BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Peter Hebel

1760 - 1826

 

Biblische Geschichten

Für die Jugend bearbeitet

 

II. Theil

 

____________________________________________________

 

 

 

63.

Das Evangelium verbreitet sich nach Rom.

 

Aber der eifrigste unter allen, man darf es wohl sagen, war Paulus, der jüngste unter den Aposteln. Paulus, erfüllt und belebt von dem heiligen Geist, reisete umher in allen Ländern und in den vornehmsten Städten, wo damals Juden und Schulen waren, lehrte das Evangelium unter den Juden und Heiden mit großer Gefahr, und stiftete und erbaute ansehnliche Gemeinden oder Kirchen, zum Beispiel in einer Stadt, Namens Antiochia. In Antiochia blieb er mit seinen Freunden und Gehülfen ein ganzes Jahr. Daselbst wurden auch die Bekenner des Evangeliums zum erstenmal und seitdem Christen genannt, das heißt, Angehörige Christi, Königlich Gesinnte, nämlich solche, welche sich zum Reich Gottes zählen, und Christum als ihren Herrn und König erkennen und verehren. Denn Christus heißt so viel als ein Gesalbter, das ist, ein König.

Als der Apostel die ganze Gegend, welche er zu durchreisen vermochte, in einen schönen Pflanzgarten des Christenthums verwandelt hatte, kam er endlich wieder nach Jerusalem. Die Juden in Jerusalem warteten schon lange auf ihn, daß sie ihn tödteten. Es entstand wegen seiner ein Aufruhr selbst in dem Rath. Der römische Kriegsobriste, der in der Burg lag, rückte mit der ganzen Besatzung aus, und führte den Apostel als Gefangenen in die Burg. Damals sprach zu ihm der Herr: «Fürchte dich nicht, Paulus! denn wie du von mir in Jerusalem gezeugest hast, also mußt du auch in Rom zeugen» Es war aber Rom damals die berühmteste und mächtigste Stadt in der Welt, und die Residenz des Kaisers.

Die Juden faßten einen neuen Mordanschlag gegen ihn. Vierzig Juden verschworen sich, sie wollten nichts essen und nichts trinken, bis sie ihn getödtet hätten. Es hätte können ein langer Fasttag werden. Denn der Obriste ließ ihn in der Nacht mit hundert Mann zu Fuß, siebenzig Reitern und zweihundert Schützen nach Cäsaria abführen vor den Landpfleger Felix, daß man sagen kann, das Evangelium sey mit einem römischen Kriegskommando geflüchtet und gerettet worden, daß es nach Rom, in die Hauptstadt der Welt, gebrachr wurde. Zwei Jahre lang saß Paulus gefangen, und ward nicht losgesprochen und nicht verurtheilt. Doch durften die Seinigen zu ihm kommen und ihm dienen. Es widerfuhr ihm nichts Böses. Nach zwei Jahren kam ein anderer Landpfleger, Namens Festus, in das Land. Die Juden verlangten von ihm, daß er den Apostel nach Jerusalem bescheiden sollte zum Verhör. Denn sie hatten den Anschlag gegen ihn noch nicht aufgegeben, ihn zu tödten. Der neue Landpfleger schien zuletzt nicht abgeneigt dazu. Aber der Apostel faßte einen herzhaften Entschluß zu seiner Rettung. Er sprach: «Ich stehe vor des Kaisers Gericht. Ich begehre mein Recht von dem Kaiser.» Denn er wußte wohl, in welcher Gefahr er ware, wenn er nach Jerusalem wäre gebracht worden. War der Apostel kurz entschlossen, so war es der Landpfleger auch: «Auf den Kaiser hast du dich berufen, zum Kaiser sollst du ziehen.»

Um dieselbe Zeit besuchte den neuen Landpfleger der König Agrippa, welcher jüdisch war und von dem Geschlechte des Herodes. Der Landpfleger bat den König, er wolle den Gefangenen ein wenig verhören; er verstehe die jüdischen Religionssachen besser, als er. Paulus hielt eine Rede an den König, und bewies ihm alles so schön aus den Propheten, daß der König zu ihm sagte: «Es fehlt nicht viel, du überredetest mich, daß ich ein Christ würde,» Er ist keiner geworden. Wenig ist gar oft so viel als Alles. Doch überzeugte er sich von der Unschuld des Apostels, und daß man ihn könnte frei stellen, wenn er sich nicht auf den Kaiser berufen hätte. Paulus wurde in ein Schiff gebracht, daß er nach Rom geführt würde vor den Kaiser, Einige Getreue begleiteten ihn. Sie wollten ihren theuern Freund und Lehrer nicht verlassen. Auch war der Hauptmann, der die Gefangenen in Aufsicht hatte, gütig gegen ihn, aber die Fahrt auf dem Meer war sehr gefährlich. Viele Tage und Nächte lang erschien weder Sonne noch Gestirn. Sie hatten schon alle Hoffnung des Lebens verloren. Nicht weit von der Insel Melita zertrümmerte das Schiff. Aber alle kamen noch glücklich an das Land. Endlich kamen sie wohlbehalten nach Rom. Auf solche Weise entgieng der standhafte Apostel durch Gottes gnädige Fürsorge den Nachstellungen seiner Feinde in Jerusalem und der Todesgefahr auf dem Meer, «Der Herr hat seinen Engeln befohlen über dir. – Aus sechs Trübsalen wird dich der Herr erlösen und in der siebenten wird dich kein Unfall rühren.»

In Rom geschah ihm diesmal nichts. Er blieb zwei Jahre lang daselbst für sich, und lehrte dort von Jesu mit großer Freudigkeit und unverboten.