BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Kurt Tucholsky

1890 - 1935

 

Mit 5 PS

 

Seite 317-323 der Erstausgabe

 

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Scheinwerfer durch die Nacht

 

Der Deutsche fragt: Was ist der Mann? Der Amerikaner fragt: Wie viel ist der Mann wert? Der Franzose fragt: Aus welcher Familie ist er? Der Wiener fragt: Wo schreibt er? Der Budapester fragt gar nicht: er kennt den Mann und ist ihm Geld schuldig.

Vier Männer hatten ein Gelübde abgelegt, am ersten Januar je hundert Mark in eine Wohltätigkeitskasse einzuzahlen: ein Hamburger, ein Berliner, ein Rheinländer und ein Sachse. Der Hamburger hielt das Gelübde. Der Rheinländer vergaß es. Der Berliner zahlte am 15. Juni eine Mark achtzig a conto, mit der Begründung, sein Sozius sei verreist. Der Sachse wußte ärschd gahrnischd von dr Sache, wurde verklagt, stellte vor der Urteilsverkündung einen Wechsel über die Summe aus, ließ ihn zu Protest gehen . . . Ich komme gelegentlich vorbei, um zu sehen, was aus der Geschichte geworden ist.

Die Serbin ist ihrem Manne treu. Die Rumänin ist ihren Männern nicht treu. Die Französin macht ihren Mann anstandshalber zum cocu. Die Berlinerin will es ganz genau wissen. Die Sächsin wirtschaftet, dass das Bett kracht. Und die Bernerin versteht gar nicht, worum man sie gebeten hat.

Mrs. Atkerson wurde an einem schönen Sommermorgen in den Rocky Mountains von einem wilden Räuber angefallen und etwas vergewaltigt. Sie beschwor ihn, von seinem Vorhaben abzustehen, da man am Sonntag keine Arbeit tun solle. «Wären Sie in die Kirche gegangen, Missis!» entgegnete der Räuber und fuhr fort.

Wenn der Londoner aus New York, der Pariser aus London, der Berliner aus Paris und der Gubener aus Berlin kommt, dann stellt er sich vor Piccadilly, Place de l'Opéra, den Potsdamer Platz und das Stettiner Tor und sagt: «Dieser Verkehr hier . . . also das sind ja Witzchen. Da müßtet ihr mal . . . !» Niemand ist so stolz auf die Großstadt wie der Kleinstädter.

Über die Familie der Zukünftigen muß man sich erkundigen. Der Berliner fragt auf der Börse, der Engländer im Club, der Franzose befragt ihre Concierge, der Wiener erkundigt sich im Caféhaus, und der Ungar haut auf alle Fälle seinem besten Freund ein paar hinter die Ohren.

Berlin S. arbeitet, Berlin N. jeht uff Arbeet, Berlin O. schuftet, Berlin W. hat zu tun.

Als Gott der Herr die Trompete des Jüngsten Gerichts hatte erschallen lassen: da standen die Deutschen ausgerichtet in zwei Reihen, mit einem besonders zuwidern Kerl vor der Front; die Engländer kamen pünktlich und gelassen angestelzt, ihre Köpfe trieben sie mit Golfschlägern vor sich her; aus der Ecke der Franzosen hörte man gar fröhliches Hämmerklopfen: sie schlugen sich kleine Löcher in die dritte Querrippe, um ihre Bändchen darin unterzubringen; die Schweizer brummelten, aufgeweckt seien sie noch nie gewesen; die Spanier blieben liegen und sagten: «Mañana! Morgen!» und die amerikanische Abteilung des Friedhofs hatte illuminiert:

Heute Jüngstes Gericht!

Das jüngste der Welt!

Von Pastor Higgins von der chicagoer Sonntagsschule vorausgesagt!

Pastor Higgins und lieber Gott persönlich anwesend!

Als Gott der Herr dies aber alles mitansah, da jammerte ihn der Affenstall, und er vertagte die Sitzung auf unbestimmte Zeit.

 

 

Erstveröffentlichung in: Die Weltbühne, 13.10.1925, Nr. 41, S. 570,

unter dem Pseudonym Peter Panter