BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

______________________________________________________________________________

 

 

 

 

 

 

Paris. Am Neujahrstage beschenkt man sich mit bonbons und buntem Allerlei, das ist so ziemlich Alles, und macht auch nebenbei dem lieben Gott in der Kirche eine Staats-Visite. Demohngeachtet hatte ich mir vorgenommen, so ein liebes Tannenbäumchen hierher zu verpflanzen, und das geschah auch nicht ohne Mühseligkeit. Einen ganzen Nachmittag fuhr ich in einem Fiaker Straßen auf und ab, bis der Kram beisammen war: als Bäumchen, Nüße, Goldschaum, Devisen, Zucker, Spielzeug und Bilderbuch. Am Vorabend des Weihnachtsfestes, in der Dämmerung, stellte ich meinen deutschen Christbaum in den Salon, und zündete die vielen Lichter an. Als Mylady, Emily und Andere eintraten, ertönte von allen Seiten ein Ausruf der Verwunderung. Meine Kleine blickte mit einem tiefen Ach! unverwandt in das Lichtmeer. Dann zog sie mich in die Ecke, streichelte, küßte mich und drückte mir die Hand, daß ich hätte aufschreien mögen. Nachdem sie sich erholt, wünschte sie eine nähere Erklärung des wunderbaren Baumes. Da wurde mir selbst erst jetzt, indem ich darüber nachsann, folgende Bedeutung. Ich sagte, daß der Stamm des Bäumchens den Stamm des Kreuzes andeute, an dem Christus, Gottes Sohns gestorben, für uns, um uns den Himmel zu eröffnen. Die Früchte stellten die zeitlichen und ewigen Güter vor , die wir umsonst hinnehmen, um seines Todes und seiner Auferstehung willen. Die Lichter, welche Freude verbreiten, seyen das Sinnbild des Evangeliums in der Welt. Denn welche Freude mögen die Hirten gehabt haben, als sie hörten, Euch ist heute der Heiland geboren. –

 

Ende Januar erhielt ich eine Einladung von Frau von S..., dieser lieben Freundin, sie auf einige Tage auf ihrem, zehn Stunden von hier gelegenen, Landsitz zu besuchen. Alles fügte sich so, daß mir diese Freude zu Theil werden sollte. Ich bestellte einen Platz in der Diligence, die, wie es hieß, am nächsten Abend um 9 Uhr dahin abfahre. Der Bediente meinte, ich dürfe für die Gesellschaft nicht besorgt seyn, denn er habe auf der Karte angezeigt gesehen: Monsieur un tel! Madame une telle! In dem Posthof angekommen, schwang bereits der Postillon sich auf die Pferde. Die Thüre ward geöffnet. Ach! „da drinnen war's fürchterlich!“ Statt Madame und Monsieur, wie ich solche mir vorgestellt, saßen hier ein paar braune Männer in Fuhrmannskitteln, zwei Weiber schlechtweg, ein kleines, dreieckiges Ding, was ein Kind vorstellte, und nun in diesem Qualm von Liberalismus sollte ich Arme eine ganze Nacht hindurch vegetiren! Doch nicht genug. Kaum war ich blaß zurückgeprallt, als das Volk drinnen zu murmeln anfieng, es sei kein Platz mehr da. Eben wollte ich meinen Rückzug antreten, als der Conducteur auf das Ritterlichste für mich kämpfte, indem sein dürrer Arm rechts und links stäubte, und so in Gottes Namen stieg ich ein. – Jetzt gilt's, dachte ich, spende ein freundliches Wort den Franzosen, soll es dir wohl gehen. Und wirklich! Kaum  hatte  ich  mit  einigen  Phrasen,  wie  Pardon Ma­dame! s'il  vous  plait, Monsieur!  um  mich  geworfen,  als es  lichter  wurde.  Man  entledigte  mich meiner Reisetasche, und dafür bot ich dem Kinde, was unterdessen  ein  paar  hübsche  braune  Augen bekommen

 

 


 

Der Christbaum.