BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Friedrich Hölderlin

1770 - 1843

 

Briefe

 

1800

Hölderlin an die Mutter, Johanna Christina Gock

 

Textgrundlage:

Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 6, Briefe.

Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1959

 

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Homburg, d. 23. Mai. 1800.

Liebste Mutter!

 

Ich war beinahe schon zur Abreise gerüstet, als ich Ihren Brief erhielt. Übrigens hatten die Nachrichten, die Ihnen einige Unruhe verursachten, auch mich in meinem Entschlüsse einigermaaßen zweifelhaft gemacht. Ich ließ in Frankfurt nachfragen, ob der Postwagen noch gienge, und man hat mir es bejaht. Nun glaube ich, daß in einigen Wochen die Sachen wenigstens für meine Reise nicht hinderlicher seyn werden, als jezt, und weil ich ohnediß wahrscheinlich mein Logis nicht gleich würde beziehen können, so will ich, um einen Mittelweg zu treffen, meine Abreise noch so lange anstehen lassen, bis Sie mich benachrichtigen werden, daß mein Logis in Stutgard so weit eingerichtet ist, daß ich es bei meiner Ankunft beziehen kann. Da ich für meine Geschäffte einige Zeit verlieren mußte, so ist es ohnediß nothwendig, daß ich in Stutgard so bald wie möglich in die Thätigkeit eintrete.

Übrigens bitte ich Sie, daß Sie sich mit den Meubles so wenig, wie möglich, Mühe und Unkosten machen. Es ist mir erst noch beigefallen, daß sich vieleicht über kurz oder lange doch noch ein angemessener Posten im Ausland mir darbieten könnte, und so sehe ich darum und in andern Rüksichten einen Grund, mich nicht so eigentlich auf ein langes Bleiben einzurichten. Der Bücherkasten ist mir ganz recht. Könnte ich von meiner Gesundheit immer so gewiß seyn, wie ich es jezt bin, so würde ich auch denken, daß ich meine schriftstellerischen Arbeiten immer so ununterbrochen würde fortsezen können, um davon zu leben. Aber ich finde es denn doch gut, nicht so einzig mich darauf zu verlassen, und so will ich mich eben kurz und gut zu den Nebengeschäfften entschließen, die ich in Stutgard treiben kann. Freilich, wenn ich das Urtheil von Männern und Freunden höre, über mich und meine Sache, so möcht' ich, bei aller Demuth, die mir manches auch misdeuten könnte, doch auch manchmal fragen, warum ich mich in der bürgerliehen Welt so herumbehelfen müsse? Übrigens so lang ich keinen andern Weg vor mir sehe, so halte ich den, den ich gehen muß, für den beschiednen, und finde mich, darein, so gut ich kann.

Ich habe diese Tage eine Freude erlebt, die Ihnen auch Freude machen wird. Ein Kaufman aus Frankfurt, den ich nur Einmal bei meinem dortigen Aufenthalte gesehen hatte, hat mir so unbekannterweise ein Geschenk mit einem Buche gemacht, das auch mehr als eine bloße Attention besagt, da sein Werth wohl wenig unter 100 fl. beträgt. Ich will den edeln Mann noch besuchen und ihm so danken, wie ers verdient.

Mögen Sie die Güte haben, und an Landauer sehreiben, daß er mir bei HE. Kling in Frankfurt, oder bei wem er sonst mag, 6 Karoline anweist; ich will ihm selbst auch noch schreiben. Ich würde Sie nicht bemühn, wenn ich nicht Ihres Kredits bedürfte, und da Sie wohl ohnediß an Landauer schreiben, so find' ich es für besser, als wenn ich es ihm schriebe. Das Geld ist nur auf alle Fälle.

Ich wollte, Sie hätten einmal Ruhe mit mir. Es thut mir weher, als ich sagen mag, daß ich Ihnen immer Sorge und Mühe machen muß, besonders da Sie das bischen Ehre, womit mir bis izt in der Welt gelohnt worden ist, schon wegen unserer Entfernung nicht ganz mit mir theilen, und also fast unbelohnt bleiben müssen.

Ich hoffe, es soll in unserem Lande doch dißmal erträglich hergehen. Tausend Grüße an die liebe Schwester und an alle! Ich bin in Eile, weil die Post abgehen will.

Ewig und von Herzen

Ihr dankbarer Sohn

Hölderlin.