BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Friedrich Hölderlin

1770 - 1843

 

Briefe

 

1800

Susette Gontard an Hölderlin

 

Textgrundlage:

Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 7,1. Briefe an Hölderlin.

Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Kohlhammer, 1968

 

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Freytag den 30 ten Januar 1800.

 

Ich muß wohl jetzt daran denken ein Briefchen für dich in Bereitschafft zu legen denn vielleicht wirst du nächsten Donnerstag kommen und dann möchte die Zeit zu kurz und zu unruhig seyn, wenn ich doch wissen könnte ob du würklich in deine Vaterstadt gewesen oder noch bist? Wie gerne gönnte ich dir und deinen Guten diese herzliche Freude! –.

Vor acht Tagen waren Landesleute von dir bey uns zu Tische, es war mir nicht anders als müßten diese dich gesehen haben, und ich fühlte darum mich recht wohl in ihrer Gesellschafft, auch ihre Sprache war mir gefällig und ich meinte immer wenn sie allein mit mir wären würden sie mit mir von dir sprechen, wie gerne hätte ich das gewollt mit Menschen dich dich kennen und dich schätzen wie ich. In Gedanken war ich offt bey dir und meinte daß auch mein Andenken dich im Zirkel deiner Famillie dich nicht stöhren würde, und die sanften Gefühle der Liebe für diese noch mehr nährte weil du mehr noch wie sonst der Theilnahme bedarfst, und nachsichtiger bist.

Solltest du mit ihnen auch für die Zukunft etwas ausgemacht, und gefunden haben das dir angemessen wäre? ich mögte so gerne manches wissen und doch werde ich mich noch gedulden müssen! Mit Vergnügen berechnete ich letzt mit deinen Landesleuten, das sie nicht weiter von uns zu Hause wären, als unser liebes Cassel von hier entfernt ist, und dieß dünkte mir das letzte mal nur eine Spazierfahrt? Weiter gehest du doch nie von mir? – – – Nie ganz?

– – – Dahin kömmst du immer wieder! und auch wieder zu mir! Wie gerne ich dich an deinem rechten Platz sähe kannst du denken doch wähle behutsam, und greiffe nur nicht das unrechte, ich kann nächstens noch nichts von dir höhren, wenn du dich nicht entschließen willst mir ein Paquet zuzuschicken, wenn es für dich nothwendig ist so tuhe es ungehindert es wird wohl glücklich gehen, erscheinest du selbst nehme ich es für ein Zeichen daß ich ruhig warten kann, und so binn ich einigermaßen entschädigt wenn ich Nachrichten mir als Entfernung von dir vorstelle und wünsche sie nicht so sehnlich wie ich sonst tuhn würde. Ich sehe dich! und du bist nahe, kann und muß ich damit nicht mehr als zufrieden seyn.

Auch will ich dir nur gleich sagen, daß ich jetz nicht mehr die Briefgen herunterwerfen werde, weil ich Verdacht ahndete, (vielleicht aber ganz ungegründet) sollte es künftigen Monath also nur irgend gut Wetter und trocken seyn, so daß ich natürlicher Weise hienaus gehen kann, bitte ich dich um 10 Uhr zu erscheinen, und so werde ich um 11 denselben Tag mich an den bewusten Platz einfinden, sollte es aber ohne Verdacht zu erregen nicht angehen, wirst du mich nur sehen, wie viel mir daran liegt dann von dir zu höhren kann ich dir leicht erklären, weil zu Ende März mein Bruder wieder hier her kömmt, und ich dann seltner ohne Begleitung bin. Er wird mit seiner Frau wieder den Sommer bey uns zu bringen, solltest du mir also etwas schicken wollen so tuhe es vorher. Vielleicht mochten auch Kriegsunruhen das Spazierengehen hindern, dann schicke mir etwas in jeden Fall wie verabredet ich gebe dem Überbringer auch ein Buch zurück zur gewißheit daß wir beyde das unsrige erhalten, kannst du um 11 Uhr wieder an der Ecke einen Augenblick erscheinen, wo ich dir übrigens rathe nie zu lange zu verweilen weil oben ein kranker Nachbar wohnt der langeweile hat. Kann ich nicht hienaus kommen, werde ich ein Tuch aus dem Fenster hängen.

Nun noch ein paar Worte von mir, wie ich lebte. Ich bin vollkommen gesund und die einsame Ruhe in meinem häuslichen Zimmer war mir sehr heilsam, da size ich so gerne zwischen meinen Blumen und arbeite, niemand gehet da mich zu stöhren an meinem stillen Fenster vorüber und ein Sperling kommt zuweilen vom Fenster Brod zu picken, und die Wolken ziehen mir vorbey, ich folge ihnen offt wenn Abend's hinter der Baum-Gruppe im Hintergrund einige Strahlen der untergehenden Sonne durch scheinen, und mir ist wohl! die sanfte melancohlische Trauer in meinem Gemüth, die wohl niemals daraus sich verlieren wird und stimmt mich empfänglicher für jede kleine Freude, dankbarer fühl ich sie! übermüthig wird nie mein Herz, und die Trähne des Mitleids und des Wohlwollens ist immer mir näher, so will ich bleiben! so bist auch du!

Ich war auch diesen Winter etwas geselliger und besuchte zuweilen unser alten Gesellschafften die lange Einsamkeit und das Neue machte, daß ich mehr Vergnügen wie sonst dort fand und gerne sah man mich wieder, einige mahl wurde mir auch gesagt, daß ich wieder viel besser aussehe, und heitrer wäre, und sicher kannst du es nur meinen Worten glauben, daß meine Gesundheit wieder hergestellt ist. Wüste ich doch das selbe von dir!

 

 

Donnerstag. [6. Februar 1800]

 

Du bist würklich gekommen! –. Ich hoffte es nicht, bist du gar nicht fort gewesen? hast doch nicht um meinetwillen dich einer Freude beraubt? - Gute! beste Seele! möchtest du doch Freude haben und ich sie dir noch geben können! – –. Ich weis nicht, ich bin so ängstlich, ich meine immer, wir möchten verrathen werden, und die Hindernisse, die schon jetzt fast nicht zu zwingen sind, sich noch vermehren, wenn du nur dieß mal noch meine Worte hättest, dann wollte ich gerne entbehren, ich weiß ja doch, du hast mich lieb, wie ich dich, und dies kann mir niemand nehmen.

Sahest du nicht blaß aus? du wirst doch nicht krank gewesen seyn? Du erhälst dich, ich weiß es, um meinet willen – – –

Und versagst dir auch keine Freude, die sich dir dar biethet, du suchest sie nicht? aber du weisest sie auch nicht unfreundlich von dir! nicht wahr mein Theurer? – –

Wenn du morgen kömmst kann ich ruhig seyn! Ich bin es gewiß und habe Ursache genung mich zu freuen.

Leb wohl Leb wohl, nahe oder ferne doch immer bey mir. Und so mit mir verwebt bist du, daß nichts dich von mir trennen kann, wir sind beysammen wo wir auch sind, und bald hoffe ich dich wieder zu sehen.

Sage es mir ja recht deutlich wie dir ist. – Und sorge auch um meinentwillen für dich.

Z. . . . ist immer noch in Hamburg und ich weiß nicht wann er wieder kommt und ob er sich hir aufhalten wird, doch ich glaube wohl, wenn er kann wird er ein wenig hier bleiben.

Deine lieben Gedichte habe ich alle mit unaussprechlicher Freude gelesen! Deine Briefe habe ich mir alle wie ein Buch zusammen gelegt, und wenn ich einmal lange nichts von dir höhren sollte, will ich darinnen lesen, und denken, es ist noch so! tuhe du das nehmliche, und glaube nur, im innersten Leben bleibt, so lange wir bleiben, was an einander uns kettet, und ich kann den Glauben nie aufgeben, das wir uns wieder finden werden in der Weldt, und noch Freude haben werden.

Sey nur noch glücklich (wie wir es meinen) und glaube, daß wie du es anfängst, mir, wenn es nur gelingt, mir gewiß lieb ist. Nur wähle nicht, was dir nicht anpast. Könntest du fühlen wie dein schönstes Bild offt lebendig in mir aufblüht, dann würdest du auch fühlen, wie alles, alles, was mich umgiebt, ihm weichen muß. und wie jede leise Empfindung in mir die Große Einziege für dich nur weckt und mich ganz dich hin giebt! – – –. Darum scheue dein Herz nicht und glaube wie ich, daß wir ewig unser und nur unser sind.