BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Friedrich Hölderlin

1770 - 1843

 

Gedichte

in chronologischer Folge

 

1789

 

Textgrundlage:

Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 1, Gedichte bis 1800

Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1946

 

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Der Lorbeer

 

Dank dir! aus dem schnadernden Gedränge

Nahmst du mich, Vertraute! Einsamkeit!

Daß ich glühend von dem Lorbeer singe,

Dem so einzig sich mein Herz geweiht.

 

Euch zu folgen, Große! – Werd ichs können?

Wirds einst stärker, eures Jünglings Lied?

Soll ich in die Bahn, zum Ziel zu rennen,

Dem diß Auge so entgegenglüht?

 

Wann ein Klopstok in des Tempels Halle

Seinem Gott das Flammenopfer bringt

Und in seiner Psalmen Jubelschalle

Himmelan sich seine Seele schwingt –

 

Wann mein Yung in dunkeln Einsamkeiten

Rings versammelnd seine Todte wacht,

Himmlischer zu stimmen seine Saiten

Für Begeistrungen der Mitternacht – –

 

Ha! der Wonne! ferne nur zu stehen

Lauschend ihres Liedes Flammenguß,

Ihres Geistes Schöpfungen zu sehen

Warlich! es ist Himmelsvorgenuß.

 

Nein! ich wolte nichts auf dieser Erden!

Dulden all' der Welt Verfolgungen

Jedes Drangsaal, jegliche Beschwerden,

All des Neiders bittre Schmähungen – –

 

Lieber Gott! wie oft ich schwacher dachte,

Wie ichs tröstete das arme Herz

Wenn ich Nächte kummervoll durchwachte,

O so oft, so oft in meinem Schmerz,

 

Wann der Stolz verächtlich niederschaute,

Wann der Eitle meiner spottete,

Dem vor meinen Sittensprüchen graute,

Wenn oft selbst – mich floh – der Edlere;

 

O vieleicht, daß diese Bitterkeiten –

Dacht' ich – stärker bilden deinen Geist!

Daß die Stille höher deine Saiten

Stimmt, zu mänlichem Gesang dich reißt!

 

Aber still! Die goldne Bubenträume

Hört in ihrer Nacht die Zukunft nicht –

Schon so manche Früchte schöner Keime

Logen grausam mir ins Angesicht.