BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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Wir besuchten das Fest del convento di Cimella, Klosterkirche der Franziskaner. Die Feste, wie sie hier zu Lande in der Fastenzeit üblich, bestehen darin, daß eine große Menge Volks zur Kirche eines Klosters an einem bestimmten Tage wallfahret. Dann versammeln sich die Zünfte, und die Männer in scharlachrothen Kaputzen und Mäntel gewickelt, die Frauen in weiße Schleier verkappt, ziehen singend in Prozession einher. Obgleich diese Comödie mehr lustig als tragisch ist, so konnte ich mich einer tiefen Wehmuth nicht erwehren.

 

 

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Ein kleiner Irrthum!

 

Unsere Gärtnerin war gestern zum ersten Mal in ihrem Leben in's Theater gerathen. Die große Versammlung, die Lichter machen sie stutzen: – ich bin in der Kirche, denkt sie, und schlägt ein Kreuz. Der Vorhang geht auf, und es erscheint eine hübsche geschminkte Dame. Wieder schlägt sie ein Kreuz und denkt: das ist nun gar la Vergine Maria! Wenn man sie fragt: was hast du im Theater gesehen? Antwort: la vergine Maria, nur mit dem Unterschied, daß diese da nicht denselben Titel habe; so meint sie und meint nicht unrecht.

 

 

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Sonderbarer Religionseifer.

 

Die Gräfin V..., die immer das Wort Religion im Munde führt, und unter andern unglücklichen Meinungen auch diese hat: man könne in unserer Kirche gar nicht so andächtig sein, weil wir keine hübschen Bilder und keine zierlich geschmückten Altäre hätten, kurz die Nämliche hat den Plan, ihrem Landhause eine Kapelle anzubauen, denn ohne Kirche, ohne Priester kann man wieder nicht so hübsch beten. Welche Wohlthat! wenn ich meine Kapelle haben werde, (dabei schlug sie ihre schönen schwarzen Augen andächtigen Schwunges nach Oben, und mischte graziös die Karten), dann lass' ich unter ihr Gewölbe bauen, denn es fehlen mir Weinkeller. Was hatte meine liebe Heilige nöthiger, die Kapelle oder den Keller?

 

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Den Kempis zu lesen mag sehr heilsam seyn, doch kam mir vor einigen Tagen der Gedanke, daß es wohl noch besser wäre, selbst in der H. Schrift zu forschen. Da ist die Quelle der Weisheit, aus der ja alle schöpfen müssen, die uns etwas Gutes zu geben haben; hier ist am klarsten der Weg zur Seligkeit vorgezeichnet. Das erste Mal kostete es mich einen Kampf, einen Anlauf, die Bibel zu öffnen, auch ist sie mir wie verschleiert, nur die Stelle im Propheten: «Wenn euere Sünde blutroth wäre, soll sie doch schneeweiß werden» erhellt immer auf Augenblicke meine Finsterniß.

 

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Das Fest del convento di Cimella (Cimiez) an der Klosterkirche der Franziskaner.