BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Kaspar Hauser

1812 - 1833

 

Georg Friedrich Daumer:

Enthüllungen über Kaspar Hauser

 

1859

 

______________________________________________________________________________

 

 

[230]

I.

Fragment

einer vor Jahren entworfenen Schrift

wider Stanhope.

 

Graf Stanhope lernte auf einer Reise durch Nürnberg daselbst den Findling Kaspar Hauser kennen, schien eine ungemeine persönliche Zuneigung zu ihm zu fassen, so daß man ihn mit demselben öffentlich Arm in Arm gehen, ihn beim Kopf nehmen und küssen sah, ließ sich zu seinem Pflegevater machen, und erklärte, ihn mit sich nach England führen und ihm dort eine Freistätte gewähren zu wollen. Nachdem er jedoch einige Zeit lang den Umgang mit ihm genossen hatte, ging er wieder auf Reisen und schien allmählig gegen ihn zu erkalten und in allerlei Zweifel und Bedenklichkeiten zu gerathen, und wie endlich [231] nach Jahrelangem Ausbleiben seine Zurückkunft nach Ansbach angekündigt ward, da – ereignete sich daselbst das plötzliche, gewaltsame Ende des Findlings durch eine tiefe, tödtliche Stichwunde, die ihm nach seiner Aussage von einem unbekannten Manne meuchelmörderisch beigebracht worden war. Der Graf legte hierauf in gerichtlichen Verhören alsbald die Ueberzeugung an den Tag, daß Hauser eine betrügliche Rolle gespielt, gab sich sofort auch alle mögliche Mühe, um Nachrichten und Aussagen zusammenzubringen, welche diese Ansicht zu bestätigen und den Verstorbenen in ein schlimmes Licht zu stellen geeignet seien, setzte sich mit dem bekannten literarischen Feinde Hauser's, dem Polizeirath Merker in Berlin, in Verbindung, überließ demselben die von ihm gesammelten Nachrichten und Aussagen zu dessen polemischem Zwecke und streute selbst zu verschiedenen Zeiten mehrere, als Manuskript gedruckte kleine Schriften in die Welt, in denen er mit unverkennbar planmäßiger Allmähligkeit die schon erwähnte, mit der Merkerischen übereinstimmende Ansicht entwickelte, daß sein ehemaliger, so großer Zärtlichkeit und Vertraulichkeit von ihm gewürdigter Pflegesohn und Liebling nichts weiter, als ein schmähliger Betrüger und Selbstmörder gewesen. Zuletzt hat er das früher vereinzelt in die Welt Gebrachte unter dem Titel: „Materialien zur Geschichte Kaspar Hau­ser's“ (Heidelberg 1833) dem Buchhandel übergeben. [232]

Wenn man über dieses Betragen des Grafen Stanhope nachdenkt, so wird es gewiß Jedem nicht wenig unnatürlich und befremdlich erscheinen, daß Jemand sich erst so gar sehr in einen Menschen verliebt, in so enge und offenkundige Verbindung mit ihm zu treten sich entschließt und ihn öffentlich als seinen Liebling behandelt und liebkost – einen Menschen noch dazu, auf welchen die Aufmerksamkeit der Welt in so hohem Grade gerichtet ist – nachher aber sich alle nur ersinnliche Mühe giebt und gar nicht müde wird, demselben der Welt als einen von vorn herein schlechten Menschen, Betrüger und schmachvoll endenden Selbstmörder darzustellen. Hätte der Graf, nachdem er so viele Eingenommenheit und Liebe für H. an den Tag gelegt, sich wirklich so arg getäuscht gefunden, so wäre zu erwarten gewesen, daß er über eine so verdrießliche Sache am liebsten geschwiegen, und nur etwa, so weit er aufgefordert und es ihm zur Pflicht gemacht wurde, seine nunmehrige Ansicht von der Sache geoffenbart, nicht aber dieselbe mit so großem und beharrlichem Interesse, mit einem Aufwande so vieler Bemühungen und ohne alle Anregung und Drang von Außen, aller Welt aufzudringen gesucht hätte.

Allein Graf Stanhope ist kein gewöhnlicher Mensch. Seine leidenschaftliche, über Alles gehende Liebe zur Wahrheit überwand die hier so natürliche Scheu und Schaam und riß ihn dermaßen zur Selbstverläugnung [233] hin, daß er Alles aufbot und selbst in die ärmsten Hütten stieg, um Gründe zu dem öffentlichen Erweis zu erschwingen, daß ein hergelaufener, schlechter, gemeiner Bursche ihn mit den unwürdigsten Banden der Täuschung und der Zuneigung umwunden habe.

Darin zwar begegnet dem erhabenen Wahrheitsfreunde etwas Menschliches, daß er möglichst zu verstecken sucht, wie sehr er Anfangs von H. eingenommen und hingerissen erschienen, und die Sache so darstellt, als habe er Nichts weiter, als einen Act lord­schaftlicher Generosität ausgeübt, indem er „einen hülfsbe­dürftigen Jüngling in seinen Schutz genommen,“ da doch die angeführten Thatsachen der Ausdruck eines ganz andern Verhältnisses sind. Er fügt zwar hinzu: „für den ich viele Freundschaft empfand“ – dies ist aber eine viel zu matte und frostige Andeutung derjenigen Art von Zuneigung, die sich in des Grafen Benehmen so entschieden ausdrückte. Ich kann, wenn es verlangt wird, einen Zeugen nennen, der mit nicht geringem Erstaunen die öffentlichen Lieb­kosungen des Grafen beobachtete, und in einem vor mir liegenden Briefe eines wohlunterrichteten Mannes an den verstorbenen Präsidenten v. Feuerbach wird mit großem Unwillen und päda­gogischer Klagerhebung von des Grafen „Affenliebe“ zu H. gesprochen.

Auch jene Ansicht von den großartigen Beweggründen des Grafen zu seinem Betragen nach Hauser's Tod, die [234] er selber und sein Verbündeter, der Polizeirath Merker, uns beizubringen sich bemühen, muß mir leider nicht wenig zweifelhaft erscheinen, wenn ich an die Art denke, mit welcher der Graf sich benommen hat, als er mich im Frühling des Jahres 1834, bevor er noch etwas gegen Hauser veröffentlicht hatte, mit mehreren Besuchen beehrte. Hier zeigte er keineswegs das reine Interesse für die Wahrheit, das eben so sehr auf das achtet, was für, als auf das, was gegen eine Person und Sache gesagt werden kann; er offenbarte rein nur das Interesse, Hausern zum Betrüger und – ganz besonders – zum Selbstmörder zu stempeln, und wollte auf Nichts eingehen, was ihm irgend zu Hauser's Ehrenrettung von mir und meiner Mutter, als Augenzeugen und mehrjährigen Beobachtern, vorgebracht wurde. Bei aller Wahrheitsliebe, sollte man meinen, hätten dem Grafen Zeugnisse und Thatsachen, die für die Wahrhaftigkeit der Hauserischen Erscheinung sprechen, nicht nur nicht zuwider, sondern auch erwünscht und erfreulich sein müssen, weil er sich in Folge einer solchen Ehrenrettung weniger zu schämen gehabt hätte, sich so sehr in H. verliebt zu haben. Ich bin mir bewußt, daß ich in dem Falle einer sich mir aufdrängenden veränderten Ueberzeugung dieselbe, wenn auch ungern, offen eingestehen und ganz der Wahrheit gemäß, so wie es die Art und Sache eines redlichen Mannes und Forschers ist, sprechen und handeln würde; aber mich auch, den das Gegentheil [235] bezeugenden Umständen und Thatsachen zuwider und diese umgehend oder hinwegstreitend, für einen Betrogenen zu erklären, wie könnte mir dies beikommen, wie dies von mir erwartet und gefordert worden, wer würde dies wohlgethan, vernünftig, ehrenwerth finden? Ein Mensch, der so handelt, muß verrückt sein, oder ganz andere Gründe haben, als die reine Liebe zur Wahrheit, den redlichen, aufrichtigen Willen zur Aufklärung des Verborgenen.

Als ich dem Grafen äußerte, daß ich zu wissen wünsche, wer derjenige sei, der Merkern die Nachrichten zukommen lasse, auf welche dieser damals zu pochen begann, hatte der erhabene Wahrheitsfreund nicht den Muth, mir zu sagen, daß er es sei, sondern sagte, er wisse es nicht, obgleich die Sache kurz darauf zur öffentlichen Kunde kam und auch wohl von dem Grafen nicht bestimmt gewesen war, geheim zubleiben. Auch diese Thatsache ist nicht geeignet, den Mann zu charakterisiren, der, wie Merker von dem Grafen und dieser von sich selbst versichert, der Wahrheit über Alles huldigt.

Sehr angelegentlich bemühte sich der Graf, mich dazu zu bringen, gegen H. und die Feuerbachische Auffassung desselben aufzutreten, welches Bemühen mir, der ich vorher ganz verdachtlos und vertrauensvoll gegen den Grafen gewesen war und ihm Alles geglaubt hatte, was er sprach, zuerst einen Funken des Mißtrauens in die Seele warf. Als endlich meine Mutter, merkend, was er [236] im Schilde führe, ihn mit tiefbewegter Seele bat und beschwor, die Asche eines Unglücklichen, der ihm einst als seinem Freunde und Wohlthäter vertraut und von dem sie gewiß wisse, daß er kein Betrüger gewesen, nicht mit Schimpf und Schande zu bedecken, – worauf seine Herrlichkeit erwiderte, es schade ihm ja Nichts mehr – so stellte sich uns der Graf in diesem Augenblicke auf eine Weise dar, in welcher es unmöglich war, das Bild einer lauteren Gesinnung und eines ruhigen, edlen Bewußtseins zu sehen. Das Blut stieg ihm in das blasse Gesicht; es dauerte nicht lange, so konnte er mein die Stimmung, in der ich mich befand, wahrscheinlich zu deutlich ausdrückendes Angesicht nicht mehr ertragen; er sprang auf und rannte mit auffallend beflügeltem Schritte zu meinem Hause hinaus, das seitdem nie wieder die Ehre gehabt hat, von ihm betreten zu werden. 1)

Die nachher erschienenen Schriften des Grafen waren ganz nur geeignet, den Eindruck, den seine persönliche Erscheinung auf mich gemacht hatte, zu bestätigen und zu verstärken. Es springt auch hier als angelegentlichstes Interesse auf die räthselhafteste Weise nur dieses hervor, Hausern der Welt in möglichst schlimmem Lichte und Alles, was für die Wahrhaftigkeit seines Wesens und [237] seiner Erscheinung spricht, als nichtig, werthlos und lächerlich darzustellen. Wo er auch etwa für gut findet, eine flüchtige Mine des Mitleids mit seinem „unglücklichen Pflegesohn“ anzunehmen, und einiges Gute von ihm zuzugestehen, da geschieht es doch auf eine so auffallend gezwungene Weise und in so arglistiger Verbindung mit Aeußerungen, die auf bösen Eindruck und Verdachterregung berechnet, daß wohl jedem nur nicht völlig Blinden in die Augen springen muß, weß Geistes Kind diese Darstellung ist, wie wenn ein Brief an den Schullehrer Meyer folgendermaßen beginnt: „Sie hatten zwei Jahre hindurch Gelegenheit, meinen unglücklichen Pflegesohn K. H. zu beobachten, und Sie werden eingesehen haben, daß er Eigenschaften besaß, die sich vielleicht sehr selten vereinigt finden und die ihre Wirkung nicht verfehlen konnten. Er war lebhaft und naiv, gutmüthig und liebenswürdig 2) und, dem Anschein nach treuherzig wie ein Kind, ohne jemals zudringlich, lärmend oder unruhig und daher lästig zu sein. Ruhig und gesetzt, von dem Wunsche beseelt, andern zu gefallen und Aufsehen zu erregen, mit einem ganz richtigen Takte, der ihm immer zeigte, was er zu sagen und zu thun habe, mit einer wunderartigen Fertigkeit, Alles schnell und genau zu beob­achten, mit einem Scharfsinn, der ihm die Mittel [238] darbot, die Gemüther zu lenken, mit einer Besonnenheit und Gewandheit, die durch lange Erfahrung, mit einer Schlauheit, die durch vielfältige Uebung gebildet zu sein schienen, mit einer Unbefangenheit, wodurch er bei keiner Veranlassung in Verlegenheit gerieth und immer Ausflüchte zu ersinnen wußte – war K. H. eine höchst auffallende und interessante Erscheinung.“ Es ist ein durch Uebung und Erfahrung zur höchsten Vollendung und Meisterschaft in seinem Fache ausgebildetes Betrügergenie, was uns der Graf schildert. Wie hiemit eine wirkliche, wahrhafte Naivetät, Unbefangenheit und Liebenswürdigkeit bestehen könne, ist unbegreiflich, und diese Eigenschaften mit einem so verdorbenen und nichtswürdigen Charakter zu combiniren, kann nur absurd erscheinen. Es ist aber leicht zu sehen, was den Grafen zu dieser Ungereimtheit der Darstellung – gewiß nicht der Ansicht – bewegt; er will nicht zu stark und derb auftreten, will als ruhig, besonnen, parteilos betrachtend und urtheilend erscheinen, kann auch seines ehemaligen Verhältnisses zu H. wegen nicht umhin, einiges Gute von ihm zu sagen. Und so kommt es, daß er das Heterogenste und Widersprechendste nebeneinanderstellt und durcheinanderwirrt, und gleich, nachdem er den Mund zum Lobe Hauser's geöffnet, sich in die Beschreibung einer grundschlechten Gauner- und Bubenseele wirft. Man brauchte nur diese [239] einzige Stelle in Betrachtung zu ziehen, um die Falschheit des Grafen zu erkennen.

Die gewichtigsten Zeugnisse für die Wahrhaftigkeit der Hauserischen Erscheinung zu vernichten, kostet ihm nicht mehr, als einen Hauch seines Mundes. Was der verstorbene Präsident v. Feuerbach S. 95 – 98 seines Werkes über H. beibringt, sind dem Grafen zu Folge Albernheiten, wozu ich andere hinzugefügt haben soll, die noch lächerlicher seien, durch die aber sämmtlich nichts Anderes bewiesen werde, als die Übertreibungen, die K. H. in seine Rolle brachte. Was der Graf in meinen Berichten so lächerlich findet, hat er keiner näheren Angabe gewürdigt; ich halte mich daher an die durch die Seitenzahlen bezeichneten Albernheiten Feuerbach's. Was berichtet derselbe hier? – H. habe Anfangs noch keinen Unterschied zwischen dem Organischen und Unorganischen, dem Lebenden und Todten, eigener und von außen verursachter Bewegung, den eigenthümlichen Eigenschaften und Fähigkeiten der Menschen und Thiere zu machen gewußt, wozu eine Menge seltsamer Aeußerungen von ihm als Belege gegeben werden, die, wenn sie in Verstellung ihren Grund hätten, ein psychologisches Nachdenken und Verständniß und eine auf dasselbe gebaute Berechnung und Täuschungskunst voraussetzen würden, die bei diesem jungen Menschen anzunehmen, wohl jedem klugen Kopfe als die größte Thorheit erscheinen wird. Wenn er z. B. nach Feuerbach's [240] meinen Nachrichten folgender Darstellung die Meinung zu erkennen gab, alle Gewächse wären von Menschen wie Pfähle, Stangen und Stäbe in den Boden gesteckt, alle Blätter, Blumen und Blüthen von Menschenhand so künstlich gefertigt und geformt und an die Zweige und Stengel mechanisch befestigt und angehängt, 3) so mußte er als Betrüger dabei im Sinne haben: „Die von mir übernommene Rolle erfordert, daß ich mit dem Unterschiede des Organischen und Unorganischen, des von der Natur selbstständig Hervorgebrachten und Gebildeten und des von Menschenhand äußerlich und mechanisch Zusammengefügten unbekannt scheine.“ Wenn er ferner aus Stein gehauene, geschnitzte oder gemalte Thier- und Menschengestalten als lebende Wesen ansprach und behandelte, sich z. B. verwunderte, daß ein gemaltes, im Galopp laufendes Pferd, sich nicht fortbewege, sondern immer an einer Stelle blieb, von einer Statue verlangte, sie solle sich von Schmutz reinigen, von aneinanderstoßenden Kugeln zu glauben schien, sie thäten einander wehe, sich unwillig zeigte, wenn Jemand einen Baum schlug, weil das dem armen Baume wehe thue, sich benahm, als ob er ein Crucifix mit Schrecken und Abscheu für einen gemarterten [241] Menschen ansehe, so mußte er sich dabei denken: „Meine Rolle verlangt, daß ich den Unterschied zwischen Lebendigem und Unlebendigem, dem leblosen Bilde und dem lebendigen Wesen, das dadurch vorgestellt werden soll, zu machen, unfähig scheine.“ Aeußerte er die Meinung, ein vom Winde herabgewehtes Blatt Papier sei von selbst vom Tische gelaufen, ein von einer Höhe rollendes Wägelchen fahre von selbst herab, die Kugeln einer Kegelbahn liefen freiwillig und ständen stille, wenn sie vom Laufen müde wären, der Brummkreisel tanze von selbst und mit eigenem Willen u. s, w., so mußte ihn der Gedanke bestimmen: „Zu meiner Rolle gehört, daß ich mich stelle, als wenn ich den Unterschied zwischen lebendig-freier und eigener Bewegung und der willenlosen, von außen her mitgetheilten des Unlebendigen zu machen, noch nicht im Stande sei“ u. s. w.

S. 70 der Materialien heißt es: „Um seine Rolle noch natürlicher zu spielen, fing er an, von sich in der dritten Person zu sprechen, wiewohl er sich bei seiner Ankunft der ersten bediente.“ Wenn H. Anfangs den Ausdruck „ich“ brauchte, so geschah dies nur in eingelehrten Phrasen, die er papageiartig und ohne ihren Sinn zu fassen nachgesprochen. Man kann also nicht sagen, er habe sich bei seiner Ankunft in bewußter und absichtlicher Weise der ersten Person bedient. Die Rolle eines Menschen aber, der sich noch auf der Kinderstufe befindet, so „natürlich“ [242] zu spielen, um von sich als „Kaspar“ und nicht als „ich“ zu sprechen, das wäre bewundernswürdig gewesen, dazu hätte nicht nur Genie, sondern auch Studium gehört. Der hergelaufene Bursche hatte wahrscheinlich eine Stelle in Kants Anthropologie im Sinne, wo es heißt: „„Es ist merkwürdig, daß das Kind, auch wenn es schon ziemlich fertig sprechen kann, doch ziemlich spät – vielleicht erst ein Jahr nachher, – mit „ich“ zu reden beginnt, bis dahin aber von sich in der dritten Person spricht: Karl will essen, und dergl., und daß ihm gleichsam ein Licht aufgegangen zu sein scheint, wenn es anfängt, ich zu sagen, so daß es von dem Tage an niemals wieder in jene Sprechart zurückfällt. Vorher fühlte es nur sich selbst, jetzt denkt es sich selbst.““ So viel Ehre thut man diesem Menschen an, um ihn zum Betrüger zu machen.“

 

―――――

 

So weit das Fragment. Sonst finde ich in meinen Papieren noch folgende Züge verzeichnet. St. erzählte mir, ein Polizeisoldat habe gesagt, H. habe den Kümmel vom Brode gekratzt. Als ich entgegnete, ich könne betheuern, daß ihm Kümmel, nebst Anis, Coriander und Fenchel, den Gewürzen, die er mit seinem Brode im Käfig genossen, das Angenehmste von der Welt gewesen, so sagte der Graf: als er in mein Haus gekommen, habe er eine andere Rolle gespielt. Die Wunde, an der er starb, habe [243] er sich mit einem Instrumente beigebracht, das er bei seinen Papparbeiten gebraucht. Er habe sich nur leicht verwunden wollen, das Instrument sei aber tiefer eingedrungen, als er gewollt. Man sehe dagegen, was die Aerzte über diese Punkte ausgesagt, oben Cap. VII. und in diesem Anhange Nr. VII. Einmal sagte er auf unsere Gegenreden: „Wie aber, wenn die Frau in Wien sagt, der Beutel sei von ihr?“ Eine Frau in Wien wurde nehmlich, so viel ich mich erinnere, wegen des im Schloßgarten gefundenen Beutels befragt, den Hauser von ihr erhalten haben sollte. Der Beutel war auch wohl wirklich in Hauser's Besitz gewesen, wurde ihm aber gestohlen, um gegen ihn zu zeugen. Der Graf sprach bei den vier, zum Theil mehrstündigen Besuchen, die er mir im März 1834 machte, etwas Weniges über meine Gesundheitsumstände ausgenommen, über Nichts, als über die Hauserische Angelegenheit; nur erzählte er einmal zwischendurch eine Gespenstergeschichte, wo eine Schiffsmannschaft einen Engländer in die Hölle hinabfahren gesehen, eine Geschichte, die auch in den „Blättern von Prevorst“ vorkommt. Es scheint ihn Höllenangst gequält zu haben. Auch sonst, namentlich bei der Biberbachischen Familie, sprach er, wie man mir sagte, nur von jener Angelegenheit und war auf nichts Anderes zu bringen. So sehr nahm ihn die Sache hin. Wenn es ihn bloß ärgerte, getäuscht worden zu sein, warum suchte er sie nicht lieber zu vergessen?

 

――――――――

 

1) Hier ist die Aeußerung meiner Mutter übergangen, die ich oben unter XIII. angedeutet habe. 

2) Der schlechte, landstreichende Bursche und kniffige Betrüger?! 

3) Daher er auch abgerissene Blumen wieder an ihre Stelle zu befestigen strebte, unwillig, daß man das schöne Kunstwerk zerbrochen habe, und mit seiner mechanischen Befestigung den vorigen Zustand genügend wieder hergestellt glaubte.