BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Karl Simrock

1802 - 1876

 

Das Nibelungenlied

 

Vierzehntes Abenteuer

 

___________________________________________________

 

 

 

Wie die Königinnen sich schalten.

 

840

Es war vor einer Vesper, | als man den Schall vernahm,

Der von manchem Recken | auf dem Hofe kam:

Sie stellten Ritterspiele | der Kurzweil willen an.

Da eilten es zu schauen | Frauen viel und mancher Mann.

841

Da saßen beisammen | die Königinnen reich

Und gedachten zweier Recken, | die waren ohne Gleich.

Da sprach die schöne Kriemhild: | «Ich hab einen Mann,

Dem wären diese Reiche | alle billig unterthan.»

842

Da sprach zu ihr Frau Brunhild: | «Wie könnte das wohl sein?

Wenn Anders Niemand lebte | als du und er allein,

So möchten ihm die Reiche | wohl zu Gebote stehn:

So lange Gunther lebte, | so könnt es nimmer geschehn.»

843

Da sprach Kriemhild wieder: | «Siehst du, wie er steht,

Wie er da so herrlich | vor allen Recken geht,

Wie der lichte Vollmond | vor den Sternen thut!

Darob mag ich wohl immer | tragen fröhlichen Muth.»

844

Da sprach wieder Brunhild: | «Wie waidlich sei dein Mann,

Wie schön und wie bieder, | so steht ihm doch voran

Gunther der Recke, | der edle Bruder dein:

muß vor allen Königen, | das wiße du wahrlich, sein.»

845

Da sprach Kriemhild wieder: | «So werth ist mein Mann,

Daß er ohne Grund nicht | solch Lob von mir gewann.

An gar manchen Dingen | ist seine Ehre groß.

Glaubst du das, Brunhild? | er ist wohl Gunthers Genoß!»

846

«Das sollst du mir, Kriemhild, | im Argen nicht verstehn;

Es ist auch meine Rede | nicht ohne Grund geschehn.

Ich hört' es Beide sagen, | als ich zuerst sie sah,

Und als des Königs Willen | in meinen Spielen geschah.

847

«Und da er meine Minne | so ritterlich gewann,

Da sagt' es Siegfried selber, | er sei des Königs Mann:

Drum halt ich ihn für eigen: | ich hört' es ihn gestehn.»

Da sprach die schöne Kriemhild: | «So wär mir übel geschehn.

848

«Wie hätten so geworben | die edeln Brüder mein,

Daß ich des Eigenmannes | Gemahl sollte sein?

Darum will ich, Brunhild, | gar freundlich dich bitten,

Laß mir zu Lieb die Rede | hinfort mit gütlichen Sitten.»

849

Die Königin versetzte: | «Sie laßen mag ich nicht:

Wie thät ich auf so manchen | Ritter wohl Verzicht,

Der uns mit dem Degen | zu Dienst ist unterthan?»

Kriemhild die Schöne | hub da sehr zu zürnen an.

850

«Dem must du wohl entsagen, | daß er in der Welt

Dir irgend Dienste leiste. | Werther ist der Held

Als mein Bruder Gunther, | der Degen unverzagt.

Erlaß mich der Dinge, | die du mir jetzo gesagt.

851

«Auch muß mich immer wundern, | wenn er dein Dienstmann ist

Und du ob uns Beiden | So gewaltig bist,

Warum er dir so lange | den Zins verseßen hat;

Deines Uebermuthes | wär ich billig nun satt.»

852

«Du willst dich überheben,» | sprach da die Königin.

«Wohlan, ich will doch schauen, | ob man dich fürderhin

So hoch in Ehren halte, | als man mich selber thut.»

Die Frauen waren beide | in sehr zornigem Muth.

853

Da sprach wieder Kriemhild: | «Das wird dir wohl bekannt:

Da du meinen Siegfried | dein eigen hast genannt,

So sollen heut die Degen | der beiden Könge sehen,

Ob ich vor der Königin | wohl zur Kirche dürfe gehn.

854

«Ich laße dich wohl schauen, | daß ich edel bin und frei,

Und daß mein Mann viel werther | als der deine sei.

Ich will damit auch selber | nicht bescholten sein:

Du sollst noch heute sehen, | wie die Eigenholde dein

855

«Zu Hof geht vor den Helden | in Burgundenland.

Ich will höher gelten, | als man je gekannt

Eine Königstochter, | die noch die Krone trug.»

Unter den Frauen hob sich | der Haß da grimm genug.

856

Da sprach Brunhild wieder: | «Willst du nicht eigen sein,

So must du dich scheiden | mit den Frauen dein

Von meinem Ingesinde, | wenn wir zum Münster gehn.»

«In Treuen,» sprach da Kriemhild, | «also soll es geschehn.»

857

«Nun kleidet euch, ihr Maide,» | hub da Kriemhild an:

«Ob ich frei von Schande | hier nicht verbleiben kann,

Laßt es heute schauen, | besitzt ihr reichen Staat;

Sie soll es noch verläugnen, | was ihr Mund gesprochen hat.»

858

Ihnen war das leicht zu rathen; | sie suchten reich Gewand.

Wie bald man da im Schmucke | viel Fraun und Maide fand!

Da gieng mit dem Gesinde | des edeln Wirths Gemahl;

Zu Wunsch gekleidet ward auch | die schöne Kriemhild zumal

859

Mit dreiundvierzig Maiden, | die sie zum Rhein gebracht; |

Die trugen lichte Zeuge, | in Arabien gemacht.

So kamen zu dem Münster | die Mägdlein wohlgethan.

Ihrer harrten vor dem Hause | Die Siegfrieden unterthan.

860

Die Leute nahm es Wunder, | warum das geschah,

Daß man die Königinnen | so geschieden sah,

Und daß sie bei einander | nicht giengen so wie eh.

Das gerieth noch manchem Degen | zu Sorgen und großem Weh.

861

Nun stand vor dem Münster | König Gunthers Weib.

Da fanden viel der Ritter | genehmen Zeitvertreib

Bei den schönen Frauen, | die sie da nahmen wahr.

Da kam die edle Kriemhild | mit mancher herrlichen Schar.

862

Was Kleider je getragen | eines edeln Ritters Kind,

Gegen ihr Gesinde | war alles nur wie Wind.

Sie war so reich an Gute, | dreißig Königsfraun

Mochten die Pracht nicht zeigen, | die da an ihr war zu schaun.

863

Was man auch wünschen mochte, | Niemand konnte sagen,

Daß er so reiche Kleider | je gesehen tragen,

Als da zur Stunde trugen | ihre Mägdlein wohlgethan.

Brunhilden wars zu Leide, | sonst hätt es Kriemhild nicht gethan.

864

Nun kamen sie zusammen | vor dem Münster weit.

Die Hausfrau des Königs | aus ingrimmem Neid

Hieß da Kriemhilden | unwirsch stille stehn:

«Es soll vor Königsweibe | die Eigenholde nicht gehn.»

865

Da sprach die schöne Kriemhild, | zornig war ihr Muth:

«Hättest du noch geschwiegen, | das wär dir wohl gut.

Du hast geschändet selber | deinen schönen Leib:

Mocht eines Mannes Kebse | je werden Königesweib?»

866

«Wen willst du hier verkebsen?» | sprach des Königs Weib.

«Das thu ich dich,» sprach Kriemhild: | «deinen schönen Leib

Hat Siegfried erst geminnet, | mein geliebter Mann:

Wohl war es nicht mein Bruder, | der dein Magdthum gewann.

867

«Wo blieben deine Sinne? | Es war doch arge List:

Was ließest du ihn minnen, | wenn er dein Dienstmann ist?

Ich höre dich,» sprach Kriemhild, | «ohn alle Ursach klagen.»

«In Wahrheit,»sprach daBrunhild,|«das will ich dochGunthern sagen.»

868

«Wie mag mich das gefährden? | Dein Uebermuth hat dich betrogen: |

Du hast mich mit Reden | in deine Dienste gezogen,

Daß wiße du in Treuen, | es ist mir immer leid:

Zu trauter Freundschaft bin ich | dir nimmer wieder bereit.»

869

Brunhild begann zu weinen; | Kriemhild es nicht verhieng,

Vor des Königs Weibe | sie in das Münster gieng

Mit ihrem Ingesinde. | Da hub sich großer Haß;

Es wurden lichte Augen | sehr getrübt davon und naß.

870

Wie man da Gott auch diente | oder Jemand sang,

Brunhilden währte | die Weile viel zu lang.

War allzutrübe | der Sinn und auch der Muth:

Des muste bald entgelten | mancher Degen kühn und gut.

871

Brunhild mit ihren Frauen | gieng vor das Münster stehn. |

Sie gedachte: «Ich muß von Kriemhild | mehr zu hören sehn,

Wes mich so laut hier zeihte | das wortscharfe Weib:

Und wenn er sichs gerühmt hat, gehts ihm an Leben und Leib!»

872

Nun kam die edle Kriemhild | mit manchem kühnen Mann.

Da begann Frau Brunhild: | «Haltet hier noch an.

Ihr wolltet mich verkebsen: | laßt uns Beweise sehn,

Mir ist von euern Reden, | das wißet, übel geschehn.»

873

Da sprach die schöne Kriemhild: | «Was laßt ihr mich nicht gehn? |

Ich bezeug es mit dem Golde, | an meiner Hand zu sehn.

Das brachte mir Siegfried, | nachdem er bei euch lag.»

Nie erlebte Brunhild | wohl einen leidigen Tag.

874

Sie sprach: «Dieß Gold das edle, | das ward mir gestohlen

Und blieb mir lange | Jahre übel verhohlen:

Ich komme nun dahinter, | wer mir es hat genommen.»

Die Frauen waren beide | in großen Unmuth gekommen.

875

Da sprach wieder Kriemhild: | «Ich will nicht sein der Dieb.

Du hättest schweigen sollen, | wär dir Ehre lieb.

Ich bezeug es mit dem Gürtel, | den ich umgethan,

Ich habe nicht gelogen: | wohl wurde Siegfried dein Mann.»

876

Von Niniveer Seide | sie eine Borte trug

Mit edelm Gesteine, | die war wohl schön genug.

Als Brunhild sie erblickte, | zu weinen hub sie an.

Das muste Gunther wißen | und alle Die ihm unterthan.

877

Da sprach des Landes Königin: | «Sendet her zu mir

Den König vom Rheine: | hören soll er hier,

Wie sehr seine Schwester | schändet meinen Leib:

Sie sagt vor allen Leuten, | ich sei Siegfriedens Weib.»

878

Der König kam mit Recken: | als er weinen sah

Brunhild seine Traute, | gütlich sprach er da:

«Von wem, liebe Fraue, | ist euch ein Leid geschehn?»

Sie sprach zu dem König: | «Unfröhlich muß ich hier stehn.

879

Aller meiner Ehren | hat die Schwester dein

Mich berauben wollen. | Geklagt soll dir sein,

Sie sagt: ich sei die Kebse | von Siegfried ihrem Mann.»

Da sprach König Gunther: | «So hat sie übel gethan.»

880

«Sie trägt hier meinen Gürtel, | den ich längst verloren,

Und mein Gold das rothe. | Daß ich je ward geboren,

Des muß mich sehr gereuen: | befreist du, Herr, mich nicht

Solcher großen Schande, | ich minne nie wieder dich.»

881

Da sprach König Gunther: | «So ruft ihn herbei:

Hat er sichs gerühmet, | das gesteh er frei,

Er woll es denn läugnen, | der Held von Niederland.»

Da ward der kühne Siegfried | bald hin zu ihnen gesandt.

882

Als Siegfried der Degen | die Unmuthvollen sah

Und den Grund nicht wuste, | balde sprach er da:

«Was weinen diese Frauen? | das macht mir bekannt:

Oder wessentwegen | wurde hier nach mir gesandt»

883

Da sprach König Gunther: | «Groß Herzleid fand ich hier. |

Eine Märe sagte | mein Weib Frau Brunhild mir:

Du habest dich gerühmet, | du wärst ihr erster Mann.

So spricht dein Weib Frau Kriemhild: | hast du, Degen, das gethan?»

884

«Niemals,» sprach da Siegfried; | «und hat sie das gesagt,

Nicht eher will ich ruhen, | bis sie es beklagt,

Und will davon mich reinigen | vor deinem ganzen Heer

Mit meinen hohen Eiden, | ich sagte Solches nimmermehr.»

885

Da sprach der Fürst vom Rheine: | «Wohlan, das zeige mir.

Der Eid, den du geboten, | geschieht der allhier,

Aller falschen Dinge | laß ich dich ledig gehn.»

Man ließ in einem Ringe | die stolzen Burgunden stehn.

886

Da bot der kühne Siegfried | zum Eide hin die Hand.

Da sprach der reiche König: | «Jetzt hab ich wohl erkannt,

Ihr seid hieran unschuldig | und sollt des ledig gehn:

Des euch Kriemhild zeihte, | das ist nicht von euch geschehn.»

887

Da sprach wieder Siegfried: | «Und kommt es ihr zu Gut,

Daß deinem schönen Weibe | sie so betrübt den Muth,

Das wäre mir wahrlich | aus der Maßen leid.»

Da blickten zu einander | die Ritter kühn und allbereit.

888

«Man soll so Frauen ziehen,» | sprach Siegfried der Degen,

«Daß sie üppge Reden | laßen unterwegen;

Verbiet es deinem Weibe, | ich will es meinem thun.

Solchen Uebermuthes | in Wahrheit schäm ich mich nun.»

889

Viel schöne Frauen wurden | durch Reden schon entzweit.

Da erzeigte Brunhild | solche Traurigkeit,

Daß es erbarmen muste | Die in Gunthers Lehn.

Von Tronje Hagen sah man | zu der Königin gehn.

890

Er fragte, was ihr wäre, | da er sie weinend fand.

Sie sagt' ihm die Märe. | Er gelobt' ihr gleich zur Hand,

Daß es büßen sollte | der Kriemhilde Mann,

Oder man treff ihn nimmer | unter Fröhlichen an.

891

Ueber die Rede kamen | Ortwein und Gernot,

Allda die Helden riethen | zu Siegfriedens Tod.

Dazu kam auch Geiselher, | der schönen Ute Kind;

Als er die Rede hörte, | sprach der Getreue geschwind:

892

«O weh, ihr guten Knechte, | warum thut ihr das?

Siegfried verdiente | ja niemals solchen Haß,

Daß er darum verlieren | Leben sollt und Leib:

Auch sind es viel Dinge, | um die wohl zürnet ein Weib.»

893

«Sollen wir Gäuche ziehen?» | sprach Hagen entgegen:

«Das brächte wenig Ehre | solchen guten Degen.

Daß er sich rühmen durfte | der lieben Frauen mein,

Ich will des Todes sterben | oder es muß gerochen sein.»

894

Da sprach der König selber: | «Er hat uns nichts gethan

Als Liebes und Gutes: | leb er denn fortan.

Was sollt ich dem Recken | hegen solchen Haß?

Er bewies uns immer Treue, | gar williglich that er das.»

895

Da begann der Degen | von Metz Herr Ortewein:

«Wohl kann ihm nicht mehr helfen | die große Stärke sein.

Will es mein Herr erlauben, | ich thu ihm alles Leid.»

Da waren ihm die Helden | ohne Grund zu schaden bereit.

896

Dem folgte doch Niemand, | außer daß Hagen

Alle Tage pflegte | zu Gunthern zu sagen:

Wenn Siegfried nicht mehr lebte, | ihm würden unterthan

Manches Königs Lande. | Da hub der Held zu trauern an.

897

Man ließ es bewenden | und gieng dem Kampfspiel nach.

Hei! was man starker Schäfte | vor dem Münster brach

Vor Siegfriedens Weibe | bis hinan zum Saal!

Mit Unmuth sah es Mancher, | dem König Gunther befahl.

898

Der König sprach: «Laßt fahren | den mordlichen Zorn.

Er ist uns zu Ehren | und zum Heil geborn;

Auch ist so grimmer Stärke | der wunderkühne Mann,

Wenn ers inne würde, | so dürfte Niemand ihm nahn.»

899

«Nicht doch,» sprach da Hagen, | «da dürft ihr ruhig sein:

Wir leiten in der Stille | alles sorglich ein.

Brunhildens Weinen | soll ihm werden leid.

Immer sei ihm Hagen | zu Haß und Schaden bereit.»

900

Da sprach der König Gunther: | «Wie möcht es geschehn?»

Zur Antwort gab ihm Hagen: | «Das sollt ihr bald verstehn:

Wir laßen Boten reiten | her in dieses Land,

Uns offnen Krieg zu künden, | die hier Niemand sind bekannt.

901

«Dann sagt ihr vor den Gästen, | ihr wollt mit euerm Lehn

Euch zur Heerfahrt rüsten. | Sieht er das geschehn,

So verspricht er euch zu helfen; | dann gehts ihm an den Leib,

Erfahr ich nur die Märe | von des kühnen Recken Weib.»

902

Der König folgte leider | seines Dienstmanns Rath.

So huben an zu sinnen | auf Untreu und Verrath,

Eh es wer erkannte, | die Ritter auserkoren:

Durch zweier Frauen Zanken | gieng da mancher Held verloren.