BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Rosa Luxemburg

1871 - 1919

 

Briefe aus dem Gefängnis

 

1916

Aus Berlin

 

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Postkarte. 1)                                                             Berlin, 24. 8. 1916.

(Gefängnis in der Barnimstraße.)

 

Liebe Sonitschka,

 

daß ich jetzt nicht bei Ihnen sein kann! Die Sache trifft mich schwer. Aber, bitte, behalten Sie den Kopf oben, manches wird schon anders, als es jetzt aussieht. Jetzt müssen Sie aber fort – irgendwo aufs Land, ins Grüne, wo es schön ist und wo Sie Pflege finden. Es hat keinen Sinn und Zweck, daß Sie jetzt weiter hier sitzen und immer mehr herunterkommen. Bis zur letzten Instanz können wieder Wochen vergehen. Bitte, gehen Sie sobald wie irgend möglich. ... Für Karl wird es sicher auch eine Erleichterung sein, wenn er Sie auf Erholung weiß. Tausend Dank für Ihre lieben Zeilen vom 10. und für die guten Gaben. Sicher werden wir nächstes Frühjahr zusammen im Feld und im Botanischen herumstreifen, ich freue mich jetzt schon darauf. Aber jetzt gehen Sie fort von hier, Sonitschka! Können Sie nicht zum Bodensee, damit Sie ein bißchen den Süden spüren!? Bevor Sie gehen, möchte ich Sie unbedingt sehen, machen Sie eine Eingabe in der Kommandantur. Schreiben Sie bald wieder eine Zeile. Bleiben Sie ruhig und heiter trotz alledem!

Ich umarme Sie.

R.

 

Für Karl tausend herzliche Grüße.

Die beiden Karten von Helmi und Bobbi 2) habe ich erhalten und mich sehr gefreut.

 

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1) Diese Karte wurde einen Tag nach der Verurteilung Karl Liebknechts zu 4 Jahren und einen Monat Zuchthaus geschrieben. 

2) Wilhelm und Robert, Söhne von Karl Liebknecht, siehe In den Briefen erwähnte Personen