BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Heinrich von Kleist

1777 - 1811

 

Der zerbrochne Krug,

ein Lustspiel

 

Scene: Die Gerichtsstube

 

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Siebenter Auftritt.

 

Adam (im Ornat, doch ohne Perücke, tritt auf).

Die Vorigen.

 

 

Adam (für sich).

Ei, Evchen. Sieh! Und der vierschröt'ge Schlingel,

[43]

Der Ruprecht! Ei, was Teufel, sieh! die ganze Sippschaft!

500

– Die werden mich doch nicht bei mir verklagen?

Eve.

O liebste Mutter, folgt mir, ich beschwör' euch,

Laßt diesem Unglückszimmer uns entfliehen!

Adam.

Gevatter! Sagt mir doch, was bringen die?

Licht.

Was weiß ich? Lärm um nichts; Lappalien.

505

Es ist ein Krug zerbrochen worden, hör' ich.

Adam.

Ein Krug! So! Ei! – Ei, wer zerbrach den Krug?

Licht.

Wer ihn zerbrochen?

Adam.

Ja, Gevatterchen.

Licht.

Mein Seel, setzt euch: so werdet ihr's erfahren.

Adam (heimlich).

Evchen!

Eve (gleichfalls).

Geh er.

Adam.

Ein Wort.

[44]

Eve.

Ich will nichts wissen.

Adam.

510

Was bringt ihr mir?

Eve.

Ich sag' ihm, er soll gehn.

Adam.

Evchen! Ich bitte dich! Was soll mir das bedeuten?

Eve.

Wenn er nicht gleich –! Ich sag's ihm, laß er mich.

Adam (zu Licht).

Gevatter, hört, mein Seel, ich halt's nicht aus.

Die Wund' am Schienbein macht mir Uebelkeiten;

515

Führt ihr die Sach', ich will zu Bette gehn.

Licht.

Zu Bett –? Ihr wollt –? Ich glaub', ihr seid verrückt.

Adam.

Der Henker hol's. Ich muß mich übergeben.

Licht.

Ich glaub, ihr ras't, im Ernst. So eben kommt ihr –?

– Meinthalben. Sagt's dem Herrn Gerichtsrath dort.

520

Vieleicht erlaubt er's. – Ich weiß nicht, was euch fehlt?

[45]

Adam (wieder zu Even).

Evchen! Ich flehe dich! Um alle Wunden!

Was ist's, das ihr mir bringt?

Eve.

Er wird's schon hören.

Adam.

Ist's nur der Krug dort, den die Mutter hält,

Den ich so viel –?

Eve.

Ja, der zerbrochne Krug nur.

Adam.

525

Und weiter nichts?

Eve.

Nichts weiter.

Adam.

Nichts? Gewiß nichts?

Eve.

Ich sag' ihm, geh er. Laß er mich zufrieden.

Adam.

Hör du, bei Gott, sei klug, ich rath' es dir.

Eve.

Er, Unverschämter!

Adam.

In dem Attest steht

Der Nahme jetzt, Fracturschrift, Ruprecht Tümpel.

530

Hier trag ich's fix und fertig in der Tasche;

[46]

Hörst du es knackern, Evchen? Sieh, das kannst du,

Auf meine Ehr', heut übers Jahr dir holen,

Dir Trauerschürz' und Mieder zuzuschneiden,

Wenn's heißt: der Ruprecht in Batavia

535

Krepirt' – ich weiß, an welchem Fieber nicht,

War's gelb, war's scharlach, oder war es faul.

Walter.

Sprecht nicht mit den Parthei'n, Herr Richter Adam,

Vor der Session! Hier setzt euch, und befragt sie.

Adam.

Was sagt er? – Was befehlen Ew. Gnaden?

Walter.

540

Was ich befehl'? – Ich sagte deutlich euch,

Daß ihr nicht heimlich vor der Sitzung sollt

Mit den Parthein zweideut'ge Sprache führen.

Hier ist der Platz, der eurem Amt gebührt,

Und öffentlich Verhör, was ich erwarte.

Adam (für sich).

545

Verflucht! Ich kann mich nicht dazu entschließen –!

– Es klirrte etwas, da ich Abschied nahm –

Licht (ihn aufschreckend).

Herr Richter! Seid ihr –?

Adam.

Ich? Auf Ehre nicht!

[47]

Ich hatte sie behutsam drauf gehängt,

Und müßt' ein Ochs gewesen sein –

Licht.

Was?

Adam.

Was?

Licht.

Ich fragte –?

Adam.

550

Ihr fragtet, ob ich –?

Licht.

Ob ihr taub seid, fragt' ich.

Dort Sr. Gnaden haben euch gerufen.

Adam.

Ich glaubte –! Wer ruft?

Licht.

Der Herr Gerichtsrath dort.

Adam (für sich).

Ei! Hol's der Henker auch! Zwei Fälle giebt's,

Mein Seel, nicht mehr, und wenn's nicht biegt, so bricht's.

555

– Gleich! Gleich! Gleich! Was befehlen Ew. Gnaden?

Soll jetzt die Procedur beginnen?

Walter.

Ihr seid ja sonderbar zerstreut. Was fehlt euch?

Adam.

– Auf Ehr'! Verzeiht. Es hat ein Perlhuhn mir,

Das ich von einem Indienfahrer kaufte,

560

Den Pips: ich soll es nudeln, und versteh's nicht,

Und fragte dort die Jungfer bloß um Rath.

Ich bin ein Narr in solchen Dingen, seht,

Und meine Hühner nenn' ich meine Kinder.

Walter.

Hier. Setzt euch. Ruft den Kläger und vernehmt ihn.

565

Und ihr, Herr Schreiber, führt das Protokoll.

Adam.

Befehlen Ew. Gnaden den Proceß

Nach den Formalitäten, oder so,

570

Wie er in Huisum üblich ist, zu halten?

Walter.

Nach den gesetzlichen Formalitäten,

Wie er in Huisum üblich ist, nicht anders.

Adam.

Gut, gut. Ich werd' euch zu bedienen wissen.

Seid ihr bereit, Herr Schreiber?

Licht.

Zu euren Diensten.

Adam.

– So nimm, Gerechtigkeit, denn deinen Lauf!

Klägere trete vor.

[49]

Frau Marthe.

Hier, Herr Dorfrichter!

Adam.

575

Wer seyd ihr?

Frau Marthe.

Wer –?

Adam.

Ihr.

Frau Marthe.

Wer ich –?

Adam.

Wer ihr seid!

Wes Namens, Standes, Wohnorts, und so weiter.

Frau Marthe.

Ich glaub', er spaßt, Herr Richter.

Adam.

Spaßen, was!

Ich sitz' im Namen der Justiz, Frau Marthe,

Und die Justiz muß wissen, wer ihr seid.

Licht (halb laut).

580

Laßt doch die sonderbare Frag' –

Frau Marthe.

Ihr guckt

Mir alle Sonntag in die Fenster ja,

Wenn ihr auf's Vorwerk geht!

[50]

Walter.

Kennt ihr die Frau?

Adam.

Sie wohnt hier um die Ecke, Ew. Gnaden,

Wenn man den Fußsteig durch die Hecken geht;

585

Wittw' eines Kastellans, Hebamme jetzt,

Sonst eine ehrliche Frau, von gutem Rufe.

Walter.

Wenn ihr so unterrichtet seid, Herr Richter,

So sind dergleichen Fragen überflüßig.

Setzt ihren Namen in das Protokoll,

590

Und schreibt dabei: dem Amte wohlbekannt.

Adam.

Auch das. Ihr seid nicht für Formalitäten.

Thut so, wie Sr. Gnaden anbefohlen.

Walter.

Fragt nach dem Gegenstand der Klage jetzt.

Adam.

Jetzt soll ich –?

Walter.

Ja, den Gegenstand ermitteln!

Adam.

595

Das ist gleichfalls ein Krug, verzeiht.

Walter.

Wie? Gleichfalls!

[51]

Adam.

Ein Krug. Ein bloßer Krug. Setzt einen Krug,

Und schreibt dabei: dem Amte wohlbekannt.

Licht.

Auf meine hingeworfene Vermuthung

Wollt ihr, Herr Richter –?

Adam.

Mein Seel, wenn ich's euch sage,

600

So schreibt ihrs hin. Ist's nicht ein Krug, Frau Marthe?

Frau Marthe.

Ja, hier der Krug –

Adam.

Da habt ihr's.

Frau Marthe.

Der zerbrochne –

Adam.

Pedantische Bedenklichkeit.

Licht.

Ich bitt' euch –

Adam.

Und wer zerbrach den Krug? Gewiß der Schlingel –?

Frau Marthe.

Ja, er, der Schlingel dort –

Adam (für sich).

Mehr brauch ich nicht.

[52]

Ruprecht.

605

Das ist nicht wahr, Herr Richter.

Adam (für sich).

Auf, aufgelebt, du alter Adam!

Ruprecht.

Das lügt sie in den Hals hinein –

Adam.

Schweig, Maulaffe!

Du steckst den Hals noch früh genug in's Eisen.

– Setzt einen Krug, Herr Schreiber, wie gesagt,

Zusammt dem Namen dess', der ihn zerschlagen.

610

Jetzt wird die Sache gleich ermittelt sein.

Walter.

Herr Richter! Ei! Welch ein gewaltsames Verfahren.

Adam.

Wie so?

Licht.

Wollt ihr nicht förmlich –?

Adam.

Nein! sag' ich;

Ihr Gnaden lieben Förmlichkeiten nicht.

Walter.

Wenn ihr die Instruction, Herr Richter Adam,

615

Nicht des Prozesses einzuleiten wißt,

[53]

Ist hier der Ort jetzt nicht, es euch zu lehren.

Wenn ihr Recht anders nicht, als so, könnt geben,

So tretet ab: vielleicht kann's euer Schreiber.

Adam.

Erlaubt! Ich gab's, wie's hier in Huisum üblich;

620

Ew. Gnaden haben's also mir befohlen.

Walter.

Ich hätt' –?

Adam.

Auf meine Ehre!

Walter.

Ich befahl euch,

Recht hier nach den Gesetzen zu ertheilen;

Und hier in Huisum glaubt' ich die Gesetze,

Wie anderswo in den vereinten Staaten.

Adam.

625

Da muß submiß ich um Verzeihung bitten!

Wir haben hier, mit Ew. Erlaubniß,

Statuten, eigenthümliche, in Huisum,

Nicht aufgeschriebene, muß ich gestehn, doch durch

Bewährte Tradition uns überliefert.

630

Von dieser Form, getrau ich mir zu hoffen,

Bin ich noch heut kein Jota abgewichen.

Doch auch in eurer andern Form bin ich,

Wie sie im Reich mag üblich sein, zu Hause.

[54]

Verlangt ihr den Beweis? Wohlan, befehlt!

635

Ich kann Recht so jetzt, jetzo so ertheilen.

Walter.

Ihr gebt mir schlechte Meinungen, Herr Richter.

Es sei. Ihr fangt von vorn die Sache an. –

Adam.

Auf Ehr'! Gebt Acht, ihr sollt zufrieden sein.

– Frau Marthe Rull! Bringt eure Klage vor.

Frau Marthe.

640

Ich klag', ihr wißt's, hier wegen dieses Krugs;

Jedoch vergönnt, daß ich, bevor ich melde

Was diesem Krug geschehen, auch beschreibe

Was er vorher mir war.

Adam.

Das Reden ist an euch.

Frau Marthe.

Seht ihr den Krug, ihr werthgeschätzten Herren?

645

Seht ihr den Krug?

Adam.

O ja, wir sehen ihn.

Frau Marthe.

Nichts seht ihr, mit Verlaub, die Scherben seht ihr;

Der Krüge schönster ist entzwei geschlagen.

Hier grade auf dem Loch, wo jetzo nichts,

Sind die gesammten niederländischen Provinzen

650

Dem span'schen Philipp übergeben worden.

[55]

Hier im Ornat stand Kaiser Carl der fünfte:

Von dem seht ihr nur noch die Beine stehn.

Hier kniete Philipp, und empfing die Krone:

Der liegt im Topf, bis auf den Hintertheil,

655

Und auch noch der hat einen Stoß empfangen.

Dort wischten seine beiden Muhmen sich,

Der Franzen und der Ungarn Königinnen,

Gerührt die Augen aus; wenn man die Eine

Die Hand noch mit dem Tuch empor sieht heben,

660

So ist's, als weinete sie über sich.

Hier im Gefolge stützt sich Philibert,

Für den den Stoß der Kaiser aufgefangen,

Noch auf das Schwerdt; doch jetzo müßt' er fallen,

So gut wie Maximilian: der Schlingel!

665

Die Schwerdter unten jetzt sind weggeschlagen.

Hier in der Mitte, mit der heil'gen Mütze,

Sah man den Erzbischof von Arras stehn;

Den hat der Teufel ganz und gar geholt,

Sein Schatten nur fällt lang noch übers Pflaster.

670

Hier standen rings, im Grunde, Leibtrabanten,

Mit Hellebarden, dicht gedrängt, und Spießen,

Hier Häuser, seht, vom großen Markt zu Brüssel,

Hier guckt noch ein Neugier'ger aus dem Fenster:

Doch was er jetzo sieht, das weiß ich nicht.

Adam.

675

Frau Marth! Erlaßt uns das zerscherbte Pactum,

[56]

Wenn es zur Sache nicht gehört.

Uns geht das Loch – nichts die Provinzen an,

Die darauf übergeben worden sind.

Frau Marthe.

Erlaubt! Wie schön der Krug, gehört zur Sache! –

680

Den Krug erbeutete sich Childerich,

Der Kesselflicker, als Oranien

Briel mit den Wassergeusen überrumpelte.

Ihn hatt' ein Spanier, gefüllt mit Wein,

Just an den Mund gesetzt, als Childerich

685

Den Spanier von hinten niederwarf,

Den Krug ergriff, ihn leert', und weiter ging.

Adam.

Ein würd'ger Wassergeuse.

Frau Marthe.

Hierauf vererbte

Der Krug auf Fürchtegott, den Todtengräber;

Der trank zu dreimal nur, der Nüchterne,

690

Und stets vermischt mit Wasser aus dem Krug.

Das erstemal, als er im Sechzigsten

Ein junges Weib sich nahm; drei Jahre drauf,

Als sie noch glücklich ihn zum Vater machte;

Und als sie jetzt noch funfzehn Kinder zeugte,

695

Trank er zum drittenmale, als sie starb.

Adam.

Gut. Das ist auch nicht übel.

[57]

Frau Marthe.

Drauf fiel der Krug

An den Zachäus, Schneider in Tirlemont,

Der meinem seel'gen Mann, was ich euch jetzt

Berichten will, mit eignem Mund erzählt.

700

Der warf, als die Franzosen plünderten,

Den Krug, samt allem Hausrath, aus dem Fenster,

Sprang selbst, und brach den Hals, der Ungeschickte,

Und dieser irdne Krug, der Krug von Thon,

Auf's Bein kam er zu stehen, und blieb ganz.

Adam.

705

Zur Sache, wenn's beliebt, Frau Marthe Rull! Zur Sache!

Frau Marthe.

Drauf in der Feuersbrunst von Sechs und sechzig,

Da hatt' ihn schon mein Mann, Gott hab' ihn selig –

Adam.

Zum Teufel! Weib! So seid ihr noch nicht fertig?

Frau Marthe.

– Wenn ich nicht reden soll, Herr Richter Adam,

710

So bin ich unnütz hier, so will ich gehn,

Und ein Gericht mir suchen, das mich hört.

Walter.

Ihr sollt hier reden: doch von Dingen nicht,

Die eurer Klage fremd. Wenn ihr uns sagt,

[58]

Daß jener Krug euch werth, so wissen wir

715

So viel, als wir zum Richten hier gebrauchen.

Frau Marthe.

Wieviel ihr brauchen möget, hier zu richten,

Das weiß ich nicht, und untersuch' es nicht;

Das aber weiß ich, daß ich, um zu klagen,

Muß vor euch sagen dürfen, über was.

Walter.

720

Gut denn. Zum Schluß jetzt. Was geschah dem Krug?

Was? – Was geschah dem Krug im Feuer

Von Anno sechs und sechzig? Wird man's hören?

Was ist dem Krug geschehn?

Frau Marthe.

Was ihm geschehen?

Nichts ist dem Krug, ich bitt' euch sehr, ihr Herren,

725

Nichts Anno sechs und sechzig ihm geschehen.

Ganz blieb der Krug, ganz in der Flammen Mitte,

Und aus des Hauses Asche zog ich ihn

Hervor, glasirt, am andern Morgen, glänzend,

Als käm' er eben aus dem Töpferofen.

Walter.

730

Nun gut. Nun kennen wir den Krug. Nun wissen

Wir Alles, was dem Krug geschehn, was nicht.

Was giebt's jetzt weiter?

Frau Marthe.

Nun diesen Krug jetzt seht – den Krug,

Zertrümmert einen Krug noch werth, den Krug

Für eines Fräuleins Mund, die Lippe selbst,

735

Nicht der Frau Erbstatthalterin zu schlecht,

Den Krug, ihr hohen Herren Richter beide,

Den Krug hat jener Schlingel mir zerbrochen.

Adam.

Wer?

Frau Marthe.

Er, der Ruprecht dort.

Ruprecht.

Das ist gelogen,

Herr Richter.

Adam.

Schweig' er, bis man ihn fragen wird.

740

Auch heut an ihn noch wird die Reihe kommen.

– Habt ihr's im Protocoll bemerkt?

Licht.

O ja.

Adam.

Erzählt den Hergang, würdige Frau Marthe.

Frau Marthe.

Es war Uhr eilfe gestern –

Adam.

Wann, sagt ihr?

[60]

Frau Marthe.

Uhr eilf.

Adam.

Am Morgen!

Frau Marthe.

Nein, verzeiht, am Abend,

745

Und schon die Lamp' im Bette wollt' ich löschen,

Als laute Männerstimmen, ein Tumult,

In meiner Tochter abgelegnen Kammer,

Als ob der Feind einbräche, mich erschreckt.

Geschwind' die Trepp' eil' ich hinab, ich finde

750

Die Kammerthür gewaltsam eingesprengt,

Schimpfreden schallen wüthend mir entgegen,

Und da ich mir den Auftritt jetzt beleuchte,

Was find' ich jetzt, Herr Richter, was jetzt find' ich?

Den Krug find' ich zerscherbt im Zimmer liegen,

755

In jedem Winkel liegt ein Stück,

Das Mädchen ringt die Händ', und er der Flaps dort,

Der trotzt, wie toll, euch in des Zimmers Mitte.

Adam.

Ei, Wetter!

Frau Marthe.

Was?

Adam.

Sieh da, Frau Marthe!

[61]

Frau Marthe.

Ja! –

Drauf ist's, als ob in so gerechtem Zorn,

760

Mir noch zehn Arme wüchsen, jeglichen

Fühl' ich mir wie ein Geier ausgerüstet.

Ihn stell' ich dort zu Rede, was er hier

In später Nacht zu suchen, mir die Krüge

Des Hauses tobend einzuschlagen habe:

765

Und er, zur Antwort giebt er mir, jetzt rathet?

Der Unverschämte! Der Hallunke, der!

Aufs Rad will ich ihn sehen, oder mich

Nicht mehr geduldig auf den Rücken legen:

Er spricht, es hab' ein Anderer den Krug

770

Vom Sims' gestürzt – ein Anderer, ich bitt' euch,

Der vor ihm aus der Kammer nur entwichen;

– Und überhäuft mit Schimpf mir da das Mädchen.

Adam.

Oh! faule Fische – Hierauf?

Frau Marthe.

Auf dies Wort

Seh' ich das Mädchen fragend an; die steht

775

Gleich einer Leiche da, ich sage: Eve! –

Sie setzt sich; ist's ein Anderer gewesen,

Frag ich? Und Joseph und Maria, ruft sie,

Was denkt ihr Mutter auch? – So sprich! Wer war's?

[62]

Wer sonst, sagt sie, – und wer auch konnt' es anders?

780

Und schwört mir zu, daß er's gewesen ist.

Eve.

Was schwor ich euch? Was hab' ich euch geschworen?

Nichts schwor ich, nichts euch –

Frau Marthe.

Eve!

Eve.

Nein! Dies lügt ihr. –

Ruprecht.

Da hört ihr's.

Adam.

Hund, jetzt, verfluchter, schweig,

Soll hier die Faust den Rachen dir noch stopfen!

785

Nachher ist Zeit für dich, nicht jetzt.

Frau Marthe.

Du hättest nicht –?

Eve.

Nein, Mutter! Dies verfälscht ihr.

Seht, leid thut's in der That mir tief zur Seele,

Daß ich es öffentlich erklären muß:

Doch nichts schwor ich, nichts, nichts hab' ich geschworen.

Adam.

790

Seid doch vernünftig, Kinder.

[63]

Licht.

Das ist ja seltsam.

Frau Marthe.

Du hättest mir, o Eve, nicht versichert?

Nicht Joseph und Marie angerufen?

Eve.

Beim Schwur nicht! Schwörend nicht! Seht dies jetzt schwör' ich,

Und Joseph und Maria ruf ich an.

Adam.

795

Ei, Leutchen! Ei, Frau Marthe! Was auch macht sie?

Wie schüchtert sie das gute Kind auch ein.

Wenn sich die Jungfer wird besonnen haben,

Erinnert ruhig dessen, was geschehen,

– Ich sage, was geschehen ist, und was,

800

Spricht sie nicht, wie sie soll, geschehn noch kann.

Gebt Acht, so sagt sie heut uns aus, wie gestern,

Gleichviel, ob sie's beschwören kann ob nicht.

Laßt Joseph und Maria aus dem Spiele.

Walter.

Nicht doch, Herr Richter, nicht! Wer wollte den

805

Partheien so zweideut'ge Lehren geben.

Frau Marthe.

Wenn sie in's Angesicht mir sagen kann,

Schamlos, die liederliche Dirne, die,

[64]

Daß es ein Andrer, als der Ruprecht war,

So mag meintwegen sie – ich mag nicht sagen, was.

810

Ich aber, ich versichr' es euch, Herr Richter,

Und kann ich gleich nicht, daß sie's schwor, behaupten,

Daß sie's gesagt hat gestern, das beschwör' ich,

Und Joseph und Maria ruf' ich an.

Adam.

Nun weiter will ja auch die Jungfer –

Walter.

Herr Richter!

Adam.

815

Ew. Gnaden? – Was sagt er? – Nicht, Herzens=Evchen?

Frau Marthe.

Heraus damit! Hast du's mir nicht gesagt?

Hast du's mir gestern nicht, mir nicht gesagt?

Eve.

Wer läugnet euch, daß ich's gesagt –

Adam.

Da habt ihr's.

Ruprecht.

Die Metze, die!

Adam.

Schreibt auf.

Veit.

Pfui, schäm' sie sich.

Walter.

820

Von eurer Aufführung, Herr Richter Adam,

Weiß ich nicht, was ich denken soll. Wenn ihr selbst

Den Krug zerschlagen hättet, könntet ihr

Von euch ab den Verdacht nicht eifriger

Hinwälzen auf den jungen Mann, als jetzt. –

825

Ihr setzt nicht mehr ins Protokoll, Herr Schreiber,

Als nur der Jungfer Eingeständniß, hoff' ich,

Vom gestrigen Geständniß, nicht vom Facto.

– Ist's an die Jungfer jetzt schon auszusagen?

Adam.

Mein Seel, wenn's ihre Reihe noch nicht ist,

830

In solchen Dingen irrt der Mensch, Ew. Gnaden.

Wen hätt' ich fragen sollen jetzt? Beklagten?

Auf Ehr'! Ich nehme gute Lehre an.

Walter.

Wie unbefangen! – Ja, fragt den Beklagten.

Fragt, macht ein Ende, fragt, ich bitt' euch sehr:

835

Dies ist die letzte Sache, die ihr führt.

Adam.

Die letzte! Was! Ei freilich! Den Beklagten!

Wohin auch, alter Richter, dachtest du?

Verflucht, das pips'ge Perlhuhn mir! Daß es

Krepirt wär an der Pest in Indien!

840

Stets liegt der Kloß von Nudeln mir im Sinn.

[66]

Walter.

Was liegt? Was für ein Kloß liegt euch –?

Adam.

Der Nudelkloß,

Verzeiht, den ich dem Huhne geben soll.

Schluckt mir das Aas die Pille nicht herunter,

Mein Seel, so weiß ich nicht, wie's werden wird.

Walter.

845

Thut eure Schuldigkeit, sag ich, zum Henker!

Adam.

Beklagter trete vor.

Ruprecht.

Hier, Herr Dorfrichter.

Ruprecht, Veits des Kossäthen Sohn, aus Huisum.

Adam.

Vernahm er dort, was vor Gericht so eben

Frau Marthe gegen ihn hat angebracht?

Ruprecht.

850

Ja, Herr Dorfrichter, das hab' ich.

Adam.

Getraut er sich

Etwas dagegen aufzubringen, was?

Bekennt er, oder unterfängt er sich,

Hier wie ein gottvergeßner Mensch zu läugnen?

Ruprecht.

Was ich dagegen aufzubringen habe,

[67]

Herr Richter? Ei! Mit euerer Erlaubniß,

Daß sie kein wahres Wort gesprochen hat.

Adam.

So? Und das denkt er zu beweisen?

Ruprecht.

O ja.

Adam.

Die würdige Frau Marthe, die.

Beruhige sie sich. Es wird sich finden.

Walter.

860

Was geht ihn die Frau Marthe an, Herr Richter?

Adam.

Was mir –? Bei Gott! Soll ich als Christ –?

Walter.

Bericht'

Er, was er für sich anzuführen hat. –

Herr Schreiber, wißt ihr den Prozeß zu führen?

Adam.

Ach, was!

Licht.

Ob ich – ei nun, wenn Ew. Gnaden –

Adam.

865

Was glotzt er da? Was hat er aufzubringen?

Steht nicht der Esel, wie ein Ochse, da?

Was hat er aufzubringen?

[68]

Ruprecht.

Was ich aufzubringen?

Walter.

Er ja, er soll den Hergang jetzt erzählen.

Ruprecht.

Mein Seel', wenn man zu Wort mich kommen ließe.

Walter.

870

S' ist in der That, Herr Richter, nicht zu dulden.

Ruprecht.

Glock zehn Uhr mogt' es etwa sein zu Nacht, –

Und warm, just diese Nacht des Januars

Wie Mai, als ich zum Vater sage: Vater!

Ich will ein Bissel noch zur Eve gehn.

875

Denn heuren wollt' ich sie, das müßt ihr wissen,

Ein rüstig Mädel ist's, ich hab's beim Erndten

Gesehn, wo Alles von der Faust ihr ging,

Und ihr das Heu man flog, als wie gemaus't.

Da sagt' ich: willst du? Und sie sagte: ach!

880

Was du da gakelst. Und nachher sagt' sie, ja.

Adam.

Bleib er bei seiner Sache. Gakeln! Was!

Ich sagte, willst du? Und sie sagte, ja.

Ruprecht.

Ja, meiner Treu, Herr Richter.

[69]

Walter.

Weiter! Weiter!

Ruprecht.

Nun –

Da sagt' ich: Vater, hört er? Laß er mich.

885

Wir schwatzen noch am Fenster was zusammen.

Na, sagt er, lauf; bleibst du auch draußen, sagt er?

Ja, meiner Seel', sag' ich, das ist geschworen.

Na, sagt' er, lauf, um eilfe bist du hier.

Adam.

Na, so sag' du, und gakle, und kein Ende.

890

Na, hat er bald sich ausgesagt?

Ruprecht.

Na, sag' ich,

Das ist ein Wort, und setz' die Mütze auf,

Und geh; und über'n Steig will ich, und muß

Durch's Dorf zurückgehn, weil der Bach geschwollen.

Ei, alle Wetter, denk' ich, Ruprecht, Schlag!

895

Nun ist die Gartenthür bei Marthens zu:

Denn bis um zehn läßt's Mädel sie nur offen,

Wenn ich um zehn nicht da bin, komm ich nicht.

Adam.

Die liederliche Wirthschaft, die.

Walter.

Drauf weiter?

Ruprecht.

Drauf – wie ich über'n Lindengang mich näh're,

900

Bei Marthens, wo die Reihen dicht gewölbt,

Und dunkel, wie der Dom zu Utrecht, sind,

Hör' ich die Gartenthüre fernher knarren.

Sieh da! Da ist die Eve noch! sag' ich,

Und schicke freudig euch, von wo die Ohren

905

Mir Kundschaft brachten, meine Augen nach –

– Und schelte sie, da sie mir wiederkommen,

Für blind, und schicke auf der Stelle sie

Zum zweitenmal, sich besser umzusehen,

Und schimpfe sie nichtswürdige Verläumder,

910

Aufhetzer, niederträcht'ge Ohrenbläser,

Und schicke sie zum drittenmal, und denke,

Sie werden, weil sie ihre Pflicht gethan,

Unwillig los sich aus dem Kopf mir reißen,

Und sich in einen andern Dienst begeben:

915

Die Eve ist's, am Latz erkenn ich sie,

Und Einer ist's noch obenein.

Adam.

So? Einer noch? Und wer, er Klugschwätzer?

Ruprecht.

Wer? Ja, mein Seel, da fragt ihr mich –

Adam.

Nun also!

Und nicht gefangen, denk ich, nicht gehangen.

[71]

Walter.

920

Fort! Weiter in der Rede! Laßt ihn doch!

Was unterbrecht ihr ihn, Herr Dorfrichter?

Ruprecht.

Ich kann das Abendmahl darauf nicht nehmen,

Stockfinster war's, und alle Katzen grau.

Doch müßt ihr wissen, daß der Flickschuster,

925

Der Lebrecht, den man kürzlich losgesprochen,

Dem Mädel längst mir auf die Fährte ging.

Ich sagte vor'gen Herbst schon: Eve, höre,

Der Schuft schleicht mir um's Haus, das mag ich nicht;

Sag' ihm, daß du kein Braten bist für ihn,

930

Mein Seel', sonst werf ich ihn vom Hof herunter.

Die spricht: ich glaub', du schierst mich, sagt ihm was,

Das ist nicht hin, nicht her, nicht Fisch, nicht Fleisch:

Drauf geh ich hin, und werf' den Schlingel herunter.

Adam.

So? Lebrecht heißt der Kerl?

Ruprecht.

Ja, Lebrecht.

Adam.

Gut.

935

Das ist ein Nam'. Es wird sich Alles finden.

– Habt ihr's bemerkt im Protokoll, Herr Schreiber?

Licht.

O ja, und Alles Andere, Herr Richter.

Adam.

Sprich weiter, Ruprecht, jetzt, mein Sohn.

Ruprecht.

Nun schießt,

Da ich Glock eilf das Pärchen hier begegne,

940

– Glock zehn Uhr zog ich immer ab – das Blatt mir.

Ich denke, halt, jetzt ist's noch Zeit, o Ruprecht,

Noch wachsen dir die Hirschgeweihe nicht: –

Hier mußt du sorgsam dir die Stirn befühlen,

Ob dir von fern hornartig etwas keimt.

945

Und drücke sacht mich durch die Gartenpforte,

Und berg' in einen Strauch von Taxus mich:

Und hör euch ein Gefispre hier, ein Scherzen,

Ein Zerren hin, Herr Richter, Zerren her,

Mein Seel', ich denk', ich soll vor Lust –

Eve.

Du Bös'wicht!

950

Was das, o schändlich ist von dir!

Frau Marthe.

Hallunke!

Dir weis' ich noch einmal, wenn wir allein sind,

Die Zähne! Wart! Du weißt noch nicht, wo mir

Die Haare wachsen! Du sollst's erfahren!

Ruprecht.

Ein Viertelstündchen dauert's so, ich denke,

955

Was wird's doch werden, ist doch heut nicht Hochzeit?

[73]

Und eh' ich den Gedanken ausgedacht,

Husch! sind sie beid' in's Haus schon, vor dem Pastor.

Eve.

Geht, Mutter, mag es werden, wie es will –

Adam.

Schweig du mir dort, rath' ich, das Donnerwetter

960

Schlägt über dich ein, unberufne Schwätzerin!

Wart, bis ich auf zur Red' dich rufen werde.

Walter.

Sehr sonderbar, bei Gott!

Ruprecht.

Jetzt hebt, Herr Richter Adam

Jetzt hebt sich's, wie ein Blutsturz, mir. Luft!

Da mir der Knopf am Brustlatz springt: Luft jetzt!

965

Und reiße mir den Latz auf: Luft jetzt sag' ich!

Und geh, und drück, und tret' und donnere,

Da ich der Dirne Thür, verriegelt finde,

Gestemmt, mit Macht, auf einen Tritt, sie ein.

Adam.

Blitzjunge, du!

Ruprecht.

Just da sie auf jetzt rasselt,

970

Stürzt dort der Krug vom Sims ins Zimmer hin,

Und husch! springt Einer aus dem Fenster euch:

Ich seh die Schöße noch vom Rocke wehn.

[74]

Adam.

War das der Leberecht?

Ruprecht.

Wer sonst, Herr Richter?

Das Mädchen steht, die werf' ich über'n Haufen,

975

Zum Fenster eil' ich hin, und find' den Kerl

Noch in den Pfählen hangen, am Spalier,

Wo sich das Weinlaub aufrankt bis zum Dach.

Und da die Klinke in der Hand mir blieb,

Als ich die Thür eindonnerte, so reiß' ich

980

Jetzt mit dem Stahl Eins pfundschwer über'n Detz ihm:

Den just, Herr Richter, konnt' ich noch erreichen.

Adam.

War's eine Klinke?

Ruprecht.

Was?

Adam.

Ob's –

Ruprecht.

Ja, die Thürklinke.

Adam.

Darum.

Licht.

Ihr glaubtet wohl, es war ein Degen?

Adam.

Ein Degen? Ich – wie so?

[75]

Ruprecht.

Ein Degen!

Licht.

Je nun!

985

Man kann sich wohl verhören. Eine Klinke

Hat sehr viel Aehnlichkeit mit einem Degen.

Adam.

Ich glaub' –!

Licht.

Bei meiner Treu! Der Stiel, Herr Richter?

Adam.

Der Stiel!

Ruprecht.

Der Stiel! Der wars nun aber nicht.

Der Klinke umgekehrtes Ende war's.

Adam.

990

Das umgekehrte Ende war's der Klinke!

Licht.

So! So!

Ruprecht.

Doch auf dem Griffe lag ein Klumpen

Blei, wie ein Degengriff, das muß ich sagen.

Adam.

Ja, wie ein Griff.

Licht.

Gut. Wie ein Degengriff.

[76]

Doch irgendeine tücksche Waffe mußt' es

995

Gewesen sein. Das wußt' ich wohl.

Walter.

Zur Sache stets, ihr Herrn, doch! Zur Sache!

Adam.

Nichts als Allotrien, Herr Schreiber! – Er, weiter!

Ruprecht.

Jetzt stürzt der Kerl, und ich schon will mich wenden,

Als ich's im Dunkeln auf sich rappeln sehe.

1000

Ich denke, lebst du noch? und steig auf's Fenster

Und will dem Kerl das Gehen unten legen:

Als jetzt, ihr Herrn, da ich zum Sprung just aushol',

Mir eine Handvoll grobgekörnten Sandes –

– Und Kerl und Nacht und Welt und Fensterbrett,

1005

Worauf ich steh, denk' ich nicht, straf mich Gott,

Das Alles fällt in einen Sack zusammen –

Wie Hagel, stiebend, in die Augen fliegt.

Adam.

Verflucht! Sieh da! Wer that das?

Ruprecht.

Wer? Der Lebrecht.

Adam.

Hallunke!

Ruprecht.

Meiner Treu! Wenn er's gewesen.

[77]

Adam.

1010

Wer sonst!

Ruprecht.

Als stürzte mich ein Schlossenregen

Von eines Bergs zehn Klaftern hohen Abhang,

So schlag' ich jetzt vom Fenster euch ins Zimmer:

Ich denk, ich schmettere den Boden ein.

Nun brech' ich mir den Hals doch nicht, auch nicht

1015

Das Kreuz mir, Hüften, oder sonst, inzwischen

Konnt' ich des Kerls doch nicht mehr habhaft werden,

Und sitze auf, und wische mir die Augen.

Die kommt, und ach, Herr Gott! ruft sie, und Ruprecht!

Was ist dir auch? Mein Seel', ich hob den Fuß,

1020

Gut war's, da[ß] ich nicht sah, wohin ich stieß.

Adam.

Kam das vom Sande noch?

Ruprecht.

Vom Sandwurf, ja.

Adam.

Verdammt! Der traf!

Ruprecht.

Da ich jetzt aufersteh'

Was sollt' ich auch die Fäuste hier mir schänden?

So schimpf' ich sie, und sage liederliche Metze,

1025

Und denke, das ist gut genug für sie.

[78]

Doch Thränen, seht, ersticken mir die Sprache.

Denn da Frau Marthe jetzt in's Zimmer tritt,

Die Lampe hebt, und ich das Mädchen dort

Jetzt schlotternd, zum Erbarmen vor mir sehe,

1030

Sie, die so herzhaft sonst wohl um sich sah,

So sag' ich zu mir, blind ist auch nicht übel.

Ich hätte meine Augen hingegeben,

Knippkügelchen, wer will, damit zu spielen.

Eve.

Er ist nicht werth, der Bös'wicht –

Adam.

Sie soll schweigen.

Ruprecht.

1035

Das Weitre wißt ihr.

Adam.

Wie, das Weitere?

Ruprecht.

Nun ja, Frau Marthe kam, und geiferte,

Und Ralf, der Nachbar, kam, und Hinz, der Nachbar,

Und Muhme Sus' und Muhme Liese kamen,

Und Knecht und Mägd' und Hund' und Katzen kamen,

1040

S' war ein Spektakel, und Frau Marthe fragte

Die Jungfer dort, wer ihr den Krug zerschlagen,

Und die, die sprach, ihr wißt's, da[ß] ich's gewesen.

Mein Seel', sie hat so unrecht nicht, ihr Herren.

[79]

Den Krug, den sie zu Wasser trug, zerschlug ich,

1045

Und der Flickschuster hat im Kopf ein Loch. –

Adam.

Frau Marthe! Was entgegnet ihr der Rede?

Sagt an!

Frau Marthe.

Was ich der Red entgegene?

Daß sie, Herr Richter, wie der Marder einbricht,

Und Wahrheit wie ein gakelnd Huhn erwürgt.

1050

Was Recht liebt, sollte zu den Keulen greifen,

Um dieses Ungethüm der Nacht zu tilgen.

Adam.

Da wird sie den Beweis uns führen müssen.

Frau Marthe.

O ja, sehr gern. Hier ist mein Zeuge. – Rede!

Adam.

Die Tochter? Nein, Frau Marthe.

Walter.

Nein? Warum nicht?

Adam.

1055

Als Zeuginn, gnäd'ger Herr? Steht im Gesetzbuch

Nicht titulo, ist's quarto? oder quinto?

Wenn Krüge oder sonst, was weiß ich?

Von jungen Bengeln sind zerschlagen worden,

So zeugen Töchter ihren Müttern nicht?

[80]

Walter.

1060

In eurem Kopf liegt Wissenschaft und Irrthum

Geknetet, innig, wie ein Teig, zusammen;

Mit jedem Schnitte gebt ihr mir von beidem.

Die Jungfer zeugt noch nicht, sie deklarirt jetzt;

Ob, und für wen, sie zeugen will und kann,

1065

Wird erst aus der Erklärung sich ergeben.

Adam.

Ja, deklariren. Gut. Titulo sexto.

Doch was sie sagt, das glaubt man nicht.

Walter.

Tritt vor, mein junges Kind.

Adam.

He! Lis' –! – Erlaubt!

Die Zunge wird sehr trocken mir – Margrethe!