BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Joseph von Eichendorff

1788 - 1857

 

Gedichte in zeitlicher Folge

 

1812

 

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Der verirrte Jäger.

 

Ich hab gesehn ein Hirschlein schlank

Im Waldesgrunde steh'n,

Nun ist mir draußen weh' und bang,

Muß ewig nach ihm gehn.

 

Frischauf, ihr Waldgesellen mein!

Ins Horn, ins Horn frisch auf!

Das lockt so hell, das lockt so fein,

Aurora thut sich auf!“

 

Das Hirschlein führt den Jägersmann

In grüner Waldesnacht,

Thalunter schwindelnd und bergan,

Zu niegeseh'ner Pracht.

 

„Wie rauscht schon abendlich der Wald,

Die Brust mir schaurig schwellt!

Die Freunde fern, der Wind so kalt,

So tief und weit die Welt!“

 

Es lockt so tief, es lockt so fein

Durch's dunkelgrüne Haus,

Der Jäger irrt und irrt allein,

Find't nimmermehr heraus. –

 

Entstanden 1812, Erstdruck 1815, hier Fassung von 1826

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Der Gefangene.

 

In goldner Morgenstunde,

Weil alles freudig stand,

Da ritt im heitern Grunde

Ein Ritter über Land.

 

Rings sangen auf das Beste

Die Vöglein mannigfalt,

Es schüttelte die Aeste

Vor Lust der grüne Wald.

 

Den Nacken, stolz gebogen,

Klopft er dem Rößelein –

So ist er hingezogen

Tief in den Wald hinein.

 

Sein Roß hat er getrieben,

Ihn trieb der frische Muth:

„Ist alles fern geblieben,

So ist mir wohl und gut!“

 

Mit Freuden mußt' er sehen

Im Wald' ein' grüne Au,

Wo Brünnlein kühle gehen,

Von Blumen roth und blau.

 

Vom Roß ist er gesprungen,

Legt sich zum kühlen Bach,

Die Wellen lieblich klungen,

Das ganze Herz zog nach.

 

So grüne war der Rasen,

Es rauschte Bach und Baum,

Sein Roß thät stille grasen,

Und alles wie ein Traum.

 

Die Wolken sah er gehen,

Die schifften immer zu,

Er konnt nicht widerstehen –

Die Augen sanken ihm zu.

 

Nun hört' er Stimmen rinnen,

Als wie der Liebsten Gruß,

Er konnt' sich nicht besinnen –

Bis ihn erweckt' ein Kuß.

 

Wie prächtig glänzt die Aue!

Wie Gold der Quell nun floß,

Und einer süßen Fraue

Lag er im weichen Schooß.

 

„Herr Ritter! wollt Ihr wohnen

Bei mir im grünen Haus:

Aus allen Blumenkronen

Wind' ich Euch einen Strauß!

 

Der Wald ringsum wird wachen,

Wie wir beisammen seyn,

Der Kukuk schelmisch lachen,

Und alles fröhlich seyn.“

 

Es bog ihr Angesichte

Auf ihn den süßen Leib,

Schaut mit den Augen lichte

Das wunderschöne Weib.

 

Sie nahm sein'n Helm herunter,

Löst' Krause ihm und Bund,

Spielt' mit den Locken munter,

Küßt' ihm den rothen Mund.

 

Und spielt' viel' süße Spiele

Wohl in geheimer Lust,

Es flog so kühl und schwüle

Ihm um die offne Brust.

 

Um ihn nun thät sie schlagen

Die Arme weich und bloß,

Er konnte nichts mehr sagen,

Sie ließ ihn nicht mehr los.

 

Und diese Au zur Stunde

Ward ein krystallnes Schloß,

Der Bach ein Strom, gewunden

Ringsum, gewaltig floß.

 

Auf diesem Strome gingen

Viel' Schiffe wohl vorbei,

Es konnt' ihn keines bringen

Aus böser Zauberei.

 

Entstanden um 1812, Erstdruck 1815, hier Fassung von 1826

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Der wandernde Musikant.

 

III.

 

Ich reise übers grüne Land,

Der Winter ist vergangen,

Hab' um den Hals ein gülden Band,

Daran die Laute hangen.

 

Der Morgen thut ein'n rothen Schein,

Den recht mein Herze spüret,

Da greif' ich in die Saiten ein,

Der liebe Gott mich führet.

 

So silbern geht der Ströme Lauf,

Fernüber schallt Geläute,

Die Seele ruft in sich: Glück auf!

Rings grüßen frohe Leute.

 

Mein Herz ist recht von Diamant,

Ein' Blum von Edelsteinen,

Die funkelt lustig über's Land

In tausend schönen Scheinen.

 

Vom Schlosse in die weite Welt

Schaut eine Jungfrau 'runter,

Der Liebste sie im Arme hält,

Die seh'n nach mir herunter.

 

Wie bist du schön! Hinaus, im Wald

Geh'n Wasser auf und unter,

Im grünen Wald sing', daß es schallt,

Mein Herz, bleib frei und munter!

 

Die Sonne uns im Dunklen läßt,

Im Meere sich zu spülen,

Da ruh' ich aus vom Tagesfest

Fromm in der rothen Kühle.

 

Hoch führet durch die stille Nacht

Der Mond die goldnen Schafe,

Den Kreis der Erden Gott bewacht,

Wo ich tief unten schlafe.

 

Wie liegt all' falsche Pracht so weit!

Schlaf' wohl auf stiller Erde,

Gott schütz' dein Herz in Ewigkeit,

Daß es nie traurig werde!

 

Entstanden um 1812, Erstdruck 1837