BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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Kirche: San Marcellino. Das Kreuz überraschte mich, weil ich gewohnt bin, auch im Geringsten Gottes Hand und Vorsehung zu erkennen. Mein Geist schwindelte über die Feenstadt, und siehe! ein Kreuz deutet auf zur Himmelsstadt! – Madame kündigt mir an, daß Oper sey, man gibt Anna Bolena, sie war so gut, mir einen Platz in der Loge anzubieten. In demselben Augenblick tönt die Orgel aus der Kirche San Marcellino und frommer Gesang herüber und tröstlich schimmert das Kerzenlicht durch die Nacht. Da hinab hätte ich fliegen mögen. Aber wieder heißt es: nein, nicht jetzt, der Nachtluft dürfen Sie sich nicht mit Ihrem Husten aussetzen. Ich ergab mich meinem Schicksale, nicht aber Annen Bolena.

 

 

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Sonntag, am 17. Mai.   

 

Heute spuckt Hoffmann, der Verfasser der Phantasie­stücke. Vier Wochen vor meiner Abreise von Nizza träum­te mir: ich befände mich in Genua, auf einem Platze. Rings umgaben ihn hohe Gebäude, eine Hauptkirche er­hob sich in der Mitte, und eine festlich gekleidete Menge umwogte mich. Wie groß war mein Erstaunen, als heute, mit meinen Zöglingen zur englischen Kapelle fahrend, ich in dem Platze l'Annunziata meinen im Traum gesehenen wieder­finde, dieß ist die Kirche, dieß sind dieselben Palä­ste, einige von weißer, andere von gelblicher Farbe – alles trifft zu, bis auf die geputzte Menschenmasse, ja sogar meine Stimmung ist dieselbe wie damals im  Traume. Da ich auch

 

ferner in Nizza einmal geträumt, ich sei Gesuita [Jesuitin] geworden, so hoffe ich, daß es doch ja diesmal beim Traum bleiben möge.

 

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Ich sah heute den Garten des Palastes Pallavicini. Fon­tainen plätscherten von allen Seiten, so wie in den Grotten. Die Plafonds und Wände waren von rothen und weißen Corallen, künstlich zu Bildern zusammen gefügt. Kaffee­bäume, Pfefferpflanzen, indische Gewächse in Menge um­stehen mich, aber am liebsten seh' ich aufwärts, denn mit jeder Wendung wird mir eine neue himmlische Aussicht. Musik ertönt, wir sehen hinab und in die Rotonde eines Amphitheaters – Kopf über Kopf – eine Tribüne – kurz, es ist ein belebtes Colyseum en miniature. –

Von da umfuhren wir Acqua Sola, die schönste Pro­menade Genua's, umgeben von Palästen, Bergen, Villas, von Klöstern und Kirchen. Die Bürgersfrauen mit ihren weißen Mollschleiern, mezzaro genannt, malerisch um den Kopf geschlagen, schreiten da gar madonnig oder recht zierlich einher. Mit jedem Schritte begegnet man Ordens­geistlichen von allen Formen und Abzeichnungen. Abbés und Jesuiten betrachte ich als Schlagschatten in dem son­nigen, lachenden, überreichen Gemälde Italiens, sie sind ihm unumgänglich nöthig. Auch das beständige Läuten der Glocken darf hier nicht fehlen, denn es macht die Feen­welt noch fertig. Doch ich lasse Acqua sola und wende mich zur Hauptkirche;  sie  ist  ein  maurisches Monument,

 

 


 

Der Palazzo Pallavicini

 

Genueserin mit mezzaro

 

Die Acqua Sola