BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Caspar Abel

1676 - 1763

 

Über die niedersächsische Sprache

 

Text:

Adoph Hofmeister, Caspar Abels niederdeutsche Gedichte,

in: Niederdeutsches Jahrbuch 8 (1882), S. 1-25

 

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Sächsische Alterthümer, Braunschweig 1730, 8°, pag. 261.

 

[Ich bedauere nur,] dass unsere uralte Nieder-Sächsische Sprache, welche, wo nicht älter, doch unstreitig eben so alt als die Hoch-Teutsche und in Warheit nicht nur ebenso wortreich und nachdrücklich, sondern auch viel lieblicher und leichter ist, von dieser letzteren sich so müssen verdrengen lassen, dass zu besorgen steht, sie werde sich mit der Zeit gar verlieren, bevorab, da, wenn ja noch in derselben was geschrieben wird, man mit rechtem Fleiss, die nur den gröbsten und dümmsten Bauren gewöhnliche Idiotismos auf die Bahn bringt, als wann es recht geschehe, sie dadurch zu prostituiren. Indess ist doch mehr als zu gewiss, dass ihr nichts, als die Cultur fehle, und wenn sich nur einmahl eine Societät der Nieder-Sächsischen Gelehrten über sie erbarmen, und sich, mit Hinwegschaffung der rauhen, und nur bey dem gemeinsten Pöbel üblichen Diphthongorum und Red-Arten, da man z. E. das e ei, und das o au, so schreibt, als ausspricht, eine vernünfftige Schreib-Art einzu­führen, ja eine Sprache der Gelehrten, wie die Hoch-Teutsche ebenfals ist, als die in keinem Lande so geredet wird, wie sie in Büchern steht, aus ihr zu machen, befleissigen möchte, so wolte ich im geringsten nicht zweiffeln, dass sie bald wieder emporkommen, und ihrer Verdrän­gerinn den Preiss streitig machen würde. Wozu ich traun meines wenigen Ortes alles beyzutragen erbötig bin, wie ich denn auch bey denen neulich übersetzten Satyrischen Gedichten, des Boileau, und Horatii, mit Fleiss einige Plat-Teutsche gefügt habe, um zu zeigen, dass es eben so leicht falle, in dieser, als in der Hoch-Teutschen Sprache, was rechtes aufzusetzen, welches villeicht denen Herren Ober-Sachsen eben so unmüglich zu seyn geschienen, als dass in Nieder-Sachsen ein guter Poet könne gebohren werden.

 

 

 

Die Satyrischen Gedichte des Boileau, 2. Theil, Gosslar, 1732.

 

Dass ich nun verschiedene Satyren und Episteln des Horatii, wie auch alle Eclogen des Virgilii, in Nieder-Sächsischen Versen abgefasst, dazu hat mich die Liebe bewogen, die ich zu dieser unser rechten Mutter­sprache trage, deren Unglück ich bedaure, dass sie in ihrem eig­nen Lande von einer fremden unterdrückt, und gleichsam zur Sclavin gemacht worden, welches traun nicht von ihrer Ungeschicklichkeit, sondern nur von einem nichtigen Vorurtheile herrühret. Ich habe davon schon in meinen Sächsischen Alterthümern c. 2 §. 1. p. 261. gehandelt, und gestehe es gar gerne, dass, wenn ich jünger wäre, ich mich aus allen meinen Kräften bearbeiten würde, sie wieder empor zu bringen, habe auch in solcher Absicht diese Proben gemacht, um dadurch einen jeden zu überzeugen, dass es nicht an ihr liege, dass sie bisher so schimpflich tractirt, ja gleichsam recht prostituiret worden, durch die grobe, und zum theil unflätige, in ihr herausgegebne Gedichte, sondern dass sie vielmehr ebenso geschickt als die Hoch-Teutsche Sprache sey, dem Phoebo und seinen Musen in aller Ehrbarkeit aufzuwarten. Ich will zwar meine Arbeit nicht rühmen, die ich in dieser noch gar nicht ausgeputzten Sprache zu der Vollkommenheit lange nicht bringen können, welche die Hoch-Teutsche hat, die von so vielen vortrefflichen Meistern noch immer mehr und mehr ausgebessert und ausgezieret wird, indess, wie man spricht, ex ungue leonem, so wird auch aus diesem geringen Anfange gar leicht erkannt werden, was man künfftig sich vor Hoffnung zu machen hätte, wann die Gelehrten sich ihrer annehmen und sie recht excoliren wolten. Auf was Art solches geschehen könte, habe ich schon in meinen Sächsischen Alterthümern mit wenigem angezeiget, worauf ich mich vor dismahl beziehe, vielleicht aber dereinst einen eignen Tractat von der gantz verstossenen und verlassenen, doch bey allen ihren Landes-Leuten Hülffe und Trost suchenden edlen Fürstin Sassine, herausgeben werde, den ich diesem Wercke beyzulegen gedachte, es hat es aber die Kürtze der Zeit nicht leiden wollen. Es ist ein weitläufftig Gedichte in Nieder-Sächsischer Sprache, darinnen ich alle Fatalitäten, die derselben begegnet, und wie die neidische Frankisse diese arme Printzessin ins Elend gebracht, der Wahrheit nach beschreibe, dabey auch zuletzt eine ergebenste Bitte an alle gebohrne, und noch dazu in Nieder-Sachsen wohnende, weltbe­rühmte Poeten, vornemlich die Herren Brokes, Pietsch, Weichmann und ihres gleichen, mit anhänge, ihr den so sehnlich verlangten Beystand nicht zu versagen, will auch hoffen, dass sie, wo nicht bey allen, doch bey einigen, statt finden werde. Da denn sich verhoffentlich das Blatt wieder wenden, und unsere Nieder-Sächsische die Hoch-Teutsche bald einhohlen soll, als welche von Natur viel lieblicher und fliessender ist als jene. Die gantze Sache kommt nur darauf an, dass man aus ihr auch so eine Sprache der Gelehrten mache, wie die Hoch-Teutsche ist, und die grobe Dialectos und Diphthongos denen Bauren lasse, sich auch wegen einer rechten Schreib-Art vereinige, welches vordem auch der Hoch-Teutschen Sprache gefehlet hat, und anitzo eine von den grössten Hindernissen, wenn man in der Nieder-Sächsischen was herausgeben will, der vielen Fehler zu geschweigen, die sowohl beym schreiben als drucken sich unvermerkt einschleichen, und noch zur Zeit, da uns unsre eigene Sprache fremd und unbekant geworden, fast nicht können verhütet werden.