B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Karl Marx
1818 - 1883
     
   


V o l k s l i e d e r s a m m l u n g

I )   D e u t s c h e   L i e d e r .

______________________________________________


a) Alemannische Mundart.
b) Tyrolerliederl.
c) Kuhländchen.
d) Rheinische Lieder.
e) Norddeutsche Lieder.
f) Oestreichische Lieder.
g) Sächsische Lieder.
h) Hochländische Lieder.
i) Schweizerlied.
j) Bergische Lieder.
k) Schwäbische Lieder.
l) (Hoffmanns Kampfbilder)


  
a) Lieder in allemannischer Mundart.

     1)
     Im Frühlinge.

Uffem Berge möcht i ruhe,
     Imme Thale wandten au (auch),
Möcht au alliwil (allweil) mi Dörfli
     O mi lustig Dörfli g'schau (schauen).

Aus der Quelle möcht ich trinke,
     Lösche dort mi heiße Durst
Möcht au schlofen auf de Matten,
     An der grüne, kühle Hurst (Strauch, Gebüsch).

Lugen möcht' ich durch das Fenster,
     Ob mich's Meieli (Mägdelein) noch kennt,
Was es dort für schöni Sachen
     In si'm Kämmerlin beginnt.

Jo, was möcht' ich alles thuen!
     Und i bin noch Allzeit fern!
Viele Sterne stehn am Himmel,
     Doch nicht meiner Heimath Stern.

Bist getrost! Das klein Waldvögli
     Findet ja si Heimath au,
Wenn die Frühlingssonne lächelt
     Freundlich über Thal und Au.

Siehst nicht, lieblich lacht der Frühling!
     Los (horch)! und wie ihm d' Lerrich singt.
Blüemli streut er mir uf's Pfädli,
     Das mich hin zur Heimath bringt!

 
     2)
     An 's Meieli. (Mägdelein.)

Ich hab schon tusigmol (tausendmal) an Di gedacht,
     Mir ischt der Tag nit lang, nit lang die Nacht.
O Meieli, was soll ich wohl beginne?
     Du hast umfangen alli mine Sinne.

Und ob der Morgenstern von dannen goht,
     Und dort die Sunn' am heitre Himmel stoht,
So sitz i still, als thät i schier verlange:
     Wie isch es wohl mi'm Meieli ergange?

Und wenn die liebe Sunne niedersinkt,
     Der Obestern schon aus der Ferni blinkt,
Dann kommt min altes Sehnen und Bange:
     Wie isch es wohl min'm Meieli ergange?

So han i tusigmol und tusigmol gidacht.
     Was isch mi Denke, wenn Din Engli (Englein) wacht?
Dein Engli wacht, das würd' ich schon eninne (gewahr),
     Drum will i fröhli Allis nummi (nunmehr) beginne.

 
     3)
     Rothe Röslein.

Rothe Roesli wotti (wollt ich) suche,
     's war just um die Winterzit,
Rösli konnt' i nirgend finde,
     Und die Dornen wollt ich nit.

Uffem Anger bin i g'stande,
     Und der Frühlig nebe dra,
Unds blüeihten um mi Blümli,
     Und i wott (wollt') mer au eis (eins) ha. (haben)

Ruothe Rösli, dacht i, find i,
     Denn der Frühlig isch nu do,
Vögeli rufen jedem Blümeli,
     Doch mi Blümli war nit cho (kommen).

Und nu muß i selber singe,
     Gott verbarm's, so gut i cha (kann), Rösli,
chumm (komm) aus diner Chnospe (Knospe),
     O wie gern lacht' i di a.

Und i sang und sing noch hüte,
     Und mi Meidli hört es nit,
Isch no stummer as e Rösli,
     Schöner als das schönste Lied.

 
     4)
     Winterblümchen.

Dort oben uffem Berge,
     Dort lit (liegt) e tiefer Schnee,
Wo blüeihe nu di Rösli,
     Wo gruenet nu der Klee?

I weiß e schönes Blümli,
     Der Winter findt es nit.
Mi Meidli isch sell Blümli,
     Wo tusig Freude git (gibt).

Mei Meidli singt am Fenster,
     Wie's Vögli uffem Nast (Ast).
Und treit (trägt) e Frühligshimmel
     Im blauen Augeglast.

Wo blüeihe nu die Rösli,
     Wo grünet nu der Klee?
Jo, such dir au e Schätzli,
     Sell (solches) cha (kann) Dir Antwort ge (geben)!

 
d) Rheinische Lieder.
 
     10)
     Blaublümlein.
     (Von Heine fast wörtlich benuzt)

Es fiel ein Reif in Frühlingsnacht,
Wohl über die schönen Blaublümelein,
Sie sind verwelket, verdörret.

Ein Knabe hatt' ein Mägdlein lieb,
Sie liefen heimlich von Hause fort,
Es wußt's nicht Vater, noch Mutter.

Sie liefen weit ins fremde Land,
Sie hatten weder Glück, noch Stern,
Sie sind verdorben, gestorben.

Auf ihrem Grab Blaublümlein blühn,
Umschlingen sich treu, wie sie im Grab,
Der Reif sie nicht welket, nicht dörret.

 
     17)
     Wenn ich ein Vöglein wär.
     Rheinisch.

Wenn ich ein Vöglein wär',
Und auch zwei Flüglein hätt',
     Flög' ich zu Dir;
Weil's aber nicht kann sein,
     Bleib' ich allhier.

Bin ich gleich weit von Dir,
Bin ich doch im Schlaf bei Dir,
     Und red' mit Dir;
Wenn ich erwachen thu,
     Bin ich allein.

Vergeht keine Stund in der Nacht,
Da mein Herze nicht erwacht,
     Und an dich gedenkt,
Daß Du mir viel tausendmal
     Dein Herze geschenkt.

 
     21)
     Mondscheinlied.

     Verstohlen geht der Mond auf,
          Blau blau Blümelein!
     Durch Silberwölkchen führt sein Lauf,
Rosen im Thal, Mädel im Saal, o schönste Rosa! (Jenny!)

     Er steigt die blaue Luft hindurch,
          Blau blau Blümelein,
     Bis daß er schaut auf Löwenburg
Rosen im Thal, Mädel im Saal, o schönste Rosa!

     O schaue Mond durchs Fensterlein,
          Blau blau Blümelein!
     Schön Trude lock mit Deinem Schein,
Rosen im Thal, Mädel im Saal, o schönste Rosa!

     Und siehst du mich und siehst du sie
          Blau blau Blümelein,
     Zwei treure Herzen sahst du nie,
Rosen im Thal, Mädel im Saal, o schönste Rosa!

 
e) Norddeutsche Lieder.
 
     25)
     Traum.

Ich hab' die Nacht geträumet
     Wohl einen schweren Traum,
Es wuchs in meinem Garten
     Ein Roßmarienbaum.

Ein Kirchhof war der Garten,
     Ein Blumenbeet das Grab,
Und von den grünen Bäumen
     Fiel Kron' und Blüthe ab.

Die Blüthe thät ich sammeln
     In einem goldnen Krug;
Der fiel mir aus den Händen,
     Daß er in Stücke schlug.

Draus sah ich Perlen rinnen,
     Und Tröpflein Rosenroth;
Was mag der Traum bedeuten?
     Ach Liebster, bist du todt?

 
f) Oestreichische Lieder.
 
     30)
     Chimmt a Vogerl.

Chimmt a Vogerl geflogen, sezt sich nieder auf mein Fuß,
Hat a Zetterl im Goscherl und vom Diarnd'l an Gruß.

Und a Büchserl zum Schießen und a Straußring zum Schlag'n,
Und a Diarnd'l zum Lieben muß a lust'ger Bu han.

Hast mi allweil vertröstet auf die Summeri-Zeit,
Und der Summer ist chimma und main Schatzerl is weit.

Daheim is main Schatzerl, in der Fremd' bin i hier,
Und es fragt halt kain Chatzerl, chain Hunderl nacher mir.

Liebs Vogerl, flieg weiter, nimm ä Gruß mit, ä Kuß!
Und i chan di nit b'glaita, wail i hierblaibi muß.

 
     31)
     Unsa Pfarra.

Juchhe! unsa Pfarra hat's Küssen aufgebracht,
Und i und mein Regerl haben's glei nachi gemacht.

 
g) Sächsische Lieder.
 
     32)
     Kein Feuer, keine Kohle.

Kein Feuer, keine Kohle kann brennen so heiß,
Als heimliche Liebe, von der Niemand nichts weiß.

Keine Rose, keine Nelke kann blühen so schön,
Als wenn zwei verliebte Seelen so bei einander stehn.

Setze du mir einen Spiegel ins Herze hinein,
Damit du kannst sehn, wie treu ich es mein.

 
     33)
     Nachbars Töffel.

Warum blickt doch so verstohlen
     Mich des Nachbars Töffel an?
Da er mir doch unverhohlen
     In das Auge sehen kann?
Ich muß nur die Mutter fragen,
     Was er so verstohlen blickt,
Denn wollt' ichs ihm selber sagen,
     Ließ es wohl recht ungeschickt!

Wird mir doch so weh und bange,
     Blickt er freundlich nach mir hin,
Und bei seiner Flöte Klange
     Weiß ich oft nicht, wo ich bin.
Andre Männer schaun mir gerne
     In die Augen hell und klar,
Nennen sie wohl gar zwei Sterne,
     Doch es ist gewiß nicht wahr.

Denn, wenn es zwei Sterne wären,
     Schaute Töffel wohl hinein,
Und ich wollt's ihm auch nicht wehren,
     Sollt' ich selbst der Himmel sein.
Aber so verstohlen blicket
     Man nicht zu den Sternen hin,
Und was mir im Herzen drücket
     Ist auch nicht der Himmel drin.

 
h) Hochländische Lieder.
 
     40)
     Der Sennerin Gruß.

Grüß dich Gott, lieber Bub'!
     Wie gefallt's dir denn hier?
Im Gebirg auf der Matten
     Da giebts halt kein Bier!

Ä Milch und ä Käs
     Und ä Liedl und ä Kuß,
Ist g'nug, weil der Bub'
     Damit zufrieden sein muß.

Hast 'n Hunger gar zu groß,
     Sein d' Bissen dir z' schmal;
Nun so reiß dich halt los
     Und geh' h'nunter ins Thal.

Im Thal findst du Wecken
     Und Madel und Bier; –
Aber laß dich nit necken
     Und bleib' ä wen'g hier.

 
     41)
     München.

Bin in München gewesen,
     Da werden Häuser gebaut,
Da wird die Weisheit gelesen –
     Und ä Gut's (gutes Bier) wird da gebraut.

Von Tölz bis nach München,
     Da fährt sich's geschwind –
Und aufm Schloß steht ä Fahnerl,
     Das dreht sich nach'm Wind.

Wenn's Fahnerl aufm Schlosse
     Sich herumgedreht hat,
Da drehn sich die Fahnerl
     Ueberall in der Stadt.

In München, da haben's
     Ä Theater gebaut,
Und im Theater, da hab' i
     Einen Affen angeschaut.

In München giebts Madel,
     Die schönsten von der Welt; –
's ist alles zu haben
     In München um baar Geld.

 
i) Schweizerlied.
 
     42)
     's Blümeli.
     Schweizerisch.

I hab' ein artiges Blümeli g'seh,
     A Blümeli roth und wieß,
Selb's Blümeli seh i nimma meh,
Und das thut mir im Herzen so weh!
          «O Blümeli mi, o Blümeli mi!
          I möcht' gern bi der si!»

O laßt mi bi mei Blümeli si,
     I schänd' es wahrli nit.
Es tröpfelt wohl a Thräneli dri,
Doch wer kann imma luschtich si.
          «O Blümeli mi, o Blümeli mi,
          I möcht' gern bei der si!»

Und wenn i einst gestorben bi,
     Und's Blümeli auch verblüht,
Dann leget doch, i bitte jih,
     Dann leget's auf das Grab zu mi.
          «O Blümeli mi, o Blümeli mi,
          I möcht' gern bei dir si.»

 
j) Bergische Lieder.
 
     43)
     Die Kronschlange.
     Bergisch.

Der Jäger längst dem Weiher ging,
Die Dämmerung den Wald umfing.

Was plätschert in dem Wasser dort?
Es kichert leis in einem fort.

Was schimmert dort im Grase feucht?
Wohl Gold und Edelstein mich deucht.

Kronschlänglein ringelt sich im Bad,
Die Kron' sie abgeleget hat.

Jezt gilt es wagen, ob mir graut,
Wer Glück hat, führet heim die Braut!

O Jäger, laß den goldnen Reif,
Die Diener regen schon den Schweif.

O Jäger, laß die Krone mein,
Ich geb' dir Gold und Edelstein.

Wie du die Kron' mir wiederlangst,
Geb' ich dir alles, was Du verlangst.

Der Jäger lief, als sei er taub,
Im Schrein barg er den theuren Raub.

Er barg ihn in dem festen Schrein,
Die schönste Maid, die Braut war sein.

 
k) Schwäbische Lieder.
 
     45)
     Aus der Zeit der Hohenstaufen.

Ich bin Din, Du bist min!
Deß sollst Du gewiß sin.
Du bist beslozzen (eingeschlossen)
     In minem Herzen;
Verloren ist das Slüzzelin (Schlüsselein),
     Drum mußt Du immer darinne sin.