BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Gottlieb Fichte

1762 - 1814

 

Der geschlossene Handelsstaat

 

1. Buch

 

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Fünftes Capitel.

 

Wie dieses Gleichgewicht

gegen die Unsicherheit des Feldbaues

zu decken sey.

 

Das aufgestellte System ist, wie wir gesehen haben, darauf berechnet, dass das Quantum der in den öffentlichen Verkehr kommenden Consumtions- und Fabrik-Artikel, sowie ihr Verhältniss zu einander, immer dasselbe sey, und von Zeit zu Zeit durch einander aufgehe.

In Absicht der Fabrikartikel, inwiefern die Menge derselben von den angestellten Arbeitern abhängst, lässt sich dies sehr wohl berechnen. Nicht so in Absicht der Consumtionsartikel, indem der Ertrag des Feldbaues sich gar nicht von Jahr zu Jahre gleichbleibt. Durch diese Unregelmässigkeit in der Productengewinnung wird zugleich die Fabrication gestört, indem sie ja den Stoff der Verarbeitung von jener erhält.

Eine die Berechnung übersteigende Fruchtbarkeit eines Jahres ist für dieses Gleichgewicht ebenso störend, als Miswachs. Wir richten unseren Blick lediglich auf die erstere, indem wir von ihr aus auf ein Mittel, gegen den letzteren sich zu verwahren, von selbst werden geführt werden.

Der Producent soll so viele Producte gewinnen, als die Nichtproducenten zu ihrer Nahrung, und überdies der Fabricant zur Verarbeitung bedarf. Dieses Quantum setzt er auch ganz sicher ab: für ein höheres Quantum aber findet er keinen Absatz. Der Kaufmann kann es ihm nicht abnehmen, denn er findet dafür keine Käufer; der Fabricant kann es nicht an sich bringen, denn er hat dafür kein Aequivalent, indem seine Arbeit nur auf seine, gewöhnlichen Bedürfnisse berechnet ist. Der Ueberschuss der gewonnenen Producte kann auf keine Weise in den öffentlichen Verkehr gebracht werden.

Nun sind zwar auch die Bedürfnisse des Producenten nur auf den gewöhnlichen Absatz berechnet; er hat die ihm gebührende Subsistenz, wenn er nur diesen hat, und bedarf nicht des ihm durch unberechnete Fruchtbarkeit zu Theil gewordenen Ueberschusses. Dieser Ueberschuss kann angesehen werden, als gar nicht vorhanden, er könnte nicht bloss in der Rechnung, sondern wirklich in der Natur vernichtet werden, und es entstände daraus an keinem Ende irgend ein Schade.

Aber theils scheint es unbillig, dem Producenten einen Gewinn zu entziehen, der ihm nicht durch Bevortheilung seiner Mitbürger, sondern durch die Begünstigung der Natur zu Theil wurde: theils aber, und vorzüglich, wodurch soll doch ein Miswachs, wo der Ertrag des Jahres unter der Berechnung stehen bleibt, gedeckt und Übertragen werden, ausser durch die Fruchtbarkeit eines anderen Jahres, die über die Berechnung hinausgeht?

Sonach müsste der nothwendige Ertrag der Productengewinnung, und das Verhältniss desselben zu den übrigen Waaren, nicht nach Einem Jahre, sondern nach einer Reihe von Jahren, in welcher die Fruchtbarkeit den Miswachs decken könnte, angesetzt werden. Nicht – Ein Jahr giebt so viel Producte, sondern – etwa fünf Jahre geben so viel, davon kommt auf Ein Jahr so viel, und dieses letztere Quantum soll in den Verkehr kommen, und nach ihm die übrigen Stände berechnet werden, was auch immer der wirkliche Ertrag des laufenden Jahres seyn möge.

Bloss der Staat hat das Vermögen, auf diese Weise den Ertrag eines Jahres gegen den anderer Jahre ins Gleichgewicht zu setzen. Das natürlichste Verfahren dabei ist folgendes. Wer über das ihm angesetzte Quantum erbaut hat, meldet es beim Staate, der ihm den Ueberschuss nicht etwa auf der Stelle, durch ein Aequivalent vergütet, woraus eine vermehrte Circulation und alle die Nachtheile derselben erfolgen würden, sondern ihm diesen Ueberschuss nur gut schreibt; allenfalls zu seiner Sicherheit ihm einen Schein darüber ausstellt.

Entweder nun, es ist in demselben Jahre in anderen Gegenden des Landes Mangel, so wird das für die Consumtion des Jahres angesetzte an die Kaufleute in diesen Gegenden abgeliefert, welche es an die Producenten, die es der Berechnung zufolge hätten erbauen und abliefern sollen, bezahlen; bei welchen letzteren es der Staat sich gut schreibt. Sollten sie sogar ihre eigene Nahrung nicht erbaut haben, so wird sie ihnen gleichfalls vom Staate, auf dieselbe Rechnung, geliefert. Oder, als der zweite mögliche Fall, es ist überall in diesem Jahre auf der Oberfläche des Staates kein Miswachs, oder kein so grosser, dass der in anderen Gegenden erbaute Ueberschuss aufginge, so wird derselbe, für möglichen Mangel künftiger Jahre, bei den Kaufleuten niedergelegt, die nicht eher, als bei wirklich erfolgtem Mangel, und der Nothwendigkeit des Absatzes dieses Ueberschusses ihn an den Staat bezahlen. Damit das Korn nicht durch Alter verderbe, kann die Einrichtung gemacht werden, dass der Kaufmann von den Früchten der künftigen Ernte nicht eher etwas ausgebe, bis der alte Vorrath untergebracht ist. Er behält nun wiederum Ueberschuss von dieser neuen Ernte für das folgende Jahr, und so immerfort, bis nach eingetretenem Miswachs dieser Ueberschuss einmal aufgeht. Wer bei dem Staate gut hat, dem wird es bei dem ersten Miswachse, den er erleidet, oder, falls er in einer bestimmten Zeit von Jahren keinen, oder keinen so grossen haben sollte, dass die Schuld des Staates an ihn aufginge, durch Erlassung an den Abgaben vergütet. Ebenso, bei wem der Staat gut hat, bezahlt im ersten fruchtbaren Jahre mit seinem erbauten Ueberschusse. – Für einigen Ueberschuss muss der Staat immer und gleich von fern her sorgen; und dies müsste, wenn man einen neu entstehenden, oder einen erst jetzt unter die wahren Rechtsgesetze des Verkehrs sich fügenden Staat denkt, dadurch geschehen, dass in den ersten Jahren noch nicht ganz so viel Fabricanten angesetzt würden, als der Staat, ohne Rechnung auf möglichen Miswachs, wohl ertragen könnte, und mehrere Hände dem Ackerbaue gewidmet würden, als es ihrer, ohne diese nöthige Vorsicht, bedürfte.

Zu wirklichem Mangel kann es bei diesen Maassregeln nicht kommen. Fände sichs aber, dass der Ueberschuss von Jahr zu Jahr geringer würde, und bei dem ersten eintretenden Misjahr sogar Mangel zu befürchten wäre, so wäre dies ein Beweis, dass das Verhältniss der Fabrication und des Handels zur Productengewinnung nicht richtig bestimmt wäre.

Der Staat müsste eilends einige Hände den letzteren Zweigen entziehen, und sie dem Ackerbaue zurückgeben. Fände sichs im Gegentheil, dass der Ueberschuss von Jahr zu Jahr stiege, so bewiese dies, dass der Staat die Vermehrung der Fabriken und des Anbaues feinerer Producte tragen könnte, und es müssten Anstalten zu dieser Vermehrung gemacht werden, um das Gleichgewicht zu erhalten, und der Nation zu dem höheren Wohlstande, auf welchen sie unter diesen Umständen Anspruch hat, zu verhelfen.