BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Mühlenlied

um 1470

 

 

Mühlenlied

Niederdeutsche Fassung

in Ludwig Uhlands

Volksliedersammlung

 

Text:

Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder

mit Abhandlungen und Anmerkungen

herausgegeben von Ludwig Uhland

Erster Band: Liedersammlung

Stuttgart und Tübingen: J. G. Cotta'scher Verlag, 1845

(nach einem Druck von Ludwig Dietz zu Rostock um 1520)

 

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Dat mölen leeth

 

1. Ein möle ick buwen wil,

ach god, wuste ick wor mede!

hat ich hantgerede

und wuste wor van

to hant wolt ick heven an.

 

2. To holte wolt ick varen hen,

de wald is mi nicht verne;

hulpe hat ick gerne

dede wusten mit all

wo men de böme vellen schal.

 

3. De wald het sick Libanus,

dar wassen cedewer schire,

cipressien in dem rivere

und palme stolt,

olive dat nutte holt.

 

4. Meister hoch, van Kunsten rik!

woldest du mi sinnen plegen:

houwen, snören gar even

und vögen schlicht,

so wart de möle wol bericht.

 

5. Moises, westu dar bi!

den understen sten berichte

dat he lig schlichte!

so drecht he swar;

de olden e de men ick dar.

 

6. De nige e, den oversten sten,

den legge wi up den olden,

dat hulpe bolde

na meisters kunst

und drift des hilgen geistes gunst.

 

7. Hieronimus, Ambrosius,

Gregorius, Augustine,

vorwachtet uns de rine

und dat kamprät!

so geit de möle desto bät.

 

8. Eufrates, Phison, Geon,

Tigris, gi vlöte vere,

gi alderschönste rivere,

gevet waters genoch!

so kricht de möle er gefuch.

 

9. Gi XII apostel, gat hir vör,

mackt uns de möle gande

dat se nicht blive stande!

gi sint gesant

to malen aver alle lant.

 

10. Eine junkfrow brocht ein seckelin

mit weiten, wol vorbunden;

to den sulven stunden

to der mölen quam

ein prophete, dat vornam

 

11. Der propheten is so vele

se hebben dar van gesungen;

uns is wol gelungen

ok vollenbracht,

dat schach in einer winternacht.

 

12. Jesaias lange to vören

de hat hir van geschreven:

wo uns gegeven

ene junkfrow werd

de uns einen sön geberd.

 

13. Des het sin name God mit uns,

den wille wi alle laven,

gnedichlick van baven

he to uns quam,

des vrouwen sick frouwen und man.

 

14. De siner lange beidet hadden

de röpen alle winachten:

„hir möge wi wol up trachten,

wi sint des wiss

dat gades sön gebaren is.

 

15. De nacht de körte nam,

de dach an sick de lenge,

de düsterniss er dwenge

to dem ende quam,

here god! du bist lavesam.“

 

16. Gi ewangelisten alle ver!

gi mögen hir wol up trachten

dat gi wol vorwachten

dat seckelin

dat dar bracht dat megdelin.

 

17. Matheus, nu lös up den sack,

get up in gades namen,

ler allen samen!

du hest gehört

wo gades söne minsche wort.

 

18. Lucas, rit den sack entwe,

get up de möle, lat riven!

du kanst wol beschriven

dat offer groet

wo god let den bitteren dot.

 

19. Marcus, starke louwe, licht!

get up de möle, lat schroden!

wo he up stunt van dode

heffstu aver dacht,

dat schach in einer osternacht.

 

20. Johannes, ein arnd ut hoger vlucht,

wil uns nu alle leren

de hemelfart unses heren

al apenbar,

help dat wi alle kamen dar!

 

21. De möle geit, se is bereit,

welker dar wil up malen

de schal sin korn her halen

und maken rein,

so wart id öm gemalen klein.

 

22. Pavest, Keiser, prediker,

helpt uns de möle vordegen

dat se mach geven

mel und molt!

dar van so krige wi riken solt.

 

23. De sine sele spisen wil

de schal sick her gesellen,

to dusser mölen stellen,

he si des bericht:

se malet und mattet nicht.

 

24. De dusse möle gedichtet hefft

den möte god geleiden,

wen he van hir schal scheiden,

lik engels wis

in dat frone paredis!