BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

August von Platen

1796 - 1835

 

Tristan

 

1826

 

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Entstanden: Januar 1825.

Erstdruck: Morgenblatt für gebildete Stände. 1825, Nr. 218, 12. September, S. 869.

Lyrische Stücke, aus ungedruckten Dramen.

Von August Grafen von Platen.

 

Aus Tristan und Isolde.

 

Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,

Ist dem Tode schon anheim gegeben,

Wird für keinen Dienst auf Erden taugen,

Und doch wird er vor dem Tode beben,

5

Wer die Schönheit angeschaut mit Augen.

 

Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe,

Denn ein Thor nur kann auf Erden hoffen,

Zu genügen einem solchen Triebe.

Wen der Pfeil des Schönen je getroffen,

10

Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe!

 

Was er wünscht, das ist ihm nie geworden,

Und die Stunden, die das Leben spinnen,

Sind nur Mörder, die gemach ihn morden:

Was er will, das wird er nie gewinnen,

15

Was er wünscht, das ist ihm nie geworden.

 

Ach, er möchte wie ein Quell versiechen,

Jedem Hauch der Luft ein Gift entsaugen,

Und den Tod aus jeder Blume riechen:

Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,

20

Ach, er möchte wie ein Quell versiechen!

 

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Endgültige Version in:

August Graf von Platen. Gesammelte Werke, Stuttgart und Tübingen: Cotta, 1839, S. 29

 

Tristan.

 

Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,

Ist dem Tode schon anheimgegeben,

Wird für keinen Dienst der Erde taugen,

Und doch wird er vor dem Tode beben,

5

Wer die Schönheit angeschaut mit Augen!

 

Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe,

Denn ein Thor nur kann auf Erden hoffen,

Zu genügen einem solchen Triebe:

Wen der Pfeil des Schönen je getroffen,

10

Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe!

 

Ach, er möchte wie ein Quell versiechen.

Jedem Hauch der Luft ein Gift entsaugen,

Und den Tod aus jeder Blume riechen:

Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,

15

Ach, er möchte wie ein Quell versiechen!