BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Heinrich Lautensack

1881 - 1919

 

Das Schlafzimmer

 

1911

 

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Evoe Monogamus

 

(von meinen Freunden, so es im Manuskript längst kennen,

schlicht «das Chorgedicht» genannt!)

 

 

I.

 

Ich habe uns're Nächte nie gezählt

und uns're Liebe nirgend aufgeschrieben;

und doch – als hätt' mein Blut heut' ausgetrieben

und eine Rinde sich vom Saft geschält –:

 

ein Etwas, das gleichwie gewachsen ist

und heute sprang und sich spiralig löste,

aufdeckt' mir (der ich über Brüsten döste

wie ein Verkaterter die Zeitung liest):

 

Also die eintausendundvierte Nacht

in kaum drei Jahren meiner zweiten Ehe,

Chor: daß ich die geist'ge Marterbank bestehe,

die bloß den Leib so streckend glücklich macht –!

 

 

II.

 

Schallte dies wahrhaft heut' aus meinem Blut

wie unter'm Brückenbogen meiner Sinne

hindurchgerissen grad noch mit dem Kinne

auftauchend einer beim Ertrinken tut?

 

Und wenn dem ja so war und etwer schrie

aus mir heraus zu mir herauf (im Sinken

und um den Preis selbst, dabei zu ertrinken):

war's nicht amende rein Hypochondrie

 

über die nun schon tausendvierte Nacht

in kaum drei Jahren meiner zweiten Ehe,

Chor: daß ich die geist'ge Marterbank bestehe,

die bloß den Leib so streckend glücklich macht –?

 

 

III.

 

Ich war die drei Jahr' – heilig! – monogam.

Die Energie nur war schon mehr – sultanisch ..

Vielleicht daß ich auf die Art – akut manisch

befallen – auf die Zwangsvorstellung kam

 

und nun an Zahlenreihen laborier'!

Vielleicht ist's längst die eintausendundeilfte,

ja – vierzigste mit meiner Ehehälfte ..

doch ich halluzinier' nun 'mal die «vier»

 

und insistier': Eintausend vierte Nacht

in kaum drei Jahren meiner zweiten Ehe,

Chor: daß ich die geist'ge Marterbank bestehe,

die bloß den Leib so streckend glücklich macht –!