BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Karl Simrock

1802 - 1876

 

Das Nibelungenlied

 

Siebentes Abenteuer

 

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Wie Gunther Brunhilden gewann.

 

402

Ihr Schifflein unterdessen | war auf dem Meer

Zur Burg heran gefloßen: | da sah der König hehr

Oben in den Fenstern | manche schöne Maid.

Daß er sie nicht erkannte, | das war in Wahrheit ihm leid.

403

Er fragte Siegfrieden, | den Gesellen sein:

«Hättet ihr wohl Kunde | um diese Mägdelein,

Die dort hernieder schauen | nach uns auf die Flut?

Wie ihr Herr auch heiße, | so tragen sie hohen Muth.»

404

Da sprach der kühne Siegfried: | «Nun sollt ihr heimlich spähn

Nach den Jungfrauen | und sollt mir dann gestehn,

Welche ihr nehmen wolltet, | wär euch die Wahl verliehn.»

«Das will ich,» sprach Gunther, | dieser Ritter schnell und kühn.

405

«So schau ich ihrer Eine | in jenem Fenster an,

Im schneeweißen Kleide, | die ist so wohlgethan:

Die wählen meine Augen, | so schön ist sie von Leib.

Wenn ich gebieten dürfte, | sie müste werden mein Weib.»

406

«Dir hat recht erkoren | deiner Augen Schein:

Es ist die edle Brunhild, | das schöne Mägdelein,

Nach der das Herz dir ringet, | der Sinn und auch der Muth.»

All ihr Gebaren dauchte | König Gunthern gut.

407

Da hieß die Königstochter | von den Fenstern gehn

Die minniglichen Maide: | sie sollten da nicht stehn

Zum Anblick für die Fremden; | sie folgten unverwandt.

Was da die Frauen thaten, | das ist uns auch wohl bekannt.

408

Sie zierten sich entgegen | den unkunden Herrn,

Wie es immer thaten | schöne Frauen gern.

Dann an die engen Fenster | traten sie heran,

Wo sie die Helden sahen: | das ward aus Neugier gethan.

409

Nur ihrer Viere waren, | die kamen in das Land.

Siegfried der kühne | ein Ross zog auf den Strand.

Das sahen durch die Fenster | die schönen Frauen an:

Große Ehre dauchte | sich König Gunther gethan.

410

Er hielt ihm bei dem Zaume | das zierliche Ross,

Das war gut und stattlich, | stark dazu und groß,

Bis der König Gunther | fest im Sattel saß.

Also dient' ihm Siegfried, | was er hernach doch ganz vergaß.

411

Dann zog er auch das seine | aus dem Schiff heran:

Er hatte solche Dienste | gar selten sonst gethan,

Daß er am Steigreif | Helden gestanden wär.

Das sahen durch die Fenster | die schönen Frauen hehr.

412

Es war in gleicher Weise | den Helden allbereit

Von schneeblanker Farbe | das Ross und auch das Kleid,

Dem einen wie dem andern, | und schön der Schilde Rand:

Die warfen hellen Schimmer | an der edeln Recken Hand.

413

Ihre Sättel wohlgesteinet, | die Brustriemen schmal:

So ritten sie herrlich | vor Brunhildens Saal;

Daran hiengen Schellen | von lichtem Golde roth.

Sie kamen zu dem Lande, | wie ihr Hochsinn gebot,

414

Mit Speren neu geschliffen, | mit wohlgeschaffnem Schwert,

Das bis auf die Sporen gieng | den Helden werth.

Die Wohlgemuthen führten | es scharf genug und breit.

Das alles sah Brunhild, | diese herrliche Maid.

415

Mit ihnen kam auch Dankwart | und sein Bruder Hagen:

Diese beide trugen, | wie wir hören sagen,

Von rabenschwarzer Farbe | reichgewirktes Kleid;

Neu waren ihre Schilde, | gut, dazu auch lang und breit.

416

Von India dem Lande | trugen sie Gestein,

Das warf an ihrem Kleide | auf und ab den Schein.

Sie ließen unbehütet | das Schifflein bei der Flut;

So ritten nach der Veste | diese Helden kühn und gut.

417

Sechsundachtzig Thürme | sahn sie darin zumal,

Drei weite Pfalzen | und einen schönen Saal

Von edelm Marmelsteine, | so grün wie das Gras,

Darin die Königstochter | mit ihrem Ingefinde saß.

418

Die Burg war erschloßen | und weithin aufgethan,

Brunhildes Mannen | liefen alsbald heran

Und empfiengen die Gäste | in ihrer Herrin Land.

Die Rosse nahm man ihnen | und die Schilde von der Hand.

419

Da sprach der Kämmrer Einer: | «Gebt uns euer Schwert

Und die lichten Panzer.» | «Das wird euch nicht gewährt,»

Sprach Hagen von Tronje, | «wir wollens selber tragen.»

Da begann ihm Siegfried | von des Hofs Gebrauch zu sagen:

420

«In dieser Burg ist Sitte, | das will ich euch sagen,

Keine Waffen dürfen | da die Gäste tragen:

Laßt sie von hinnen bringen, | das ist wohlgethan.»

Ihm folgte wider Willen | Hagen, König Gunthers Mann.

421

Man ließ den Gästen schenken | und schaffen gute Ruh.

Manchen schnellen Recken | sah man dem Hofe zu

Allenthalben eilen | in fürstlichem Gewand;

Doch wurden nach den Kühnen | ringsher die Blicke gesandt.

422

Nun wurden auch Brunhilden | gesagt die Mären,

Daß unbekannte Recken | gekommen wären

In herrlichem Gewande | gefloßen auf der Flut.

Da begann zu fragen | diese Jungfrau schön und gut:

423

«Ihr sollt mich hören laßen,» | sprach das Mägdelein,

«Wer die unbekannten | Recken mögen sein,

Die ich dort stehen sehe | in meiner Burg so hehr,

Und wem zu Lieb die Helden | wohl gefahren sind hieher.»

424

Des Gesindes sprach da Einer: | «Frau, ich muß gestehn,

Daß ich ihrer Keinen | je zuvor gesehn;

Doch Einer steht darunter, | der Siegfrieds Weise hat:

Den sollt ihr wohl empfangen, | das ist in Treuen mein Rath.

425

«Der andre der Gesellen, | gar löblich dünkt er mich;

Wenn er die Macht besäße, | zum König ziemt' er sich

Ob weiten Fürstenlanden, | sollt er die versehn.

Man sieht ihn bei den Andern | so recht herrlich da stehn.

426

«Der dritte der Gesellen, | der hat gar herben Sinn,

Doch schönen Wuchs nicht minder, | reiche Königin.

Die Blicke sind gewaltig, | deren so viel er thut:

Er trägt in seinem Sinne, | wähn ich, grimmigen Muth.

427

«Der jüngste darunter, | gar löblich dünkt er mich:

Man sieht den reichen Degen | so recht minniglich

In jungfräulicher Sitte | und edler Haltung stehn:

Wir müstens alle fürchten, | wär ihm ein Leid hier geschehn.

428

«So freundlich er gebahre, | so wohlgethan sein Leib,

Er brächte doch zum Weinen | manch waidliches Weib,

Wenn er zürnen sollte; | sein Wuchs ist wohl so gut,

Er ist an allen Tugenden | ein Degen kühn und wohlgemuth.»

429

Da sprach die Königstochter: | «Nun bringt mir mein Gewand:

Und ist der starke Siegfried | gekommen in mein Land

Um meiner Minne willen, | es geht ihm an den Leib:

Ich fürcht ihn nicht so heftig, | daß ich würde sein Weib.»

430

Brunhild die schöne | trug bald erlesen Kleid.

Auch gab ihr Geleite | manche schöne Maid,

Wohl hundert oder drüber, | sie all in reicher Zier.

Die Gäste kam zu schauen | manches edle Weib mit ihr.

431

Mit ihnen giengen | Degen aus Isenland,

Brunhildens Recken, | die Schwerter in der Hand,

Fünfhundert oder drüber; | das war den Gästen leid.

Aufstanden von den Sitzen | die kühnen Helden allbereit.

432

Als die Königstochter | Siegfrieden sah,

Wohlgezogen sprach sie | zu dem Gaste da:

«Seid willkommen, Siegfried, | hier in diesem Land.

Was meint eure Reise? | das macht mir, bitt ich, bekannt.»

433

«Viel Dank muß ich euch sagen, | Frau Brunhild,

Daß ihr mich geruht zu grüßen, | Fürstentochter mild,

Vor diesem edeln Recken, | der hier vor mir steht:

Denn der ist mein Lehnsherr; | der Ehre Siegfried wohl enträth.

434

«Er ist am Rheine König: | was soll ich sagen mehr?

Dir nur zu Liebe | fuhren wir hierher.

Er will dich gerne minnen, | was ihm geschehen mag.

Nun bedenke dich bei Zeiten: | mein Herr läßt nimmermehr nach.

435

«Er ist geheißen Gunther, | ein König reich und hehr.

Erwirbt er deine Minne, | nicht mehr ist sein Begehr.

Deinthalb mit ihm | that ich diese Fahrt;

Wenn er mein Herr nicht wäre, | ich hätt es sicher gespart.»

436

Sie sprach: «Wenn er dein Herr ist | und du in seinem Lehn,

Will er, die ich ertheile, | meine Spiele dann bestehn

Und bleibt darin der Meister, | so werd ich sein Weib;

Doch ists, daß ich gewinne, | es geht euch allen an den Leib.»

437

Da sprach von Tronje Hagen: | «So zeig uns, Königin,

Was ihr für Spiel' ertheilet. | Eh euch den Gewinn

Mein Herr Gunther ließe, | so müst es übel sein:

Er mag wohl noch erwerben | ein so schönes Mägdelein.»

438

«Den Stein soll er werfen | und springen darnach,

Den Sper mit mir schießen: | drum sei euch nicht zu jach.

Ihr verliert hier mit der Ehre | Leben leicht und Leib:

Drum mögt ihr euch bedenken,» | sprach das minnigliche Weib.

439

Siegfried der schnelle | gieng zu dem König hin

Und bat ihn, frei zu reden | mit der Königin

Ganz nach seinem Willen; | angstlos soll er sein:

«Ich will dich wohl behüten | vor ihr mit den Listen mein.»

440

Da sprach der König Gunther: | «Königstochter hehr,

Ertheilt mir, was ihr wollet, | und wär es auch noch mehr,

Eurer Schönheit willen | bestünd ich Alles gern.

Mein Haupt will ich verlieren, | gewinnt ihr mich nicht zum Herrn.»

441

Als da seine Rede | vernahm die Königin,

Bat sie, wie ihr ziemte, | das Spiel nicht zu verziehn.

Sie ließ sich zum Streite | bringen ihr Gewand,

Einen goldnen Panzer | und einen guten Schildesrand.

442

Ein seiden Waffenhemde | zog sich an die Maid,

Das ihr keine Waffe | verletzen konnt im Streit,

Von Zeugen wohlgeschaffen | aus Libya dem Land:

Lichtgewirkte Borten | erglänzten rings an dem Rand.

443

Derweil hatt ihr Uebermuth | den Gästen schwer gedräut.

Dankwart und Hagen | die standen unerfreut.

Wie es dem Herrn ergienge, | sorgte sehr ihr Muth.

Sie dachten: «Unsre Reise | bekommt uns Recken nicht gut.»

444

Derweilen gieng Siegfried, | der listige Mann,

Eh es wer bemerkte, | an das Schiff heran,

Wo er die Tarnkappe | verborgen liegen fand,

In die er hurtig schlüpfte: | da war er Niemand bekannt.

445

Er eilte bald zurücke | und fand hier Recken viel:

Die Königin ertheilte | da ihr hohes Spiel.

Da gieng er hin verstohlen | und daß ihn Niemand sah

Von Allen, die da waren, | was durch Zauber geschah.

446

Es war ein Kreis gezogen, | wo das Spiel geschehn

Vor kühnen Recken sollte, | die es wollten sehn.

Wohl siebenhundert | sah man Waffen tragen:

Wer das Spiel gewänne, | das sollten sie nach Wahrheit sagen.

447

Da war gekommen Brunhild, | die man gewaffnet fand,

Als ob sie streiten wolle | um aller Könge Land.

Wohl trug sie auf der Seide | viel Golddrähte fein;

Ihre minnigliche Farbe | gab darunter holden Schein.

448

Nun kam ihr Gesinde, | das trug herbei zuhand

Aus allrothem Golde | einen Schildesrand

Mit hartem Stahlbeschlage, | mächtig groß und breit,

Worunter spielen wollte | diese minnigliche Maid.

449

An einer edeln Borte | ward der Schild getragen,

Auf der Edelsteine, | grasgrüne, lagen;

Die tauschten mannigfaltig | Gefunkel mit dem Gold.

Er bedurfte großer Kühnheit, | dem die Jungfrau wurde hold.

450

Der Schild war untern Buckeln, | so ward uns gesagt,

Von dreier Spannen Dicke; | den trug hernach die Magd.

An Stahl und auch an Golde | war er reich genug,

Den ihrer Kämmrer Einer | mit Mühe selbvierter trug.

451

Als der starke Hagen | den Schild hertragen sah,

In großem Unmuthe | sprach der Tronjer da:

«Wie nun, König Gunther? | An Leben gehts und Leib:

Die ihr begehrt zu minnen, | die ist ein teuflisches Weib.»

452

Hört noch von ihren Kleidern: | deren hatte sie genug.

Von Azagauger Seide | einen Wappenrock sie trug,

Der kostbar war und edel: | daran warf hellen Schein

Von der Königstochter | gar mancher herrliche Stein.

453

Da brachten sie der Frauen | mächtig und breit

Einen scharfen Wurfspieß; | den verschoß sie allezeit,

Stark und ungefüge, | groß dazu und schwer.

An seinen beiden Seiten | schnitt gar grimmig der Sper.

454

Von des Spießes Schwere | höret Wunder sagen:

Wohl hundert Pfund Eisen | war dazu verschlagen.

Ihn trugen mühsam Dreie | von Brunhildens Heer:

Gunther der edle | rang mit Sorgen da schwer.

455

Er dacht in seinem Sinne: | «Was soll das sein hier?

Der Teufel aus der Hölle, | wie schützt' er sich vor ihr?

War ich mit meinem Leben | wieder an dem Rhein,

Sie dürfte hier wohl lange | meiner Minne ledig sein.»

456

Er trug in seinen Sorgen, | das wißet, Leid genug.

All seine Rüstung | man ihm zur Stelle trug.

Gewappnet Stand der reiche | König bald darin.

Vor Leid hätte Hagen | schier gar verwandelt den Sinn.

457

Da sprach Hagens Bruder, | der kühne Dankwart:

«Mich reut in der Seele | her zu Hof die Fahrt.

Nun hießen wir einst Recken! | wie verlieren wir den Leib!

Soll uns in diesem Lande | nun verderben ein Weib?

458

«Des muß mich sehr verdrießen, | daß ich kam in dieses Land.

Hätte mein Bruder Hagen | sein Schwert an der Hand

Und auch ich das meine, | so sollten sachte gehn

Mit ihrem Uebermuthe | Die in Brunhildens Lehn.

459

Sie sollten sich bescheiden, | das glaubet mir nur.

Hätt ich den Frieden tausendmal | bestärkt mit einem Schwur,

Bevor ich sterben sähe | den lieben Herren mein,

Das Leben müste laßen | dieses schöne Mägdelein.»

460

«Wir möchten ungefangen | wohl räumen dieses Land,»

Sprach sein Bruder Hagen, | «hätten wir das Gewand,

Des wir zum Streit bedürfen, | und die Schwerter gut,

So sollte sich wohl sänften | der schönen Fraue Uebermuth.»

461

Wohl hörte, was er sagte, | die Fraue wohlgethan;

Ueber die Achsel | sah sie ihn lächelnd an.

«Nun er so kühn sich dünket, | so bringt doch ihr Gewand,

Ihre scharfen Waffen | gebt den Helden an die Hand.

462

«Es kümmert mich so wenig, | ob sie gewaffnet sind,

Als ob sie bloß da stünden,» | so sprach das Königskind.

«Ich fürchte Niemands Stärke, | den ich noch je gekannt:

Ich mag auch wohl genesen | im Streit vor des Königs Hand.»

463

Als man die Waffen brachte, | wie die Maid gebot,

Dankwart der kühne | ward vor Freuden roth.

«Nun spielt, was ihr wollet,» | sprach der Degen werth,

«Gunther ist unbezwungen: | wir haben wieder unser Schwert.»

464

Brunhildens Stärke | zeigte sich nicht klein:

Man trug ihr zu dem Kreise | einen schweren Stein,

Groß und ungefüge, | rund dabei und breit.

Ihn trugen kaum zwölfe | dieser Degen kühn im Streit.

465

Den warf sie allerwegen, | wie sie den Sper verschoß.

Darüber war die Sorge | der Burgunden groß.

«Wen will der König werben?» | sprach da Hagen laut:

«Wär sie in der Hölle | doch des übeln Teufels Braut!»

466

An ihre weißen Arme | sie die Ärmel wand,

Sie schickte sich und faßte | den Schild an die Hand,

Sie schwang den Spieß zur Höhe: das war des Kampfe Beginn.

Gunther und Siegfried bangten vor Brunhildens grimmem Sinn.

467

Und wär ihm da Siegfried | zu Hülfe nicht gekommen,

So hätte sie dem König | das Leben wohl benommen.

Er trat hinzu verstohlen | und rührte seine Hand;

Gunther seine Künste | mit großen Sorgen befand.

468

«Wer wars, der mich berührte?» | dachte der kühne Mann,

Und wie er um sich blickte, | da traf er Niemand an.

Er sprach: «Ich bin es, Siegfried, | der Geselle dein:

Du sollst ganz ohne Sorge | vor der Königin sein.»

469

(Er sprach:) «Gieb aus den Händen den Schild, laß mich ihn tragen

Und behalt im Sinne, | was du mich hörest sagen:

Du habe die Gebärde, | ich will das Werk begehn.»

Als er ihn erkannte, | da war ihm Liebes geschehn.

470

«Verhehl auch meine Künste, | das ist uns beiden gut:

So mag die Königstochter | den hohen Uebermuth

Nicht an dir vollbringen, | wie sie gesonnen ist:

Nun sieh doch, welcher Kühnheit | sie wider dich sich vermißt.»

471

Da schoß mit ganzen Kräften | die herrliche Maid

Den Sper nach einem neuen Schild, | mächtig und breit;

Den trug an der Linken | Sieglindens Kind.

Das Feuer sprang vom Stahle, | als ob es wehte der Wind.

472

Des starken Spießes Schneide | den Schild ganz durchdrang,

Daß das Feuer lohend | aus den Ringen sprang.

Von dem Schuße fielen | die kraftvollen Degen:

War nicht die Tarnkappe, | sie wären beide da erlegen.

473

Siegfried dem kühnen | vom Munde brach das Blut.

Bald sprang er auf die Füße: | da nahm der Degen gut

Den Sper, den sie geschoßen | ihm hatte durch den Rand:

Den warf ihr jetzt zurücke | Siegfried mit kraftvoller Hand.

474

Er dacht: «Ich will nicht schießen | das Mägdlein wonniglich.»

Des Spießes Schneide kehrt' er | hinter den Rücken sich;

Mit der Sperstange | schoß er auf ihr Gewand,

Daß es laut erhallte | von seiner kraftreichen Hand.

475

Das Feuer stob vom Panzer, | als trieb' es der Wind.

Es hatte wohl geschoßen | der Sieglinde Kind:

Sie vermochte mit den Kräften | dem Schuße nicht zu stehn;

Das war von König Gunthern | in Wahrheit nimmer geschehn.

476

Brunhild die schöne | bald auf die Füße sprang:

«Gunther, edler Ritter, | des Schußes habe Dank!»

Sie wähnt', er hätt es selber | mit seiner Kraft gethan

Nein, zu Boden warf sie | ein viel stärkerer Mann.

477

Da gieng sie hin geschwinde, | zornig war ihr Muth,

Den Stein hoch erhub sie, | die edle Jungfrau gut;

Sie schwang ihn mit Kräften | weithin von der Hand,

Dann sprang sie nach dem Wurfe, | daß laut erklang ihr Gewand.

478

Der Stein fiel zu Boden | von ihr zwölf Klafter weit:

Den Wurf überholte | im Sprung die edle Maid.

Hin gieng der schnelle Siegfried, | wo der Stein nun lag:

Gunther must ihn wägen, | des Wurfs der Verholne pflag.

479

Siegfried war kräftig, | kühn und auch lang;

Den Stein warf er ferner, | dazu er weiter sprang.

Ein großes Wunder war es | und künstlich genug,

Daß er in dem Sprunge | den König Gunther noch trug.

480

Der Sprung war ergangen, | am Boden lag der Stein:

Gunther wars, der Degen, | den man sah allein.

Brunhild die schöne | ward vor Zorne roth;

Gewendet hatte Siegfried | dem König Gunther den Tod.

481

Zu ihrem Ingesinde | sprach die Königin da,

Als sie gesund den Helden | an des Kreises Ende sah:

«Ihr, meine Freund und Mannen, | tretet gleich heran:

Ihr sollt dem König Gunther | alle werden unterthan.»

482

Da legten die Kühnen | die Waffen von der Hand

Und boten sich zu Füßen | von Burgundenland

Gunther dem reichen, | so mancher kühne Mann:

Sie wähnten, die Spiele | hätt er mit eigner Kraft gethan.

483

Er grüßte sie gar minniglich; | wohl trug er höfschen Sinn.

Da nahm ihn bei der Rechten | die schöne Königin:

Sie erlaubt' ihm, zu gebieten | in ihrem ganzen Land.

Des freute sich da Hagen, | der Degen kühn und gewandt.

484

Sie bat den edeln Ritter | mit ihr zurück zu gehn

Zu dem weiten Saale, | wo mancher Mann zu sehn,

Und mans aus Furcht dem Degen | nun desto beßer bot.

Siegfrieds Kräfte hatten | sie erledigt aller Noth.

485

Siegfried der schnelle | war wohl schlau genug,

Daß er die Tarnkappe | aufzubewahren trug.

Dann gieng er zu dem Saale, | wo manche Fraue saß:

Er sprach zu dem König, | gar listiglich that er das:

486

«Was säumt ihr, Herr König, | und beginnt die Spiele nicht,

Die euch aufzugeben | die Königin verspricht?

Laßt uns doch bald erschauen, | wie es damit bestellt.»

Als wüst er nichts von allem, | so that der listige Held.

487

Da sprach die Königstochter: | «Wie konnte das geschehn, |

Daß ihr nicht die Spiele, | Herr Siegfried, habt gesehn,

Worin hier Sieg errungen hat | König Gunthers Hand?»

Zur Antwort gab ihr Hagen | aus der Burgunden Land:

488

Er sprach: «Da habt ihr, Königin, | uns betrübt den Muth:

Da war bei dem Schiffe | Siegfried der Degen gut,

Als der Vogt vom Rheine | das Spiel euch abgewann;

Drum ist es ihm unkundig,» | sprach da Gunthers Unterthan,

489

«Nun wohl mir dieser Märe,» | sprach Siegfried der Held, |

«Daß hier eure Hochfahrt | also ward gefällt,

Und Jemand lebt, der euer | Meister möge sein.

Nun sollt ihr, edle Jungfrau, | uns hinnen folgen an den Rhein.»

490

Da sprach die Wohlgethane: | «Das mag noch nicht geschehn.

Erst frag ich meine Vettern | und Die in meinem Lehn.

Ich darf ja nicht so leichthin | räumen dieß mein Land:

Meine höchsten Freunde | die werden erst noch besandt.»

491

Da ließ sie ihre Boten | nach allen Seiten gehn:

Sie besandte ihre Freunde | und Die in ihrem Lehn,

Daß sie zum Isensteine | kämen unverwandt;

Einem jeden ließ sie geben | reiches, herrliches Gewand.

492

Da ritten alle Tage | Beides, spat und fruh,

Der Veste Brunhildens | die Recken scharweis zu.

«Nun ja doch,» sprach da Hagen, | «was haben wir gethan!

Wir erwarten uns zum Schaden hier | Die Brunhild unterthan.»

493

«Wenn sie mit ihren Kräften | kommen in dieß Land,

Der Königin Gedanken | die sind uns unbekannt:

Wie, wenn sie uns zürnte? | so wären wir verloren,

Und wär das edle Mägdlein uns | zu großen Sorgen geboren!»

494

Da sprach der starke Siegfried: | «Dem will ich widerstehn.

Was euch da Sorge schaffet, | das laß ich nicht geschehn.

Ich will euch Hülfe bringen | her in dieses Land

Durch auserwählte Degen: | die sind euch noch unbekannt.

495

«Ihr sollt nach mir nicht fragen, | ich will von hinnen fahren;

Gott möge eure Ehre | derweil wohl bewahren.

Ich komme bald zurücke | und bring euch tausend Mann

Der allerbesten Degen, | deren Jemand Kunde gewann.»

496

«So bleibt nur nicht zu lange,» | der König sprach da so,

«Wir sind eurer Hülfe | nicht unbillig froh.»

Er sprach: «Ich komme wieder | gewiss in wenig Tagen.

Ihr hättet mich versendet, | sollt ihr der Königin sagen.»