BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Hans Beimler

1895 - 1936

 

Im Mörderlager Dachau

 

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Beginn der Folter.

 

Unterdessen gingen wir weiter und hatten die erste Treppe hinter uns. Bei der Wendung zur zweiten Treppe konnte ich feststellen, daß nur fünf oder sechs SS-Leute gefolgt waren; während die Horde oben im Saal an der Treppe hinter uns zurückblieb, wurde es oben still. Man schob mich unter die Treppe in einen Raum, der kein Fenster aufzuweisen hatte und von einer kleinen Lampe beleuchtet war. Außer dieser kleinen elektrischen Birne war ein schwarzer Bürotisch und eine Militärbettstelle mit Strohsack als Inventar festzustellen. Während sich die Tür hinter uns schloß und der „Achter“ von meiner Hand genommen wurde, stellte sich ein kleiner, brutal aussehender SS-Mann vor mich hin und kommandierte: „Hut und Mantel weglegen!“

Ich kam der Aufforderung nach und legte die genannten Kleidungsstücke auf das erwähnte Feldbett. „Jacke und Weste ausziehen!“ war das zweite Kommando. Da ich etwas zögerte, folgten gleich die Worte: „Schneller – schneller!“ Auch diese beiden Stücke liegen auf Hut und Mantel; darauf das nächste Kommando: „Hose runterlassen!“ Nun sollte ich mich über den Tisch legen. Mehr noch als beim zweiten Kommando zögerte ich, und im nächsten Augenblick lag ich schon mit dem Oberkörper über dem Tisch, während die Beine im rechten Winkel nach unten hingen. Mit dieser Lage war aber der „Kommandeur“ nicht zufrieden: „Leg dich nur ganz 'rauf!“ Da sie, wie dieser „Held“ sagte, nicht viel Zeit hatten, zog er mich, den Kopf unter den Arm nehmend, ganz auf den Tisch. Er blieb gleich am Kopfende stehen und klemmte meinen Kopf unter den rechten Arm, wobei er mir zugleich mit der linken Hand den Mund zuhielt. Nachdem er mich in die von ihm gewünschte Lage gebracht hatte, hörte ich nur noch: „Los – drauf!“ Und nun schlugen die braunen Kapitalsknechte solange auf meinem Körper herum (das Hemd hatte der „Kopfhalter“ bis an den Kopf hochgezogen), bis ich keinen Laut mehr von mir gab. Ob es 60 oder 70 oder noch mehr Schläge mit dem Gummiknüppel waren – ich weiß es nicht, denn sie hatten mich bewußtlos geprügelt. Als ich wieder zu mir kam, kniete ich mehr, als ich stand vor dem Tisch. Der Schweiß rann mir vom Gesicht, als hätte man mir einen Kübel Wasser über den Kopf gestülpt. Obwohl ich nicht fähig war zu stehen, brüllte mich der eine Bandit wieder an: „Los, Hose anziehen, aber schnell!“ Aber sie hatten ja „so wenig Zeit“ und machten Miene, aufs neue drauflos zu schlagen, wenn ich für das Anziehen zu lange Zeit brauchte. So stützte ich mich mit der rechten Hand auf die Kante des Foltertisches und mit der linken zog ich die Hose hoch. Vor Schmerzen hätte ich aufschreien können, als ich die Hosenträger über die Schultern streifte. Schwarz und flimmrig wurde es mir vor den Augen, und ich glaubte im letzten Augenblick, wieder umzufallen. Ich kam aber doch noch soweit, mich ganz anzuziehen. Während ich meine Jacke anzog, fragte der „Kopfhalter“, ob ich mir jetzt auch noch einbilde, Reichstagsabgeordneter zu sein, worauf ich erwiderte: „Deshalb habt ihr mich so geschlagen?“ „Das war noch viel zu wenig!“ schrie einer dazwischen, der während der Schlägerei neu hinzugekommen war. Im nächsten Augenblick lag ich wieder auf dem Tisch, und nochmals prügelten sie auf mich ein – solange, bis kein Laut mehr von mir zu hören war. In der Tat war es nicht mehr auszuhalten, denn in der Zeit zwischen der ersten Quälerei und dem Anziehen waren meine Oberschenkel, das Gesäß und die beiden Schultern stark angeschwollen. „Genug“, hörte ich sagen und die „Zange“ wurde wieder locker, wobei ich zugleich vom Tisch geschoben wurde. Alle Kräfte mußte ich aufwenden, um mich nur einigermaßen aufrecht zu halten. „Bist' jetzt zufrieden?“ war die Frage, die zynisch an mich gerichtet wurde. Wollte ich nicht aufs neue über den Tisch geworfen werden, so mußte ich schweigen.