B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Carl von Clausewitz
1780 - 1831
     
   


V o m   K r i e g e
Z w e i t e r   T e i l


S e c h s t e s   B u c h
Verteidigung

Kapitel 12 - 20

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12. Kapitel   Defensivstellung
13. Kapitel   Feste Stellungen und verschanzte Lager
14. Kapitel   Flankenstellungen
15. Kapitel   Gebirgsverteidigung
16. Kapitel   Fortsetzung
17. Kapitel   Fortsetzung
18. Kapitel   Verteidigung von Strömen und Flüssen
19. Kapitel   Fortsetzung
20. Kapitel   A. Verteidigung von Morästen
                        B. Überschwemmungen


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     Zwölftes Kapitel:
     Defensivstellung


     Jede Stellung, in welcher wir eine Schlacht annehmen, indem wir uns dabei der Gegend als eines Schutzmittels bedienen, ist eine Defensivstellung, und wir machen keinen Unterschied, ob wir uns dabei mehr leidend oder mehr angriffsweise verhalten. Es folgt dies schon aus unserer allgemeinen Ansicht von der Verteidigung.
     Nun könnte man ferner eine jede Stellung so benennen, in welcher ein Heer, indem es seinem Gegner entgegenzieht, allenfalls eine Schlacht annehmen würde, wenn dieser es darin aufsuchte. So tragen sich im Grunde die meisten Schlachten zu, und im ganzen Mittelalter war von etwas anderem nicht die Rede. Dies ist aber nicht der Gegenstand, von welchem wir hier sprechen; von der Art ist die große Mehrzahl aller Stellungen, und der Begriff der Stellung im Gegensatz eines Marschlagers würde hier schon genügen. Eine Stellung, die als eine Verteidigungsstellung ganz eigens bezeichnet wird, muß also noch etwas anderes sein. Offenbar herrscht bei den Entscheidungen, welche in einer gewöhnlichen Stellung gegeben werden, der Begriff der Zeit vor; die Heere gehen einander entgegen, um sich zu treffen; der Ort ist eine untergeordnete Sache, von der man nur verlangt, daß sie nicht unangemessen sei. Bei der eigentlichen Verteidigungsstellung aber herrscht der Begriff des Ortes vor; die Entscheidung soll an diesem Ort oder vielmehr hauptsächlich durch diesen Ort gegeben werden. Nur von dieser Stellung ist hier die Rede.
     Die Beziehung des Ortes wird nun eine doppelte sein, nämlich einmal, indem eine auf diesen Punkt gestellte Streitkraft eine gewisse Wirksamkeit auf das Ganze übt, und dann, indem die Örtlichkeit dieser Streitkraft zum Schutz und Verstärkungsmittel dient; mit einem Wort: die strategische und die taktische Beziehung.
     Nur aus dieser taktischen Beziehung entspringt, wenn wir genau sein wollen, der Ausdruck Verteidigungsstellung, denn die strategische Beziehung, daß nämlich die an diesem Ort aufgestellte Streitkraft durch ihr Dasein die Verteidigung des Landes bewirkt, wird auch auf eine angriffsweis verfahrende passen.
     Die erste jener Beziehungen, die strategische Wirksamkeit einer Stellung, wird sich erst später bei der Verteidigung eines Kriegstheaters in ihrem vollkommenen Lichte zeigen lassen; wir wollen ihrer hier nur soweit gedenken, als es jetzt schon geschehen kann, und dazu müssen wir zwei Vorstellungen genauer kennen, die Ähnlichkeit miteinander haben und oft verwechselt werden, nämlich das Umgehen einer Stellung und das Vorbeigehen derselben. Das Umgehen einer Stellung bezieht sich auf die Fronte derselben und geschieht entweder, um sie von der Seite oder gar von hinten anzugreifen, oder um ihre Rückzugs- und Verbindungslinie zu unterbrechen.
     Das erstere, nämlich der Seiten- und Rückenangriff, ist taktischer Natur. In unseren Tagen, wo die Beweglichkeit der Truppen so groß ist, und alle Gefechtspläne mehr oder weniger auf das Umgehen und umfassende Schlagen gerichtet sind, muß jede Stellung darauf gefaßt sein, und eine, die den Namen einer starken verdienen soll, muß bei einer starken Fronte für Seiten und Rücken, insofern sie bedroht sind, wenigstens gute Gefechtskombinationen zulassen. Durch das Umgehen in der Absicht, sie von der Seite oder im Rücken anzufallen, wird eine Stellung also nicht unwirksam gemacht, sondern die Schlacht, welche in ihr stattfindet, liegt in ihrer Bedeutung und muß dem Verteidiger die Vorteile gewähren, die er sich überhaupt von dieser Stellung versprechen konnte.
     Wird die Stellung vom Angreifenden umgangen in der Absicht, auf ihre Rückzugs- und Verbindungslinie zu wirken, so ist dies eine strategische Beziehung, und es kommt darauf an, wie lange die Stellung dies aushalten und ob sie den Gegner nicht darin überbieten kann, welches beides von der Lage des Punktes, d. h. hauptsächlich von dem Verhältnis der gegenseitigen Verbindungslinien abhängt. Jede gute Stellung sollte darin der verteidigenden Armee die Überlegenheit sichern. In jedem Fall wird auch hierdurch die Stellung nicht unwirksam gemacht, sondern der Gegner, der sich auf diese Weise mit ihr beschäftigt, dadurch wenigstens neutralisiert.
     Wenn aber der Angreifende, ohne sich um das Dasein der in einer Verteidigungsstellung ihn erwartenden Streitkraft zu bekümmern, mit seiner Hauptmacht auf einem anderen Wege vordringt und seinen Zweck verfolgt, so geht er der Stellung vorbei; und wenn er imstande ist, dies ungestraft zu tun, so wird er, indem er es wirklich tut, uns augenblicklich zwingen, die Stellung zu verlassen, diese also unwirksam werden. Es gibt fast keine Stellung in der Welt, der man nicht im bloßen Wortsinn vorbeigehen könnte; denn Fälle wie die Landenge von Perekop verdienen ihrer Seltenheit wegen kaum eine Rücksicht. Die Unmöglichkeit des Vorbeigehens muß sich also auf die Nachteile beziehen, in welche der Angreifende durch das Vorbeigehen gerät. Worin diese Nachteile bestehen, werden wir im siebenundzwanzigsten Kapitel zu sagen bessere Gelegenheit haben; sie mögen groß oder klein sein, in jedem Fall sind sie das Äquivalent für die nicht erfolgte taktische Wirksamkeit der Stellung und machen mit dieser gemeinschaftlich den Zweck der Stellung aus.
     Aus dem bisher Gesagten haben sich also zwei strategische Eigenschaften der Verteidigungsstellung ergeben:
     1. daß ihr nicht vorbeigegangen werden könne;
     2. daß sie in dem Kampf um die Verbindungslinien dem Verteidiger Vorteile gewähre.
     Jetzt haben wir noch zwei andere strategische Eigenschaften hinzuzufügen:
     3. daß das Verhältnis der Verbindungslinien auch auf die Gestalt des Gefechts vorteilhaft einwirke;
     4. daß der allgemeine Einfluß der Gegend vorteilhaft sei.
     Es hat nämlich das Verhältnis der Verbindungslinien nicht bloß Einfluß auf die Möglichkeit einer Stellung vorbeizugehen, ihr die Lebensmittel abzuschneiden oder nicht, sondern auch auf den ganzen Gang der Schlacht. Eine schiefe Rückzugslinie erleichtert dem Angreifenden das taktische Umgehen und lähmt die eigenen taktischen Bewegungen in der Schlacht. Diese schiefe Aufstellung ist aber nicht immer Schuld der Taktik, sondern oft eine Folge des fehlerhaften strategischen Punktes; sie ist z. B. gar nicht zu vermeiden, wenn die Straße in der Gegend der Stellung eine veränderte Richtung nimmt (Borodino 1812); alsdann ist der Angreifende in der Richtung uns zu umgehen, ohne selbst von seiner senkrechten Aufstellung abzuweichen
     Ferner ist der Angreifende, wenn er viele Wege zu seinem Rückzug hat, während wir auf einen eingeschränkt sind, gleichfalls in dem Vorteil einer viel größeren taktischen Freiheit. In allen diesen Fällen kann die taktische Kunst des Verteidigers sich totquälen, es wird ihr nicht gelingen, des nachteiligen Einflusses mächtig zu werden, den der strategische Fehler ausübt.
     Was endlich den vierten Punkt betrifft, so kann auch in den übrigen Beziehungen der Gegend ein so nachteiliges allgemeines Verhältnis herrschen, daß die sorgfältigste Auswahl und die höchste Industrie der Taktik nichts dagegen vermögen. Hier wird das Hauptsächlichste folgendes sein:
     1. Der Verteidiger muß vorzugsweise die Vorteile suchen, seinen Gegner zu übersehen und sich innerhalb des Gebietes seiner Stellung schnell auf ihn werfen zu können. Nur da, wo sich die Zugangshindernisse des Bodens mit diesen beiden Bedingungen verbinden, ist dem Verteidiger die Gegend vorzugsweise günstig. Nachteilig sind ihm also alle Punkte, die unter dem Einfluß einer allgemein dominierenden Gegend stehen; alle oder die meisten Stellungen in Gebirgen, wovon in den Kapiteln vom Gebirgskrieg noch insbesondere die Rede sein wird; alle Stellungen, die sich an ein Gebirge seitwärts anlehnen, denn ein solches erschwert zwar dem Angreifenden das Vorbeigehen, erleichtert aber das Umgehen; ferner alle Stellungen, die ein Gebirge nahe vor sich haben, und überhaupt alle Fälle, die sich aus den oben genannten Bedürfnissen, in Beziehung gebracht mit den gewöhnlichen Gegenständen des Bodens, herleiten lassen.
     Von den Kehrseiten jener nachteiligen Verhältnisse wollen wir nun den Fall herausheben, wo die Stellung ein Gebirge im Rücken hat, woraus sich soviel Vorteile ergeben, daß sie für eine der besten allgemeinen Lagen für Verteidigungsstellungen angenommen werden kann.
     2. Die Gegend kann dem Charakter des Heeres und seiner Zusammensetzung mehr oder weniger entsprechen. Eine sehr überlegene Reiterei läßt uns mit Recht offene Gegenden suchen. Mangel an dieser Waffe, vielleicht auch an Geschütz, ein krieggeübtes, landeskundiges, beherztes Fußvolk rät die Benutzung sehr schwieriger verwickelter Gegenden.
     Von der taktischen Beziehung, welche die Örtlichkeit einer Verteidigungsstellung zur Streitkraft hat, haben wir hier im einzelnen nicht zu sprechen, sondern nur vom ganzen Resultat, weil dies allein eine strategische Größe ist.
     Unstreitig soll eine Stellung, in der ein Heer den feindlichen Angriff vollkommen abwarten will, demselben bedeutende Vorteile des Bodens gewähren, so daß diese als ein Multiplikator seiner Kräfte anzusehen sind. Wo die Natur vieles tut, aber nicht so viel, als wir wünschen, kommt die Verschanzungskunst zu Hilfe. Auf diese Weise ist es nicht selten, daß einzelne Teile unangreifbar werden, und nicht ganz ungewöhnlich, daß das Ganze unangreifbar werde. Offenbar wird in diesem letzteren Fall die ganze Natur der Maßregel verändert. Nun ist es nicht mehr eine Schlacht unter vorteilhaften Bedingungen, welche wir suchen, und in dieser Schlacht den Erfolg des Feldzuges, sondern ein Erfolg ohne Schlacht. Indem wir unsere Streitkraft in einer unangreifbaren Stellung halten, versagen wir geradezu die Schlacht und drängen den Gegner in andere Wege der Entscheidung hinein.
     Wir müssen also beide Fälle ganz voneinander trennen und werden von dem letzteren im folgenden Kapitel unter dem Titel einer festen Stellung handeln.
     Die Verteidigungsstellung aber, mit der wir es hier zu tun haben, soll nichts sein als ein Schlachtfeld mit gesteigerten Vorteilen; damit sie aber ein Schlachtfeld werde, dürfen die Vorteile nicht überspannt werden. Welchen Grad der Stärke darf nun eine solche Stellung haben? Offenbar um so mehr, je entschlossener unser Gegner zum Angriff ist, und das hängt von der Beurteilung des individuellen Falles ab. Gegen einen Bonaparte darf und muß man sich hinter stärkere Schutzwehren zurückziehen als gegen einen Daun oder Schwarzenberg.
     Sind einzelne Teile einer Stellung unangreifbar, z. B. die Fronte, so ist das als ein einzelner Faktor ihrer Gesamtstärke zu betrachten, denn die Kräfte, welche man auf diesen Punkten nicht braucht, kann man auf andere verwenden; allein es ist nicht unbemerkt zu lassen, daß, indem der Feind von solchen unangreifbaren Teilen ganz abgedrängt wird, die Form seines Angriffs einen ganz anderen Charakter bekommt, wovon erst auszumachen ist, ob er unseren Verhältnissen zusagt.
     Sich z. B. so nahe hinter einem bedeutenden Fluß aufzustellen, daß dieser als Fronteverstärkung betrachtet wird, welches wohl vorgekommen ist, heißt nichts anderes, als den Fluß zum Stützpunkt seiner rechten oder linken Flanke zu machen, denn der Feind ist natürlich gezwungen, weiter rechts oder links überzugehen und uns mit verwandter Fronte anzugreifen; es muß also die Hauptfrage sein, welche Vorteile oder Nachteile uns das bringt.
     Nach unserer Meinung wird die Verteidigungsstellung sich ihrem Ideal um so mehr nähern, je versteckter ihre Stärke ist, und je mehr wir Gelegenheit haben, durch unsere Gefechtskombinationen zu überraschen. Wie man in Rücksicht der Streitkräfte veranlaßt ist, dem Gegner seine wahre Stärke und die wahre Richtung seiner Stärke zu verbergen, in eben dem Sinne sollte man ihm die Vorteile zu verbergen suchen, die man von der Gestalt des Bodens zu ziehen gedenkt. Dies läßt sich freilich nur bis auf einen gewissen Punkt tun und erfordert vielleicht eine eigene, noch wenig versuchte Industrie.
     Durch die Nähe einer bedeutenden Festung, in welcher Richtung es auch sei, gewinnt jede Stellung in der Bewegung und dem Gebrauch ihrer Kräfte ein großes Übergewicht über den Feind; durch einen passenden Gebrauch einzelner Feldschanzen kann der Mangel an natürlicher Festigkeit einzelner Punkte ersetzt, und es können dadurch die großen Lineamente des Gefechts im voraus willkürlich bestimmt werden: dies sind die Verstärkungen der Kunst; verbindet man damit eine gute Wahl derjenigen Hindernisse des Bodens, die die Wirksamkeit der feindlichen Streitkräfte erschweren, ohne sie unmöglich zu machen, sucht man allen Vorteil aus dem Umstande zu ziehen, daß wir das Schlachtfeld genau kennen und der Feind nicht, daß wir unsere Maßregeln besser verbergen können als er die seinigen und überhaupt in den Mitteln der Überraschung im Lauf des Gefechts ihm überlegen sind, so kann aus diesen vereinigten Beziehungen ein überwiegender und entscheidender Einfluß der Örtlichkeit entspringen, dessen Macht der Feind erliegt, ohne die wahre Quelle seiner Niederlage kennenzulernen. Das ist, was wir unter einer Verteidigungsstellung verstehen und für einen der größten Vorzüge des Verteidigungskrieges halten.
     Ohne Rücksicht auf besondere Umstände kann man annehmen, daß ein wellenförmiges, nicht zu stark aber auch nicht zu wenig bebautes Land die meisten Stellungen solcher Art darbieten wird.

 
     Dreizehntes Kapitel:
     Feste Stellungen und verschanzte Lager


     Wir haben im vorigen Kapitel gesagt, daß eine Stellung, welche durch Natur und Kunst so stark ist, daß sie für unangreifbar gelten muß, ganz aus der Bedeutung eines vorteilhaften Schlachtfeldes heraustritt und darum eine eigene ausmacht. Wir wollen in diesem Kapitel ihre Eigentümlichkeit betrachten und sie wegen ihrer festungsähnlichen Natur feste Stellungen nennen.
     Durch bloße Verschanzungen werden sie nicht leicht hervorgebracht, es sei denn als verschanzte Lager bei Festungen, aber noch weniger bloß durch natürliche Hindernisse. Natur und Kunst pflegen sich die Hand zu geben, und daher werden sie häufig mit dem Namen verschanzter Lager oder Stellungen bezeichnet; indessen kann dieser Name eigentlich für jede mit mehr oder weniger Schanzen versehene Stellung gelten, die nichts mit der Natur der hier in Rede stehenden gemein hat.
     Die Absicht einer festen Stellung ist also, die in ihr aufgestellte Streitkraft so gut wie unangreifbar zu machen und dadurch entweder wirklich einen Raum unmittelbar zu schützen oder nur die Streitkraft, welche in diesem Raum aufgestellt ist, um mit dieser Streitkraft dann auf eine andere Art zur Deckung des Landes mittelbar zu wirken. Das erstere war die Bedeutung der Linien der früheren Kriege, namentlich an der französischen Grenze, das letztere der nach allen Seiten hin Fronte machenden sowie der bei den Festungen angelegten verschanzten Lager.
     Wenn nämlich die Fronte einer Stellung durch Schanzen und Zugangshindernisse so stark ist, daß ein Angriff unmöglich wird, so wird der Feind zur Umgehung gezwungen, um den Angriff von der Seite oder von hinten zu unternehmen. Damit dies nun nicht leicht geschehen könne, wurden für diese Linien Anlehnungspunkte gesucht, die sie von der Seite ziemlich stützten, wie der Rhein und die Vogesen bei den Linien im Elsaß. Je länger die Fronte einer solchen Linie war, um so eher war sie gegen Umgehungen zu schützen, weil jede Umgehung für den Umgehenden immer mit einiger Gefahr verbunden ist, und diese zunimmt in dem Grade wie die erforderliche Abweichung von der ursprünglichen Richtung der Kräfte. Also eine bedeutende Länge der Fronte, welche unangreiflich gemacht werden konnte, und gute Anlehnungspunkte bildeten die Möglichkeit, einen bedeutenden Raum unmittelbar vor dem feindlichen Eindringen zu schützen; so war wenigstens die Vorstellungsart, von der diese Einrichtungen ausgegangen sind, so die Bedeutung der Linien des Elsaß, die sich mit dem rechten Flügel an den Rhein, mit dem linken an die Vogesen, und der flandrischen, 15 Meilen langen, die sich mit dem rechten Flügel an die Schelde und die Festung Tournai, mit dem linken an das Meer stützten.
     Wo man aber die Mittel einer so langen starken Fronte und guter Anstützungspunkte nicht hat, da muß, wenn die Gegend überhaupt durch eine wohlverschanzte Streitkraft behauptet werden soll, diese sich gegen das Umgehen dadurch schützen, daß sie und ihre Stellung Fronte nach allen Seiten machen. Nun verschwindet der Begriff eines wirklich gedeckten Raumes, denn eine solche Stellung ist strategisch wie ein Punkt anzusehen, und es ist nur die Streitkraft, welche gedeckt ist und welcher dadurch die Möglichkeit werden soll, das Land zu behaupten, d. h. sich in dem Lande zu behaupten. Ein solches Lager kann nicht mehr umgangen, d. h. nicht mehr in Seiten und Rücken als schwächeren Teilen angegriffen werden, weil es überall Fronte hat, überall gleich stark ist; aber einem solchen Lager kann vorbeigegangen werden, und zwar viel eher als einer verschanzten Linie, weil es so gut wie keine Ausdehnung hat.
     Verschanzte Lager bei Festungen sind im Grunde von dieser zweiten Art, denn sie haben die Bestimmung, die darin versammelte Streitkraft zu schützen; ihre weitere strategische Bedeutung, nämlich die Anwendung dieser geschützten Streitkraft, ist aber von den anderen verschanzten Lagern etwas verschieden.
     Nach dieser Entwicklung der Entstehungsart wollen wir den Wert dieser drei verschiedenen Verteidigungsmittel betrachten und sie durch die Namen fester Linien, fester Stellungen und verschanzter Lager bei Festungen unterscheiden.
     1. Die Linien. Sie sind die verderblichste Art des Kordonkrieges; das Hindernis, welches sie dem Angreifenden darbieten, ist durchaus nur von Wert, wenn es durch ein starkes Feuer verteidigt wird, an sich ist es so gut wie gar keines. Nun ist aber diejenige Ausdehnung, welche einem Heer noch eine solche Wirksamkeit des Feuers läßt, zum Verhältnis einer Landesausdehnung immer sehr gering, und die Linien werden also sehr kurz sein müssen und folglich sehr wenig Land decken, oder das Heer wird nicht imstande sein, alle Punkte wirklich zu verteidigen. Nun ist man wohl auf den Gedanken gekommen, nicht alle Punkte dieser Linien zu besetzen, sondern sie nur zu beobachten und vermittelst aufgestellter Reserven zu verteidigen, wie man einen mittleren Fluß verteidigen kann. Allein dies Verfahren ist gegen die Natur des Mittels. Sind die natürlichen Hindernisse des Bodens so groß, daß man eine solche Verteidigungsart anwenden könnte, so wären die Schanzen unnütz und gefährlich, denn jene Verteidigungsart ist keine örtliche, und Schanzen sind nur für die örtliche gemacht; sind aber die Schanzen selbst als das Haupthindernis des Zuganges anzusehen, so ist begreiflich, wie wenig eine unverteidigte Verschanzung als Hindernis des Zuganges sagen will. Was ist ein 12 oder 15 Fuß tiefer Graben und ein 10-12 Fuß hoher Wall gegen die vereinigte Anstrengung vieler Tausende, wenn diese nicht durch feindliches Feuer gestört werden? Die Folge also ist, daß solche Linien, wenn sie kurz und mithin verhältnismäßig stark besetzt waren, umgangen, oder wenn sie ausgedehnt und nicht gehörig besetzt waren, ohne Schwierigkeit in der Fronte genommen worden sind.
     Da nun dergleichen Linien die Streitkraft durch die örtliche Verteidigung fesseln und ihr alle Beweglichkeit nehmen, so sind sie gegen einen unternehmenden Feind ein sehr übel ausgesonnenes Mittel. Wenn sie sich nichtsdestoweniger in den neueren Kriegen lange genug erhalten haben, so liegt der Grund davon allein in dem geschwächten kriegerischen Element, wo die scheinbare Schwierigkeit oft so viel tat als eine wirkliche. Übrigens wurden diese Linien in den meisten Feldzügen bloß für eine untergeordnete Verteidigung gegen Streifereien benutzt; wenn sie sich dabei nicht ganz unwirksam gezeigt haben, so muß man nur zugleich im Auge haben, wieviel mit den Truppen, die zu ihrer Verteidigung erforderlich waren, auf anderen Punkten Nützlicheres hätte geschehen können. In den neuesten Kriegen konnte von ihnen gar nicht die Rede sein, auch findet sich keine Spur davon. Es ist zu bezweifeln, daß sie je wiederkehren werden.
     2. Die Stellungen. Die Verteidigung eines Landstriches besteht, wie wir das im siebenundzwanzigsten Kapitel näher zeigen werden, solange, als die dazu bestimmte Streitkraft sich in demselben behauptet, und hört erst auf, wenn diese denselben verläßt und aufgibt.
     Soll nun eine Streitkraft sich in einem Lande behaupten, das von einem sehr überlegenen Gegner angegriffen wird, so stellt sich das Mittel dar, diese Streitkraft in einer unangreiflichen Stellung gegen die Gewalt des Schwertes zu schützen.
     Da solche Stellungen, wie wir schon gesagt haben, nach allen Seiten Fronte machen müssen, so würden sie bei der gewöhnlichen Ausdehnung einer taktischen Aufstellung, wenn die Streitkraft nicht sehr groß wäre, was gegen die Natur des ganzen Falles ist, einen sehr kleinen Raum einnehmen, der in dem ganzen Verlauf des Gefechts so vielen Nachteilen unterworfen wäre, daß bei allen möglichen Verstärkungen durch Schanzen kaum an einen glücklichen Widerstand zu denken sein würde. Ein so nach allen Seiten Fronte machendes Lager muß also notwendig verhältnismäßig eine bedeutende Ausdehnung seiner Seiten haben; diese Seiten sollen aber gleichwohl so gut wie unangreifbar sein; ihnen diese Stärke zu geben trotz der großen Ausdehnung, dazu reicht die Verschanzungskunst nicht hin, es ist also eine Grundbedingung, daß ein solches Lager durch Hindernisse des Bodens, die manche Teile ganz unzugänglich, andere schwer zugänglich machen, verstärkt werde. Um also dieses Verteidigungsmittel anwenden zu können, ist es nötig, daß eine solche Stellung sich finde, und man kann nicht, wo sie fehlt, durch bloßes Schanzen den Zweck erreichen. Diese Betrachtungen beziehen sich auf die taktischen Resultate, um nur erst das Dasein dieses strategischen Mittels gehörig festzustellen; wir nennen dabei zur Deutlichkeit die Beispiele von Pirna, Bunzelwitz, Kolberg, Torres Vedras und Drissa. Nun von seinen strategischen Eigenschaften und Wirkungen.
     Die erste Bedingung ist natürlich, daß die in diesem Lager aufgestellte Streitkraft ihren Unterhalt für einige Zeit, d. h. für so lange, als man die Wirksamkeit des Lagers nötig zu haben glaubt, gesichert hat, welches nur geschehen kann, wenn die Stellung den Rücken gegen einen Hafen hat, wie Kolberg und Torres Vedras, oder in naher Verbindung mit einer Festung ist, wie Bunzelwitz und Pirna, oder Vorräte in seinem Innern oder ganz in seiner Nähe angehäuft hat, wie Drissa.
     Nur im ersten Fall wird diesem Punkte ziemlich genügt werden können, im zweiten und dritten Fall aber nur halb und halb, so daß schon von dieser Seite immer Gefahr droht; zugleich geht hieraus hervor, wie diese Bedingung eine Menge von starken Punkten, die sich sonst zu einer verschanzten Stellung eignen würden, davon ausschließt und also die geeigneten selten macht.
     Um die Wirksamkeit einer solchen Stellung, ihre Vorteile und Gefahren kennenzulernen, müssen wir uns fragen, was der Angreifende dagegen tun kann.
     a) Der Angreifende kann der festen Stellung vorbeigehen, seine Unternehmungen fortsetzen und jene mit mehr oder weniger Truppen beobachten.
     Wir müssen hier die beiden Fälle unterscheiden, wenn die verschanzte Stellung von der Hauptmacht oder nur von einer untergeordneten Streitkraft besetzt ist.
     Im ersten Fall kann das Vorbeigehen dem Angreifenden nur etwas helfen, wenn es außer der Hauptmacht des Verteidigers noch einen anderen für ihn erreichbaren entscheidenden Gegenstand des Angriffs gibt, z. B. die Eroberung einer Festung, der Hauptstadt usw. Aber auch wenn es diesen gibt, kann er ihn nur verfolgen, wenn die Stärke seiner Basis und die Lage seiner Verbindungslinie ihn nicht die Einwirkung auf seine strategische Flanke fürchten läßt.
     Schließen wir daraus auf die Zulässigkeit und Wirksamkeit einer festen Stellung für die Hauptmacht des Verteidigers zurück, so wird sie nur stattfinden, wenn entweder die Wirksamkeit auf die strategische Flanke des Angreifenden so entschieden ist, daß man im voraus sicher sein kann, ihn dadurch auf einem unschädlichen Punkt festzuhalten, oder wenn es gar keinen dem Angreifenden erreichbaren Gegenstand gibt, für den der Verteidiger besorgt sein dürfte. Ist ein solcher Gegenstand vorhanden und die strategische Flanke des Feindes dabei nicht hinreichend bedroht, so kann die Stellung entweder gar nicht genommen werden oder nur zum Schein und Versuch, ob der Angreifende ihre Bedeutung gelten lassen will, wobei denn aber immer die Gefahr entsteht, daß, wenn dies nicht ist, der bedrohte Punkt nicht mehr werde zu erreichen sein.
     Ist die starke Stellung bloß von einer untergeordneten Streitkraft besetzt, so kann es dem Angreifenden niemals an einem anderweitigen Gegenstande seines Angriffs fehlen, weil dieser die feindliche Hauptmacht sein kann; in diesem Fall ist also die Bedeutung der Stellung durchaus auf die Wirksamkeit eingeschränkt, welche sie gegen die feindliche strategische Flanke haben kann und an diese Bedingung gebunden.
     b) Der Angreifende kann, wenn er es nicht wagt, der Stellung vorbeizugehen, diese förmlich einschließen und durch Hunger zur Übergabe bringen. Dies setzt aber zwei Bedingungen voraus: die erste, daß die Stellung nicht einen freien Rücken habe, die zweite, daß der Angreifende stark genug zu einer solchen Einschließung sei. Treffen diese beiden Bedingungen zu, so würde das angreifende Heer zwar eine Zeitlang durch das feste Lager neutralisiert werden, aber es würde auch der Verlust der Verteidigungskräfte der Preis sein, den der Verteidiger für diesen Vorteil zu tragen hätte.
     Hieraus geht also hervor, daß man mit der Hauptmacht die Maßregel einer solchen festen Stellung nur nehmen wird:
     aa) Wenn man einen ganz sicheren Rücken hat, Torres Vedras.
     bb) Wenn man voraussieht, daß die feindliche Überlegenheit nicht groß genug sein wird, uns in unserem Lager förmlich einzuschließen. Wollte der Feind bei nicht hinreichender Überlegenheit dies dennoch tun, so würden wir imstande sein, aus dem Lager mit Erfolg hervorzubrechen und ihn einzeln zu schlagen.
     cc) Wenn man auf einen Entsatz rechnen kann, wie die Sachsen 1756 bei Pirna es taten, und wie es sich im Grunde 1757 nach der Schlacht von Prag zutrug, weil Prag selbst nur wie ein verschanztes Lager zu betrachten war, in welches Prinz Karl sich nicht würde haben einschließen lassen, wenn er nicht gewußt hätte, daß die mährische Armee ihn befreien könnte.
     Eine jener drei Bedingungen ist also durchaus erforderlich, wenn die Wahl einer festen Stellung mit der Hauptmacht gerechtfertigt sein soll, und doch muß man gestehen, daß die beiden letzten Bedingungen für den Verteidiger schon nahe an einer großen Gefahr hinstreifen.
     Ist aber von einem untergeordneten Korps die Rede, welches zum Besten des Ganzen allenfalls aufgeopfert werden kann, so fallen jene Bedingungen fort, und es fragt sich dann nur, ob durch eine solche Aufopferung ein wirklich größeres Übel abgewendet wird. Dies wird wohl nur selten der Fall sein, indessen ist es freilich nicht undenkbar. Das verschanzte Lager von Pirna hat verhindert, daß Friedrich der Große Böhmen schon im Jahre 1756 angriff. Die Österreicher waren damals so wenig in Bereitschaft, daß der Verlust dieses Königreiches unzweifelhaft scheint, und vielleicht wäre damit auch ein größerer Verlust an Menschen verknüpft gewesen als die 17000 Verbündeten, welche im Lager von Pirna kapitulierten.
     c) Findet für den Angreifenden keine jener unter a und b angegebenen Möglichkeiten statt, sind also die Bedingungen erfüllt, welche wir für den Verteidiger dabei aufgestellt haben, so bleibt dem Angreifenden freilich nichts übrig, als vor der Stellung stehen zu bleiben wie der Hund vor einem Volk Hühner, sich allenfalls durch Entsendungen im Lande so viel als möglich auszubreiten und, mit diesem kleinen und unentscheidenden Vorteil sich begnügend, die wahre Entscheidung über den Besitz des Landstriches der Zukunft zu überlassen. In diesem Fall hat die Stellung ihre volle Bedeutung erfüllt.
     3. Die verschanzten Lager bei Festungen. Sie gehören, wie schon gesagt, insofern zur Klasse der verschanzten Stellungen überhaupt, als sie die Absicht haben, nicht einen Raum, sondern eine Streitkraft gegen den feindlichen Angriff zu schützen, und sind eigentlich von den anderen nur darin verschieden, daß sie mit der Festung ein unzertrennliches Ganze machen, wodurch sie denn natürlich eine viel größere Stärke bekommen.
     Es folgen aber daraus noch folgende Eigentümlichkeiten:
     a) Daß sie noch den besonderen Zweck haben können, die Belagerung der Festung entweder ganz unmöglich oder sehr schwierig zu machen. Dieser Zweck kann ein großes Opfer an Truppen wert sein, wenn der Platz ein Hafen ist, der nicht gesperrt werden kann; in jedem anderen Fall aber ist zu befürchten, daß derselbe durch Hunger doch zu früh fallen würde, um das Opfer einer bedeutenden Truppenmasse ganz zu verdienen.
     b) Diese verschanzten Lager bei Festungen können für kleinere Korps eingerichtet werden als die im freien Felde. Vier- bis fünftausend Mann können unter den Mauern einer Festung unüberwindlich sein, die im freien Felde im stärksten Lager von der Welt verloren sein würden.
     c) Sie können zur Versammlung und Zurichtung solcher Streitkräfte gebraucht werden, die noch zu wenig inneren Halt haben, um sie ohne den Schutz der Festungswälle mit dem Feinde in Berührung zu bringen. Rekruten, Landwehren, Landsturm usw.
     Sie würden also als eine vielseitig nützliche Maßregel sehr empfehlenswert sein, wenn sie nicht den außerordentlichen Nachteil hätten, der Festung, wenn sie nicht besetzt werden können, mehr oder weniger zu schaden; die Festung aber immer mit einer Besatzung zu versehen, die auch einigermaßen für dies verschanzte Lager zureicht, würde eine viel zu drückende Bedingung sein.
     Wir sind daher sehr geneigt, sie nur bei Küstenplätzen für empfehlenswert und in allen anderen Fällen mehr für schädlich als nützlich zu halten.
     Sollen wir am Schluß unsere Meinung noch mit einem Gesamtblick zusammenfassen, so sind feste und verschanzte Stellungen:
     1. Um so weniger zu entbehren, je kleiner das Land, je weniger Raum zum Ausweichen ist.
     2. Um so weniger gefährlich, je sicherer auf Hilfe und Entsatz zu rechnen ist, entweder durch andere Streitkräfte oder durch schlechte Jahreszeit oder durch Volksaufstand oder durch Mangel usw.
     3. Um so wirksamer, je schwächer die Elementarkraft des feindlichen Stoßes ist.

 
     Vierzehntes Kapitel:
     Flankenstellungen


     Nur damit man diesen in der gewöhnlichen militärischen Ideenwelt so sehr hervorragenden Begriff hier leichter wiederfinde, haben wir ihm nach Wörterbücherart ein eigenes Kapitel gewidmet, denn wir glauben nicht, daß damit ein selbständiges Ding bezeichnet werde.
     Jede Stellung, welche auch dann behauptet werden soll, wenn der Feind an ihr vorbeigeht, ist eine Flankenstellung, denn von dem Augenblick an, wo er dies tut, kann sie keine andere Wirksamkeit haben als die auf die feindliche strategische Flanke. Es sind also notwendig alle festen Stellungen zugleich Flankenstellungen, denn da sie nicht angegriffen werden können, der Gegner also auf das Vorbeigehen angewiesen ist, so können sie nur durch die Wirksamkeit auf seine strategische Flanke ihren Wert bekommen. Wie die eigentliche Fronte der festen Stellung sei, ob sie parallel mit der feindlichen strategischen Flanke laufe wie Kolberg, oder senkrecht wie Bunzelwitz und Drissa, ist eine vollkommen gleichgültige Sache, denn eine feste Stellung muß nach allen Seiten Fronte machen.
     Aber man kann auch in einer Stellung, die nicht unangreifbar ist, die Absicht haben, sie dann noch zu behaupten, wenn der Feind an ihr vorbeigeht, sobald nämlich der Punkt ihrer Lage ein so überwiegendes Verhältnis der Rückzugs- und Verbindungslinie darbietet, daß nicht nur ein wirksamer Angriff auf die strategische Flanke des Vorrückenden stattfinden kann, sondern daß er, für seinen eigenen Rückzug besorgt, nicht imstande ist, uns den unserigen ganz zu nehmen; denn wäre dies letztere nicht der Fall, so würden wir, weil die Stellung keine feste, d. h. unangreifbare ist, in Gefahr sein, uns ohne Rückzug zu schlagen.
     Das Jahr 1806 erläutert uns dies durch ein Beispiel. Die Aufstellung des preußischen Heeres auf dem rechten Ufer der Saale konnte in Beziehung auf Bonapartes Vorrücken über Hof vollkommen zu einer Flankenstellung werden, wenn man nämlich Fronte gegen die Saale machte und in dieser Stellung das Weitere abwartete.
     Wäre hier nicht ein solches Mißverständnis der physischen und moralischen Macht gewesen, hätte sich nur ein Daun an der Spitze des französischen Heeres befunden, so würde die preußische Stellung sich in der glänzendsten Wirksamkeit gezeigt haben. Ihr vorbeizugehen war ganz unmöglich, das hat selbst Bonaparte anerkannt, indem er sich entschloß, sie anzugreifen; ihr den Rückzug abzuschneiden, ist selbst Bonaparte nicht vollkommen gelungen, und würde bei einem geringeren Mißverhältnis der physischen und moralischen Kraft ebensowenig tunlich gewesen sein als das Vorbeigehen, denn die preußische Armee war durch eine Überwältigung ihres linken Flügels viel weniger in Gefahr als die französische durch eine Überwältigung ihres linken. Selbst bei dem physischen und moralischen Mißverhältnis der Streitkräfte würde eine entschlossene und besonnene Führung noch große Hoffnungen zu einem Sieg gegeben haben. Nichts hätte den Herzog von Braunschweig verhindert, am 13. solche Einrichtungen zu treffen, daß den 14. morgens mit Tagesanbruch 80000 Mann sich den 60000 Mann gegenüber befanden, die Bonaparte bei Jena und Dornburg über die Saale führte. Wenn dies Übergewicht und das steile Tal der Saale im Rücken der Franzosen auch nicht hingereicht haben würde, einen entscheidenden Sieg zu geben, so muß man doch sagen, daß es an sich ein sehr vorteilhaftes Resultat war, und daß, wenn man mit einem solchen keine glückliche Entscheidung gewinnen konnte, man überhaupt an keine Entscheidung in dieser Gegend hätte denken, sondern weiter zurückgehen, sich dadurch verstärken und den Feind schwächen sollen.
     Die preußische Stellung an der Saale also, ob sie gleich angreifbar war, konnte als Flankenstellung für die über Hof kommende Straße betrachtet werden, nur war ihr wie jeder angreifbaren Stellung diese Eigenschaft nicht absolut beizulegen, weil sie erst dann dazu wurde, wenn der Feind ihren Angriff nicht wagte.
     Noch weniger würde es einer klaren Vorstellungsart entsprechen, wenn man auch denjenigen Stellungen, welche das Vorbeigehen nicht aushalten können, und von welchen aus der Verteidiger den Angreifenden deshalb von der Seite anfallen will, den Namen der Flankenstellung geben wollte, bloß deswegen, weil dieser Angriff von der Seite geschieht; denn dieser Seitenanfall hat mit der Stellung selbst kaum etwas zu tun oder geht wenigstens der Hauptsache nach nicht aus ihren Eigenschaften hervor, wie dies der Fall mit der Einwirkung auf die strategische Flanke ist.
     In jedem Fall geht hieraus hervor, daß über die Eigenschaften einer Flankenstellung nichts Neues festzustellen ist. Nur ein paar Worte über den Charakter dieser Maßregel finden hier eine bequeme Stelle.
     Von eigentlich festen Stellungen sehen wir ganz ab, weil wir davon hinreichend gesprochen haben.
     Eine Flankenstellung, die nicht unangreifbar ist, ist ein äußerst wirksames, aber freilich auch eben darum gefährliches Instrument. Wird der Angreifende durch sie gebannt, so hat man eine große Wirkung mit einem unbedeutenden Kraftaufwand, es ist der Druck des kleinen Fingers auf den langen Hebel eines scharfen Gebisses. Ist aber die Wirkung zu schwach, wird der Angreifende nicht festgehalten, so hat der Verteidiger seinen Rückzug mehr oder weniger aufgeopfert und muß entweder in der Eile auf Umwegen, also unter sehr nachteiligen Umständen noch zu entkommen suchen, oder er ist in Gefahr, sich ohne Rückzug zu schlagen. Gegen einen dreisten, moralisch überlegenen Gegner, der eine tüchtige Entscheidung sucht, ist dieses Mittel also höchst gewagt und keineswegs an seinem Ort, wie oben das Beispiel von 1806 beweist. Dagegen kann es bei einem behutsamen Gegner und in bloßen Beobachtungskriegen für eins der besten Mittel gelten, zu welchen das Talent des Verteidigers greifen kann. Des Herzogs Ferdinand Verteidigung der Weser durch eine Stellung auf dem linken Ufer derselben und die bekannten Stellungen von Schmottseifen und Landeshut sind Beispiele davon; nur zeigt freilich die letztere zugleich in der Katastrophe des Fouquéschen Korps 1760 die Gefahr einer falschen Anwendung.

 
     Fünfzehntes Kapitel:
     Gebirgsverteidigung


     Der Einfluß des Gebirgsbodens auf die Kriegführung ist sehr groß, der Gegenstand also für die Theorie sehr wichtig. Da dieser Einfluß ein aufhaltendes Prinzip in die Handlung bringt, so gehört er zunächst der Verteidigung an; wir werden ihn also hier abhandeln, ohne bei dem engeren Begriff einer Gebirgsverteidigung stehen zu bleiben. Da wir bei der Betrachtung dieses Gegenstandes in manchen Punkten ein der gewöhnlichen Meinung entgegenlaufendes Resultat gefunden haben, so werden wir in manche Zergliederung eingehen müssen. Zuerst wollen wir die taktische Natur des Gegenstandes betrachten, um den strategischen Anknüpfungspunkt zu gewinnen.
     Die unendliche Schwierigkeit, die ein Marsch mit großen Kolonnen auf Gebirgswegen hat, die außerordentliche Stärke, die ein kleiner Posten durch eine steile Bergfläche bekommt, die seine Fronte deckt, und durch Schluchten rechts und links, an die er sich stützen kann, sind unstreitig die beiden Hauptumstände, welche der Gebirgsverteidigung von jeher einen so allgemeinen Anspruch auf Wirksamkeit und Stärke verliehen haben, daß nur die Eigentümlichkeiten gewisser Zeiten in Bewaffnung und Taktik die großen Massen der Streitkräfte davon entfernt gehalten haben.
     Wenn sich eine Kolonne in Schlangenlinien mühsam durch enge Schluchten den Berg hinaufwindet und sich schneckenartig über ihn fortschiebt, die Artilleristen und Trainknechte mit Fluchen und Schreien die abgetriebenen Gäule durch die rauhen Hohlwege peitschen, jeder zerbrochene Wagen mit unsäglicher Mühe hinausgebracht werden muß, während hinten alles stockt, schimpft und flucht, so denkt ein jeder bei sich - nun, hier dürfte der Feind nur mit ein paar hundert Mann kommen, um alles davonzujagen. Daher kommt der Ausdruck der historischen Schriftsteller, wenn sie von Straßenengen sprechen, wo eine Handvoll Menschen ganze Heere aufhalten könnten. Indes weiß jeder oder sollte jeder wissen, der den Krieg kennt, daß ein solcher Zug durchs Gebirge wenig oder gar nichts mit dem Angriff desselben gemein hat, und daß darum der Schluß von dieser Schwierigkeit auf eine noch viel größere beim Angriff falsch ist.
     Natürlich ist es, daß ein Unerfahrener diesen Schluß macht, und fast ebenso natürlich, daß die Kriegskunst einer gewissen Zeit selbst in diesen Irrtum verwickelt wurde, die Erscheinung war dem Kriegserfahrenen damals fast ebenso neu als dem Fremdling. Vor dem Dreißigjährigen Kriege war bei der tiefen Schlachtordnung, der vielen Reiterei, den unausgebildeten Feuerwaffen und anderen Eigentümlichkeiten die Benutzung starker Hindernisse des Bodens sehr ungewöhnlich und eine förmliche Gebirgsverteidigung, wenigstens durch die regelmäßigen Truppen, fast unmöglich. Fast wie die Schlachtordnung gedehnter, das Fußvolk und bei diesem die Feuerwaffe die Hauptsache wurde, dachte man an Berge und Täler. Hundert Jahre gingen hin, ehe sich dies bis auf den höchsten Punkt ausbildete, nämlich bis in die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts.
     Der zweite Umstand, nämlich die große Widerstandsfähigkeit, welche ein kleiner Posten, in einem schwierigen Zugang aufgestellt, durch diesen bekommt, war noch viel mehr geeignet, auf eine große Kraft der Gebirgsverteidigung schließen zu lassen. Man dürfte ja, schien es, einen solchen Posten nur mit einer gewissen Zahl multiplizieren, um aus einem Bataillon ein Heer und aus einem Berg ein Gebirge zu machen.
     Es ist unverkennbar, daß ein kleiner Posten bei einer guten Auswahl seiner Aufstellung im Gebirge eine ungewöhnliche Stärke bekommt. Ein Haufe, der in der Ebene von ein paar Schwadronen verjagt würde und von Glück zu sagen hätte, wenn er durch den eiligsten Rückzug sich vor Auflösung und Gefangenschaft rettete, ist imstande, im Gebirge, man möchte sagen mit einer Art taktischer Frechheit einer ganzen Armee unter die Augen zu treten und von ihr die kriegerischen Ehren eines methodischen Angriffs, einer Umgehung usw. zu fordern. Wie er diese Widerstandsfähigkeit durch Hindernisse des Zuganges, durch Flügelstützpunkte, durch neue Stellungen, die er auf seinem Rückzug findet, gewinnt, ist von der Taktik zu entwickeln, wir nehmen es als einen Erfahrungssatz an.
     Es war sehr natürlich, zu glauben, daß eine Menge solcher starker Posten, einer neben den anderen hingestellt, eine sehr starke, fast unangreifbare Fronte geben mußte, und es kam also nur darauf an, sich gegen die Umgehung zu sichern, indem man sich rechts und links so weit ausdehnte, bis man entweder Anlehnungspunkte fand, die der Wichtigkeit des Ganzen angemessen waren, oder bis man glauben konnte, durch die Ausdehnung selbst gegen eine Umgehung gesichert zu sein. Ein Gebirgsland ladet dazu besonders ein, denn es bietet sich eine solche Menge von Posten dar, deren einer immer schöner wie der andere zu sein scheint, daß man schon deshalb nicht weiß, wo man aufhören soll. Man endigte also damit, in einer gewissen Weite alle und jede Eingänge des Gebirges mit Abteilungen zu besetzen und zu verteidigen und glaubte, wenn man so mit zehn oder fünfzehn einzelnen Posten einen Raum von etwa zehn Meilen und darüber einnahm, doch endlich vor dem verhaßten Umgehen Ruhe haben zu können. Da nun diese einzelnen Posten durch einen unzugänglichen Boden (weil man mit Kolonnen nicht außer den Wegen marschieren kann) genau miteinander verbunden schienen, so glaubte man dem Feinde eine eherne Mauer entgegengestellt zu haben. Zum Überfluß behielt man noch ein paar Bataillons, einige reitende Batterien und ein Dutzend Schwadronen Reiterei in Reserve für den Fall, daß durch ein halbes Wunder irgendwo ein Durchbruch stattfinden sollte.
     Daß diese Vorstellung völlig historisch ist, wird niemand leugnen, und daß wir über diese Verkehrtheit völlig hinaus wären, ist nicht zu behaupten.
     Der Gang, welchen die Ausbildung der Taktik seit dem Mittelalter mit den immer zahlreicher werdenden Heeren genommen hat, hat gleichfalls beigetragen, den Gebirgsboden in diesem Sinn in die militärische Handlung zu ziehen.
     Der Hauptcharakter der Gebirgsverteidigung ist die entschiedenste Passivität; es war also, ehe die Armeen ihre jetzige Beweglichkeit erhalten hatten, die Tendenz zur Gebirgsverteidigung von der Seite ziemlich natürlich. Die Heere waren immer größer geworden und fingen immer mehr an, sich des Feuers wegen in langen und dünnen Linien aufzustellen, deren Zusammenhang sehr künstlich und deren Bewegung sehr schwierig, oft unmöglich war. Die Aufstellung dieser künstlichen Maschine war oft ein halbes Tagewerk, und die halbe Schlacht und fast alles, was jetzt den Schlachtenentwurf ausmacht, ging in ihr auf. War dieses Werk einmal vollendet, so war es schwer, nach neueingetretenen Umständen eine Abänderung zu treffen; daraus folgte, daß der Angreifende, der seinen Aufmarsch später besorgte, ihn mit Beziehung auf die Stellung des Verteidigers nehmen, und daß dieser dies nicht erwidern konnte. Der Angriff gewann also ein allgemeines Übergewicht und die Verteidigung wußte dies nicht anders einzubringen, als wenn sie Schutz hinter Hindernissen des Bodens suchte, und da gab es denn kein so allgemeines und wirksames wie den Gebirgsboden. Man suchte also das Heer mit einem tüchtigen Bodenabschnitt gewissermaßen zu kopulieren. Beide machten dann gemeinschaftliche Sache. Das Bataillon verteidigte den Berg und der Berg das Bataillon. So gewann die passive Verteidigung durch eine Gebirgsgegend einen hohen Grad von Stärke, und es war in der Sache selbst noch kein Übel enthalten, als daß man die Freiheit der Bewegung noch mehr verlor, von der man aber ohnehin keinen sonderlichen Gebrauch zu machen wußte.
     Wo zwei feindliche Systeme aufeinander einwirken, da zieht die preisgegebene Seite, d. i. die Schwäche des einen immer die Stöße des anderen auf sich. Steht der Verteidiger in Posten, die an sich fest und unüberwindlich sind, starr und wie angenagelt fest, so wird der Angreifende im Umgehen dadurch dreist gemacht, weil er für seine eigenen Seiten nichts mehr zu besorgen hat. Dies geschah - das sogenannte Tournieren kam bald an die Tagesordnung; ihm zu begegnen, dehnten sich die Stellungen immer mehr und mehr aus, sie wurden dafür in der Fronte gehörig geschwächt und der Angriff wandte sich plötzlich auf die entgegengesetzte Seite: statt durch Ausdehnung zu überflügeln, vereinigte er seine Massen gegen einen Punkt und zersprengte die Linie. Auf diesem Punkte ungefähr hat sich die Gebirgsverteidigung der neuesten Kriegsgeschichte befunden.
     Der Angriff hatte also wieder ein vollkommenes Übergewicht errungen, und zwar durch die immer mehr ausgebildete Beweglichkeit: nur in dieser konnte die Verteidigung Hilfe suchen; der Beweglichkeit aber ist der Gebirgsboden seiner Natur nach entgegen, und es hat daher, wenn wir uns so ausdrücken dürfen, die ganze Gebirgsverteidigung eine Niederlage erlitten, der ähnlich, welche die in ihr befangenen Heere im Revolutionskrieg so oft erfahren haben.
     Damit wir aber das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und uns mit dem Strom der Gemeinsprüche zu Behauptungen fortreißen lassen, die im wirklichen Leben tausendmal durch die Gewalt der Umstände widerlegt werden, müssen wir die Wirkungen der Gebirgsverteidigung nach der Natur der Fälle unterscheiden.
     Die Hauptfrage, welche hier zur Entscheidung kommt, und die über den ganzen Gegenstand das Hauptlicht verbreitet, ist, ob der Widerstand, welchen man mit der Gebirgsverteidigung beabsichtigt, ein relativer oder ein absoluter sein, ob er nur eine Zeitlang dauern oder mit einem entschiedenen Siege endigen soll. Für den Widerstand der ersteren Art ist der Gebirgsboden im höchsten Grade geeignet, er trägt ein sehr großes Prinzip der Verstärkung hinein; für den der letzteren Art ist er es dagegen im allgemeinen gar nicht und nur in einigen besonderen Fällen.
     Im Gebirge ist jede Bewegung langsamer und schwieriger, sie kostet mithin mehr Zeit, und wenn sie in der Region der Gefahr gemacht wird, mehr Menschen. Aufwand von Zeit und Menschen machen aber das Maß des geleisteten Widerstandes aus. Solange also die Bewegungen allein die Sache des Angreifenden sind, solange hat der Verteidiger ein entschiedenes Übergewicht, sobald aber der Verteidiger das Prinzip der Bewegung auch anwenden soll, so hört dieser Vorteil auf. Nun liegt es in der Natur der Sache, d. h. in taktischen Gründen, daß ein relativer Widerstand eine viel größere Passivität zuläßt als einer, der zur Entscheidung führen soll, und daß er erlaubt, diese Passivität bis aufs äußerste, d. h. bis ans Ende des Gefechts auszudehnen, welches in dem anderen Falle niemals geschehen darf. Das erschwerende Element des Gebirgsbodens, welches als ein dichteres Mittel alle positiven Tätigkeiten schwächt, ist also ganz für ihn geeignet.
     Daß ein kleiner Posten im Gebirge durch die Natur des Bodens eine ungewöhnliche Stärke bekommt, haben wir schon gesagt, wir müssen aber, obgleich dieses taktische Resultat sonst keines weiteren Beweises bedürfte, noch eine Erläuterung hinzufügen. Es ist nämlich hier die relative von der absoluten Kleinheit zu unterscheiden. Wenn ein Heerhaufe von irgendeiner Größe einen seiner Teile isoliert aufstellt, so ist dieser möglicherweise dem Angriff des ganzen feindlichen Heerhaufens, also einer überlegenen Macht ausgesetzt, gegen die er selbst klein ist. Da kann in der Regel kein absoluter, sondern nur ein relativer Widerstand der Zweck sein. Je kleiner der Posten im Verhältnis zu seinem eigenen und dem feindlichen Ganzen ist, um so mehr ist dies wahr.
     Aber auch der absolut kleine Posten, d. h. der, welcher einen nicht stärkeren Feind gegen sich hat, also an einen absoluten Widerstand, an einen eigentlichen Sieg denken dürfte, wird sich im Gebirge unendlich viel besser befinden als ein großes Heer und von der Stärke des Bodens mehr Nutzen ziehen als dieses, wie wir das weiter unten zeigen werden.
     Unser Resultat ist also, daß ein kleiner Posten im Gebirge eine große Stärke hat. Wie das in allen Fällen, wo es auf einen relativen Widerstand ankommt, von entscheidendem Nutzen sein wird, ist an sich klar; wird es aber für den absoluten Widerstand eines Heeres von ebenso entscheidendem Nutzen sein? Auf die Untersuchung dieser Frage kommt es uns jetzt an.
     Zuerst fragen wir weiter: ob eine Frontelinie, von mehreren solchen Posten zusammengesetzt, eine verhältnismäßig ebenso große Stärke haben wird wie jeder einzelne, welches man bisher anzunehmen pflegte. Gewiß nicht, und zwar weil man mit diesem Schlusse von zwei Irrtümern den einen oder anderen begehen würde.
     Zuerst verwechselt man oft eine unwegsame Gegend mit einer unzugänglichen. Wo man nicht mit einer Kolonne, nicht mit Artillerie und Kavallerie marschieren kann, da kann man meistens doch mit Infanterie vorgehen, da kann man auch wohl Artillerie vorschieben, denn die sehr angestrengten, aber kurzen Bewegungen im Gefecht sind nicht mit dem Maßstab des Marsches zu messen. Die sichere Verbindung der einzelnen Posten untereinander beruht also geradezu auf einer Illusion, und die Flanken derselben sind dadurch bedroht.
     Oder man glaubt die Reihe der kleinen Posten, welche auf ihrer Fronte sehr stark sind, deswegen auch auf ihren Flanken von ebensolcher Stärke, weil eine Schlucht, ein Felsenriff usw. ganz gute Anlehnungspunkte für einen kleinen Posten sind. Warum aber sind sie es? - Nicht weil sie das Umgehen unmöglich machten, sondern weil sie mit demselben einen der Wirkung des Postens angemessenen Zeit- und Kraftaufwand verbinden. Der Feind, welcher einen solchen Posten trotz der Schwierigkeit des Bodens umgehen will und muß, weil die Fronte unangreifbar ist, braucht vielleicht einen halben Tag, um dies Manöver auszuführen, und wird es dennoch nicht können, ohne Menschen dabei aufzuopfern. Ist nun ein solcher Posten auf Unterstützung angewiesen oder darauf berechnet, nur eine Zeitlang Widerstand zu leisten, oder endlich, ist er dem Feinde an Stärke ganz gewachsen, so hat die Flügelstützung das ihrige getan, und man konnte also sagen, er hatte nicht allein eine starke Fronte, sondern auch starke Flügel. So ist es aber nicht, wenn von einer Reihe von Posten die Rede ist, die zu einer ausgedehnten Gebirgsstellung gehören. Da findet keine jener drei Bedingungen statt. Der Feind fällt mit sehr überlegener Macht auf einen Punkt, die Unterstützung von hinten ist höchst unbedeutend, und doch kommt es auf ein absolutes Abwehren an. Unter diesen Umständen ist die Flügelanlehnung solcher Posten für nichts zu achten.
     Auf diese Blöße hat der Angriff seine Stöße gerichtet. Ein Anfall mit vereinigter, also sehr überlegener Kraft auf einem der Frontepunkte hat einen für diesen Punkt sehr heftigen, für das Ganze aber sehr unbedeutenden Widerstand hervorgebracht, nach dessen Überwindung das Ganze gesprengt und der Zweck erreicht war. -
     Es geht hieraus hervor, daß der relative Widerstand im Gebirge überhaupt größer ist als in der Ebene, daß er verhältnismäßig am größten ist bei kleinen Posten und nicht in dem Maße steigt, wie die Massen zunehmen. -
     Wenden wir uns nun zu dem eigentlichen Zweck allgemeiner großer Gefechte, zu dem positiven Sieg, der auch das Ziel bei einer Gebirgsverteidigung sein muß, sobald das Ganze oder die Hauptmacht dazu verwendet wird, so verwandelt sich eo ipso die Gebirgsverteidigung in eine Verteidigungsschlacht im Gebirge. Eine Schlacht, d. h. die Anwendung aller Streitkräfte zur Vernichtung der feindlichen, wird jetzt die Form, ein Sieg wird der Zweck des Gefechts. Die Gebirgsverteidigung, welche dabei vorkommt, wird untergeordnet, ist nicht mehr Zweck, sondern Mittel. Und wie wird sich nun in diesem Fall der Gebirgsboden zu diesem Zweck verhalten?
     Der Charakter der Defensivschlacht ist eine passive Reaktion in der Fronte und eine potenzierte aktive in unserem Rücken, dabei ist aber ein Gebirgsboden ein tötendes Prinzip. Zwei Dinge machen ihn dazu. Erstens sind keine Wege da, um in allen Richtungen von hinten nach vorn schnell marschieren zu können, und selbst der taktische plötzliche Anfall wird durch die Unebenheit des Bodens geschwächt; zweitens fehlt die Übersicht der Gegend und der feindlichen Bewegungen. Der Gebirgsboden gewährt also hier dem Feinde dieselben Vorteile, die er uns in der Fronte gegeben hat, und lähmt die ganze bessere Hälfte des Widerstandes. Nun kommt noch ein Drittes hinzu: es ist die Gefahr, abgeschnitten zu werden. So sehr der Rückzug gegen den ganzen Druck in der Fronte durch den Gebirgsboden begünstigt wird, so viel Zeitverlust dieser dem Feinde verursacht, wenn er uns umgehen will, so sind doch das eben auch nur wieder Vorteile für den Fall des relativen Widerstandes, die auf den Fall einer entscheidenden Schlacht, d. h. eines Ausharrens bis aufs äußerste, keine Beziehung haben. Zwar wird es auch hier etwas länger dauern, bis der Feind mit seines Flügelkolonnen die Punkte eingenommen hat, welche unseren Rückzug bedrohen oder geradezu sperren; hat er sie aber erreicht, so ist auch keine Hilfe dagegen mehr möglich. Keine Offensive von hinten her kann ihn aus den drohenden Punkten wieder vertreiben, kein verzweiflungsvolles Draufwerfen mit dem Ganzen ihn in den sperrenden überwältigen. Wer hierin einen Widerspruch findet und glaubt, es müßten die Vorteile, die der Angreifende im Gebirge hat, auch dem sich Durchschlagenden zugute kommen, der vergißt die Verschiedenheit der Umstände. Das Korps, welches den Durchgang streitig macht, hat nicht die Aufgabe einer absoluten Verteidigung, wenige Stunden reichen wahrscheinlich hin; es ist also in dem Fall eines kleinen Postens. Außerdem befindet sich der Gegner nicht mehr im Besitz aller Streitmittel, er ist in Unordnung, es fehlt an Munition usw. Es ist also in jedem Fall die Aussicht zum Erfolg sehr gering, und diese Gefahr macht, daß der Verteidiger diesen Fall mehr als alles fürchtet; diese Furcht aber wirkt zurück durch die ganze Schlacht und schwächt alle Fibern des ringenden Athleten. Es entsteht eine krankhafte Reizbarkeit auf den Flanken; und jede Handvoll Menschen, die der Angreifende auf einer waldigen Berglehne in unserem Rücken figurieren läßt, wird ihm ein neuer Hebel zum Siege.
     Diese Nachteile würden größtenteils verschwinden und alle Vorteile bleiben, wenn die Verteidigung des Gebirges in der vereinten Aufstellung des Heeres auf einem weiten Gebirgsplateau bestände. Hier könnte man sich eine starke Fronte, sehr schwer zugängliche Flanken und doch die vollkommenste Freiheit in allen Bewegungen im Innern und im Rücken der Stellung denken. Eine solche Stellung wurde zu den stärksten gehören, die es gibt. Allein dies ist fast nur eine illusorische Vorstellung, denn obgleich die meisten Gebirge auf ihrem Rücken etwas zugänglicher sind als an ihren Abhängen, so sind doch die meisten Hochebenen der Gebirge entweder für diesen Zweck zu klein, oder sie führen den Namen nicht mit vollem Recht und mehr in einer geologischen als geometrischen Bedeutung.
     Ferner vermindern sich die Nachteile einer Defensivstellung im Gebirge für kleinere Heerhaufen, wie wir das schon angedeutet haben. Der Grund davon ist, weil sie weniger Raum einnehmen, weniger Rückzugsstraßen brauchen usw. Ein einzelner Berg ist kein Gebirge und hat nicht die Nachteile desselben. Je kleiner aber ein Heerhaufe wird, um so mehr wird sich seine Aufstellung auf einzelne Rücken und Berge beschränken und nicht nötig haben, sich in das vom Schleier der Wälder bedeckte Gewebe steiler Einschnitte zu verwickeln, welches die Quelle aller jener Nachteile ist.

 
     Sechzehntes Kapitel:
     Fortsetzung


     Wir wenden uns jetzt zu dem strategischen Gebrauch der im vorigen Kapitel entwickelten taktischen Resultate.
     Wir unterscheiden hier folgende Beziehungen:
     1. Das Gebirge als Schlachtfeld;
     2. den Einfluß, welchen sein Besitz auf andere Gegenden hat;
     3. seine Wirkung als eine strategische Barriere;
     4. die Rücksicht, die es beim Unterhalt verdient.
     1. In der ersten und wichtigsten Beziehung müssen wir wieder unterscheiden:
     a) eine Hauptschlacht,
     b) untergeordnete Gefechte.
     Wir haben im vorigen Kapitel gezeigt, wie wenig der Gebirgsboden dem Verteidiger in einer entscheidenden Schlacht günstig ist, und folglich wie sehr dem Angreifenden. Dies läuft der gewöhnlichen Meinung gerade entgegen; aber freilich, was wirft die gewöhnliche Meinung auch alles durcheinander, wie wenig unterscheidet sie die verschiedenartigsten Beziehungen; von dem außerordentlichen Widerstand kleiner untergeordneter Teile bekommt sie den Eindruck einer außerordentlichen Stärke aller Gebirgsverteidigung und ist erstaunt, wenn jemand für den Hauptakt aller Verteidigung, für die Verteidigungsschlacht, diese Stärke leugnet. Auf der anderen Seite ist sie aber augenblicklich bereit, in jeder vom Verteidiger im Gebirge verlorenen Schlacht den unbegreiflichen Fehler eines Kordonkrieges zu erblicken, ohne zu sehen, wie die Natur der Dinge unvermeidlich darin verwickelt. Wir scheuen es nicht, mit solcher Meinung im geraden Widerspruch zu sein, müssen dagegen bemerken, wie wir unsere Behauptung zu unserer großen Genugtuung in einem Autor gefunden haben, der uns in mehr als einer Rücksicht hier viel gelten muß: es ist der Erzherzog Karl in seinem Werk über die Feldzüge von 1796 und 1797, ein guter Geschichtschreiber, ein guter Kritiker und vor allem ein guter Feldherr in einer Person.
     Wir können also nicht anders, als es eine bedauernswerte Lage finden, wenn der schwächere Verteidiger, der alle seine Kräfte mühsam und mit der größten Anstrengung aufgetrieben hat, um den Angreifenden in einer entscheidenden Schlacht die Wirkung seiner Vaterlandsliebe, Begeisterung und klugen Besonnenheit fühlen zu lassen, auf den alles mit gespannter Erwartung den Blick geheftet hat, - wenn der sich in die Nacht eines vielfach verschleierten Gebirgsbodens hinstellen, durch den eigensinnigen Boden in jeder Bewegung gefesselt, sich den tausend möglichen Anfällen seines überlegenen Gegners preisgeben soll. Nur nach einer einzigen Seite hin hat seine Intelligenz ein weites Feld, es ist die möglichste Benutzung aller Hindernisse des Bodens, und dies führt dicht an die Grenzen des verderblichen Kordonkrieges hin, er muß sich also mit Gewalt davon losreißen. Weit entfernt also, für den Fall einer entscheidenden Schlacht in dem Gebirgslande ein Asyl des Verteidigers zu sehen, würden wir vielmehr den Feldherrn raten, es aufs äußerste zu vermeiden.
     Aber freilich ist dies zuweilen unmöglich; die Schlacht wird dann notwendig einen merklich verschiedenen Charakter von der in der Ebene haben, die Stellung wird viel gedehnter, in den meisten Fällen zwei- oder dreimal so lang, der Widerstand wird viel passiver, der Rückstoß viel schwächer sein. Das sind Einwirkungen des Gebirgsbodens, denen nicht auszuweichen ist; aber freilich soll die Verteidigung in einer solchen Schlacht dennoch nicht in eine Gebirgsverteidigung übergehen, sondern der vorherrschende Charakter soll nur eine gesammelte Aufstellung der Streitkraft im Gebirge sein, wo sich alles in einem Gefecht, unter den Augen eines Feldherrn zuträgt, und wo Reserven genug bleiben, um die Entscheidung etwas mehr sein zu lassen als ein bloßes Abwehren, ein bloßes Vorhalten des Schildes. Diese Bedingung ist unerläßlich, aber sie ist sehr schwer zu erfüllen, und das Hineingleiten in die wahre Gebirgsverteidigung liegt so nahe, daß man sich nicht wundern muß, wenn es so oft vorkommt; es ist aber dabei so gefährlich, daß die Theorie nicht genug davor warnen kann.
     Soviel von einer entscheidenden Schlacht mit der Hauptmacht.
     Für Gefechte von untergeordneter Bedeutung und Wichtigkeit kann dagegen ein Gebirge unendlich nützlich sein, weil es dabei auf keinen absoluten Widerstand ankommt, und weil keine entscheidenden Folgen damit verbunden sind. Wir können uns dies klarer machen, wenn wir die Zwecke dieser Reaktion aufzählen:
     a) Ein bloßer Zeitgewinn. Dieser Zweck kommt hundertmal vor, schon jedesmal bei einer Verteidigungslinie, die zu unserer Benachrichtigung aufgestellt ist; außerdem bei allen Fällen, wo eine Unterstützung erwartet wird.
     b) Die Abwehrung einer bloßen Demonstration oder einer kleinen Nebenunternehmung des Feindes. Wenn eine Provinz durch ein Gebirge geschützt, und dies Gebirge durch Truppen verteidigt ist, wie schwach auch diese Verteidigung sein mag, sie wird immer hinreichen, feindliche Streifereien und andere kleine Unternehmungen zur Plünderung der Provinz zu verhindern. Ohne das Gebirge wäre eine solche schwache Kette ein Unding.
     c) Um selbst zu demonstrieren. Es wird noch lange dauern, ehe die Meinung, die man von einem Gebirge haben soll, auf ihren rechten Punkt gekommen ist. Bis dahin wird es immer Gegner geben, die sich davor fürchten und in ihren Unternehmungen davor erstarren. In diesem Fall kann also auch die Hauptmacht zur Verteidigung eines Gebirges verwandt werden. In Kriegen ohne große Kraft und Bewegung wird dieser Zustand vielfältig vorkommen; aber die Bedingung ist dann immer, daß man weder die Absicht habe, eine Hauptschlacht in dieser Gebirgsstellung anzunehmen, noch dazu gezwungen werden könne.
     d) Überhaupt ist eine Gebirgsgegend zu allen Aufstellungen geschickt, in denen man kein Hauptgefecht annehmen will, denn alle einzelnen Teile sind darin stärker, und nur das Ganze als solches ist schwächer; außerdem kann man nicht so leicht darin überrascht und zu einem entscheidenden Gefecht gezwungen werden.
     e) Endlich sind Gebirge das eigentliche Element der Volksbewaffnungen. Volksbewaffnungen aber müssen immer durch kleine Abteilungen des Heeres unterstützt werden; dagegen scheint die Nähe des großen Heeres für sie nachteilig zu wirken: daher dieser Punkt in der Regel keine Ursach werden wird, das Gebirge mit dem Heere aufzusuchen.
     Soviel vom Gebirge in Beziehung auf die in demselben vorkommenden Gefechtsstellungen. -
     2. Der Einfluß des Gebirges auf andere Gegenden. Weil es, wie wir gesehen haben, so leicht ist, beim Gebirgsboden sich durch schwache Posten einer bedeutenden Länderfläche zu versichern, durch Posten, die in einer zugänglichen Gegend sich nicht halten könnten und beständigen Gefahren ausgesetzt wären, weil jedes Vorschreiten im Gebirge, wenn der Gegner es besetzt hat, viel langsamer geht als in der Ebene, also mit diesem nicht Schritt halten kann, so ist beim Gebirge viel mehr als bei einem anderen gleich großen Landstrich die Frage wichtig, wer im Besitz desselben sei. In einer offenen Gegend kann dieser Besitz sich von einem Tage zum anderen ändern; das bloße Vorgehen starker Haufen nötigt die feindlichen, uns die Gegend, welche wir brauchen, zu überlassen. So ist es aber nicht im Gebirge; hier ist auch bei viel geringeren Kräften ein merklicher Widerstand möglich, und deshalb sind, wenn wir einen Abschnitt der Gegend brauchen, welche das Gebirge einnimmt, immer eigene, dazu besonders angelegte und oft eines merklichen Kraft- und Zeitaufwandes benötigte Unternehmungen erforderlich, um uns in den Besitz des Landstriches zu setzen. Wenn also ein Gebirge auch nicht der Schauplatz der Hauptunternehmungen ist, so kann es doch nicht, wie das bei einer zugänglicheren Gegend der Fall sein würde, als von diesen abhängig und seine Einnahme und sein Besitz wie eine sich von selbst ergebende Folge unseres Vorschreitens betrachtet werden.
     Die Gebirgsgegend hat also eine viel größere Selbständigkeit, ihr Besitz ist entschiedener und weniger veränderlich. Fügt man hinzu, daß ein Gebirgsstrich seiner Natur nach von den Rändern desselben gegen das offene Land eine gute Übersicht gewährt, während er selbst stets wie in die dunkelste Nacht gehüllt bleibt, so wird man begreifen, wie jedes Gebirge für den, welcher es nicht innehat und doch damit in Berührung kommt, immer wie ein unversiegbarer Quell nachteiliger Einflüsse, wie eine verhüllte Werkstätte feindlicher Kräfte zu betrachten ist, und daß dies am meisten der Fall sein wird, wenn das Gebirge vom Gegner nicht allein besetzt, sondern auch ihm zugehörig ist. Die kleinsten Haufen verwegener Partisanen finden in ihm Zuflucht, wenn sie verfolgt werden, und können dann ungestraft an einem anderen Punkt wieder hervorbrechen, die stärksten Kolonnen können sich in ihm unbemerkt vorschieben, und immer müssen sich unsere Streitkräfte in einer merklichen Entfernung von ihm halten, wenn sie nicht in den Bereich seines dominierenden Einflusses geraten und in einen ungleichen Kampf eingehen wollen von Anfällen und Stößen, die sie nicht erwidern können.
     Auf diese Weise übt jedes Gebirge bis auf eine gewisse Entfernung einen regelmäßigen Einfluß auf die niedriger liegende Gegend aus. Ob dieser Einfluß augenblicklich, zum Beispiel in einer Schlacht, wirksam sein kann (die Schlacht von Malsch am Rhein 1796) oder erst nach geraumer Zeit gegen die Verbindungslinien, hängt von den räumlichen Verhältnissen ab; ob er durch das, was im Tale oder der Ebene Entscheidendes geschieht, mitüberwältigt und fortgerissen werden kann oder nicht, hängt von den Verhältnissen der Streitkräfte ab.
     Bonaparte ist 1805 und 1809 nach Wien gezogen, ohne sich viel um Tirol zu bekümmern; Moreau aber hat 1796 Schwaben verlassen müssen, hauptsächlich, weil er der höheren Gegenden nicht Herr war und zu viel Kräfte auf ihre Beobachtung verwenden mußte. In Feldzügen, wo ein gleichgewichtiges Hin- und Herspielen der Kräfte stattfindet, wird man sich dem fortdauernden Nachteil eines Gebirges, in dessen Besitz der Feind geblieben ist, nicht aussetzen; man wird also den Teil desselben, welchen man nach der Richtung der Hauptlinien unseres Angriffs braucht, einzunehmen und festzuhalten suchen; und darum findet sich gewöhnlich, daß in solchen Fällen das Gebirge der Haupttummelplatz der einzelnen kleinen Kämpfe ist, die beide Heere miteinander bestehen. Aber man hüte sich, diesen Gegenstand zu überschätzen und ein solches Gebirge in allen Fällen wie den Schlüssel zum Ganzen und seinen Besitz wie die Hauptsache zu betrachten. Wo es auf einen Sieg ankommt, ist dieser die Hauptsache, und wenn er errungen ist, kann die Einrichtung der übrigen Verhältnisse nach den herrschenden Bedürfnissen stattfinden.
     3. Das Gebirge als strategische Barriere betrachtet. Hier müssen wir zwei Beziehungen unterscheiden.
     Die erste ist wieder eine entscheidende Schlacht. Man kann nämlich das Gebirge wie einen Fluß, also als eine Barriere mit gewissen Zugängen betrachten, die uns dadurch zu einem siegreichen Gefecht Gelegenheit gibt, daß sie die feindliche Macht im Vorschreiten trennt, sie auf gewisse Wege einschränkt und uns also in den Stand setzt, mit unserer hinter dem Gebirge vereinigt aufgestellten Macht über einen einzelnen Teil der feindlichen herzufallen. Da der Angreifende beim Vorgehen durch ein Gebirge, wenn er auch alle andere Rücksichten beiseite setzen wollte, schon deswegen nicht in einer Kolonne bleiben kann, weil er sich der entscheidenden Gefahr aussetzen würde, sich mit einer einzigen Rückzugsstraße in eine entscheidende Schlacht einzulassen, so ist allerdings diese Methode auf sehr wesentliche Umstände gegründet. Da aber die Begriffe von Gebirgen und Gebirgsausgängen sehr unbestimmt sind, so kommt bei dieser Maßregel alles auf die Gegend selbst an, und sie kann daher nur als eine mögliche angedeutet werden, bei der auch noch zweier Nachteile gedacht werden muß: das erste, daß der Feind, wenn er einen Stoß erhalten hat, im Gebirge sehr bald Schutz findet; das zweite, daß er die überhöhende Gegend innehat, welches zwar kein entscheidender, aber doch immer ein Nachteil für den Verteidiger ist.
     Uns ist keine Schlacht bekannt, die unter solchen Umständen geliefert worden wäre, wenn man nicht die Schlacht gegen Alvinczy 1796 dahin rechnen will. Aber daß der Fall eintreten kann, macht Bonapartes Übergang über die Alpen im Jahr 1800 deutlich, wo ihn Melas vor der Vereinigung seiner Kolonnen mit der ganzen Macht hätte anfallen können und sollen.
     Die zweite Beziehung, welche das Gebirge als eine Barriere haben kann, ist die auf die feindlichen Verbindungslinien, wenn es diese nämlich durchschneidet. Abgesehen von der Befestigung der Durchgänge durch Forts und von Wirkungen einer Volksbewaffnung können schlechte Gebirgswege in schlechter Jahreszeit die Verzweiflung einer Armee ausmachen, und sie haben nicht selten den Rückzug veranlaßt, nachdem sie dem Heere zuvor Mark und Blut ausgesogen hatten. Kommt ein häufiges Streichen der Parteigänger oder gar ein Volkskrieg hinzu, so wird die feindliche Armee zu großen Entsendungen und zuletzt zur Aufstellung fester Posten im Gebirge genötigt und so in die nachteiligste Lage verwickelt, die es im Angriffskrieg geben kann.
     4. Das Gebirge in Beziehung auf den Unterhalt der Heere. Dieser Gegenstand ist sehr einfach und an sich verständlich. Der größte Nutzen, welchen der Verteidiger in dieser Beziehung davon haben kann, wird eintreten, wenn der Angreifende entweder im Gebirge stehenbleiben oder wenigstens es hinter sich nehmen muß.
     Man wird diese Betrachtungen über die Gebirgsverteidigung, welche im Grunde den ganzen Gebirgskrieg umfassen, insofern ihre Reflexe auch auf den Angriffskrieg in dieser Beziehung das nötige Licht werfen, nicht deswegen für unrichtig oder unpraktisch halten, weil man im Gebirge nicht Ebenen und aus der Ebene kein Gebirge machen kann, und die Wahl des Kriegstheaters durch so viele andere Dinge bestimmt wird, daß es scheint, es könne nur wenig Spielraum für Gründe dieser Art bleiben. Bei großen Verhältnissen wird man finden, daß dieser Spielraum so gering nicht ist. Ist von der Aufstellung und Wirksamkeit der Hauptmacht, und zwar im Augenblick der entscheidenden Schlacht die Rede, so können einige Märsche mehr vorwärts oder rückwärts das Heer aus dem Gebirgsboden in die Ebene bringen und eine entschlossene Vereinigung der Hauptmassen in der Ebene das danebenliegende Gebirge neutralisieren.
     Wir wollen jetzt das über diesen Gegenstand verteilte Licht noch einmal in einem Brennpunkte zu einem deutlichen Bilde sammeln.
     Wir behaupten und glauben erwiesen zu haben, daß das Gebirge sowohl in der Taktik wie in der Strategie der Verteidigung im allgemeinen ungünstig sei, und verstehen dann unter Verteidigung die entscheidende, von deren Erfolg die Frage über den Besitz oder Verlust des Landes abhängt. Es raubt die Übersicht und hindert die Bewegungen nach allen Richtungen; es zwingt zur Passivität und nötigt jedes Loch zuzustopfen, woraus denn immer mehr oder weniger ein Kordonkrieg wird. Man soll also mit der Hauptmacht das Gebirge womöglich vermeiden und es seitwärts liegen lassen oder vor oder hinter sich nehmen.
     Hingegen glauben wir, daß für die untergeordneten Zwecke und Rollen im Gebirgsboden ein verstärkendes Prinzip liegt, und nach dem, was wir darüber gesagt haben, wird man es für keinen Widerspruch halten, wenn wir sagen, daß er ein wahrer Zufluchtsort des Schwachen ist, d. h. desjenigen, der eine absolute Entscheidung nicht mehr suchen darf. - Dieser Anspruch, den die Nebenrollen auf den Gebirgsboden haben, schließt die Hauptmacht von demselben zum zweiten Male aus. Aber alle diese Betrachtungen werden schwerlich dem Eindruck der Sinne das Gleichgewicht halten. Im einzelnen Fall wird die Einbildungskraft nicht allein aller Unerfahrenen, sondern auch aller in einer schlechten Kriegsmethode Erfahrenen so überwiegende Eindrücke von den Schwierigkeiten bekommen, welche der Gebirgsboden wie ein dichteres zäheres Element allen Bewegungen des Angreifenden entgegenstellt, daß sie Mühe haben werden, unsere Meinung nicht für die wunderlichste Paradoxie zu halten. Bei allen allgemeinen Betrachtungen aber wird die Geschichte des letzten Jahrhunderts mit seiner eigentümlichen Kriegskunst an die Stelle des sinnlichen Eindrucks treten, und sie werden z. B. sich nie entschließen zu glauben, daß Österreich seine Staaten gegen Italien mit nicht mehr Leichtigkeit als gegen den Rhein sollte verteidigen können. Dagegen werden die Franzosen, die den Krieg zwanzig Jahre lang unter einer energievollen und rücksichtslosen Führung gemacht haben, und welche die glücklichen Folgen dieses Systems immer vor Augen gehabt haben, sie noch lange in diesem Fall wie in anderen durch den Takt eines geübten Urteils auszeichnen.
     So wäre also ein Staat mehr geschützt durch offene Gegenden als durch Gebirge; Spanien stärker ohne seine Pyrenäen, die Lombardei unzugänglicher ohne die Alpen, und ein ebenes Land, z. B. Norddeutschland, schwerer zu erobern als ein Gebirgsland z. B. Ungarn. An diese falschen Folgerungen wollen wir unsere letzten Bemerkungen anknüpfen.
     Wir behaupten nicht, daß Spanien ohne seine Pyrenäen stärker wäre als mit denselben sondern daß eine spanische Armee, die sich stark genug fühlt, es auf eine entscheidende Schlacht ankommen zu lassen, besser tut, sich hinter dem Ebro vereinigt aufzustellen, als sich in die fünfzehn Pässe der Pyrenäen zu verteilen. Dadurch wird die Einwirkung der Pyrenäen auf den Krieg noch lange nicht aufgehoben. Dasselbe behaupten wir von einer italienischen Armee. Verteilte sie sich in den hohen Alpen, so würde sie von jedem entschlossenen Gegner überwunden werden, ohne die Alternative eines Sieges oder einer Niederlage zu haben, während sie in der Ebene von Turin die Ansprüche jeder anderen Armee hat. Deswegen aber wird noch niemand glauben, daß es dem Angreifenden angenehm sei, eine Gebirgsmasse wie die der Alpen zu durchziehen und hinter sich zu lassen. - Übrigens wird durch diese in der Ebene angenommene Hauptschlacht nicht einmal eine vorläufige Verteidigung des Gebirges mit untergeordneten Kräften ausgeschlossen, die bei solchen Massen, wie die Alpen und Pyrenäen sind, sehr zu raten ist. Endlich sind wir weit entfernt, die Eroberung eines ebenen Landes für leichter als die eines gebirgigen zu halten, es sei denn, daß ein einziger Sieg den Feind gänzlich entwaffnete. Nach diesem Siege tritt für den Erobernden ein Zustand der Verteidigung ein, bei welchem ihm der Gebirgsboden ebenso nachteilig und nachteiliger werden muß, als er es dem Verteidiger war. Dauert der Krieg also fort, kommen äußere Hilfen herbei, tritt das Volk unter die Waffen, dann werden alle diese Reaktionen durch den Gebirgsboden gesteigert.
     Es ist bei diesem Gegenstand wie in der Dioptrik, die Bilder nehmen an Stärke des Lichtes zu, wenn man den Gegenstand in einer gewissen Richtung fortbewegt; aber nicht so weit man will, sondern bis sie den Brennpunkt erreichen, über den hinaus alles umgekehrt wird.
     Ist die Verteidigung im Gebirge schwächer, so könnte dies eine Veranlassung für den Angreifenden sein, das Gebirge vorzugsweise zu seiner Richtungslinie zu nehmen. Dies wird aber nur selten geschehen, weil die Schwierigkeiten des Unterhaltes und der Wege, die Ungewißheit, ob der Gegner eine Hauptschlacht gerade im Gebirge annehmen, und auch die, ob er seine Hauptmacht in demselben aufstellen wird, jenem möglichen Vorteil reichlich das Gleichgewicht halten.

 
     Siebzehntes Kapitel:
     Fortsetzung


     Wir haben im fünfzehnten Kapitel von der Natur der Gefechte im Gebirge, im sechzehnten von dem Gebrauch gesprochen, den die Strategie davon machen kann; wir sind dabei öfter auf den Begriff einer eigentlichen Gebirgsverteidigung gestoßen, ohne uns bei der Form und den Einrichtungen einer solchen Maßregel zu verweilen. Wir wollen sie hier näher in Betrachtung ziehen.
     Da Gebirge häufig wie Streifen oder Gürtel über die Erdfläche hinziehen und die Teilung zwischen den rechts und links abfallenden Wässern, folglich die Scheidung ganzer Wassersysteme ausmachen, und da diese Form des Ganzen sich in seinen Teilen wiederholt, indem diese sich in Armen oder Rücken von dem Hauptstock absondern und dann später die Scheidung für kleinere Wassersysteme bilden, so hat sich die Vorstellung von einer Gebirgsverteidigung ganz natürlich an die Hauptform eines mehr langen als breiten, folglich wie eine große Barriere hinziehenden Hindernisses zuerst festgesetzt. Obgleich unter den Geologen bis jetzt über die Entstehung der Gebirge und das Gesetz ihrer Gestaltung noch nichts ausgemacht ist, so zeigt in jedem Fall der Lauf des Wassers das System derselben am kürzesten und sichersten, sei es, daß seine Wirkungen an diesem System Anteil haben (durch den Spülungsprozeß), oder daß der Wasserlauf eine Folge jenes Systems ist. Es war daher auch wieder natürlich, bei dem Gedanken einer Gebirgsverteidigung den Wasserzug zum Führer anzunehmen. Der Wasserzug ist nicht allein als ein natürliches Nivellement zu betrachten, wodurch man die allgemeine Erhöhung, also das allgemeine Profit der Erdoberfläche vollkommen kennenlernt, sondern es sind auch die vom Wasser gebildeten Täler als die zugänglichsten Wege zu den höchsten Punkten zu betrachten, weil in jedem Fall so viel von der Wasserspülung feststeht, daß sie strebt, die Ungleichheiten der Abhänge in eine regelmäßige Kurve auszugleichen. Es würde hieraus also die Vorstellung der Gebirgsverteidigung sich so gestalten, daß man das Gebirge, wenn es der Verteidigungsfronte ungefähr parallel liefe, als ein großes Hindernis des Zuganges, als eine Art Wall betrachtete, dessen Eingänge durch die Täler gebildet werden. Die eigentliche Verteidigung würde also an der Krete dieses Walles, d. h, an dem Rande der auf dem Gebirge befindlichen Hochebene, stattfinden und die Haupttäler quer durchschneiden. Wäre der Hauptzug des Gebirges mehr senkrecht auf die Verteidigungsfronte, so würde einer seiner Hauptarme die Verteidigung bilden, die einem Haupttal parallel und bis zum großen Teilungsrücken hinaufliefe, welcher als der Schlußpunkt betrachtet werden müßte.
     Wir haben diesen Schematismus einer Gebirgsverteidigung nach der geologischen Struktur hier angedeutet, weil er wirklich der Theorie eine Zeitlang vorgeschwebt und in der sogenannten Terrainlehre die Gesetze des Spülungsprozesses mit der Kriegführung amalgamiert hat.
     Aber hier ist alles so voll falscher Voraussetzungen und ungenauer Substitutionen, daß von dieser Ansicht in der Wirklichkeit zu wenig übrigbleibt, um daraus irgendeinen systematischen Anhalt machen zu können.
     Die Hauptrücken sind bei eigentlichen Gebirgen viel zu unwirtbar und unwegsam, um auf ihnen bedeutende Truppenmassen aufzustellen; mit den Nebenrücken ist es oft ebenso, oft sind sie zu kurz und unregelmäßig. Hochebenen auf dem Rücken der Gebirge finden sich nicht auf allen, und wo sie sich finden, sind sie meistens schmal und dabei sehr unwirtbar; ja es gibt sogar wenige Gebirge, die, genauer angesehen, einen ununterbrochenen Hauptrücken und an ihren Seiten einen solchen Abhang bilden, der einigermaßen für eine schiefe Fläche oder wenigstens für eine terrassenförmige Abdachung gelten könnte. Der Hauptrücken windet, krümmt und spaltet sich, mächtige Arme in gebogenen Linien streichen ins Land hinein und erheben sich oft gerade in ihren Endpunkten wieder zu beträchtlicheren Höhen als der Hauptrücken selbst ist; Vorgebirge lagern sich damit und bilden große Talvertiefungen, die in das System nicht passen. Dazu kommt, daß, wo sich mehrere Gebirgszüge kreuzen, oder in dem Punkt, von dem mehrere auslaufen, der Begriff eines schmalen Streifens oder Gürtels ganz aufhört und einem strahlenförmigen Wasser- und Gebirgszuge Platz macht.
     Hieraus geht schon hervor, und jeder, der Gebirgsmassen in diesem Sinne angesehen hat, wird es noch deutlicher fühlen, wie die Idee einer systematischen Aufstellung zurücktritt, und wie wenig praktisch man sein würde, wenn man sie als Grundidee der Anordnungen festhalten wollte. Aber es ist noch ein wichtiger Punkt aus dem Gebiet der näheren Anwendung zu beachten.
     Fassen wir die taktischen Erscheinungen des Gebirgskrieges noch einmal scharf ins Auge, so ist klar, daß zwei Hauptelemente darin vorkommen, nämlich: erstens die Verteidigung steiler Abhänge, zweitens enger Täler. Diese letztere nun, die oft, ja meistens die größere Wirksamkeit im Widerstande gewährt, läßt sich mit der Aufstellung auf dem Hauptrücken nicht wohl vereinigen, denn es ist oft die Besetzung des Tales selbst erforderlich, und zwar mehr bei seinem Austritt aus der Gebirgsmasse als bei seinem Ursprung, weil es dort tiefer eingeschnitten ist. Außerdem gibt diese Talverteidigung ein Mittel, Gebirgsgegenden auch dann zu verteidigen, wenn auf dem Rücken selbst gar keine Aufstellung zu nehmen ist; sie spielt also gewöhnlich eine um so größere Rolle, je höher und unwegsamer die Masse des Gebirges ist. Aus allen diesen Betrachtungen geht hervor, daß man von dem Gedanken einer zu verteidigenden mehr oder weniger regelmäßigen Linie, die mit einer der geologischen Grundlinien zusammenfiele, ganz loslassen und ein Gebirge nur wie eine mit Unebenheiten und Hindernissen von mancherlei Art durchzogene Fläche betrachten muß, von deren Teilen man einen so guten Gebrauch zu machen sucht, als es die Umstände gestatten, - daß also, wenn auch die geologischen Lineamente des Bodens zu einer klaren Einsicht in die Gestalt der Gebirgsmassen unentbehrlich sind, sie doch in den Verteidigungsmaßregeln wenig zum Vorschein kommen.
     Weder im Österreichischen Erbfolgekriege, noch im Siebenjährigen, noch im Revolutionskriege finden wir Aufstellungen, die ein ganzes Gebirgssystem umfaßten, und wo die Verteidigung nach seinen Hauptlineamenten geordnet wäre. Niemals finden wir die Heere auf dem Hauptrücken, immer an dem Abhang, bald höher, bald tiefer aufgestellt, bald in dieser, bald in jener Richtung; parallel, senkrecht und schief; mit und gegen den Wasserzug; bei höheren Gebirgen, wie die Alpen, sogar oft in einem Tale fortlaufend; bei geringeren, wie die Sudeten, und das ist die stärkste Anomalie, auf der Hälfte des dem Verteidiger zugekehrten Abhanges, also den Hauptrücken vor sich habend, wie die Stellung, in der Friedrich der Große 1762 die Belagerung von Schweidnitz deckte und die Hohe Eule vor der Fronte seines Lagers hatte.
     Die berühmten Stellungen des Siebenjährigen Krieges von Schmottseifen und Landeshut sind im allgemeinen Talvertiefungen, eben dies ist der Fall mit der Stellung von Feldkirch in Vorarlberg. In den Feldzügen von 1799 und 1800 haben die Hauptposten der Franzosen wie der Österreicher jederzeit in den Tälern selbst gestanden, nicht bloß quer über dieselben, um sie zu sperren, sondern auch in ihnen der ganzen Länge nach, während die Rücken entweder gar nicht oder nur mit wenigen einzelnen Posten besetzt waren.
     Die Rücken der höheren Alpen sind nämlich von einer solchen Unwegsamkeit und Unwirtlichkeit, daß es unmöglich wird, sie mit namhaften Truppenmassen zu besetzen. Will man nun durchaus Streitkräfte im Gebirge haben, um Herr desselben zu sein, so bleibt nichts anderes übrig, als sie in den Tälern aufzustellen. Auf den ersten Anblick scheint dies ein Unding, weil man nach den gewöhnlichen theoretischen Vorstellungen sagen würde: die Rücken beherrschen die Täler. Allein so schlimm ist es dennoch nicht, die Rücken sind nur auf wenigen Wegen und Pfaden zugänglich und mit seltener Ausnahme nur für Fußvolk, weil die Fahrstraßen alle in den Tälern laufen. Der Feind könnte also nur auf einzelnen Punkten derselben mit Infanterie erscheinen; für ein wirksames Flintenfeuer ist aber bei diesen Gebirgsmassen die Entfernung zu groß, und so steht man denn im Tal weniger gefährlich, als es das Ansehen hat. Aber freilich ist eine solche Talverteidigung einer anderen großen Gefahr ausgesetzt, nämlich der, abgeschnitten zu werden. Der Feind kann zwar nur mit Fußvolk und nur langsam und mit großen Anstrengungen auf einzelnen Punkten ins Tal hinabsteigen, er kann also nicht überraschen, aber keine der Stellungen verteidigt die Ausmündung eines solchen Pfades im Tal, der Feind bringt also nach und nach überlegene Massen hinunter, breitet sich dann aus und sprengt die dünne und von dem Augenblick an sehr schwache Linie, die nichts zu ihrem Schutz mehr hat als das steinige Bett eines flachen Gebirgsstromes. Nun ist aber der Rückzug, der stückweise immer im Tal stattfinden muß, bis man einen Ausgang aus dem Gebirge gefunden hat, für viele Teile der Linie unmöglich, und die Österreicher haben daher in der Schweiz fast jedesmal ein Dritteil oder die Hälfte ihrer Truppen an Gefangenen verloren. -
     Jetzt noch einige Worte über den Grad der Teilung, welchen die Streitkräfte bei solcher Verteidigung gewöhnlich bekommen.
     Jede solche Aufstellung geht von einer mehr oder weniger in der Mitte der ganzen Linie auf dem hauptsächlichsten Zugang genommenen Stellung der Hauptmacht aus. Von dieser werden rechts und links andere Korps zur Besetzung der wichtigsten Eingänge abgeschickt, und es entsteht also für das Ganze eine Aufstellung von 3, 4, 5, 6 Posten usw. ziemlich in einer Linie. Wieweit diese Ausdehnung getrieben werden darf oder muß, hängt von den Bedürfnissen des einzelnen Falles ab. Ein paar Märsche, also 6 bis 8 Meilen, sind eine sehr mäßige, und man hat sie wohl bis zu 20 und 30 Meilen steigen sehen.
     Zwischen den einzelnen, eine oder ein paar Stunden voneinander gelegenen Posten finden sich dann leicht andere weniger wichtige Zugänge, auf welche man später aufmerksam wird; es finden sich einzelne vortreffliche Posten für ein paar Bataillone, die sich zur Verbindung der Hauptposten sehr gut eignen; sie werden also besetzt. Daß die Zerteilung der Kräfte noch weiter gehen und bis zu einzelnen Kompagnien und Schwadronen heruntersteigen könne, ist leicht einzusehen, und der Fall ist oft genug vorgekommen; es gibt also hier keine allgemeine Grenzen der Zersplitterung. Von der anderen Seite hängt die Stärke der einzelnen Posten von der Stärke des Ganzen ab, und es ist also auch schon darum nichts über den möglichen oder natürlichen Grad der Stärke zu sagen, welche die Hauptposten behalten werden. Wir wollen nur ein paar Sätze, welche die Erfahrung und die Natur der Sache lehren, zum Anhalt geben.
     1. Je höher und unzugänglicher das Gebirge ist, um so größer darf die Teilung sein, um so größer muß sie aber auch werden, denn je weniger eine Gegend durch Kombinationen gesichert werden kann, die auf Bewegungen beruhen, um so mehr muß die Sicherung durch unmittelbare Deckung erfolgen. Die Verteidigung der Alpen nötigt zu viel größerer Teilung, bringt dem Kordon viel näher als die Verteidigung der Vogesen oder des Riesengebirges.
     2. Noch überall, wo eine Gebirgsverteidigung eingetreten ist, hat eine solche Teilung der Kräfte stattgefunden, daß die Hauptposten meistens nur ein Treffen Fußvolk und im zweiten Treffen einige Schwadronen Reiterei hatten; nur die in der Mitte aufgestellte Hauptmacht hatte allenfalls auch ein paar Bataillone im zweiten Treffen.
     3. Eine zurückgestellte strategische Reserve, um die angegriffenen Punkte zu verstärken, hat in den wenigsten Fällen stattgefunden, weil man sich bei der Ausdehnung in der Fronte schon überall zu schwach fühlt. Deswegen ist die Unterstützung, welche der angegriffene Posten erhalten hat, meistens von anderen nicht angegriffenen Posten aus der Linie entnommen worden.
     4. Auch da, wo die Teilung der Kräfte verhältnismäßig noch gering und die Stärke der einzelnen Posten noch groß war, hat der Hauptwiderstand derselben immer in der örtlichen Verteidigung bestanden, und wenn der Feind sich einmal vollkommen im Besitz des Postens befand, so war durch angekommene Unterstützung keine Abhilfe mehr zu erwarten.
     Was hiernach von einer Gebirgsverteidigung zu erwarten ist, in welchen Fällen man dieses Mittel anwenden dürfe, wieweit man in der Ausdehnung und in der Zersplitterung der Kräfte gehen könne und dürfe, das alles muß die Theorie dem Takt des Feldherrn überlassen. Es ist genug, wenn sie ihm gesagt hat, was dies Mittel eigentlich sei, welche Rolle es in dem kriegerischen Verkehr der Heere einnehmen dürfe.
     Ein Feldherr, der sich in einer ausgedehnten Gebirgsstellung auf das Haupt schlagen läßt, verdient vor ein Kriegsgericht gestellt zu werden.

 
     Achtzehntes Kapitel:
     Verteidigung von Strömen und Flüssen


     Ströme und bedeutende Flüsse gehören, insofern von ihrer Verteidigung die Rede ist, gleich den Gebirgen in die Klasse der strategischen Barrieren. Sie unterscheiden sich aber von dem Gebirge in zwei Punkten: der eine betrifft ihre relative, der andere ihre absolute Verteidigung.
     Wie die Gebirge verstärken sie den relativen Widerstand, aber ihre Eigentümlichkeit ist, daß sie sich wie ein Werkzeug von harter und spröder Materie verhalten; sie halten entweder jeden Stoß aus, ohne zu biegen, oder ihre Verteidigung zerbricht und hört dann gänzlich auf. Ist der Strom sehr groß, und sind die übrigen Bedingungen vorteilhaft, so kann der Übergang absolut unmöglich werden. Ist aber die Verteidigung irgendeines Stromes an einem Punkt gebrochen, so findet nicht wie im Gebirge noch ein nachhaltiger Widerstand statt, sondern die Sache ist mit diesem einen Akt abgemacht, es sei denn, daß der Strom selbst in einem Gebirgslande fließt.
     Die andere Eigentümlichkeit der Ströme in Beziehung auf das Gefecht ist die, daß sie in manchen Fällen sehr gute und im allgemeinen bessere Kombinationen zu einer entscheidenden Schlacht zulassen als Gebirge.
     Gemein haben beide wieder, daß sie gefährliche und verführerische Gegenstände sind, die oft zu falschen Maßregeln verleitet und in gefährliche Lagen versetzt haben. Wir werden auf diese Resultate bei der näheren Betrachtung der Flußverteidigung aufmerksam machen.
     Obgleich die Geschichte ziemlich arm ist an wirksamen Stromverteidigungen und dadurch die Meinung gerechtfertigt wird, daß sie keine so starke Barrieren sind, als man in der Zeit geglaubt hat, wo ein absolutes Defensivsystem nach allen Verstärkungen griff, welche die Gegend darbot, so ist ihr vorteilhafter Einfluß auf das Gefecht und die Landesverteidigung im allgemeinen doch nicht zu leugnen.
     Wir wollen, um die Sache im Zusammenhang zu übersehen, die verschiedenen Gesichtspunkte zusammenstellen, aus denen wir den Gegenstand zu betrachten gedenken.
     Zuerst und überhaupt müssen wir unterscheiden die strategischen Resultate, welche die Ströme und Flüsse durch ihre Verteidigung geben, von dem Einfluß, welchen sie auf die Landesverteidigung haben, ohne selbst verteidigt zu werden.
     Ferner kann die Verteidigung selbst drei verschiedene Bedeutungen haben:
     1. einen absoluten Widerstand mit der Hauptmacht;
     2. einen bloßen Scheinwiderstand;
     3. einen relativen Widerstand für untergeordnete Teile, wie Vorposten, Deckungslinien, Nebenkorps usw. sind.
     Endlich müssen wir an der Verteidigung in Rücksicht auf ihre Form drei Hauptgrade oder Arten unterscheiden, nämlich:
     1. eine unmittelbare durch Verhinderung des Oberganges,
     2. eine mehr mittelbare, wobei der Fluß und sein Tal nur als Mittel zur besseren Schlachtkombination benutzt werden,
     3. eine ganz unmittelbare durch die Behauptung einer unangreifbaren Stellung auf der feindlichen Seite des Flusses.
     Diesen drei Graden nach werden wir unsere Betrachtungen einteilen, und nachdem wir jeden derselben in Beziehung auf die erste und wichtigste Bedeutung kennengelernt haben, am Schluß auch die beiden anderen berücksichtigen. - Also zuerst die unmittelbare Verteidigung, d. i. diejenige, wo der Übergang des feindlichen Heeres selbst verhindert werden soll.
     Von dieser kann nur bei großen Strömen, d. h. bei großen Wassermassen die Rede sein.
     Die Kombinationen von Raum, Zeit und Kraft, welche als die Elemente dieser Verteidigungstheorie angesehen werden müssen, machen den Gegenstand ziemlich verwickelt, so daß es nicht ganz leicht ist, einen festen Punkt zu gewinnen. Bei einer genaueren Überlegung wird jeder auf folgendes Resultat kommen.
     Die Zeit, welche zur Schlagung einer Brücke erforderlich ist, bestimmt die Entfernung, in welcher die Korps, die den Fluß verteidigen sollen, voneinander aufgestellt werden dürfen. Mit diesen Entfernungen in die ganze Länge der Verteidigungslinie dividiert, gibt die Anzahl der Korps; mit dieser in die Masse der Truppen dividiert, die Stärke derselben. Vergleicht man nun diese Stärke der einzelnen Korps mit den Truppen, die der Feind während des Baues der Brücke durch anderweitige Mittel übergesetzt haben kann, so wird sich beurteilen lassen, ob an einen glücklichen Widerstand zu denken ist. Denn nur dann darf man annehmen, daß der Übergang nicht erzwungen werden kann, wenn es dem Verteidiger möglich ist, mit einer beträchtlichen Überlegenheit, also etwa dem Doppelten, die übergesetzten Truppen anzugreifen, ehe die Brücke vollendet ist. Ein Beispiel:
     Braucht der Feind 24 Stunden zur Errichtung seiner Brücke, kann er in diesen 24 Stunden nicht mehr als 20000 Mann mit anderen Mitteln übersetzen, und kann der Verteidiger innerhalb etwa 12 Stunden mit 20000 Mann auf jedem beliebigen Punkt erscheinen, so ist der Übergang nicht zu erzwingen, denn man wird ankommen, wenn er etwa die Hälfte jener 20000 Mann übergesetzt hat. Da man nun in 12 Stunden, die Zeit der Benachrichtigung mit eingerechnet, 4 Meilen marschieren kann, so würden alle 8 Meilen 20000 Mann erforderlich sein und 60000 zur Verteidigung des Flusses auf eine Strecke von 24 Meilen. Diese würden hinreichen, nicht nur auf jedem beliebigen Punkt mit 20000 Mann zu erscheinen, wenn auch der Feind zwei Übergänge zu gleicher Zeit versuchte, sondern sogar mit dem Doppelten, wenn dies nicht wäre.
     Hier sind also drei Umstände entscheidend: 1. die Breite des Stromes, 2. die Mittel des Überganges, denn beides entscheidet sowohl über die Dauer des Brückenbaues als über die Anzahl der Truppen, die während des Brückenbaues übergeschafft werden können, 3. die Stärke des Verteidigers. Die Stärke der feindlichen Armee selbst kommt hierbei noch nicht in Betrachtung. Nach dieser Theorie kann man sagen, daß es einen Punkt gibt, wo die Möglichkeit des Überganges ganz aufhört und keine Übermacht imstande sein würde, ihn zu erzwingen.
     Dies ist die einfache Theorie der unmittelbaren Stromverteidigung, d. h. derjenigen, wo man den Feind an der Vollendung seiner Brücke und am Übergange selbst hindern will; es ist dabei noch auf keine Wirkung der Demonstrationen, die der Übergehende anwenden kann, Rücksicht genommen. Wir wollen nun die näheren Umstände und die erforderlichen Maßregeln einer solchen Verteidigung in Betrachtung ziehen.
     Abstrahiert man zuvörderst von aller geographischen Individualität, so ist nur zu sagen, daß die durch die eben gegebene Theorie bestimmten Korps unmittelbar am Strom, in sich vereinigt aufgestellt werden. Unmittelbar am Strom, weil jede Stellung weiter rückwärts die Wege ohne Not und Nutzen verlängert; denn da die Wassermasse des Stromes sie vor jeder bedeutenden Einwirkung des Feindes sichert, so ist es ja nicht nötig, sie wie eine Reserve bei einer Landesverteidigungslinie zurückzuhalten. Außerdem sind die Straßen an den Strömen auf und ab in der Regel gangbarer als Transversalwege von hinten gegen einen beliebigen Punkt des Stromes. Endlich ist durch diese Stellung der Strom unleugbar besser beobachtet als durch eine bloße Postenkette, hauptsächlich weil sich die Befehlshaber alle in der Nähe befinden. - In sich vereinigt müssen diese Korps sein, weil sonst die ganze Rechnung eine andere sein müßte. Wer es weiß, was das Vereinigen sagen will in Beziehung auf Zeitverlust, der wird begreifen, daß gerade in diesem vereinigten Aufstellen die größte Wirksamkeit der Verteidigung liegt. Freilich ist es auf den ersten Anblick sehr anziehend, durch einzelne Posten dem Feinde auch das Überschiffen selbst schon unmöglich zu machen; aber mit wenigen Ausnahmen an Punkten, die sich besonders zum Übergange eignen, ist diese Maßregel höchst verderblich. Der Schwierigkeit nicht zu gedenken, daß der Feind vom gegenüberstehenden Ufer einen solchen Posten meistens mit einem überlegenen Feuer erdrücken kann, so gibt man in der Regel seine Kräfte völlig umsonst aus, d. h. man erreicht durch einen solchen Posten weiter nichts, als daß der Feind einen anderen Übergangspunkt wählt. Ist man also nicht so stark, daß man den Fluß wie einen Festungsgraben behandeln und verteidigen kann, ein Fall, für den es weiter keiner Regeln bedürfte, so führt diese eigentliche Uferverteidigung notwendig vom Ziele ab. Außer diesen Grundsätzen der allgemeinen Aufstellung kommen nun noch in Betrachtung: erstens die Berücksichtigung der individuellen Eigentümlichkeiten des Stromes, zweitens die Wegschaffung der Übergangsmittel, drittens der Einfluß, welchen die an ihm gelegenen Festungen haben.
     Der Strom, als eine Verteidigungslinie betrachtet, muß rechts und links Anlehnungspunkte haben wie das Meer oder ein neutrales Gebiet; oder es müssen andere Verhältnisse den Übergang des Feindes über den Endpunkt der Verteidigungslinie hinaus nicht tunlich machen. Da nun weder solche Anlehnungspunkte noch solche Verhältnisse anders als bei großen Ausdehnungen vorkommen werden, so sieht man schon daraus, daß die Flußverteidigungen sich immer auf sehr beträchtliche Strecken ausdehnen müssen, und die Möglichkeit einer großen Menge von Truppen, hinter einer verhältnismäßig kurzen Stromlinie aufgestellt, verschwindet aus der Reihe der wirklichen Fälle, an die wir uns immer halten müssen. Wir sagen eine verhältnismäßig kurze Stromlinie und verstehen darunter eine Länge, die das gewöhnliche Maß der Ausdehnung in der Aufstellung ohne Strom nicht beträchtlich überschreitet. Solche Fälle, sagen wir, kommen nicht vor, und jede unmittelbare Stromverteidigung ist immer eine Art von Kordonsystem, wenigstens was die Ausdehnung betrifft, und ist also gar nicht geeignet, einer Umgehung auf dem Wege entgegenzuwirken, der bei vereinigter Aufstellung der natürliche ist. Wo also ein Umgehen möglich ist, da ist die unmittelbare Stromverteidigung, wie gut auch sonst ihre Resultate sein möchten, ein höchst gefährliches Unternehmen.
     Was nun den Strom innerhalb seiner Endpunkte betrifft, so versteht sich von selbst, daß nicht alle Punkte in gleichem Maß zum Übergang geeignet sind. Es kann dieser Gegenstand im allgemeinen zwar etwas näher bestimmt, aber nicht eigentlich festgestellt werden, denn die allerkleinste Lokaleigentümlichkeit entscheidet oft viel mehr als alles, was sich in Büchern groß und wichtig ausnimmt. Eine solche Feststellung ist aber auch völlig unnütz, denn der Anblick des Stromes und die Nachrichten, welche man von den Einwohnern bekommt, führen fast sichtlich darauf hin, ohne daß man nötig hätte, dabei an Bücher zurückzudenken. -
     Zur näheren Bestimmung können wir sagen, daß die zum Fluß führenden Straßen, die in ihn fallenden Nebenflüsse, die an ihm liegenden großen Städte und endlich vorzüglich seine Inseln diejenigen Gegenstände sind, welche den Übergang am meisten begünstigen, daß dagegen die Überhöhung der Ufer, die gebogene Gestalt des Laufes an der Übergangsstelle, welche in Büchern die Hauptrolle zu spielen pflegen, am seltensten von Einfluß gewesen sind. Die Ursach ist, weil der Einfluß dieser beiden Dinge sich auf die beschränkte Idee einer absoluten Uferverteidigung gründet, ein Fall, der bei den größten Strömen wenig oder niemals vorkommt.
     Welches nun auch die Umstände sind, die den einzelnen Punkten des Stromes mehr Brauchbarkeit zum Übergang geben, so werden sie Einfluß auf die Stellung haben und das allgemeine geometrische Gesetz etwas modifizieren; allein sich von demselben zu weit zu entfernen, zu sehr auf die Schwierigkeiten mancher Punkte sich zu verlassen, ist nicht ratsam. Der Feind wählt dann gerade die von der Natur am wenigsten begünstigten Orte, wenn er sicher ist, uns dort am wenigsten zu begegnen.
     In jedem Fall aber ist die möglichst starke Besetzung der Inseln eine empfehlenswerte Maßregel, weil ihr ernstlicher Angriff den Übergangsort auf die sicherste Weise zu erkennen gibt.
     Da die nahe am Strome aufgestellten Korps denselben auf- und abmarschieren sollen, je nachdem es die Umstände erfordern, so gehört in Ermangelung einer Parallelstraße die Zurichtung der nächsten kleinen mit dem Fluß parallel laufenden Wege oder die Einrichtung ganz neuer auf kurze Strecken zu den wesentlichen Vorbereitungsstücken, der Verteidigung.
     Der zweite Punkt, von dem wir zu reden haben, ist die Wegschaffung der Übergangsmittel. - Die Sache ist schon auf dem Strome selbst nicht leicht, wenigstens gehört dazu eine beträchtliche Zeit, aber unüberwindlich sind die Schwierigkeiten meistens bei den auf der feindlichen Seite einfallenden Nebenströmen, weil diese gewöhnlich schon in den Händen des Feindes sind. Daher ist es wichtig, die Ausmündungen dieser Nebenflüsse mit Festungen zu verschließen.
     Da bei großen Strömen die Übergangsmittel, welche der Feind mitbringt, nämlich seine Pontons, selten zureichen, so kommt vieles auf die Mittel an, die er am Strome selbst, an den Nebenflüssen und in den großen auf seiner Seite liegenden Städten findet, endlich auf die Wälder in der Nähe des Stromes, die er zum Schiff- und Floßbau benutzen kann. Es gibt Fälle, wo ihm alle diese Umstände so sehr entgegen sind, daß der Stromübergang dadurch fast unmöglich wird.
     Endlich sind die Festungen, welche auf beiden Seiten oder auf der feindlichen Seite des Stromes liegen, nicht nur ein gegen den Übergang deckender Schild für alle ihnen oberhalb und unterhalb nahe liegenden Punkte, sondern auch ein Mittel, die Nebenflüsse zu sperren und die Übergangsmittel schnell in sich aufzunehmen.
     Soviel von der unmittelbaren Stromverteidigung, welche eine große Wassermasse voraussetzt. Kommt ein tiefer, steiler Taleinschnitt, oder kommen sumpfige Ufer hinzu, so wird die Schwierigkeit des Überganges und die Wirksamkeit der Verteidigung zwar vermehrt, aber die Wassermasse kann dadurch nicht ersetzt werden, denn jene Umstände bilden keine absolute Unterbrechung der Gegend, und diese ist eine notwendige Bedingung der unmittelbaren Verteidigung.
     Frägt man sich, welche Rolle eine solche unmittelbare Stromverteidigung in dem strategischen Plan des Feldzuges spielen kann, so muß man einräumen, daß sie niemals zu einem entscheidenden Siege führen kann, teils weil es ihre Absicht ist, den Feind nicht herüber zu lassen, sondern die erste bedeutende Masse, welche er übergesetzt hat, zu erdrücken, teils weil der Strom verhindert, die erfochtenen Vorteile durch einen kräftigen Ausfall zum entscheidenden Siege zu erweitern.
     Dagegen kann eine solche Stromverteidigung oft einen großen Gewinn an Zeit bringen, worauf es doch dem Verteidiger gewöhnlich ankommt. Die Herbeischaffung der Übergangsmittel kostet oft viel Zeit; mißlingen mehrere Versuche, so ist noch ungleich mehr Zeit gewonnen. Gibt der Feind seinen Kräften wegen des Stromes eine ganze andere Richtung, so werden auch wohl noch andere Vorteile dabei erreicht; endlich in allen Fällen, wo es dem Feinde mit dem Vordringen nicht rechter Ernst ist, wird der Strom seinen Bewegungen Stillstand gebieten und eine bleibende Schutzwehr des Landes machen.
     Eine unmittelbare Flußverteidigung kann also zwischen großen Truppenmassen bei großen Strömen und günstigen Bedingungen als ein sehr gutes Verteidigungsmittel angesehen werden und Resultate geben, auf die man in der neueren Zeit, nur an die verunglückten Stromverteidigungen mit unzureichenden Mitteln denkend, zu wenig Rücksicht genommen hat. Denn wenn man bei den eben gemachten Voraussetzungen, die bei einem Strom, wie der Rhein und die Donau sind, doch leicht zutreffen können, eine wirksame Verteidigung von 24 Meilen Länge vermittelst 60000 Mann gegen eine bedeutend überlegene Macht erhält, so kann man wohl sagen, daß das ein beachtenswertes Resultat ist.
     Wir sagen gegen eine bedeutend überlegene Macht und müssen noch einmal auf diesen Punkt zurückkommen. Nach der Theorie, welche wir gegeben haben, kommt alles auf die Mittel des Überganges und nichts auf die Macht an, welche übergehen will, sobald diese nur nicht kleiner ist als die, welche den Fluß verteidigt. Dies scheint sehr auffallend, und doch ist es wahr. Aber man muß freilich nicht vergessen, daß die meisten Flußverteidigungen, oder praktischer gesprochen, daß alle insgesamt keine absoluten Stützpunkte haben, also umgangen werden können, und daß dieses Umgehen durch eine große Übermacht sehr erleichtert wird.
     Bedenkt man nun, daß eine solche unmittelbare Stromverteidigung, selbst wenn sie vom Feinde überwältigt wird, doch noch nicht einer verlorenen Schlacht zu vergleichen ist und am wenigsten zu einer Niederlage führen kann, weil nur ein Teil unserer Truppen ins Gefecht gekommen ist, und der Gegner, durch den langsamen Übergang vermittelst einer Brücke aufgehalten, seinem Siege über dieselbe nicht gleich eine große Folge geben kann, so wird man von diesem Verteidigungsmittel um so weniger ganz gering denken können.
     In allen Dingen des praktischen Lebens kommt es darauf an, den rechten Punkt zu treffen, und so macht es bei der Stromverteidigung einen großen Unterschied, ob man alle Verhältnisse richtig übersieht; ein anscheinend unbedeutender Umstand kann den Fall wesentlich verändern, und was hier eine höchst weise und wirksame Maßregel gewesen wäre, dort zu einer verderblichen Verkehrtheit machen. Diese Schwierigkeit, alles richtig zu beurteilen und nicht zu glauben, Strom sei Strom, ist hier vielleicht größer als anderswo, deshalb müssen wir uns gegen die Gefahr falscher Anwendung und Auslegung besonders verwahren; aber nachdem wir dies getan haben, können wir auch nicht umhin, unumwunden zu erklären, daß wir einer Beachtung ganz unwürdig das Geschrei derer halten, die nach dunkeln Gefühlen und unfixierten Vorstellungen alles von Angriff und Bewegung erwarten und in dem mit über dem Kopf geschwungenem Säbel hervorpreschenden Husaren das ganze Bild des Krieges sehen.
     Solche Vorstellungen und Gefühle sind nicht immer zureichend, wenn sie wirklich aushalten (wir wollen nur an den weiland berühmten Diktator Wedel bei Züllichau 1759 erinnern); aber was das Schlimmste ist, sie halten selten aus und verlassen den Befehlshaber im letzten Augenblick, wenn große, zusammengesetzte, in tausend Beziehungen verwickelte Fälle auf ihn eindringen.
     Wir glauben also, daß eine unmittelbare Stromverteidigung bei großen Truppenmassen unter guten Bedingungen gute Resultate geben kann, wenn man sich mit der bescheidenen Negative begnügt, aber so ist es nicht für kleinere Truppenmassen. Während 60000 Mann auf eine gewisse Stromlinie imstande sind, einem Heer von 100000 Mann und darüber den Übergang zu verwehren, würden 10000 Mann auf derselben Entfernung nicht imstande sein, ihn einem Korps von 10000 Mann zu verbieten, ja nicht einem halb so starken, wenn dieses sich in die Gefahr begeben wollte, sich mit einem so überlegenen Feinde auf einer Seite zu befinden. Die Sache ist klar, weil die Übergangsmittel sich nicht verändern.
     Wir haben uns bisher wenig auf die Scheinübergänge eingelassen, weil sie bei der unmittelbaren Stromverteidigung nicht sehr in Betrachtung kommen; denn teils kommt es bei derselben nicht auf eine Versammlung des Heeres auf einen Punkt an, sondern es ist einem jeden Teil ohnehin eine gewisse Weite des Stromlaufes zur Verteidigung zugedacht, teils sind dergleichen Scheinübergänge auch unter den vorausgesetzten Umständen sehr schwierig. Wenn nämlich die Übergangsmittel an sich schon rar, d. h. nicht in dem Maße vorhanden sind, wie der Angreifende es zur Sicherstellung seiner Unternehmung wünschen muß, so wird er schwerlich einen bedeutenden Teil zum Scheinübergang verwenden können und wollen; in jedem Fall wird dadurch die Masse der Truppen, welche er dadurch an den wahren Übergangspunkt herüberschaffen kann, um so geringer, und man gewinnt also auf der anderen Seite wieder an Zeit, was man durch die Ungewißheit verlieren könnte.
     Diese unmittelbare Stromverteidigung dürfte sich in der Regel nur für die erste Klasse der europäischen Ströme auf der letzten Hälfte ihres Weges eignen.
     Die zweite Art ist die für kleinere Flüsse und bei tief eingeschnittenen Tälern, oft selbst für sehr unbedeutende geeignete. Sie besteht in einer weiter rückwärts in solcher Entfernung genommenen Aufstellung, daß man die Möglichkeit hat, die feindliche Armee beim Übergang entweder geteilt zu finden, wenn sie auf mehreren Punkten zugleich übergeht, oder nahe am Strome und auf eine Brücke und Straße beschränkt, wenn sie auf einem Punkt übergegangen ist. Mit dem Rücken dicht an einen bedeutenden Fluß oder einen tiefen Taleinschnitt geklemmt und auf einen einzigen Rückzugsweg beschränkt zu sein, ist eine höchst nachteilige Lage für die Schlacht, und in der Benutzung dieses Umstandes besteht die Verteidigung aller mittleren Flüsse und tiefen Taleinschnitte.
     Die Aufstellung einer Armee in großen Korps dicht am Strome, welche wir bei der unmittelbaren Verteidigung für die beste halten, setzt voraus, daß es dem Feinde unmöglich ist, den Fluß unvermutet in großen Massen zu passieren, weil sonst die Gefahr, getrennt und einzeln geschlagen zu werden, bei jener Aufstellungsart sehr groß sein würde. Sind also die Umstände, welche die Flußverteidigung begünstigen, nicht vorteilhaft genug, hat der Feind zu viel Mittel des Überschiffens schon in Händen, hat der Strom zu viel Inseln oder gar Furten, ist er nicht breit genug, sind wir zu schwach usw., so kann von jener Methode nicht mehr die Rede sein; die Truppen müssen zu ihrer sicheren Verbindung untereinander etwas vom Strom zurückgezogen werden, und alles, was nun übrigbleibt, ist eine soviel als möglich beschleunigte Vereinigung auf demjenigen Punkt, wo der Feind den Übergang macht, um ihn anzugreifen, ehe er noch soviel Feld gewonnen, daß ihm mehrere Übergänge zu Gebote stehen. Hier wird also der Fluß oder das Tal durch eine Vorpostenkette beobachtet und schwach verteidigt, während die Armee in mehreren Korps auf passenden Punkten in einiger Entfernung (gewöhnlich einige Stunden) vom Fluß aufgestellt wird.
     Der Hauptumstand ist hier der Durchzug durch die Straßenenge, welche der Fluß und sein Tal bildet. Hier kommt es also nicht bloß auf die Wassermasse an, sondern auf das Ganze der Straßenenge, und in der Regel leistet ein tiefes Felsental viel mehr als eine beträchtliche Flußbreite. Die Schwierigkeit, welche der Durchzug einer bedeutenden Truppenmasse durch eine beträchtliche Straßenenge hat, ist in der Wirklichkeit sehr viel größer, als aus der bloßen Überlegung sich zu ergeben scheint. Die erforderliche Zeit ist sehr beträchtlich, die Gefahr, daß der Feind auch während des Durchzuges sich zum Meister der umgebenden Höhen machen könnte, sehr beunruhigend. Rücken die ersten Truppen zu weit vor, so treffen sie früher auf den Feind und sind in Gefahr, von einer überlegenden Macht erdrückt zu werden, bleiben sie in der Nähe des Übergangspunktes, so schlägt man sich in der schlimmsten Lage. Der Übergang über einen solchen Einschnitt des Bodens, um jenseits desselben sich mit der feindlichen Armee zu messen, ist daher ein kühnes Unternehmen oder setzt eine große Überlegenheit und Sicherheit in der Führung voraus.
     Freilich kann sich eine solche Verteidigungslinie nicht zu einer ähnlichen Länge ausdehnen wie die unmittelbare Verteidigung eines großen Stromes, denn man will mit dem Ganzen vereinigt schlagen, und die Übergänge, wenn sie auch noch so schwierig sind, können doch nicht mit denen über einen großen Strom verglichen werden; das Umgehen liegt also dem Feinde viel näher. Allein dieses Umgehen verschiebt ihn aus seiner natürlichen Richtung (denn wir setzen, wie sich versteht, voraus, daß der Taleinschnitt diese ungefähr senkrecht durchschneidet), und die nachteilige Wirkung der beengten Rückzugslinien verliert sich nicht mit einem Male, sondern erst nach und nach, so daß der Verteidiger auch dann immer noch einige Vorteile über den Vorgehenden hat, wenn dieser auch nicht gerade im Augenblick der Krise von ihm erreicht worden ist, sondern durch das Umgehen etwas mehr Spielraum gewonnen hat.
     Da wir nicht bloß von den Flüssen in Beziehung auf ihre Wassermasse reden, sondern fast mehr als diese den tiefen Einschnitt ihrer Täler im Auge haben, so müssen wir bevorworten, daß darunter kein förmliches Gebirgstal verstanden werden dürfe, weil dann alles davon gilt, was vom Gebirge gesagt worden ist. Bekanntlich gibt es aber sehr viel ebene Gegenden, wo selbst die kleinsten Flüsse tiefe und steile Einschnitte bilden; außerdem gehören auch morastige Ufer und andere Hindernisse des Zuganges hierher.
     Unter diesen Bedingungen ist also die Aufstellung einer Verteidigungsarmee hinter einem beträchtlichen Fluß oder tieferen Taleinschnitt eine sehr vorteilhafte Lage und diese Art der Flußverteidigung zu den besten strategischen Maßregeln zu zählen.
     Die Blöße derselben, der Punkt, auf dem der Verteidiger leicht straucheln kann, ist die zu große Ausdehnung der Kräfte. Es ist so natürlich, sich in einem solchen Fall von einem Übergangspunkte bis zum anderen fortziehen zu lassen und den rechten Punkt zu verfehlen, wo man abschneiden muß; gelingt es aber nicht, mit der ganzen Armee vereinigt zu schlagen, so ist die Wirkung verfehlt: ein verlorenes Gefecht, ein notwendiger Rückzug und mancherlei Verwirrung und Verlust bringen die Armee einer völligen Niederlage nahe, selbst wenn sie nicht bis aufs äußerste standhält.
     Daß man unter dieser Bedingung sich nicht weit ausdehnen dürfe, daß man in jedem Fall seine Kräfte am Abend desselben Tages gesammelt haben müsse, wo der Feind übergeht, ist genug gesagt und kann die Stelle aller weiteren Kombinationen von Zeit, Kraft und Raum vertreten, die hier von so vielen Örtlichkeiten abhängig sind.
     Die unter solchen Umständen herbeigeführte Schlacht muß einen eigentümlichen Charakter haben, nämlich den der höchsten Impetuosität von seiten des Verteidigers. Die Scheinübergänge, womit der Angreifende ihn eine Zeitlang in Ungewißheit gehalten haben kann, werden ihn in der Regel erst erscheinen lassen, wenn es die höchste Zeit ist. Die eigentümlichen Vorteile seiner Lage bestehen in der nachteiligen Lage der feindlichen Korps, die er gerade vor sich hat; kommen von anderen Übergangspunkten andere Korps herbei, die ihn umfassen, so kann er diesen nicht wie in einer Defensivschlacht mit kräftigen Stößen von hinten entgegenwirken, sonst opferte er die Vorteile seiner Lage auf; er muß also die Sache in seiner Fronte entscheiden, ehe diese Korps ihm nachteilig werden, d. h. er muß, was er vor sich hat, so schnell und kräftig als möglich angreifen und durch die Niederlage desselben das Ganze entscheiden.
     Der Zweck dieser Flußverteidigung kann aber niemals der Widerstand gegen eine zu überlegene Macht sein, wie allenfalls bei der unmittelbaren Verteidigung eines großen Stromes denkbar ist; denn in der Regel bekommt man es mit dem größten Teil der feindlichen Macht wirklich zu tun, und wenn dies auch unter vorteilhaften Umständen der Fall ist, so ist doch leicht einzusehen, daß das Verhältnis der Macht schon in Betrachtung kommt.
     So ist es mit der Verteidigung mittlerer Flüsse und tiefer Taleinschnitte, wenn von den großen Massen des Heeres selbst die Rede ist, für welche der beträchtliche Widerstand, den man an den Talrändern selbst tun kann, in keinen Betracht gegen die Nachteile einer verzettelten Stellung kommen kann, und denen ein entschiedener Sieg Bedürfnis ist. Kommt es aber bloß auf die Verstärkung einer untergeordneten Verteidigungslinie an, die eine Zeitlang widerstehen soll und auf Unterstützung berechnet ist, so kann allerdings eine unmittelbare Verteidigung der Talränder oder selbst der Ufer stattfinden, und wenngleich hier nicht ähnliche Vorteile zu erwarten sind wie in Gebirgsstellungen, so wird der Widerstand doch immer länger dauern als in gewöhnlicher Gegend. Nur ein Fall macht diesen Gebrauch sehr gefährlich oder unmöglich: wenn der Fluß sich in sehr krausen Schlangelinien fortzieht, welches gerade bei tiefeingeschnittenen oft vorkommt. Man betrachte nur den Lauf der Mosel in Deutschland. In diesem Fall würden die an den ausgehenden Bogen vorgeschobenen Teile beim Rückzug fast unvermeidlich verlorengehen.
     Daß ein großer Strom dasselbe Verteidigungsmittel darbietet, welches wir hier in Beziehung auf die Masse des Heeres den mittleren Flüssen angeeignet haben, und zwar unter viel günstigeren Bedingungen, versteht sich von selbst, und dieser Fall wird jedesmal zur Anwendung kommen, wo es dem Verteidiger auf einen völligen Sieg ankommt. (Aspern.)
     Der Fall, wo ein Heer einen Strom, einen Fluß oder ein tiefes Tal dicht vor seiner Fronte nimmt, um ein taktisches Zugangshindernis dadurch zu gewinnen, eine taktische Fronteverstärkung, ist ein ganz anderer, dessen nähere Betrachtung in die Taktik gehört; wir wollen aber von dem Resultat dieser Maßregel soviel sagen, daß sie im Grunde eine völlige Selbsttäuschung ist. - Ist der Einschnitt sehr beträchtlich, so wird die Fronte der Stellung dadurch absolut unangreifbar; da nun das Vorbeigehen einer solchen Stellung nicht mehr Umstände macht als das jeder anderen, so ist es im Grunde nicht viel mehr, als wenn der Verteidiger dem Angreifenden selbst aus dem Wege gegangen wäre, welches doch schwerlich die Absicht der Aufstellung war. Eine solche Aufstellung kann also nur da Nutzen haben, wo das Verhältnis der Verbindungslinien durch die Örtlichkeit dem Angreifenden so ungünstig gestellt wird, daß jedes Ausbiegen von der direkten Straße mit zu nachteiligen Folgen verbunden wäre.
     Bei dieser zweiten Verteidigungsart sind die Scheinübergänge viel gefährlicher, denn der Angreifende hat mehr Leichtigkeit, sie zu machen, und der Verteidiger die Aufgabe, sein ganzes Heer auf dem rechten Punkt zu versammeln. Allein von der einen Seite ist dem Verteidiger die Zeit hier nicht ganz so knapp zugemessen, weil seine Vorteile so lange nicht aufhören, bis der Angreifende seine ganze Macht vereinigt und mehrere Übergänge hinter sich genommen hat; von der anderen Seite ist die Wirksamkeit der Scheinangriffe immer hier noch nicht so groß wie bei der Verteidigung eines Kordons, wo alles festgehalten werden soll, und es also bei Verwendung der Reserve nicht wie bei unserer Aufgabe auf die bloße Frage ankommt, wo der Gegner seine Hauptmacht hat, sondern auf die viel schwierigere, welcher Punkt am ersten überwältigt werden wird.
     Von beiden Verteidigungsarten großer und kleiner Flüsse müssen wir im allgemeinen noch bemerken, daß sie, in der Eile und Verwirrung eines Rückzuges angeordnet, ohne Vorbereitungen, ohne Wegschaffung der Übergangsmittel, ohne genaue Kenntnis der Gegend allerdings nicht das leisten können, was wir uns hier darunter gedacht haben; in den meisten Fällen ist gar nicht darauf zu rechnen, und um deswillen sich in ausgedehnte Stellungen zu verzetteln, eine große Torheit.
     Überhaupt wird, so wie im Kriege alles fehlschlägt, was man nicht mit klarem Bewußtsein, mit ganzem und festem Willen tut, auch eine Flußverteidigung schlechten Erfolg haben, die gewählt wird, weil man den Mut hat, dem Gegner in offener Feldschlacht entgegenzutreten, und hofft, daß der breite Fluß, das tiefe Tal ihn aufhalten werden. Da ist so wenig von wahrem Vertrauen zu der eigenen Lage die Rede, daß gewöhnlich Feldherr und Heer voll der besorglichsten Ahnungen sind, die denn auch schnell genug in Erfüllung zu gehen pflegen. Eine offene Feldschlacht setzt ja nicht wie ein Duell völlig gleiche Umstände voraus, und ein Verteidiger, der sich in derselben keine Vorteile durch die Eigentümlichkeit der Verteidigung zu erwerben weiß, keine durch schnelle Märsche, keine durch Kenntnis der Gegend, keine durch Freiheit der Bewegungen, dem ist nicht zu helfen, und am wenigsten wird der Fluß und sein Tal es vermögen. -
     Die dritte Art der Verteidigung, durch eine auf der feindlichen Seite genommene feste Stellung, gründet ihre Wirksamkeit auf die Gefahr, welche dem Feinde daraus entspringt, daß ein Fluß seine Verbindungslinien durchschneiden und also auf ein oder ein paar Brückenübergänge beschränken würde. Hieraus ergibt sich von selbst, daß hier nur von bedeutenden Flüssen mit bedeutenden Wassermassen die Rede sein kann, da diese allein jenen Fall bedingen, während ein bloß tiefeingeschnittener Fluß gewöhnlich eine solche Zahl von Übergängen hat, daß jene Beziehung ganz wegfällt.
     Sehr fest, fast unangreifbar muß die Stellung sein, sonst würden wir ja dem Feind halben Weges entgegenkommen und unsere Vorteile aufgeben. Ist sie aber von solcher Stärke, daß der Feind sich nicht zu einem Angriff entschließen wird, so wird er unter gewissen Umständen dadurch selbst auf das Ufer gebannt, auf dem wir uns befinden. Ginge er über, so würde er seine Verbindungen preisgeben, aber freilich zugleich die unserigen bedrohen. Hier, wie bei allen Fällen, wo man einander vorbeigeht, kommt es darauf an, wessen Verbindungen der Zahl, der Lage und den übrigen Umständen nach mehr gesichert sind, ferner wer auch in anderer Rücksicht mehr dabei zu verlieren hat und also von dem Gegner leicht überboten werden kann, endlich wer in seinem Heer mehr Siegeskraft bewahrt, um sich im äußersten Fall darauf zu stützen. Der Fluß tut hierbei nichts, als daß er die gegenseitigen Gefahren einer solchen Bewegung potenziert, weil man auf Brücken eingeschränkt ist. Insofern man nun annehmen kann, daß nach der gewöhnlichen Ordnung der Dinge die Übergänge des Verteidigers sowie seine Depots aller Art durch Festungen mehr gesichert sein werden als die des Angreifenden, so ist eine solche Verteidigung allerdings denkbar und würde dann in den Fällen, wo die übrigen Umstände einer unmittelbaren Flußverteidigung nicht günstig genug sind, diese ersetzen. Zwar ist dann der Fluß nicht durch die Armee verteidigt, auch die Armee nicht durch den Fluß, aber das Land ist es durch die Verbindung beider, worauf es doch ankommt.
     Indessen muß man gestehen, daß diese Verteidigungsart ohne entscheidenden Schlag, welche der Spannung gleicht, in der sich die beiden Elektrizitäten bei der bloßen Berührung ihrer Atmosphäre befinden, nur geeignet ist, einen nicht sehr kräftigen Impuls aufzuhalten. Gegen einen vorsichtigen, unentschlossenen Feldherrn, den nichts heftig vorwärts drängt, wird sie, selbst bei großer Überlegenheit seiner Kräfte, anwendbar sein; ebenso, wenn schon ein gleichgewichtiges Schweben der Kräfte vorher eingetreten ist und man einander nur kleine Vorteile abzugewinnen sucht. Hat man es aber mit überlegenen Kräften zu tun, von einem Waghals angeführt, so ist es ein gefährlicher Weg, der dicht an den Abgrund hinführt.
     Diese Verteidigungsart nimmt sich übrigens so keck und doch so wissenschaftlich aus, daß man sie die elegante nennen möchte ; aber da Eleganz leicht an Fatuität hinstreift, und diese im Kriege nicht so leicht verziehen werden würde wie in der Gesellschaft, so hat man doch wenig Beispiele dieser eleganten Art. Aus dieser dritten Art entwickelt sich ein besonderes Hilfsmittel für die beiden ersten Arten, nämlich durch das Festhalten einer Brücke und eines Brückenkopfes immer mit dem Übergang zu drohen. -
     Außer dem Zweck eines absoluten Widerstandes mit der Hauptmacht kann jede der drei Arten der Flußverteidigung noch den eines Scheinwiderstandes haben.
     Dieser Schein eines Widerstandes, den man nicht wirklich leisten will, ist zwar mit vielen anderen Maßregeln und im Grunde mit jeder Stellung verbunden, die etwas anderes als ein bloßes Marschlager ist, allein die Scheinverteidigung eines großen Flusses wird dadurch zu einer wahren Vorspiegelung, daß man dazu eine Menge mehr oder weniger umständliche Maßregeln nimmt, und daß die Wirkung größer und dauernder zu sein pflegt als bei allen anderen; denn der Akt eines solchen Stromüberganges im Angesicht unseres Heeres ist für den Angreifenden immer ein wichtiger Schritt, worüber er sich oft lange besinnt, oder den er für gelegenere Zeit aufschiebt.
     Zu einer solchen Scheinverteidigung ist also erforderlich, daß sich das Hauptheer ungefähr in der Weise, wie es bei einer ernstlichen statthaben würde, an dem Flusse verteilt und aufgestellt; da aber die Absicht der bloßen Scheinverteidigung zeigt, daß für eine wirkliche die Umstände nicht günstig genug sind, so würde aus jener Aufstellung, die notwendig immer eine mehr oder weniger ausgedehnte und zerstreute sein muß, sehr leicht die Gefahr großer Verluste entstehen, wenn die Korps sich wirklich in einen wenn auch nur mäßigen Widerstand einlassen wollten; das würde im eigentlichen Verstande eine halbe Maßregel sein. Bei einer Scheinverteidigung muß also alles auf eine unfehlbare Vereinigung des Heeres in einem weiter und zwar beträchtlich, oft mehrere Tagemärsche weiter zurückliegenden Punkte berechnet sein; und nur soviel Widerstand, als damit verträglich ist, kann geleistet werden.
     Um unsere Meinung deutlich zu machen und zugleich die Wichtigkeit zu zeigen, welche eine solche Scheinverteidigung haben kann, erinnern wir an das Ende des Feldzuges von 1813. Bonaparte brachte etwa 40-50000 Mann wieder über den Rhein. Diesen Strom damit in dem Bereich verteidigen zu wollen, in welchem die Verbündeten nach der Richtung ihrer Kräfte bequem übergehen konnten, nämlich von Mannheim bis Nymwegen, wäre eine Unmöglichkeit gewesen. Bonaparte konnte also nur daran denken, den ersten ernstlichen Widerstand etwa an der französischen Maas zu tun, wo er einigermaßen wieder verstärkt auftreten konnte. Hätte er seine Kräfte sogleich bis dahin zurückgezogen, so würden ihm die Verbündeten auf dem Fuß gefolgt sein; hätte er sie hinter dem Rhein in Erholungsquartiere verlegt, so konnte einen Moment später dasselbe fast nicht ausbleiben; denn auch bei der kleinmütigsten Behutsamkeit würde man doch Schwärme von Kosaken und anderen leichten Truppen haben übergehen lassen, und wenn man sah, daß dies so gut gelang, so würde man mit anderen Korps gefolgt sein. Es war also nötig, daß die französischen Korps Anstalten machten, den Rhein ernstlich zu verteidigen. Da vorauszusehen war, daß bei dieser Verteidigung, sobald die Verbündeten den Übergang wirklich unternahmen, nichts herauskommen konnte, so war sie als eine bloße Demonstration zu betrachten, wobei die französischen Korps gar keine Gefahr liefen, da ihr Vereinigungspunkt an der oberen Mosel lag. Nur Macdonald, der bekanntlich mit 20000 Mann bei Nymwegen stand, beging den Fehler, abzuwarten, bis er wirklich vertrieben wurde, welches, da dies durch die spätere Ankunft des Wintzingerodeschen Korps erst Mitte Januars geschah, ihn verhinderte, sich vor der Schlacht von Brienne mit Bonaparte zu vereinigen. Diese Scheinverteidigung des Rheins nun hat hingereicht, die Verbündeten in ihrer vorschreitenden Bewegung zum Stehen und zu dem Entschluß zu bringen, den Übergang bis zur Ankunft ihrer Verstärkungen, d. h. 6 Wochen lang zu verschieben. Diese 6 Wochen mußten Bonaparte von unendlichem Wert sein. Ohne die Scheinverteidigung des Rheins hätte der Sieg von Leipzig unmittelbar nach Paris geführt, und eine Schlacht diesseits dieser Hauptstadt wäre den Franzosen vollkommen unmöglich gewesen.
     Auch bei der Flußverteidigung der zweiten Art, also bei mittleren Flüssen, kann eine solche Vorspiegelung stattfinden, nur wird sie im allgemeinen viel weniger wirksam sein, weil hier bloße Versuche zu einem Übergang leichter sind, und also der Zauber bald gebrochen sein wird.
     Bei der dritten Art der Flußverteidigung würde die Demonstration vermutlich noch unwirksamer sein und nicht weiter gehen als die einer jeden anderen vorläufig genommenen Stellung.
     Endlich sind die beiden ersten Verteidigungsarten sehr geeignet, einer Vorposten- oder anderen Verteidigungslinie, für irgendeinen untergeordneten Zweck aufgestellt (Kordon), oder auch einem zur bloßen Beobachtung aufgestellten Nebenkorps eine viel größere und sicherere Stärke zu gewähren, als es ohne den Fluß haben würde. In allen diesen Fällen kann nur von einem relativen Widerstand die Rede sein, und dieser wird natürlich durch einen solchen Bodeneinschnitt beträchtlich gesteigert. Hierbei muß man indessen nicht bloß an die verhältnismäßig beträchtliche Zeit denken, die der Widerstand im Gefecht selbst dauert, sondern an das viele Bedenken, was jeder Unternehmung dagegen vorhergeht, und wodurch sie bei nicht dringenden Veranlassungen unter hundert Malen neunundneunzig Mal unterbleibt.

 
     Neunzehntes Kapitel:
     Fortsetzung


     Wir haben jetzt noch etwas über die Wirksamkeit zu sagen, welche Ströme und Flüsse in der Landesverteidigung haben, wenn sie auch nicht selbst verteidigt werden.
     Jeder bedeutende Fluß mit seinem Haupttal und seinen Nebentälern bildet ein sehr beträchtliches Bodenhindernis und wird also dadurch der Verteidigung im allgemeinen vorteilhaft; sein eigentümlicher Einfluß aber läßt sich in seinen Hauptbeziehungen näher angeben.
     Zuerst müssen wir unterscheiden, ob er der Grenze, d. h. der allgemeinen strategischen Fronte, parallel fließt oder schief oder senkrecht gegen dieselbe. Bei dem Parallellauf müssen wir den Fall unterscheiden, wo ihn das eigene Heer, von dem, wo ihn der Angreifende hinter sich hat, und in beiden Fällen wieder die Entfernung, in welcher sich das Heer von ihm befindet.
     Ein Verteidigungsheer, welches einen bedeutenden Fluß nahe, doch nicht unter einem gewöhnlichen Marsch hinter sich hat und an diesem Fluß eine hinreichende Menge gesicherter Übergangspunkte, ist unstreitig in einer viel stärkeren Lage, als es ohne den Fluß sein würde; denn wenn es durch die Rücksicht auf die Übergangspunkte in allen seinen Bewegungen etwas an Freiheit verliert, so gewinnt es viel mehr durch die Sicherheit seines strategischen Rückens, d. h. hauptsächlich seiner Verbindungslinien. Wohlverstanden, daß wir hierbei die Verteidigung im eigenen Lande denken, denn im feindlichen würden wir, wenn auch die feindliche Armee vor uns steht, doch immer mehr oder weniger den Feind auch hinter uns jenseits des Flusses zu befürchten haben, und dann würde der Fluß durch den Straßenzwang, welchen er verursacht, mehr nachteilig als vorteilhaft auf unsere Lage wirken. Je weiter der Fluß sich hinter dem Heere befindet, um so geringer wird er ihm nützlich werden, und bei gewissen Entfernungen wird sein Einfluß ganz Null sein.
     Muß das angreifende Heer in seinem Vorrücken einen Fluß hinter sich nehmen, so wird er nur nachteilig auf seine Bewegungen wirken können, denn er schränkt seine Verbindungslinien auf einzelne Übergangspunkte ein. Prinz Heinrich im Jahr 1760 hatte, als er bei Breslau auf dem rechten Oderufer den Russen entgegentrat, durch die auf einen Marsch hinter ihm fließende Oder offenbar einen Stützpunkt; dagegen waren die später über die Oder gegangenen Russen unter Tschernitschew in einer sehr unbequemen Lage, eben durch die Gefahr, bei der einzigen Brücke ihren Rückzug zu verlieren.
     Geht aber ein Fluß mehr oder weniger senkrecht durch das Kriegstheater, so ist der Vorteil davon wieder auf der Seite des Verteidigers, denn erstlich gibt es gewöhnlich eine Anzahl guter Aufstellungen durch Anlehnung an den Fluß und Benutzung der einfallenden Transversaltäler als Fronteverstärkungen (wie die Elbe im Siebenjährigen Kriege für die Preußen); zweitens wird der Angreifende entweder die eine der beiden Seiten intakt lassen müssen oder sich teilen; und bei dieser Teilung kann es nicht fehlen, daß der Verteidiger wieder im Vorteil ist, weil er mehr gesicherte Übergänge besitzen wird als der Angreifende. Man darf nur einen Gesamtblick auf den Siebenjährigen Krieg werfen, um sich zu überzeugen, daß die Oder und Elbe Friedrich dem Großen bei der Verteidigung seines Kriegstheaters, nämlich Schlesiens, Sachsens und der Mark, sehr nützlich und folglich den Österreichern und Russen bei der Eroberung dieser Provinzen sehr hinderlich gewesen sind, obgleich eine eigentliche Verteidigung dieser Flüsse im ganzen Siebenjährigen Kriege nicht einmal vorkommt und ihr Lauf in den meisten Beziehungen zum Feinde mehr schief oder senkrecht gegen die Fronte als parallel mit derselben ist.
     Nur die Beziehung, welche der Fluß als Transportstraße im Fall seines mehr oder weniger senkrechten Laufes haben kann, ist im allgemeinen zum Besten des Angriffs, aus dem Grunde, weil dieser die längere Verbindungslinie und also die größere Schwierigkeit beim Transport aller Bedürfnisse hat, eine wesentliche Erleichterung also wie die Wasserfracht hauptsächlich ihm zum Nutzen gereichen muß. Zwar wird auch hier der Verteidiger den Vorteil haben, den Fluß von dem Punkt der Grenze ab durch feste Plätze sperren zu können; allein dadurch werden die Vorteile nicht aufgehoben, welche der Fluß dem Angreifenden durch seinen früheren Lauf gewährt. Indessen, wenn man bedenkt, daß viele Flüsse auch da, wo sie schon eine für die übrigen kriegerischen Beziehungen nicht unbedeutende Breite haben, noch nicht schiffbar sind, daß andere es nicht zu jeder Jahreszeit sind, daß die Schiffahrt stromaufwärts sehr langsam, oft schwierig ist, daß die vielen Serpentinen mancher Ströme den Weg mehr als verdoppeln, daß jetzt die Hauptverbindungsstraßen zweier Länder meistens Chausseen sind, endlich, daß man jetzt die Hauptmasse der Bedürfnisse mehr als sonst in den nächsten Provinzen aufzubringen und nicht so merkantilisch von weit herbeizuführen pflegt, so sieht man wohl, daß die Wasserfahrt überhaupt keine so große Rolle beim Unterhalt der Heere spielt, als in Büchern vorgestellt zu werden pflegt, und daß diese Einwirkung auf den Gang der Begebenheiten darum eine sehr entfernte und ungewisse ist.

 
     Zwanzigstes Kapitel:
     A. Verteidigung von Morästen


     Große ausgedehnte Sümpfe, wie das Bourtanger Moor in Norddeutschland, kommen so selten vor, daß es nicht der Mühe wert wäre, dabei zu verweilen; aber man muß nicht vergessen, daß gewisse Niederungsstriche und sumpfige Ufer kleiner Flüsse häufiger vorkommen und dann sehr beträchtliche Abschnitte in der Gegend bilden, die zur Verteidigung benutzt werden können, und die man auch nur häufig dazu benutzt sieht.
     Die Maßregeln zu ihrer Verteidigung sind zwar ziemlich dieselben wie bei den Flüssen, indessen sind doch ein paar Eigentümlichkeiten besonders zu beachten. Die erste und hauptsächlichste ist, daß ein Sumpf, der außer den Dämmen für Fußvolk ganz unwegsam ist, viel größere Schwierigkeiten des Überganges hat als irgendein Fluß; denn erstlich ist ein Damm nicht so schnell gebaut wie eine Brücke, zweitens gibt es keine vorläufigen Übergangsmittel, wodurch die den Bau deckenden Truppen hinübergeschafft werden könnten. Niemand wird anfangen, eine Brücke zu bauen, ohne einen Teil der Schiffe zum Übersetzen der Avantgarde zu brauchen; beim Morast aber findet keine dementsprechende Aushilfe statt; die leichteste Art für bloßes Fußvolk, einen Übergang über einen Morast zu gewinnen, wären bloße Bretter, aber wenn der Morast von einiger Breite ist, so hält doch diese Arbeit ungleich mehr auf als das Überfahren der ersten Schiffe. Läuft nun in der Mitte des Morastes noch ein Fluß, der nicht ohne Brücke passiert werden kann, so wird die Aufgabe zur Herüberschaffung der ersten Truppen noch schwieriger, denn auf bloßen Brettern können wohl einzelne Menschen übergehen, aber nicht schwere Lasten fortgeschafft werden, wie sie zum Bau der Brücke nötig sind. Diese Schwierigkeit kann unter manchen Umständen unüberwindlich werden.
     Eine zweite Eigentümlichkeit des Sumpfes ist, daß man seine Übergänge nicht wie die der Flüsse ganz aufgeben kann; Brücken kann man abbrechen oder sie so zerstören, daß sie gar nicht benutzt werden können; Dämme aber kann man höchstens durchstechen, welches nicht viel sagen will. Fließt ein kleiner Fluß in der Mitte, so kann zwar seine Brücke weggenommen werden, aber der ganze Übergang wird dadurch doch nicht in dem Maße aufgehoben wie bei einem beträchtlichen Flusse durch das Zerstören seiner Brücke. Die natürliche Folge ist, daß man die vorhandenen Dämme jedesmal ziemlich stark besetzen und ernstlich verteidigen muß, wenn man überhaupt einen Vorteil von dem Moraste haben will.
     Man ist also von der einen Seite zur örtlichen Verteidigung genötigt, von der anderen wird eine solche durch die Schwierigkeit des anderweitigen Überganges erleichtert, und es machen also diese beiden Eigentümlichkeiten, daß die Verteidigung der Sümpfe mehr lokal und passiv sein muß als die der Flüsse.
     Eine Folge darin ist, daß man verhältnismäßig stärker sein muß als bei der unmittelbaren Stromverteidigung oder mit anderen Worten keine so lange Verteidigungslinie bilden kann, besonders in dem kultivierten Europa, wo die Zahl der Übergänge auch unter den günstigsten Umständen immer noch sehr groß zu sein pflegt.
     In dieser Rücksicht stehen sie also großen Strömen nach, und diese Rücksicht ist sehr wichtig, denn alle örtliche Verteidigung hat etwas höchst Verfängliches und Gefährliches. Wenn man aber bedenkt, daß solche Moräste und Niederungen eine Breite zu haben pflegen, mit der die der größten europäischen Ströme sich nicht vergleichen läßt, daß folglich ein zur Verteidigung eines Überganges aufgestellter Posten niemals in Gefahr ist, vom jenseitigen Feuer überwältigt zu werden, daß die Wirkung seines eigenen Feuers durch einen ganz engen, sehr langen Damm unendlich gesteigert wird, und daß überhaupt der Durchgang durch eine solche Straßenenge von einer Viertel- oder halben Meile Länge ungleich mehr aufhält als der Übergang über eine Brücke, so muß man eingestehen, daß solche Niederungen und Moräste, wenn ihre Übergänge nicht gar zu zahlreich sind, zu den stärksten Verteidigungslinien gehören, die es geben kann.
     Eine mittelbare Verteidigung, wie wir sie bei den Strömen und Flüssen kennengelernt haben, indem der Einschnitt des Bodens benutzt wird, eine Hauptschlacht vorteilhaft einzuleiten, bleibt übrigens ebenso anwendbar für Moräste.
     Die dritte Methode einer Flußverteidigung durch eine Stellung auf der feindlichen Seite würde aber wegen des langwierigen Überganges zu gewagt werden.
     Höchst gefährlich aber ist es, sich auf die Verteidigung solcher Moräste, Wiesen, Brücher usw. einzulassen, die außer den Dämmen nicht absolut unwegsam sind. Eine einzige Übergangsstelle, die der Feind entdeckt hat, reicht dann zur Sprengung der Verteidigungslinie hin, welches im Fall eines ernstlichen Widerstandes immer mit großen Verlusten verknüpft ist.
 
     B. Überschwemmungen

     Wir haben nun noch der Überschwemmungen zu gedenken. Sie sind unstreitig als Verteidigungsmittel sowie als Naturerscheinung großen Morästen am ähnlichsten.
     Freilich kommen sie wohl selten vor; vielleicht ist Holland das einzige Land in Europa, wo sie eine Erscheinung bilden, die in unserer Beziehung der Mühe wert ist, betrachtet zu werden; aber gerade dieses Land nötigt uns wegen der merkwürdigen Feldzüge von 1672 und 1787 sowie wegen seiner für Deutschland und Frankreich beziehungsreichen Lage, diesem Vorkommen ein paar Betrachtungen zu widmen.
     Der Charakter dieser holländischen Überschwemmungen ist von dem einer gewöhnlichen sumpfigen und unzugänglichen Niederung in folgendem verschieden:
     1. Das Land selbst ist trocken und besteht entweder in trockener Wiese oder auch in Fruchtfeldern;
     2. eine Anzahl kleiner Bewässerungs- und Entwässerungsgräben von mehr oder weniger Tiefe und Breite durchschneiden es so, daß sie sich strichweise in parallelen Richtungen befinden;
     3. größere für die Bewässerung, Entwässerung und Schiffahrt bestimmte Kanäle, von Deichen eingeschlossen, durchziehen das Land in allen möglichen Richtungen und sind von der Art, daß sie ohne Brücken nicht passiert werden können;
     4. die Fläche des Bodens der ganzen Überschwemmungsgegend liegt merklich unter dem Niveau des Meeres und folglich auch unter dem Niveau der Kanäle;
     5. es folgt hieraus, daß man vermittelst Durchstechung der Dämme, Sperrung und Aufziehung der Schleusen imstande ist, das Land selbst unter Wasser zu setzen, so daß nur die auf den höheren Dämmen liegenden Wege trocken bleiben, die anderen entweder ganz unter Wasser kommen oder durch das Wasser wenigstens so aufgeweicht werden, daß man sich ihrer nicht mehr bedienen kann. Ist nun auch die Überschwemmung nur 3 oder 4 Fuß hoch, so daß man sie allenfalls auf kurze Strecken durchwaten könnte, so verhindern dies doch die unter 2. genannten kleinen Gräben, welche man nicht sieht. Nur da, wo die Gräben eine entsprechende Richtung haben, so daß man zwischen zweien fortgehen kann, ohne einen oder den anderen zu überschreiten, hört die Überschwemmung auf, ein absolutes Hindernis des Zuganges zu sein. Es ist begreiflich, daß dies immer nur auf ganz kurze Strecken der Fall sein wird, also nur für ganz spezielle taktische Bedürfnisse benutzt werden kann.
     Aus allem diesen ergibt sich als Folge:
     1. daß der Angreifende auf eine mehr oder weniger geringe Zahl von Zugängen beschränkt ist, die auf ziemlich schmalen Dämmen liegen und gewöhnlich noch rechts und links einen Wassergraben haben, also eine unendlich lange ängstliche Straßenenge bilden;
     2. daß jede Verteidigungsanstalt auf einem solchen Damm außerordentlich leicht bis zum Unüberwindlichen verstärkt werden kann;
     3. daß aber der Verteidiger, eben weil er so eingeschränkt ist, auch was den einzelnen Punkt betrifft, bei der passivsten Verteidigung stehenbleibt und folglich sein ganzes Heil von dem passiven Widerstand erwarten muß;
     4. daß von einer einzelnen Verteidigungslinie, die wie eine einfache Barriere das Land schließt, nicht die Rede ist, sondern daß, weil man überall dasselbe Hindernis des Zuganges zum Schutz seiner Flanken hat, man auch unaufhörlich neue Posten anlegen und ein verlorengegangenes Stück der ersten Verteidigungslinie auf diese Weise durch ein neues ersetzen kann. Man möchte sagen, die Zahl der Kombinationen sei hier wie auf dem Schachbrett unerschöpflich.
     5. Weil aber dieser ganze Zustand eines Landes nur bei der Voraussetzung einer sehr großen Kultur und Bevölkerung denkbar ist, so folgt von selbst, daß die Zahl der Durchgänge und folglich die Zahl der Posten, welche sie schließen, im Verhältnis zu anderen strategischen Aufstellungen sehr groß sein wird; woraus dann wieder folgt, daß eine solche Verteidigungslinie nicht lang sein darf.
     Die holländische hauptsächlichste Linie geht von Naarden am Zuidersee größtenteils hinter der Vecht bis Gorkum an der Waal, d. h. eigentlich an den Biesbosch und hat eine Ausdehnung von etwa 8 Meilen. Zur Verteidigung dieser Linie ist 1672 und 1787 eine Macht von 25 bis 30000 Mann verwendet worden. Könnte man mit Sicherheit auf einen unüberwindlichen Widerstand rechnen, so wäre das Resultat allerdings ein sehr großes, wenigstens für die dahinterliegende Provinz Holland. Im Jahr 1672 widerstand die Linie wirklich einer beträchtlichen Übermacht unter großen Feldherren, nämlich anfangs Condé und nachher Luxemburg, die wohl 40 bis 50000 dagegen hätten führen können, und die doch mit Gewalt nichts unternehmen, sondern den Winter abwarten wollten, der aber nicht strenge genug war. Dagegen war im Jahr 1787 der Widerstand in dieser ersten Linie völlig nichtig, und selbst der in einer viel kürzeren zwischen dem Zuidersee und Haarlemer Meer, obgleich etwas ernstlicher, wurde durch die bloße Wirkung einer sehr künstlichen, auf die Lokalität genau berechneten taktischen Disposition des Herzogs von Braunschweig an einem Tage überwunden, obgleich die Streitkraft der Preußen, welche wirklich gegen diese Linien anrückte, den Verteidigern wenig oder gar nicht überlegen war.
     Der verschiedene Erfolg in den beiden Verteidigungen lag in der Verschiedenheit des Oberbefehls. Im Jahr 1672 wurden die Holländer von Ludwig XIV. in ihren Friedenseinrichtungen überfallen, in denen, was die Landmacht betraf, bekanntlich kein sehr kriegerischer Geist lebte. Daher war der größte Teil der Festungen mit allen Ausrüstungsgegenständen schlecht versorgt, mit schwachen Besatzungen gemieteter Truppen besetzt, entweder von treulosen Ausländern oder von unfähigen Eingeborenen als Kommandanten verteidigt. Daher fielen die von den Holländern am Rhein besetzten brandenburgischen Festungen sowie alle ihre eigenen der obigen Verteidigungslinie östlich gelegenen Plätze mit Ausnahme von Groningen den Franzosen sehr bald und meistens ohne wahre Verteidigung in die Hände. Und in der Eroberung dieser großen Zahl von Festungen bestand dann die Haupttätigkeit der 150000 Mann starken französischen Armee.
     Als aber durch die im August 1672 eingetretene Ermordung der Gebrüder De Witt der Prinz von Oranien an die Spitze der Gewalt kam und Einheit in die Verteidigungsmaßregeln brachte, da war es eben noch Zeit, die obige Verteidigungslinie zu schließen, und nun griffen alle Maßregeln so gut ineinander, daß weder Condé, noch Luxemburg, der nach dem Abmarsch der beiden Armeen unter Turenne und unter Ludwig XIV. die in Holland zurückgebliebene anführte, etwas gegen die einzelnen Posten zu unternehmen wagten.
     Im Jahr 1787 waren die Verhältnisse ganz anders. Es war nicht die Republik der vereinigten sieben Provinzen, sondern eigentlich nur die Provinz Holland, welche den eigentlichen Feind des Angreifenden ausmachte und den Hauptwiderstand tun sollte. Von der Eroberung aller der Festungen, die im Jahr 1672 die Hauptsache ausmachte, war also nicht die Rede, die Verteidigung beschränkte sich sogleich auf die oben gedachte Linie. Der Angreifende hatte aber auch nicht 150-, sondern nur 25000 Mann und war kein mächtiger König eines benachbarten großen Reiches, sondern nur der abgeordnete Feldherr eines sehr entfernten, in manchen Rücksichten gebundenen Fürsten. Das Volk war zwar überall, auch in Holland, in zwei Parteien geteilt, aber die republikanische in Holland entschieden vorherrschend und dabei in einer wahrhaft enthusiastischen Spannung. Unter diesen Umständen hätte allerdings der Widerstand im Jahr 1787 wenigstens ein ebenso gutes Resultat liefern sollen als der von 1672. Aber es bestand ein wichtiger Unterschied zum Nachteil des Jahres 1787, es fehlte die Einheit des Befehls. Was 1672 der verständigen, klugen, kräftigen Leitung Wilhelms von Oranien übergeben war, wurde 1787 einer sogenannten Defenskommission anvertraut, die, ob sie gleich aus vier kräftigen Männern bestand, doch nicht imstande war, in das ganze Werk eine solche Einheit der Maßregeln und in die einzelnen Menschen ein solches Vertrauen zu bringen, daß sich nicht das ganze Instrument im Gebrauch unvollkommen und untüchtig gezeigt hätte.
     Wir sind hierbei einen Augenblick verweilt, um der Vorstellung von dieser Verteidigungsmaßregel etwas mehr Bestimmtheit zu geben und zugleich zu zeigen, wie verschieden die Wirkungen sind, je nachdem in der Leitung des Ganzen mehr oder weniger Einheit und Folge ist.
     Obgleich die Einrichtung und Widerstandsart einer solchen Verteidigungslinie ein Gegenstand der Taktik ist, so können wir doch nicht unterlassen, in Beziehung auf die letztere, welche der Strategie schon näher liegt, uns eine Bemerkung zu erlauben, welche uns der Feldzug von 1787 an die Hand gegeben hat. Wir glauben nämlich, daß, so passiv die Verteidigung auf den einzelnen Posten nach der Natur der Dinge sein muß, doch eine offensive Gegenwirkung von irgendeinem Punkt der ganzen Linie aus nicht unmöglich und nicht ohne guten Erfolg sein wird, wenn der Gegner, wie 1787 der Fall war, nicht merklich überlegen ist. Denn obgleich ein solcher Ausfall auch nur auf Dämmen geschehen kann, und da er allerdings auch keine große Freiheit der Bewegung und keine sonderliche Stoßkraft haben wird, so wird doch der Angreifende nicht imstande sein, alle die Dämme und Wege, auf denen er nicht selbst vorgeht, zu besetzen, und da dürfte es für den Verteidiger, der das Land kennt und im Besitz der festen Punkte ist, immer noch Mittel geben, um auf diese Weise entweder einen wirklichen Seitenanfall gegen die vorgehenden Angriffskolonnen auszuführen oder ihnen die Verbindung mit ihren Vorräten abzuschneiden. Wenn man aber bedenkt, in welcher unendlich gezwungenen Lage sich der Vorgehende selbst befindet, daß er namentlich von seinen Verbindungen abhängiger ist als in allen anderen Fällen, so wird man wohl begreifen, daß jeder Ausfall des Verteidigers, der nur eine entfernte Möglichkeit des Erfolges für sich hat, schon als Demonstration von einer großen Wirksamkeit sein muß. Wir sind sehr zweifelhaft, ob der vorsichtige und behutsame Herzog von Braunschweig, wenn die Holländer eine einzige solche Demonstration, z. B. von Utrecht aus, gemacht hätten, es gewagt haben würden, sich Amsterdam zu nähern.