BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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Tuch geschlungen, eine blau und weiß gestreifte Jacke, blaue Beinkleider und rother Gürtel – kurz, eine leibhaftige Kartenfigur. – Als wir an den sogenannten Mont Finale kamen, den höchsten Punkt der Felsenkette, stiegen alle aus, ich nur blieb im Wagen; als ich aber hinab sah in die tiefen, tiefen Abgründe, ward mir doch bange. Ich zog mein Breviario hervor, das ist: l'Imitation de Jésus Christ. Das Capitel, was ich aufschlug, war das 38ste Livre III.: «du recours à Dieu dans les périles!» Nicht nur dießmal, immer noch fand ich, daß, so oft ich nach Wahrheit verlange, ich das vernehme, was gerade auf meine Verhältnisse, auf meine Stimmung paßt. Gehen wir Gott entgegen, so geht er sicher mit uns weiter. Luther sagt: «Er steht vor der Thür, wohl uns, so wir Ihm aufthun. Er grüßet uns, selig der Ihm antwortet. Versehen wir's, daß Er vorüber gehet, wer will Ihn wiederholen?»

Wenn der Gipfel erreicht ist, schlängelt sich der Weg abwärts in ein Thal, wie man es nur in Träumen wieder sehen mag. Ich blickte in die innern Hofräume eines Klosters und dessen Gärten, von einem Cypressenhain klösterlich ummauert. Auf den nächsten Hügeln und Bergen, mannigfach gestaltet, sind Häuser und Gemäuer in Menge, theils hinter Bäumen halb begraben, theils auf spitzen Felsen, um stolz in die Welt hinaus zu schauen. –Auch weiß der italienische Bauer kaum etwas von einer Hütte;  er  hat  ein  steinernes Häuschen für sich oder theilt es mit andren, immer höher als breit gebaut, und wenn gleich  oft  Dach  und Etage à Jour  gefaßt  ist, so lacht doch

 

ihm ein ewig blauer Himmel. Das Landmädchen, ärmlich genug gekleidet, hat in ihrem Haar die Rose – die Bedeutung, daß Italiens Glück die Natur ist. –

Ueber die Berge hin durchkreuzen sich viele Pfade und ein Bergstrom rauscht, unter einem leichten Bogen, dem Meere zu. Von Nizza bis Savona zählten wir deren nur zweiundsechzig. Seitwärts von der Höhe bis zum Strande zieht sich das Städtchen Finale. Von Finale, eine gute Strecke gegen Savona, ist die Straße meisterlich durch Felsen gehauen, oft geht es durch düstre Gänge, und kaum an's Licht gelangt, trifft der Blick schnell auf wundervolle Blumen und Sträucher. Wir übernachteten in Savona, was, wie man mir sagte, vier Mönchs- und zwei Nonnenklöster hat.

 

 

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Samstag, am 16. Mai.   

 

Wilde Nelken sah ich dort auf jenem Felsen, und hier an der Straße Hecken von Granatäpfeln. Das Meer schäumt auf in hohen Wellen, und am Ufer wandelt, nach­denkenden Schrittes, mit übereinander geschlagenen Armen, ein Matrose, während hier Fischer beschäftigt sind, die Netze an's Land zu ziehen. In den Felsen gehauene Brücken oder leichte Bogen, Reste römischer Wasser­leitungen, hohe Kornfelder, schwarze Wartthürme [Beobachtungstürme], auf den steilsten Anhöhen Myrthen­büsche   und   breitgewölbte   Pinien   wechseln   anmuthig

 

 


 

Ligurische Landschaft, im Hintergrund die Küste

 

Der Hafen von Savona