B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Friedrich Schiller
1759 - 1805
     
   


A n t h o l o g i e
a u f   d a s   J a h r   1 7 8 2


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[181]
      Auf Chloes Geburtstag
      den 4. Januar.
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Ein schöner Tag entsteigt dem Meere!
      Zwar kalt und trüb und überschneyt
      Schrökt uns sein Anblick schon: doch heut
Behaupt ich, was du willst, behaupt ich dir zur Ehre,
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      Der allerschönste Tag im May
      Kommt lange nicht dem Wintertage bey!

May wars, als einst dem blauen Meere
      Frau Venus lobesan entstieg!
Schön blieb der Tag zu ihrer Ehre
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      Und Monath May behielt den Sieg.
Die Götter prahlten mit dem Weibe,
      Das ihre Macht vereint erschuf:
Da zürnte die Natur, und sprach: zum Zeitvertreibe
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      Schaff ich ein schönres Ding, und nur aus Schnee – Seht zu,
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      Ihr Herren insgesamt! – Sie schuf, und da warst du!

Doch, liebes Mädchen! komm, und laß die Narren stehen,
      Du bist zu schön zur Schmeicheley!
Man mag sie, wie man will, auf alle Seiten drehen,
      So ist sie, leider! nicht mehr neu!
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Mein Herz verlangt noch mehr als nur dich schön zu sehen,
      Wann diese Schönheit gleich mein schwächres Aug entzükt:
      Die Freundschaft wünscht dir: Sey beglükt!

Der Mädchen Glük – darf ich es wagen,
Worinn ihr Glük besteht, dir nur ins Ohr zu sagen?
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      Du weißst's doch selbst! – bald sey es dein!
Ihm folgen Jahre voll von Freuden
Ihm folg ein Leben zum beneiden,
      Und ewig soll diß Leben seyn.
Dann müsse sich ein Freund bey deiner Freude freu'n,
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      Und dieser Plaz bey dir – sey mein!

G.