkbrenner, Osborne, und die, welche zu dieser  Schule  gehören,  spielen  sieht und hört.  Jeder  der  zehn  Finger  hat  gleiche  Stärke, und weil  sie  von  den  Armgelenken  unabhängig  sich bewegen,  so  ist  die  Tonreihe  einem  fließenden   Bache gleich.  Das  Spiel  kommt  der  mensch­lichen  Stimme  nahe  –  der  Takt  ist  wie  die  Uhr  exact  –  alle  Nüancen

 

 


 

Bouquinisten an der Seine

 

Giovanni Battista Rubini

(1794 - 1854), italienischer Sänger

 

Antonio Tamburini

(1800 - 1876), italienischer

Opernsänger (Bariton)

 

Friedrich Kalkbrenner

(1785-1849), deutsch-französischer

Pianist und Komponist

 

George Alexander Osborne

(1806-1893), irischer Komponist

und Pianist