BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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Dreizehn bei Tische (Treize à table).

 

Gott! – Freunde, dreizehn ja am Tisch ich sehe,

Auch liegt das Salz zerstreut umher vor mir.

O Unglückszahl! Entsetzlich Zeichen! Wehe!

Der Tod läuft her! Vor Angst vergeh' ich schier! –

Ein Geist, Fee oder Göttin, steigt hernieder –

Schön ist sie, jung, sie lächelt freundlich her.

Entflammt zur Freude Euch, beim Klang der Lieder.

Nein, Freunde, nein, mich schreckt der Tod nicht mehr.

 

Geladen kommt sie, scheint's, zum Festvereine;

Auch sie, wie wir, trägt einen Blumenkranz.

Doch ich nur seh' sie, seh' ihr Haupt im Scheine

Des Regenbogenlichts, in buntem Glanz.

Auf eine Fessel zeigt sie, die zerrissen,

Ein schlummernd Kind im Arm schwebt sie daher. –

Laßt Labung in den leeren Becher fließen.

Nein, Freunde, nein, mich schreckt der Tod nicht mehr.

 

Sie spricht: «nun sieh! darf man vor mir verzagen –

Der Hoffnung Schwester und des Himmels Kind?

Darf über den Befreier sich beklagen

Der Sklav, dem schwer des Zwingherrn Fesseln sind?

Gefall'ner Engel! sollst sie wieder haben

Die Schwingen – diese Erde nahm sie dir.»

O Freunde, laßt der Schönen Kuß uns laben!

Der Tod, er ist nun nicht mehr schrecklich mir.

 

«Ich komme wieder,» sagt sie, «dann wird streben

Dein Geist von Welt zu Welten himmelan,

In's goldne Blau, wo Sonnen kreisend schweben,

Die Gott gestreut hat auf der Zeiten Bahn.

 

So lang du aber mußt im Joch dich schmiegen,

Magst furchtlos du schuldloser Lust dich weihn.»

Verbrauchen wir dies Leben im Vergnügen! –

Der Tod, ihr Freunde, kann nicht schrecklich seyn.

 

Ha! die Erscheinung jetzt in's Nichts verschwebet,

Vom Hund verjagt, der draußen heult so arg.

Vergebens, ach! der Mensch zurücke bebet,

Berührt sein Fuß den kalten Leichensarg.

Laßt, muntre Passagier', das Schiffchen treiben

Im Schicksalsstrom, 's führt in den Hafen ein.

Zählt Gott, so laßt hier unsrer Dreizehn bleiben.

Der Tod kann, Freunde, mir nicht schrecklich seyn.

 

 

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Am 29. Juli. 

 

So eben komme ich von den Champs elysées. Auf einem großen, freien Platze sind zwei kolossale Theater erbaut, rings Pavillons mit Musikchören. Wir setzten uns, der Dinge zu harren, die da kommen sollten. Da  seh  ich um   die  Ecke  einen  Invaliden,  in  einem  Stuhlwägel­chen  gefahren;  lahm  war  er,  erschöpft  von  Wunden und  Siegen,  denn  nach  seinem  ehrwürdigen  Aeußern zu  schließen,  hatte  er  unter  Napoleon  gedient.  Der andere  Invalide  und  Lenker  des  Stuhls,  war  ein Stelzfuß  und  taub.  Mit  vieler  Anstrengung  kauerte sich nun  der  Lahme  auf  den  Schemel,  weil  sein  treuer Gefährte  des  guten  Sitzes  genießen  sollte  –  es  begann ein   edler   Wettstreit.  Endlich mußte der Taube nach­geben.   Dann   wechselten   sie   wieder  und  der  Invalide