BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Friedrich Hölderlin

1770 - 1843

 

Briefe

 

1787

An Immanuel Nast

 

Immanuel Nast war Hölderlins engster

Freund während seiner Maulbronner

Seminarzeit in den Jahren 1785 - 1788.

 

 

Textgrundlage:

Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 6, Briefe.

Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1959

 

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8. Januar 1787

Bester!

 

Ich schied ganz ruhig von Dir – es war mir so wohl bei den wehmütigen Empfindungen des Abschieds – und noch, wann ich zurükdenke, wie wir so in den ersten Augenbliken Freunde waren – wie wir so traulich, so vergnügt mit einander lebten, so bin ich zufrieden – daß ich Dich nur diese etlich Tage hatte; – O mein Theurer, es waren Zeiten, ich hätte um einen Freund, wie Du, einen Finger hingegeben, u. wann auch mein Erinnern an ihn sich bis aufs Kap hätte erstreken müssen – Ich habe Dir, glaub ich, schon einmal davon vorgeschwazt – Das Ding ärgert mich, daß mir meine alte trübe Stündchen so oft in Kopf kommen – und freue Dich nur, wann ich Dir nicht oft schreiben sollte – Du würdest mir vielleicht manche Klage entwischen sehen, so sehr ichs vermeide. Und es ist doch uns Menschen so gut, wenns was zu leiden giebt. – Ich war schon manchsmal in meinem Leben ein Thor, aber nie weniger, als wan mir meines Herzens Wünsche nicht erfüllt wurden -- wann ich unverdienterweise böse Gesichter sehen mußte – Aber da kan ich jezt in allem Ernst sagen – verzeih, ich bin Dir beschwerlich gewesen! – Das war wieder einmal ein unartiges Gesudel! Nicht wahr, Lieber? Ich wünschte ich könnte Dir die Musik über Brutus und Cäsar jezt schiken, aber wenn man was von den Stutgarder HE. Academiciens will, gehts gar mit Schnekeneil, so gut auch immer ihr Wille ist. Zu Schillers Ehre will ichs auch auf dem Clavier lernen, so hart es gehen wird mit meinem Geklemper. Ach! wie manchmal hab ich ihm schon in Gedanken die Hand gedrükt, wenn er so seine Amalia von ihrem Carl schwärmen läßt. – ! Du wirst denken, ich sei ein Narr; aber ich weiß nicht, machts Eigenliebe oder -- oder – mir ists wohl bei dergleichen Gedanken. Jezt gute Nacht, lieber Bruder! Noch eins! Hesler läßt sich Dir empfehlen. Du würdest noch manches Complimentchen bekommen, wenn ich ausruffen ließ – Heut schreib ich meinem Nast – ihr Leute.

Lebe jezt wohl. Liebe Deinen Hölderlin.