BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Peter Hebel

1760 - 1826

 

Biblische Geschichten

Für die Jugend bearbeitet

 

I. Theil

 

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25.

Gideon.

 

Nach dem Tode des Josua hatten die Israeliten kein gemeinschaftliches Oberhaupt mehr, welches sie in der Kraft des Gesetzes regierte, und zum Schutz der Heimath gegen ihre zahlreichen und mächtigen Feinde führte. Auch wurden sie neuerdings abgöttisch. Sie hielten nicht, was sie Josua versprochen hatten. Ihr Herz war noch nicht an Gott gewöhnt. Aber wenn ihre Feinde an sie kamen, die Moabiter, die Philister, die Midianiter, die Ammoniter, dann kehrten sie wieder um von den Götzen und von ihrem bösen Wesen, und beteten zk deni frommen Gott ihrer Väter.

Herr, wenn Trübsal da ist, so suchet man dich.

Alsdann weckte Gott Helden auf unter ihnen. Diese befreiten sie wieder aus ihren Drangsalen, und regierten auch wohl nachher, so lange sie lebten, über einen Stamm, oder über etliche, wie es kam, und hießen die Richter. Aber es war eine unsichere und jammervolle Zeit.

Wo keine rechtmäßige Obrigkeit in einem Lande ist, wo kein Gesetz in Ansehen steht, und der Listigste oder Stärkste die Oberhand behält, solchen Zeiten blüht kein Heil.

Die Midianiter und Amalekiter, zahlreiche Raubvölker, waren über Israel mächtig geworden. Wann die Israeliten ihre Felder eingesäet hatten, wann die hoffnungsvolle Saat am schönsten stand, kamen die Midianiter aus der Wüste hervor mit Heerden ohne Zahl. Die Heerden weideten die schönen Saatfelder ab, von der Wüste bis an das Meer, und wann die Feinde wieder heimzogen, nahmen sie auch die Lebensmittel der Israeliten mit, was sie fanden, ihre Schafe und Rinder. Als die Israeliten sich wieder zu dem Gott ihrer Väter wendeten, weckte Gott durch wunderbare Erscheinungen einen, kraftvollen jungen Mann aus Manasse, daß er sein armes Vaterland erretten sollte. Gott kann durch schwache Menschenkraft, die ihm vertraut, große Wunder thun.

Dieser junge Held befreite mit einem Heerhäuflein von dreihundert muthvollen Männern das Vaterland von einem zahllosen Schwarm seiner Feinde, und ihr Feldgeschrei und Siegesruf war: «Schwerdt des Herrn und Gideon!» Die Feinde flohen und ließen unermeßliche Beute zurück. Als Gideon von der Verfolgung seiner Feinde siegreich wieder kam, wollte ihn das Volk zum König erheben: «Sey Herr über uns, du und deine Nachkommen, weil du uns von der Hand der Midianiter erlöset hast.» Dadurch hätte nach menschlichem Ansehen Gideon seinem Vaterlande noch eine viel größere Wohlthat erweisen können, als durch den Sieg über die Midianiter. Aber Israel mußte noch schmerzhafter erfahren, was es heiße, ohne Obrigkeit und ohne Gesetze leben. Gideon sprach: «Ich will nicht Herr über euch seyn, sondern euer Gott soll Herr über euch seyn.» Denn als ihn Gott berief, sein Vaterland zu befreien, ward ihm nichts davon gesagt, daß er sich für diese Wohlthat durch die Herrschaft sollte bezahlt machen. Gideon heißt auch Jerubbaal. Er starb in einem glücklichen Greisenalter. Gottesfürchtige Jugend bereitet sich ein gutes Alter. Nach seinem Tode fiel Israel wieder zum Götzendienst ab.