BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Hans Beimler

1895 - 1936

 

Im Mörderlager Dachau

 

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Aushalten – mag kommen was will!

 

Was wird die Nacht wohl bringen, dachte ich und konnte fürs erste nicht glauben, daß es noch schlimmer werden kann. Das Schlimmere kann im äußersten Falle nur der Mord sein, dem ich ins Auge sehen will, und so warte ich nun der Dinge, die da kommen sollen. Auf jeden Fall hatte ich mir in den Kopf gesetzt, daß der Strick für mich nicht in Frage kommt. Ich kannte die Stimmung der Arbeiter und noch besser die meiner Parteigenossen. „Freiwillig“ Hand an sich legen, das bedeutet in den Augen der Arbeiter ein Zurückweichen vor den unvermeidlichen Konsequenzen, die sich aus der Tätigkeit eines Revolutionärs ergeben. Es heißt also: aushalten, mag kommen was will! Die Nacht kam langsam heran, und als es gegen neun Uhr geworden war, da wurde es in der Baracke vor den Zellen statt ruhiger immer lebendiger, lauter und unruhiger. „Mach dich gefaßt!“ dachte ich, als ich die Schlüssel klirren hörte und den hohlen, gräßlichen Ton der Schritte mit den Langschäftern. Sie waren vorbeigegangen, und nach wenigen Minuten hörte ich den Major Hunglinger fürchterlich schreien. An der Zahl der Schläge, wie sie immer zugleich verabfolgt wurden, war mir schon bewußt, daß sich dieses Mal mehr als drei an der Folter beteiligten. Ja, hören denn die nicht mehr auf, dachte ich, und sie hörten und hörten nicht auf. Einige Mal wurde die Schlägerei unterbrochen, und es waren nur ganz dumpfe Stöße zu hören. Wie ich ja dann selbst erfahren konnte, kamen sie daher, weil die Peiniger die Ochsenziemer umkehrten und mit den dicken Knorpeln dreinschlugen. Die Schreie wurden immer schlimmer und waren zuletzt nur noch ein Röcheln. Die Schlägerei hatte aufgehört, und schon wurde die Zelle des Genossen Götz aufgesperrt. Und wieder das Gleiche. Sie scheinen immer noch mehr „Mut“ bekommen zu haben.

Sie schlugen und schlugen.

Wie mir in der Nacht der Genosse Götz sagte, war er schon den sechsten Tag in der Zelle und hatte jeden Tag die gleiche Tortur durchgemacht. Nun kam die Reihe an mich. Die Zelle wurde aufgerissen und sechs Banditen, an der Spitze der Mörder Steinbrenner, drängten sich in meine Zelle. Ihre schwarzen französischen Käppis hatten sie bis in den Nacken zurückgeschoben und die nassen, ins Gesicht, besser gesagt in die Fratze hängenden Haare bewiesen mir, daß sie sich „warm“ geprügelt hatten.