BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Gottlieb Fichte

1762 - 1814

 

Der geschlossene Handelsstaat

 

3. Buch

 

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Siebentes Capitel.

 

Erfolg dieser Maassregeln.

 

Nachdem im Innern der Ackerbau und die Fabriken auf den beabsichtigten Grad der Vollkommenheit gebracht, das Verhältniss jener beiden zu einander, des Handels zu beiden, und der öffentlichen Beamten zu allen dreien, berechnet, geordnet und festgesetzt ist; in Beziehung auf das Ausland der Staat in seine Grenzen eingerückt ist, und von keinem Nachbar etwas zu fordern, noch auch an ihn abzutreten hat, tritt die völlige Schliessung des Handelsstaates, und die ganze in unserem ersten Buche beschriebene Verfassung des öffentlichen Verkehrs ein. Das Volk befindet sich, zufolge der vor der Schliessung gemachten Verbesserungen, in einem beträchtlichen Wohlstande, und von diesem Wohlstande geniessen alle ihren geziemenden Theil. Was irgend ein Bürger bedarf und haben soll, hat sicher irgend einer seiner Mitbürger, welcher auf sein Bedürfniss berechnet ist, und der erstere kann es erhalten, sobald er will. Was irgend einer übrig hat, bedarf sicher irgend ein anderer, dessen Bedürfniss auf den Ueberfluss des ersteren berechnet ist, und der erstere kann es bei diesem anbringen, sobald er will. Jedes Stück Geld, das einer an sieh bringt, bleibt ihm und seinen Enkeln und Urenkeln für ewige Zeiten ganz sicher dieser bestimmten Waare, z.B. dieses Maasses Korn werth, und er kann es dafür zu jeder Stunde austauschen. Steigen zwar kann der Werth dieses Geldes gegen Waare, aber nie fallen. – Jeder ist bei der Fortdauer seiner Arbeit der Fortdauer seines gewohnten Zustandes sicher. Verarmen und in Mangel kommen kann keiner; ebensowenig seine Kinder und seine Enkel, wenn sie nur soviel arbeiten, als von ihnen nach der allgemeinen Landessitte gefordert wird. Keiner kann bevortheilt werden; keiner bedarf es, einen anderen zu bevortheilen, oder, wenn er es auch aus reiner Liebe zum Betruge wollte, so findet er keinen, gegen den er es vermöchte. – Ich enthalte mich hier gänzlich, einen Blick auf die Folgen zu werfen, die eine solche Verfassung für die Legalität und Moralität des glückseligen Volkes haben müsste, das sich in derselben befände; möchte mir aber wohl erlauben, den Leser zu einer solchen Betrachtung einzuladen.

Es tritt von nun an die völlige Schliessung des Handelsstaates ein, sagte ich. Alles, was im Lande gebraucht oder verkauft wird, ist im Lande erbaut oder gearbeitet, und umgekehrt, alles, was im Lande erbaut oder gearbeitet wird, wird in demselben auch gebraucht und verkauft. Weder der Privatmann, noch, wie von der Einführung des Landesgeldes an, bis zur gänzlichen Schliessung, die Regierung hat den mindesten Handelsverkehr mit dem Auslande. Nur für Einen Fall liesse sich die Beibehaltung einiges ausländischen Handels denken; für folgenden: der Anbau eines Productes, – sey es der Wein, – ist in Einem Klima, z.B. in den sehr nördlich gelegenen Ländern, obgleich nicht durchaus unmöglich, doch sehr unvortheilhaft, dagegen in einem anderen, etwa im südlichen Frankreich, höchst vortheilhaft. Nun ist hinwiederum im nördlichen Klima etwa der Anbau des Korns sehr vortheilhaft. Zwischen solchen, durch die Natur selbst zu einem fortdauernden Tauschhandel bestimmten Staaten könnte der Handelsvertrag errichtet werden, dass der eine zu ewigen Zeiten für den anderen diese bestimmte Quantität Wein, der andere diese bestimmte Quantität Korn erbauen wolle. Es müsste hiebei von keiner Seite auf Gewinn, sondern auf die absolute Gleichheit des Werthes gesehen werden; es bedürfte daher für diesen Handel, den die Regierungen selbst, keinesweges Privatpersonen zu führen haben, auch keines Geldes, sondern nur der Abrechnung. Die bleibenden Preise garantirt dem Bürger die Regierung: die Fortdauer des Tausches die Natur, da ja der Voraussetzung nach, dieser Tausch vortheilhaft für beide Staaten ist, und beide einer des anderen gegenseitig bedürfen.

Auch bleibt ein Fall übrig, in welchem, sowohl während des Verschliessens als nach der völligen Verschliessung des Staates, die Einwohner des Weltgeldes bedürfen könnten: der Fall der Auswanderung und der Reisen in fremde Länder. Die Regierung müsste bei Promulgation des neuen Geldes die Versicherung von sich geben, dass sie in diesem Falle das letztere gegen Weltgeld zu dem Verhältnisse, als beides zur Zeit der Promulgation gegen einander gestanden, einwechseln werde.

Eine beträchtliche Emigration wäre höchstens im Anfange zu befürchten, von Personen, welchen die neue Ordnung, welche allein wahre Ordnung ist, lästig, drückend, pedantisch vorkommen würde. An ihren Personen verliert der Staat nichts. Das durch ihre Auswanderung der Regierung entzogene Geld würde im Verhältnisse gegen das Ganze nicht beträchtlich seyn. Sie können höchstens nur soviel ziehen, als im Zeitpuncte der Geldveränderung baares Geld in ihren Händen war. Die Regierung zieht, was in Aller Händen ist: da die Auswandernden denn doch die wenigeren sind, so ist auch ihr Geld bei weitem der geringste Theil des Vorhandenen. – Soviel wirklich baares Geld in ihren Händen war, habe ich gesagt; denn nach der Geldveränderung Producte oder Ländereien zu verkaufen, und den Werth dieser von der Regierung in Weltgelde zu ziehen, soll ihnen nicht erlaubt werden. Ob etwas dieser Art geschehen ist, weiss die Regierung aus ihren Handelsbüchern, und der Ertrag eines solchen Verkaufes wird nicht ausgewechselt Höchstens können sie dafür die Interessen lebenslänglich in das Ausland erhalten. Der Stamm, als Bestandtheil des Nationalvermögens, bleibt im Lande, und fällt an ihre nächsten nicht ausgewanderten Erben.

Zu reisen hat aus einem geschlossenen Handelsstaate nur der Gelehrte und der höhere Künstler: der müssigen Neugier und Zerstreuungssucht soll es nicht länger erlaubt werden, ihre Langeweile durch alle Länder herumzutragen. Jene Reisen geschehen zum Besten der Menschheit und des Staates; weit entfernt, sie zu verhindern, müsste die Regierung sogar dazu aufmuntern, und auf öffentliche Kosten Gelehrte und Künstler auf Reisen schicken. Wahrend der Verschliessung treibt die Regierung selbst noch Handel, steht mit dem Auslande in Berechnung, und kann auf dasselbe leicht Anweisungen geben. Dass sie der einzige Banquier für das Ausland ist, ergiebt aus dem obigen sich von selbst. Nach vollendeter Schliessung müsste sie freilich, so lange Gold und Silber im Auslande noch gilt, und sie selbst welches besitzt, dieses hergeben, oder im Auslande anweisen. – Jedoch, ob dieses noch gelte, oder ob es rundherum abgeschafft sey: es bietet sich von selbst die beste Auskunft dar. Es ist zu erwarten, dass in dieses geschlossene Land, den Sitz des blühendsten Ackerbaues, der Fabriken, der Künste, wohl ebenso viele Ausländer, die da wissen, was sie auf Reisen zu suchen haben, kommen werden, als Einheimische aus demselben in das Ausland reisen. Diese bedürfen während ihres Aufenthaltes im Lande des Landesgeldes, das sie nur durch Anweisungen auf die Regierung bekommen können. Dadurch erhält die letztere Schuldforderungen im Auslande, auf die sie ihre reisenden Bürger anweisen könne. Es ist zu erwarten, dass im Ganzen beides gegen einander aufgehen werde.

Das Verhältniss des Volkes zur Regierung, und in einem monarchischen Staate zur regierenden Familie, ist durchaus glücklich. Die Regierung wird wenig Abgaben zu erheben haben, denn sie wird wenig bedürfen. Zwar hat sie fortdauernd eine Menge Geschäfte, Berechnungen und Aufsichten zu führen, um das Gleichgewicht im öffentlichen Verkehr, und im Verhältniss aller zu allen unverrückt zu erhalten, welche die gegenwärtigen Regierungen nicht haben. Aber es ist nicht zu glauben, dass ihr Personale auch nur so zahlreich seyn werde, als es bei der hergebrachten Lage der Dinge ist. Die Leichtigkeit der Staatsverwaltung, sowie aller Arbeit, hängt davon ab, dass man mit Ordnung, Uebersicht des Ganzen, und nach einem festen Plane zu Werke schreite; dass das vollbrachte nun auch wirklich vollbracht sey, und nicht wieder von neuem angefangen werden müsse; ferner, dass man sich nichts vorsetze, das nur den Widerstand reizt, und doch nie durchgesetzt werden kann. Diese feste Ordnung der Geschäfte ist in dem beschriebenen Staate, und es wird nichts befohlen, wozu man nicht durch die natürlichsten Mittel nöthigen kann.

Ferner bedarf dieser Staat nicht mehr stehender Truppen, als zur Erhaltung der inneren Rübe und Ordnung nöthig sind; indem er keinen Eroberungskrieg führen will, und, da er auf allen Antheil an den politischen Verhältnissen anderer Staaten Verzicht geleistet hat, einen Angriff kaum zu fürchten bat. Für den letzteren äusserst unwahrscheinlichen Fall übe er alle seine waffenfähige Bürger in den Waffen.

Die wenigen Abgaben, welche die Regierung für diese Zwecke braucht, können, zufolge der Einrichtung des öffentlichen Handels, auf eine leichte, natürliche, und für die Unterthanen durchaus nicht drückende Weise gezogen werden.

Aus denselben Gründen ist nicht zu befürchten oder zu vermuthen, dass sie jemals der willkürlichen Vermehrung der circulirenden Geldmasse sich als eines Bereicherungsmittels bedienen werde. Wozu in aller Welt könnte sie doch dieser Vermehrung ihres Reichthums sich bedienen wollen? Was sie nicht nur zur Nothdurft, sondern sogar zum Ueberflusse bedarf, kann sie auf die leichteste Weise herbeibringen. Jenes Bereicherungsmittel aber würde nothwendig Unordnung, nicht zu berechnende Abweichungen von den Berechnungen, auf welche die Staatsverwaltung sich gründet, und eben dadurch eine Unsicherheit, Verwirrung, und Schwierigkeit dieser Verwaltung selbst hervorbringen, deren Druck zu allererst auf die Regierung selbst fallen würde.

Die Hauptquelle des Misvergnügens der Unterthanen gegen ihre Regierung, die Grösse der Auflagen, die oft drückende Weises sie zu erheben, und die Verpflichtung Militärdienste zu leisten, ist dadurch abgeleitet und aufgehoben.

Die Regierung des beschriebenen Staates hat selten zu strafen, selten gehässige Untersuchungen anzustellen. Die Hauptquelle der Vergehungen von Privatpersonen gegen einander, der Druck der wirklichen Noth, oder die Furcht der zukünftigen, ist gehoben: und eine grosse Anzahl von Vergehungen sind durch die eingeführte strenge Ordnung ganz unmöglich gemacht. Verbrechen gegen den Staat, Aufwiegelung und Aufruhr ist ebensowenig zu befürchten. Es ist den Unterthanen wohl, und die Regierung ist die Wohlthäterin gewesen.

Der erste Staat, der die beschriebenen Operationen vorzunehmen wagt, wird so in die Augen fallende Vortheile davon haben, dass sein Beispiel von den übrigen Staaten bald nachgeahmt werden wird. Aber nur der, welcher zuerst kommt, hat davon die grössten Vortheile. So wie dieser sein Gold- und Silbergeld in die übrige Welt ausströmt, verliert dieses in derselben, weil dessen mehr wird. Wie ein zweiter ihm nachfolgt, verliert dasselbe noch mehr an seinem eingebildeten Werthe, und sofort, bis alle Staaten ihr eigenes Landesgeld haben, und Gold und Silber nirgend mehr Geld ist, sondern Waare wird, und nur nach seinem wahren inneren Werthe geschätzt. Deswegen braucht der erste schliessende Staat seines Goldes oder Silbers nicht zu schonen; je früher er es ausgiebt, desto mehr erhält er dafür: späterhin wird es ganz zu seinem inneren wahren Werthe herabsinken. Der hierin der erste ist, gewinnt am meisten: jeder, der später kommt, um so viel weniger, als er später kommt.

Es ist klar, dass unter einer so geschlossenen Nation, deren Mitglieder nur unter einander selbst, und äusserst wenig mit Fremden leben, die ihre besondere Lebensart, Einrichtungen und Sitten durch jene Maassregeln erhält, die ihr Vaterland und alles Vaterländische mit Anhänglichkeit liebt, sehr bald ein hoher Grad der Nationalehre, und ein scharf bestimmter Nationalcharakter entstehen werde. Sie wird eine andere, durchaus neue Nation. Jene Einführung des Landesgeldes ist ihre wahre Schöpfung.