BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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hat hier seine bestimmten Bußpsalmen und Evangelien. Man kniet, während sie vorgelesen werden; so auch während der Litaney, wo die Gemeinde, wie in der römischen Kirche, auch mit einem Lord have mercy on us (Herr, erbarme dich unser!) antwortet. Hinter einem grünen Vorhang, uns zur Rechten, standen zwölf weißgekleidete Chorknaben, die das Kyrieleison rührend absangen. Erst nachdem das Wort Gottes reichlich vorgelesen war, begann die eigentliche Predigt, welche den kürzern Theil des Gottesdienstes ausmachte. Es freute mich, in der englischen Kirche das zu finden, was ich immer unserm protestantischen Ritus gewünscht, ich meine: als äußeres Zeichen von Gottesfurcht, das Niederknieen. Wenigstens darf hier in England und Irland ein andächtiges Gemüth, ungezwungen dem innern Drang des Herzens folgen. – Daß auch die Engländer auf ihren Reisen stets streng Sonntag halten, deß war ich oft Zeuge; sie versammeln sich dann, um dieselbe Stunde, wie in der Heimath, um die Bibel nnd das Common Prayerbook. Alles wird so genau wie in der Kirche beobachtet. Der Engländer ist also in gewisser Beziehung in geistiger Verbindung mit allen seinen Brüdern, in welche Länder sie auch immer zerstreut seyn mögen. – Lebe wohl, lieber Vater! Über das Meer hin sende ich die innigsten Grüße.

 

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XII.

Dungannon, am 25. Juny.   

 

Der Freigebigkeit meines Gelehrten verdanke ich meh­rere Züge aus Patrick's Leben, die ich nun, geordnet, Dir mittheile. Für Heute also nichts als:

St. Patrick.

In einer Gegend der nord-westlichen Küste Galliens, in dem heutigen Boulogne, lebte im Jahre 387 eine geachtete Familie, Patrick genannt, und römischen Ursprungs. Der Vater versah das Amt eines Senators und später das eines Diakonen. Sie hatten einen Sohn, der einst als Knabe, an der armorikanischen Küste verweilend, dort in Gefangen­schaft gerieth, und nach Irland gebracht ward. Hier kaufte ihn als Sklaven ein Mann, namens Milcho,  und  Patrick  mußte  ihm  die  Schafe  hüten.  Wenn  er  so  einsam  durch  die  Gegenden  Dalaradiens  (die  heutige  Grafschaft  Antrim)  über  die  Berge  wanderte,  ent­stiegen  oft  seiner  Brust  tiefe  Seufzer  und  heiße  Gebete  zu  Gott,  der  in's  Verborgene  sieht,  der  immer  tiefer  ihn  in  die  Selbsterkenntniß  ein­führte,  und  seinen  Glauben  an  den  Erlöser und seine Liebe zur Wahrheit befestigte. Sechs Jahre hatte er schon als Sklave gedient, als plötzlich in ihm, heftiger als je, die Sehn­sucht nach Freiheit erwachte. Eine Stimme im Traume verkündigte ihm, daß er bald sein Vaterland sehen werde, ja ein Schiff zur Aufnahme  sey  schon  bereit.  So  floh  er  denn  im siebenten  Jahre  seiner  Gefangenschaft  zur südwestlichen

 

 


 

Keltische Kleinplastik, St. Patrick (?)