BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Adolf von Düring

1880

 

Die Canterbury-Erzählungen

 

Fragment III

 

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Erzählung des Bettelmönches.

Vers 1004 - 1367

 

 

Es lebte früherhin bei mir zu Land

Ein Erzdekan, ein Mann von hohem Stand

Und größter Strenge gegen Hurerei

Und Zauberkünste, sowie Kuppelei;

Auch unterstanden seinem Urtheilsspruch

Die Schändungsfälle, wie der Ehebruch;

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Die Kirchenräthe, wie die Testamente

Und die Versäumniß heil'ger Sacramente

Und Wucher, Simonie und Eh'contracte.

Doch Hurenjäger er am schlimmsten zwackte;

Die mußten brennen; und es büßte theuer,

Wer geizen wollte mit der Kirchensteuer;

Da, wenn der Pfarrer sich darob beschwerte,

Das Strafgeld ohne Gnade sich vermehrte;

Und, war der Zehnte und das Opfer klein,

Schrob er den Sünder dafür ungemein;

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Denn, eh' der Bischof seinen Krummstab schwang,

Stand er im Buch des Erzdekans schon lang;

Als der Vollstrecker der Gerichtsbarkeit

Hatt' er zu strafen Machtvollkommenheit.

Es ging ein Büttel ihm dabei zu Hand,

Der größte Schlaukopf in ganz Engeland,

Der durch Geschick und List im Spioniren

Alles erfuhr, wobei zu profitiren.

Durch Schonung eines oder zweier Hurer

Kam oftmals zwanzig andern auf die Spur er.

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– Mag sich auch drüber faseltoll gebärden

Der Büttel hier; nichts soll geschenkt ihm werden! –

Von ihrer Correction sind wir befreit;

Wir unterstehen der Gerichtsbarkeit

Von ihnen nicht, und werden es auch nimmer!

„Ja, Peter! grade wie die Frauenzimmer

In den Bordellen!“ – fiel der Büttel ein.

„Still! mit den widerwärt'gen Stänkerei'n!“

– Rief unser Wirth – „Erzähle, was geschehn;

Mag auch der Büttel Dir dazwischen krähn,

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Mein liebster Meister, spare drum kein Wort!“

Der Dieb und Büttel – fuhr der Bruder fort –

Hielt alle Kuppler so in seiner Hand,

Wie man Lockfalken hält in Engeland.

Sie machten jede Heimlichkeit ihm kund,

Denn nicht von gestern war ihr Freundschaftsbund.

Sie waren die vertrauten Hinterbringer,

Und sein Profit war darum kein geringer.

Sein Meister wußte nicht, was er gewann.

Bei Christi Fluch lud den gemeinen Mann

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Vor das Gericht er ohne Citation,

Und der war froh, kam er mit Geld davon,

Und gab im Bierhaus dafür ihm zu saufen.

Recht wie ein Judas ließ er sich erkaufen,

Und war ein Dieb, ein rechter Dieb wie er!

Von den Gebühren sah sein Herr nicht mehr

Als kaum die Hälfte; denn er war und blieb

– Soll ich ihn loben – Büttel, Kuppler, Dieb!

Er forschte von den Gassendirnen aus,

Ob Peter, Konrad, Robert oder Klaus

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– Wer's immer war – bei ihnen schlief die Nacht;

Ihm ward stets Alles heimlich hinterbracht.

Sie spielten mit ihm unter einer Decke.

Durch ein Mandat, von ihm zu diesem Zwecke

Gefälscht, lud vors Capitel er die Zwei,

Pflückte den Mann und lies die Dirne frei;

Und sprach: „Mein Freund! wir wollen uns vergleichen,

Ich will Dich aus dem schwarzen Buche streichen;

Für diesesmal magst Du noch ruhig sein.

Ich bin Dein Freund und will Dir Beistand leihn!“

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So ließ er sich in jeder Art bestechen;

Man könnte jahrelang darüber sprechen.

Es spürte besser in der Welt kein Hund,

Ob unverletzt das Wild sei oder wund,

Als dieser Büttel jeden Wollüstling

Und Ehebrecher witterte und fing.

Denn da er hierdurch sich sein Brod gewann,

So ging er auch mit allem Eifer dran.

Als eines Tages dieser Büttel ritt,

Nach Beute spähend, über Land, damit

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Von einer Wittib, einer alten Trätsche,

Durch falsche Drohung etwas er erquetsche,

Geschah es, daß am grünen Waldesrand

Er einen schmucken Reiter vor sich fand,

Im grünen Wams mit Pfeilen dicht besteckt

Für seinen Bogen, und den Kopf bedeckt

Mit einem schwarzbesetzten Tressenhut.

„Heil!“ – rief der Büttel – „Herr! das trifft sich gut!“

„Willkommen mir, wie alle braven Leute!“

– Der Reiter sprach – „Geht Deine Reise heute

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Noch weit in diesen grünen Wald hinein?“

Und ihm erwidernd, sprach der Büttel: „Nein!

Nicht gar so weit. Ich bin dem Ziel nicht fern.

Ich habe nahebei für meinen Herrn

Nur eine fäll'ge Rente zu erheben.“

„So bist ein Vogt Du?“ – „Ja, das bin ich eben“

– Sprach jener; denn er schämte sich zu sehr

Einzugestehn, daß er ein Büttel wär'. –

„Pardieu! mein lieber Bruder,“ – sprach der Reiter –

„Du bist ein Vogt, und, sieh', ich bin ein zweiter;

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Ich bin in diesem Lande nicht zu Haus,

Und drum bitt' ich mir Deine Freundschaft aus

Und Deine Bruderschaft, wenn's Dir gefällt.

Mein Kasten steckt voll Gold und Silbergeld;

Und führt zu meinem Lande Dich Dein Loos,

Ist Alles Dein! – Du hast zu wünschen bloß!“

„Grand merci!“ – sprach der Büttel – „auf mein Wort!“

Und Hand in Hand beschworen sie sofort,

Sich bis zum Tod als Brüder zu betrachten,

Und ritten weiter, trieben Scherz und lachten.

1110

Der Büttel stak so voller Schwätzerei,

Wie jene gift'gen Würger voll Geschrei,

Und Alles, was er konnte, forscht' er aus.

„Mein Bruder!“ – sprach er – „sag', wo liegt Dein Haus,

Damit ich weiß, wo ich Dich suchen kann?“

Und sanft erwiderte der Reitersmann:

„Mein Bruder! weit nach Norden mußt Du gehn;

Doch hoff' ich eines Tages Dich zu sehn;

Denn, eh' wir scheiden, wirst genug Du wissen,

Um meine Wohnung nimmer zu vermissen.“

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„Nun, Bruder!“ – sprach der Büttel – „dann gewähre

Mir diese Bitte: auf dem Wege lehre

– Da, wie ich selber, ja ein Vogt Du bist –

Für den Beruf mir ehrlich eine List,

Durch die am meisten ich verdienen kann.

Auf Sünde noch Gewissen kommt es an.

Wie Du es treibst, vertrau' mir ohne Scheu!“

„Nun, lieber Bruder!“ – sprach er – „meiner Treu'!

Die Wahrheit sag' ich ohne Vorbehalt!

Nur sehr gering und klein ist mein Gehalt,

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Mein Herr ist hart und hält mich knapp und spärlich,

Und mein Geschäft ist mühsam und beschwerlich.

Und deßhalb muß ich von Erpressung leben;

Ich nehme Alles, was mir Leute geben,

Und durch Gewalt und schlaues Ueberlisten

Muß ich von Jahr zu Jahr mein Leben fristen!

Nichts andres weiß ich zu erzählen schier!“

„Nun“ – sprach der Büttel – „grade so geht's mir!

Ich nehme gleichfalls Alles mit – Gott weiß! –

Wenn es nicht allzuschwer ist und zu heiß.

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Durch Schlauheit such' ich Alles zu bekommen,

Und mein Gewissen bleibt ganz unbeklommen,

Ich muß erpressen, will ich nicht verrecken!

Durch Kindermärchen lass' ich mich nicht schrecken!

Nichts weiß von Magen- und Gewissensdruck ich,

Und auf die alten Beichtstuhlpfaffen spuck' ich!

Doch bei St. Jakob und dem heil'gen Geist!

Mein lieber Bruder! sag' mir, wie Du heißt?“

So sprach der Büttel. – Und der Reitersmann

Fing bei der Frage still zu lächeln an.

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„Soll ich Dir's sagen, lieber Mitgeselle?

Ich bin“ – sprach er – „der Böse aus der Hölle!

Ich reite hier, um etwas zu erbeuten,

Was man mir giebt, das nehm' ich von den Leuten,

Damit ich meine Rente mir gewinne.

Sieh'! ganz dasselbe hast auch Du im Sinne:

Gewinnen willst auch Du auf jede Weise,

Und so thu' ich. – Und einer Beute reise

Ich bis zum Ende dieser Welt jetzt nach!“

„Ei, benedicite!“ – der Büttel sprach –

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„Ich sah für einen Vogt bislang Dich an.

Dem Ansehn nach bist Du, wie ich, ein Mann.

Habt Ihr in Eurem Höllenaufenthalt

Denn ganz bestimmte Bildung und Gestalt?“

„Nein“ – sprach der Böse – „in der Hölle nicht.

Doch können wir Figur uns und Gesicht,

Euch zu berücken, nach Belieben schaffen.

Bald gehen wir als Menschen, bald als Affen,

Und oftmals reit' ich selbst umher als Engel.

Das ist kein Wunder. – Jeder Lausebengel

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Von Taschenspieler weiß zu täuschen Dich;

Und doch – Pardi! – was ist er gegen mich?“

„Weßwegen“ – rief der Büttel – „geht in mehr

Als einer Form Ihr aber dann umher?“

„Weil wir“ – sprach er – „uns stets zu unsern Zwecken

Unter der passendsten Gestalt verstecken.“

„Jedoch, warum habt Ihr Euch so zu schinden?“

„Mein lieber Büttel! aus verschiednen Gründen!“

– Der Böse sprach. – „Doch jedes Ding zur Zeit!

Der Tag ist kurz und vorgerückt schon weit,

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Und doch hab' ich bislang noch nichts gewonnen.

Und das zu thuen, bin ich mehr gesonnen,

Als breiter oder tiefer einzugehn

Auf unsre Sachen. – Diese zu verstehn,

Mein lieber Bruder, bist Du viel zu grün.

Du fragst, weßhalb wir uns so abzumühn?

Je nun! wir sind zum Werkzeug auserlesen,

Von Gott, damit auf Erden wir die Wesen,

Wie uns Befehl gegeben ist von oben,

In dieser oder jener Art erproben.

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Doch macht- und kraftlos sind wir ohne Ihn,

Nur Seinen Willen dürfen wir vollziehn.

Manchmal erlaubt er uns den Leib zu fassen,

Und heißt, die Seele ungestört zu lassen,

Wie zu ersehen ist aus Hiobs Leiden;

Auch überläßt er manchmal uns die beiden,

Das heißt: die Seele und den Leib dazu.

Und manchmal lassen wir den Leib in Ruh'

Und suchen nur der Seele beizukommen,

Wie Gott befiehlt; denn zu des Menschen Frommen

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Dient die Versuchung, daß er sie bezwinge

Und sich das ew'ge Seelenheil erringe.

Uns, freilich, kann es weniger erbauen,

Entkommt er unbeschädigt unsern Klauen! –

Ja, selbst den Menschen müssen wir auf Erden,

Wie bei St. Dunstan, manchmal dienstbar werden;

Und des Apostels Diener war auch ich!“

Der Büttel sagte: „Nun, auf Glauben, sprich!

Entnehmt dem Stoff stets neue Leiber Ihr?“

„Nein,“ – sprach der Böse – „manchmal nehmen wir

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Gestalt von Todten an. – Indessen Schein

Kann Alles auch, je nach dem Umstand, sein;

Und dabei reden wir so schlau und klug

Wie Samuel, den das Zauberweib befrug.

– Doch wer bestreitet, daß er selbst erschien,

Dem will ich seinen Glauben nicht entziehn. –

Doch ohne Scherz, mein Bruder, Dir wird bald

– Ich warne Dich zum Voraus! – die Gestalt

Und Form von uns an einem andern Orte

Weit klarer werden als durch meine Worte.

1220

Darüber sprichst Du aus Erfahrung später

So gut, wie ein Professor vom Katheder,

Und besser, als zu ihren Lebenszeiten

Virgil und Dante. – Laß uns weiter reiten!

Ist Dir vor meinem Umgang nicht zu bang',

So leist' ich Dir Gesellschaft wie bislang.“

„Nein!“ – sprach der Büttel – „das befürchte nimmer!

Ich bin ein Ehrenmann und hielt noch immer,

Was ich versprach; und Alle wissen das.

Und wärst Du selbst der Teufel Satanas,

1230

So hielte dennoch, Bruder, meinen Eid ich.

Wir schwuren es uns Beide gegenseitig,

Getreue Brüder immerdar zu bleiben.

Laß uns in Frieden das Geschäft betreiben!

Du nimmst, was Dir, ich das, was mir gegeben,

So können Beide wir mitsammen leben;

Und macht der eine größeren Gewinn,

So theilen wir's in brüderlichem Sinn.“

„Bewilligt!“ – sprach der Böse – „auf mein Wort!“

Und damit ritten ihres Wegs sie fort.

1240

Kaum hatten einer Stadt sie auf den Rath

Des Büttels darauf Beide sich genaht,

Sah'n einen Karren sie mit Heu im Drecke

Vorm Thore stehen, welchen nicht vom Flecke

Der Fuhrmann brachte, ob er toll genug,

Tobend und fluchend, mit der Peitsche schlug:

„Hü! Fuchs! Hü! Dachs! – wollt Ihr die Steine sparen?

Hol' Euch der Teufel gleich mit Haut und Haaren!

Verflucht! mehr als Ihr Fohlen je getragen,

Hat man mit Euch zu schinden sich, zu plagen!

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Der Teufel hole Wagen, Heu und Pferd!“

„Das ist der Beute“ – rief der Büttel – „werth!“

Und an den Bösen drängt er sich ganz dicht,

Ins Ohr ihm raunend: „Bruder! hörst Du nicht?

Horch auf! bei meiner Treu', horch auf! was eben

Der Fuhrmann Dir versprochen hat zu geben!

Rasch zugegriffen! Dir gehören, Bruder,

Jetzt die drei Pferde sammt dem ganzen Fuder!“

„Nein! weiß es Gott!“ – erwiderte der Feind. –

„Du kannst mir trau'n: so war es nicht gemeint,

1260

Glaubst Du mir nicht, so gehe hin, frag' zu!

Sonst warte nur, dann siehst es selber Du.“

Und auf der Gäule Kruppen peitschte dann

Der Fuhrmann und sie zogen kräftig an.

„Hü!“ – rief er – „Hott! – Jetzt sind wir los! – Jetzt geht's!

Dafür belohne Jesus Christ Euch stets!

Jetzt sind wir aus dem Dreck! – Mein lieber Schimmel!

Das heiß' ich brav gezogen! – Gott im Himmel

Und St. Eligius segne Dich dafür!“

„Mein lieber Bruder! nun, was sagt' ich Dir?

1270

Hier kannst Du sehen, Bruder,“ – sprach der Feind –

„Der Kerl versprach, was niemals er gemeint.

Wir ziehen besser unsers Wegs von hinnen,

Bei diesem Karren ist nichts zu gewinnen!“

Doch als die Stadt kaum hinter ihnen lag,

Begann der Büttel wiederum und sprach:

„Hier, Bruder, wohnt ein altes, geiz'ges Weib,

Der ist ein Groschen lieber als ihr Leib;

Die mir indessen – tobte sie wie toll –

Zum mindesten zwölf Groschen geben soll;

1280

Sonst lad' ich sie starks vor den Erzdekan,

Obschon – weiß Gott! – nichts Böses sie gethan.

Doch hier zu Lande kommt nicht anders man

Auf seinen Preis. – Nimm Dir ein Beispiel dran!“

Der Büttel klopfte vor der Wittwe Haus.

„Du, alte Troddel!“ – rief er – „komm' heraus!

Ich glaube gar, ein Pfaffe steckt bei Dir!“

„Wer klopft hier?“ – frug das Weib – „was wünschet Ihr?

Ach! lieber Herr! Euch segne Gott in Gnaden!“

„Ich komme,“ – sprach er – „um Dich vorzuladen

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Bei Strafe der Verfluchung! – Morgen früh

Beugst vor dem Erzdekan Du Deine Knie',

Und Du bekennst, was Dein Verbrechen ist!“

„Ach, lieber Himmelskönig, Jesus Christ!

Erbarm' Dich meiner!“ – schrie das alte Weib.

„Seit langer Zeit schon bin ich krank im Leib

Und böse Stiche hab' ich in den Seiten.

So weit kann weder gehen ich noch reiten.

Mein lieber Büttel! gebt mir Permission

Bei dem Gerichte durch Procuration

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Zu widerlegen, was mir schuld gegeben!“

„Nun“ – sprach der Büttel – „dann bezahl' mir eben

Zwölf Groschen nur, und damit bist Du frei.

Wahrhaftig, ich verdiene kaum dabei,

Mein Meister ist es, der allein gewinnt.

Heraus mit den zwölf Groschen! Mach' geschwind!

Damit ich schleunigst meiner Wege zieh'.“

„Zwölf Groschen?!“ – rief sie – „Heilige Marie!

Schütz' mich so treu vor Sünden und in Noth,

Wie ein Zwölfgroschenstück nie zu Gebot

1310

Auf dieser ganzen, weiten Welt mir stand!

Als alt und dürftig bin ich Euch bekannt. –

Ach! gebt mir Armen eine kleine Gabe!“

„Hol' mich der Teufel! wenn ich Nachsicht habe,

Verrecke, wenn Du willst!“ – der Büttel schrie.

„Weiß Gott!“ – sprach sie – „was Böses that ich nie!“

„Bezahle!“ – sprach er – „oder – bei St. Anne! –

Zum Pfande nehm' ich Deine neue Pfanne

Für eine Schuld, die ich für Dich berichtigt

Vor Zeiten habe, als man Dich bezüchtigt,

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Du hättest Deinen Ehemann betrogen!“

„Bei meiner Seligkeit! das ist erlogen!“

– Rief sie – „Zeit meines Lebens stand ich nicht

Als Weib und Wittwe jemals vor Gericht!

Ich war beständig ein getreues Weib!

Der schwarze Teufel möge Deinen Leib

Und meine Pfanne nebendrein bekommen!“

So schwur sie auf den Knie'n. – Und als vernommen

Dies Wort der Teufel hatte, frug er sie:

„Nun, meine liebe Mutter Mabily,

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Hast Du in vollem Ernste dies gesprochen?“

„Hol' ihn der Feind“ – schrie sie – „mit Haut und Knochen!

Und Pfann' und Alles, wenn er nicht bereut!“

„Wie, alte Hexe, bist Du nicht gescheidt?

Ich soll bereu'n?“ – fuhr sie der Büttel an. –

„Kein Ding gereut mich, was ich kriegen kann,

Und Rock und Unterrock will ich Dir nehmen!“

Der Teufel sprach: „Laß, Bruder, Dich's nicht grämen:

Dein Leib und diese Pfanne sind jetzt mein;

Mit mir mußt in die Hölle Du hinein!

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Dort lernst Du mehr von unsern Sachen, wie

Je ein Magister der Theologie!“

Und Leib und Seele packte mit dem Worte

Der Teufel und entführte sie zum Orte,

Der Bütteln ist als Erbtheil zugedacht.

Gott, der nach seinem Bilde uns gemacht,

Mög' Allen gnädig seine Huld bescheeren,

Und unsern Freund – den Büttel hier – bekehren!

„Nun, Herren!“ – sprach der Bruder – „insofern

Der Büttel es erlaubte, hätt' ich gern

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Euch nach dem Text von Christ und St. Johannes,

St. Pauls und manchen schriftgelehrten Mannes

Erzählt vom Haus der Hölle. – Doch das Leid

Ist herzzerreißend. – Und die Wirklichkeit

Vermöcht' ich nicht, mit allen ihren Qualen

In tausend Jahren selbst Euch auszumalen.

Drum wacht und betet, damit Christi Güte

Vor dem verfluchten Ort Euch stets behüte,

Sowie vor dem Versucher Satanas.

Hört auf mein Wort! und tragt im Sinne, daß

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Auf Lauer immerdar der Löwe liegt

Und, wo er kann, die Unschuld stets bekriegt,

Stärkt Eure Herzen, daß Ihr widersteht

Dem bösen Feind und seinem Joch entgeht!

Die Tücke des Versuchers reicht nicht weiter

Als Eure Kraft; denn Christ ist Euer Streiter!

Und ihm sei dieser Büttel auch empfohlen;

Bereut er nicht – mag ihn der Teufel holen!“