BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Adolf von Düring

1880

 

Die Canterbury-Erzählungen

 

Fragment VII

 

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Erzählung des Schiffers.

Vers 1 - 134

 

 

Einst war ein Handelsherr in St. Denis,

Dem vieles Geld den Ruf der Weisheit lieh.

Von wunderbarer Schönheit war sein Weib

Und höchst erpicht auf Lust und Zeitvertreib;

Was weit mehr kostet, als die Reverenzen

Und Artigkeiten junger Herrn bei Tänzen

Und Festen werth sind. Denn von Unbestand

Und flücht'ger, als der Schatten an der Wand,

Ist solches Mienenspiel und solcher Gruß.

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Doch wehe dem, der dafür zahlen muß!

Ein dummer Ehemann muß dennoch zahlen!

Er muß uns kleiden, daß im Schmuck wir strahlen,

Und schön geputzt uns seiner Ehre wegen

In solchem Staat beim lust'gen Tanz bewegen.

Sollt' er die Mittel uns dazu versagen,

Und über Kosten und Verluste klagen,

Vielleicht sogar uns der Verschwendung zeihn,

So muß ein Anderer schenken oder leihn

Uns Gold dazu – und das bringt oft Gefahr.

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Es ging beim edlen Kaufmann eine Schaar

Verschiedner Gäste täglich ein und aus.

Kein Wunder war es. Stattlich war sein Haus

Und schön sein Weib. – Doch lauschet meinem Wort!

Man konnte neben andern Gästen dort

Auch einen schönen, kecken Mönch gewahren,

Dem Alter nach von etwa dreißig Jahren,

Der dieses Haus stets zu besuchen pflegte.

Zu diesem jungen, schönen Mönche hegte

So große Neigung jener gute Mann,

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Seit die Bekanntschaft beiderseits begann,

Daß dieser Mann dort so vertraut verkehrte,

Wie man es je dem besten Freund gewährte.

Und da noch fernerweitig dieses Paar

In einem Dorf zur Welt gekommen war,

So redete der Mönch den guten Mann

Beständig nur als seinen Vetter an,

Und dieser widersprach ihm darin nicht.

Nein, wie der Vogel, wenn der Tag anbricht,

War er vergnügt und froh von Herzensgrund.

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So hatten miteinander sie den Bund

Geschlossen und ihr Wort darauf gegeben,

In Brüderschaft für immerdar zu leben.

Höchst generös war immer Dan Johann,

Zumal in jenem Hause, und er sann

Auf das, was Kosten und Vergnügen machte.

Bis auf den letzten Pagen hin bedachte

Er nach dem Rang das ganze Hausgesinde

Mitsammt dem Herrn und gab als Angebinde,

Was passend war, betrat er nur die Schwelle;

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Und wie ein Vogel bei der Morgenhelle

War Jedermann, sobald er kam, vergnügt.

Nichts mehr davon! – was ich gesagt, genügt.

Einst schickte nun sich dieser Handelsmann

Geschäfte halber zu verreisen an;

Nach Brügge dachte nämlich er zu gehn,

Um dort verschiedne Waaren zu erstehn.

Doch vorher sandt' er Botschaft nach Paris

An Dan Johann, den er ersuchen ließ,

Mit ihm und seiner Frau auf alle Weise

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Noch ein paar Tage vor der Brügger Reise

In St. Denis vergnüglich hinzubringen.

Der Abt des Klosters ließ in solchen Dingen

Stets dem besagten Mönche freie Hand.

Ihm war, als einem Manne von Verstand,

Das Amt verliehen, zu verschiednen Zeiten

Die Scheunen und Gehöfte zu bereiten;

Und somit kam nach St. Denis er schnell.

Wie sehr war der galante Junggesell,

Der theure Vetter Hans, daselbst willkommen!

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Geflügel hatt' er für sie mitgenommen,

Ein Krüglein Malvasier, ein Fläschchen auch

Voll Toskerwein. – Ei, ja! das war sein Brauch. –

Und damit überlaß ich auf zwei Tage

Den Mönch und Kaufmann ihrem Zechgelage.

Es überschlug sodann am dritten Morgen

Der Kaufmann seinen Geldbedarf mit Sorgen.

Drum ging er eilig in sein Lagerhaus

Und rechnete dort wohlbedächtig aus,

Wie es in diesem Jahre mit ihm stand,

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Und wie sein Geld verthan und angewandt,

Und ob er „Gut“ behalten oder „Schuld“.

Er legte nieder auf sein Rechenpult

Viel Bücher und viel Beutel voller Geld.

Doch Schatz und Kasse fand er reich bestellt.

Drum schloß er eiligst seine Thüre zu,

Damit er ohne Störung, ganz in Ruh,

Vollenden könne seine Rechnerei;

Und saß daran bis Primezeit vorbei.

Auch Dan Johann war früh am Morgen wach

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Und ging im Garten auf und ab und sprach

Sein Frühgebet in salbungsvoller Weise.

Zum Garten aber, wo er ging, schlich leise

Das gute Weibchen etwas später auch

Und grüßte dort ihn nach gewohntem Brauch.

Ein kleines Mädchen hatte zur Begleitung

Sie an der Hand, das sie in Zucht und Leitung

Noch leicht zu halten wußte mit der Ruthe.

„Ach, Dan Johann, ist Euch nicht wohl zu Muthe,

Daß Ihr so zeitig“ – frug sie – „aufgewacht“?

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Fünf Stunden Schlaf genügen in der Nacht,

Geliebte Nichte,“ – sprach er – „ganz vollkommen,

Die bleichen Ehekrüppel ausgenommen;

Solch' alte Kerle liegen freilich fest

Wie abgehetzte Hasen in dem Nest,

Wenn sie von Hunden rings umgeben sind.

Doch sprich, warum so blaß, mein liebes Kind?

Du bist gewiß von unserm guten Mann

So strapazirt, seitdem die Nacht begann,

Daß Du nunmehr der Ruhe pflegen mußt.“

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Und bei dem Scherze lacht er voller Lust

Und ward ganz roth vom Einfall, den er hegte.

Die Schöne schüttelnd ihren Kopf bewegte

Und sprach: „Weiß Gott, mein theurer Vetter, Ihr

Habt Euch geirrt. So steht es nicht mit mir.

Bei Gott, der mir gegeben Seel' und Leib,

Im ganzen, weiten Frankreich hat kein Weib

Geringre Lust zu solchen bösen Dingen.

Ich aber habe Weh und Ach zu singen,

Daß ich zur Welt kam. Doch ich darf nicht wagen,

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Was mich bedrückt, je einem Mann zu klagen.

Entfliehen möcht' ich wahrlich aus dem Land,

Ja, mich entleiben mit der eignen Hand,

So quält und ängstigt mich mein Mißgeschick!“

Starr richtete der Mönch auf sie den Blick

Und sprach: „Ach, Nichte, wollte Gott verwehren,

Daß Du, weil Furcht und Sorgen Dich beschweren,

Dich selbst entleibtest! Nein, Du mußt erzählen,

Was Dich bedrängt. Dir soll mein Rath nicht fehlen.

Ich helfe Dir, vertraust Du mir die Sorgen.

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Bei mir ist Dein Geheimniß gut geborgen.

Ich schwöre Dir auf mein Brevier den Eid

Der unverbrüchlichsten Verschwiegenheit,

So lang ich lebe; mag, was will, geschehn!“

„Dazu“ – sprach sie – „will ich mich auch verstehn!

Bei Gott beschwör' ich und auf Dein Brevier

Ich werde nie, was mir vertraut von Dir,

Verrathen, ob man mich in Stücke risse,

Ja, führ' ich selbst zur Hölle. – Dennoch wisse

Daß Vetterschaft und bloße Freundschaft nicht,

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Nein Liebe nur und Neigung aus mir spricht.“

So schwuren und so küßten sich die zwei

Und dann begann sofort die Plauderei.

„Mein Vetter“ – sprach sie – „wäre hier der Ort

Und hätt' ich Zeit, so theilt' ich Dir sofort

Jetzt die Legende meines Lebens mit,

Und Alles, was im Ehestand ich litt,

Wenngleich mein Mann Dein eigner Vetter ist.“

„Beim Heiligen Martinus und bei Christ!“

– Entgegnete der Mönch – „er ist mein Vetter

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Nicht mehr, als an den Bäumen hier die Blätter!

Bei St. Denis von Frankreich! so genannt

Hab' ich ihn nur, weil ich mit Dir bekannt

Zu werden wünschte. Denn auf Erden giebt

Es keine Frau, die ich wie Dich geliebt.“

Bei meiner Profession will ich's beschwören!

Doch eh' Dein Mann herunter kommt, laß hören,

Was Dich bedrängt? Komm, spute Dich! Erzähle!

„O Hans!“ – sprach sie – „Geliebter meiner Seele,

Weit lieber schwieg' ich, als mein Leid zu klagen,

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Doch muß heraus, was länger nicht zu tragen.“

Mein Gatte, dünkt mich, ist der schlimmste Mann,

Den's je gegeben, seit die Welt begann.

Doch schickt sich's nicht, daß ich als Ehefrau

Dir unsre Heimlichkeiten anvertrau.

Gott schütze mich, es jemals zu verrathen,

Was wir im Bett und sonst mitsammen thaten;

Da eine Frau nur das, was ehrenvoll,

Von ihrem Ehemann erzählen soll.

Nur Dir allein, so wahr mich Gott beschütze.

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Will ich vertraun: er ist zu gar nichts nütze

Und überhaupt nicht eine Fliege werth.

Der größte Geizhals ist er, und gewährt

Mir keinen Wunsch in Hinsicht der sechs Sachen,

Die mich so froh, wie alle Weiber, machen.

Wir wünschen nämlich, unser Gatte sei

Reich, weise, keck und mit dem Gelde frei,

Treu seinem Weibchen und im Bette munter.

Doch bei dem Herrn, der für uns litt, mitunter

Muß ich mich putzen seiner Ehre wegen,

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Und bin um hundert Franken jetzt verlegen,

Die nächsten Sonntag ich bezahlen muß.

Ach, wär' ich nie geboren! Der Verdruß

Bringt mich noch um. Denn, wenn's mein Mann vernimmt

– Und Schwätzereien giebt es ganz bestimmt –

Bin ich verloren. Lasse Dich erflehn!

Leih' mir das Geld, sonst ist's um mich geschehn!

Ich sage, Herr, leih mir die hundert Franken!

Pardi! ich will Dir redlich dafür danken,

Nur mußt Du mir die Bitte nicht versagen.

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Auf Tag und Stunde wird es abgetragen.

Ich stehe Dir zu Diensten jeder Zeit

Und bin zu Allem, was Du willst, bereit.

Und Gott bestrafe, brech' ich Dir mein Wort,

Wie Ganelon von Frankreich mich sofort.

Der edle Mönch gab Antwort ihr und rief:

„Geliebte, theure Frau, ich trage tief

In meinem Herzen um Dich Schmerz und Leid,

Und ich verspreche Dir auf Wort und Eid,

Sobald Dein Mann nach Flandern geht von dannen,

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Will ich sofort all' Deine Sorgen bannen,

Und hundert Franken hast Du in den Händen.“

Und damit griff er sie an beide Lenden

Und herzte sie und küßte sie und sprach:

„Geh' fort in aller Stille, und hernach

Mach' unser Essen möglichst rasch bereit,

Denn mein Cylinder zeigt schon Primezeit;

Und traue mir, wie ich auf Dich vertrau'!“

„Das walte Gott!“ – erwiderte die Frau,

Und so vergnügt wie eine Elster lief

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Sie schnell zu ihren Köchen hin und rief,

Sich zu beeilen mit dem Mittagsschmaus.

Dann rannte schleunigst sie zum Lagerhaus,

Zu ihrem Mann und klopfte kräftig an.

Und „Qui est là?“ erwiderte der Mann.

„Ich bin es, Peter!“ – sprach sie – „Ei, wie lange

Willst Du noch fasten? Bist Du stets im Gange

Mit Deinen Büchern, Zahlen und Papieren?

Der Teufel möge rechnen und addiren!

Zufrieden sei mit dem, was Gott Dir gab;

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Laß Deine Beutel stehn und komm' herab.

Schämst Du Dich nicht, daß Dan Johann so spät

Am hellen Tage stets noch nüchtern geht?

Komm! hör' die Messe, und zu Tische dann.“

„Weib, Du kannst nicht begreifen“ – sprach ihr Mann –

„Wie wunderlich oft die Geschäfte gehn.

Sieh', von uns Handelsleuten finden zehn

– Gott und St. Ivo können Zeugen sein –

Von zwanzigen nur höchstens ihr Gedeihn,

Selbst wenn wir uns bis an das Alter plagen.

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Doch scheinbar fröhlich müssen wir uns schlagen,

So gut es eben gehn will, durch die Welt,

Und Niemand weiß, wie es um uns bestellt,

Bis daß wir sterben, oder uns ganz leise

Unter dem Vorwand einer Pilgerreise

Von dannen drücken. Drum, scharf aufzupassen

In dieser Welt, darf ich nicht unterlassen,

Denn Glück und Unglück gehn im Handelsstand

Zu unserm Schrecken immer Hand in Hand.

Ich reise morgen in der Früh' nach Flandern

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Und werde heim, sobald als möglich, wandern.

Drum, liebes Weibchen, nimm mein Hab und Gut,

Ich bitte Dich, in Obacht und in Hut.

Sei frei und freundlich gegen Deine Gäste

Und lenk' und leite Du das Haus aufs Beste.

Dein Vorrath reicht in jeder Hinsicht aus,

Um sparsam zu verwalten uns das Haus –

Es fehlt Dir nicht an Kleidern und Proviant,

Und Silbergeld bekommst Du in die Hand.“

Und mit den Worten schloß er seine Thür,

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Stieg rasch hinab und hörte nach Gebühr

In aller Eile dann die Messe sagen.

Nun wurden flink die Speisen aufgetragen;

Man setzte sich, und reichlich ward sein Essen

Dem würd'gen Mönch vom Kaufmann zugemessen.

Nach Tisch nahm Dan Johann den Handelsmann

Ganz insgeheim bei Seite und begann:

„Mein lieber Vetter, wie die Sachen stehn,

Hast Du im Sinn nach Brügge fortzugehn.

Mag Dich St. Augustin und Gott geleiten!

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Mit Vorsicht, Vetter, bitt' ich Dich zu reiten,

Und halte bei der heißen Jahreszeit

Stets auf Diät und große Mäßigkeit.

Doch wozu sollen viele Worte nützen?

Leb' wohl, mein Vetter, mag Dich Gott beschützen!

Fällt etwas vor, darfst Du bei Tag und Nacht,

Vorausgesehen, daß in meiner Macht

Die Sache liegt, frei über mich befehlen.

Du kannst in jeder Hinsicht auf mich zählen.

Doch eines noch! Sollt' es Dir möglich sein,

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Mir hundert Franken, eh' Du gehst, zu leihn,

So möcht' ich auf zwei Wochen sie erborgen.

Ich habe einen Viehkauf zu besorgen

Für eine unsrer Klostermeierei'n

– Ach gäbe Gott, es könnte Deine sein. –

Für tausend Franken ließ ich nicht verstreichen

Nur einen Tag, die Schulden zu begleichen.

Doch bitte, schweige von der Sache still,

Da ich das Vieh noch heute kaufen will.

Und damit, lieber Vetter, gute Reise!

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Grand mercy für Bewirthung und für Speise!“

„O, lieber, bester Vetter Hans!“ – begann

Mit Freundlichkeit der edle Handelsmann –

„Die Bitte scheint mir in der That sehr klein.

So viel an Gold Du immer willst, ist Dein.

Gold oder Waaren, Alles steht Dir frei,

Und – schütz' Dich Gott! – nicht gar zu blöde sei!

Indessen eins ist Dir bekannt genug:

Für einen Kaufmann ist das Geld sein Pflug.

Soliden Namen wird gern creditirt,

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Doch ist's kein Spaß, wenn man sein Geld verliert.

Erstatte mir's zur bestgelegnen Zeit,

Soweit ich kann, bin ich gern dienstbereit.“

Die hundert Franken ging er dann zu holen

Und gab das Geld an Dan Johann verstohlen,

So daß vom Darlehn nie ein Mensch erfuhr,

Wie Dan Johann und unser Kaufmann nur.

Es tranken, schwatzten, scherzten dann die Zwei,

Bis Dan Johann zurückritt zur Abtei.

Der Morgen kam, und hin nach Flandern ritt

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Der Handelsmann und nahm den Lehrling mit.

Vergnügten Sinns kam er in Brügge an,

Wo unverzüglich sein Geschäft begann;

Er zahlte bar, nahm Waaren auf Credit,

Wogegen Tanz und Würfel er vermied,

Denn, kurz gesagt, kaufmännisch war sein Wandel;

Und weiter nachgehn mög' er seinem Handel!

Sobald der Kaufmann länger nicht am Platze,

Kam, blank rasirt mit wohlgeschorner Glatze,

Am nächsten Sonntag Dan Johann sofort

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Nach St. Denis; und froh war Jeder dort

– Der kleinste Page selbst nicht ausgenommen –,

Daß Dan Johann sobald zurückgekommen.

Und kurz und gut, bald war es ausgemacht,

Für hundert Franken solle diese Nacht

Das schöne Weib er in die Arme schließen

Und sein Vergnügen frei mit ihr genießen.

Und rasch war ausgeführt, was sie beschlossen.

Sie trieben lustig ihre Liebespossen

Die ganze Nacht; und als der Morgen tagte,

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Ging Dan Johann, und dem Gesinde sagte

Er Lebewohl; doch machte sich im Haus,

Noch in der Stadt kein Mensch ein Arg daraus.

– Zum Kloster reiten, und wohin er will,

Mag Dan Johann. Ich schweige von ihm still. –

Der Kaufmann kehrte, als die Messe aus,

Nach St. Denis zurück und ließ im Haus

Es sich bei seinem Weibe wohl behagen,

Erzählte, wie den Preis man aufgeschlagen,

Und daß für zwanzigtausend Thaler Geld

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Er einen Wechsel auf sich ausgestellt,

Für dessen Zahlung er nunmehr zu sorgen.

Das Geld von seinen Freunden zu erborgen,

Hin nach Paris der Kaufmann daher ritt

Und nahm die Barschaft, die er hatte, mit.

Jedoch, da Freundschaft ihm nicht Ruhe ließ,

Beschloß er, angekommen in Paris,

Zu allernächst zum Vetter Hans zu gehn,

Nicht um auf seine Fordrung zu bestehn,

Nein, um zu wissen, wie er sich befände,

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Und ihm zu sagen, wie sein Handel stände,

Wie Freunde thun, wenn sie zusammen kommen.

Von Dan Johann höchst gastfrei aufgenommen,

Begann er zu erzählen breit und lang:

Er habe seine Waaren – Gott sei Dank! –

Zu mäß'gem Preis erkauft und auch geborgen;

Doch müsse Wechsel er sich noch besorgen,

Wie's bestens ginge. Wenn ihm das geglückt,

Sei er vergnügt und länger nicht gedrückt.

Und Dan Johann sprach: „Nun, erfreulich ist,

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Daß Du gesund zurückgekommen bist.

Auf Seligkeit! Ich gäbe Dir sogleich

Gern zwanzigtausend Thaler, wär' ich reich!

Du liehst Dein Gold so freundlich mir und gern

Noch kurz zuvor. Ich sage bei dem Herrn

Und bei St. Jakob Dir den besten Dank!

Doch heimgezahlt hab' ich in Deine Bank

Dasselbe Gold an unsre gnäd'ge Frau;

Dein Weib wird sich der Sache noch genau

Durch Zeichen, die ich nennen kann, entsinnen.

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Doch, mit Erlaubniß, jetzt muß ich von hinnen.

Mein Abt hat vor, gleich in die Stadt zu gehn,

Und ich muß mit. Leb' wohl, auf Wiedersehn!

Mein lieber Vetter; meinen Gruß entrichte

An Deine Gattin, meine süße Nichte!“

Der kluge, höchst geriebne Handelsmann

Erborgte Geld sich in Paris sodann,

Und kaufte dafür Wechsel oder Schein

Sich gegen bar von Lombardhändlern ein.

Und wie ein Specht so froh und wohlgemuth

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Zog er nach Haus. – Die Sachen standen gut;

Denn durch die Reise macht' er immerhin

Wohl netto tausend Franken an Gewinn.

Sein Weib lief ihm entgegen bis zum Thor,

Wie es ihr Brauch gewesen stets zuvor,

Und fröhlich waren in der Nacht die zwei;

Denn er war reich und gänzlich schuldenfrei.

Und noch einmal umschlang beim Tageslicht

Der Kaufmann sie und küßt' ihr Angesicht,

Und trieb von Neuem hart mit ihr sein Spiel.

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Nicht mehr!“ – rief sie – „Bei Gott, es wird zu viel!“

Und regte doch ihn stets von Frischem an.

Zuletzt jedoch ergriff das Wort ihr Mann

Und sprach: „Bei Gott! ich bin auf Dich nicht gut

Zu sprechen, Frau, wie leid es mir auch thut.

Weißt Du warum? Mir scheint, bei Gott, Du bist

Allein die Schuld, daß beinah' einen Zwist

Ich heute mit dem Vetter angefangen.

Warum verschwiegst Du, eh' ich fortgegangen,

Daß er mit seinem Zeichen hundert Franken

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Dir heimgezahlt? Er schien mir's schlecht zu danken,

Daß ich zu ihm von meinen Wechseln sprach

– So mußt' ich glauben seiner Miene nach. –

Denn ihn daran zu mahnen, lag, beim Herrn

Und Himmelskönig, mir die Absicht fern.

Ich bitte, Frau, dergleichen thu' nicht mehr!

Erzähle mir bei jeder Wiederkehr,

Ob Dir ein Schuldner etwa unterdessen

Sein Geld bezahlt hat. – Solltest Du's vergessen,

Könnt' ich es leicht zum zweitenmal verlangen.“

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Sein Weib jedoch blieb ohne Furcht und Bangen.

„Mein Zeugniß stell' ich“ – sagte sie verwegen –

„Dem falschen Mönche, Dan Johann, entgegen.

Von seinem Zeichen hab' ich nichts gesehn.

Er gab mir Geld, das muß ich zugestehn.

– Daß ihm ins Maul das Donnerwetter schlage! –

Denn, weiß es Gott, ich dachte sonder Frage,

Er gäbe, seiner Freundschaft eingedenk,

Das Geld mir ehrenhalber zum Geschenk

Aus Vetterschaft, sowie für belle chère,

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Die er bei uns genossen hat zeither.

Jetzt seh' ich, daß auf Irrthum es beruht;

Von mir die Antwort ist drum kurz und gut:

Saumsel'ge Schuldner hast Du mehr, als mich,

Doch abgetragen wird es sicherlich

Von Tag zu Tag, und sollt' es unterbleiben,

Kannst Deiner Frau Du es aufs Kerbholz schreiben.

Ich zahl' es Dir, sobald ich irgend kann;

Denn Alles wandt' ich, meiner Treu', schon an

Zu Schmuck und Putz. – Ich habe Nichts verschwendet,

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Nein, Alles Dir zu Ehren nur verwendet.

Um Gottes willen, sei nicht böse weiter,

Nein, küsse mich und sei vergnügt und heiter,

Laß meinen frischen Leib Dir wohlbehagen,

Denn nur im Bette denk' ich's abzutragen.

Mein lieber, theurer Gatte, ach, vergieb,

Komm' dreh' Dich um und hab' mich wieder lieb!“

Der Kaufmann sah, ihm hülfe hier kein Schelten,

Und ließ als Thorheit eine Sache gelten,

Die für ihn unabänderlich erschien.

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Nun, liebe Frau,“ – sprach er – „Dir sei verziehn!

Doch hüte Dich, willst Du nicht kläglich enden,

Mein Hab und Gut in Zukunft zu verschwenden.“

Und damit schließ' ich. – Aber Gott erfreue

Uns mit Geschichten lebenslang aufs Neue.