BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Peter Hebel

1760 - 1826

 

Biblische Geschichten

Für die Jugend bearbeitet

 

I. Theil

 

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53.

Schicksale des Reiches Juda.

 

Wie kann ein Reich, wie kann ein Ort, wie kann ein Haus glücklich seyn und bestehen, wo Gottlosigkeit das Regiment führt? Das Reich Juda hatte, so lange es stand, fast unaufhörliche Kriege und feierte schlechte Siege. Kamen nicht schon unter dem ersten König Rehabeam die Aegypter und Mohren nach Jerusalem und nahmen die Schätze aus dem Tempel und aus dem Palaste des Königs weg und – Salomons goldene Schilde?

Kamen nicht die Syrer mit einer kleinen Macht, und eroberten ebenfalls Jerusalem, tödteten die Obersten der Stadt und führten allen Raub dahin? Es war im nämlichen Jahr, als Joas den Zacharias, den Sohn seines Pflegevaters Jojada, steinigen ließ. Doch tödteten sie den König nicht, nahmen ihn auch nicht gefangen. Er sollte nicht sterben, wie ein tapferer Kriegsheld auf dem Schlachtfeld von des Siegers Hand, oder durch eines Königs Gericht. Sie ließen ihn krank zurück. Seine eigenen Knechte tödteten ihn. – Gott hat es gerichtet. – Kein frevler Undank wird umsonst begangen. Gott richtet. – Es schlug ein König der zehn Stämme den Amazia, den Sohn des Joas, und riß die Mauer der festen Stadt Jerusalem ein, daß sie offen war vierhundert Ellen weit. Pekah, ein anderer König der zehn Stämme, schlug hundert und zwanzig tausend Mann in Juda auf einen Tag, und führte zweimal hundert tausend gefangene Weiber und Kinder nach Samaria, daß sie gezwungene Mägde und Knechte ihrer Feinde würden, nach dem Kriegsgebrauch jener Zeit. Doch damals gieng ein Prophet in Samaria, mit Namen Obad, dem Zug entgegen. Der Anblick so vieler Unglücklichen bewegte sein frommes und menschliches Herz. Er redete mit den Anführern des Kriegsheeres: «Ihr habt die Männer getödtet. Wollt ihr auch die Weiber und Kinder zu solchem Elend verdammen? Sind nicht die Juden eure Brüder, wollt ihr eine solche Schuld vor Gott über das Land bringen?» Die Vornehmsten des Volkes, die auch ein menschliches Herz hatten, standen ihm bei, und litten nicht, daß man die Gefangenen in die Stadt brachte. Sie wurden gastfreundlich bewirthet. Die Nackten wurden alle neu gekleidet von der Beute. Man gab allen die Erlaubniß, in ihre Heimath zurückzukehren, und sorgte für die Heimfahrt der Kranken unter ihnen bis an die Grenze, bis nach Jericho, der Palmen Stadt. So viel vermag eines frommen md angesehenen Mannes Wort. Es hat so viele tausend arme Wittwen und Waisen von dem Schicksal der gezwungenen Knechtschaft erlöst und in die geliebte Heimath zurückgebracht.

Nach allen diesen Niederlagen und Entkräftungen wurde das jüdische Reich unterwürfig und zinsbar, bald den Assyrern, bald den Aegyptern, und es ist schon ein wildfremdes Kriegsvolk aus entlegenen Gebirgen auf dem Weg, das letzte Gericht zu halten über das Land und über die Stadt voll Götzen-Altäre und Frevelthaten.