BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Ludwig Feuerbach

1804 -1872

 

Das Wesen des Christentums

 

Einleitung

 

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Das Wesen der Religion im Allgemeinen.

 

Was im Allgemeinen, selbst in Beziehung auf die sinnlichen Gegenstände, von dem Verhältniß des Subjects zum Object bisher behauptet wurde, das gilt insbesondere von dem Verhältniß des Subjects zum religiösen Gegenstande.

Im Verhältniß zu den sinnlichen Gegenständen ist das Bewußtsein des Gegenstandes wohl unterscheidbar vom Selbstbewußtsein; aber bei dem religiösen Gegenstand fällt das Bewußtsein mit dem Selbstbewußtsein unmittelbar zusammen. Der sinnliche Gegenstand ist außer dem Menschen da, der religiöse in ihm, ein selbst innerlicher – darum ein Gegenstand, der ihn eben so wenig verläßt, als ihn sein Selbstbewußtsein, sein Gewissen verläßt – ein intimer, ja der allerintimste, der allernächste Gegenstand. „Gott, sagt Augustin und Malebranche, ist uns näher als wir uns selbst. Gott ist enger mit uns verbunden als der Leib mit der Seele, als wir mit uns selbst.“ Der sinnliche Gegenstand ist an sich ein indifferenter, unabhängig von der Gesinnung, von der Urtheilskraft; der Gegenstand der Religion aber ist ein auserlesener Gegenstand: das vorzüglichste, das erste, das höchste Wesen; er setzt wesentlich ein kritisches Urtheil voraus, den Unterschied zwischen dem Göttlichen und Nichtgöttlichen, dem Anbetungswürdigen und Nichtanbetungswürdigen 1). Und hier gilt daher ohne alle Einschränkung der Satz: der Gegenstand des Subjects ist nichts andres als das gegenständliche Wesen des Subjects selbst. Wie der Mensch sich Gegenstand, so ist ihm Gott Gegenstand; wie er denkt, wie er [18] gesinnt ist, so ist sein Gott. So viel Werth der Mensch hat, so viel Werth und nicht mehr hat sein Gott. Das Bewußtsein Gottes ist das Selbstbewußtsein des Menschen, die Erkenntniß Gottes die Selbsterkenntniß des Menschen 2). Aus seinem Gotte erkennst Du den Menschen, und hinwiederum aus dem Menschen seinen Gott; beides ist identisch. Was dem Menschen Gott ist, das ist sein Geist, seine Seele, und was des Menschen Geist, seine Seele, sein Herz, das ist sein Gott: Gott ist das offenbare Innere, das ausgesprochne Selbst des Menschen; die Religion ist die feierliche Enthüllung der verborgnen Schätze des Menschen, das Eingeständniß seiner innersten Gedanken, das öffentliche Bekenntniß seiner Liebesgeheimnisse.

Wenn aber die Religion, das Bewußtsein Gottes, als das Selbstbewußtsein des Menschen bezeichnet wird, so ist dieß nicht so zu verstehen, als wäre der religiöse Mensch sich direct bewußt, daß sein Bewußtsein von Gott das Selbstbewußtsein seines Wesens ist, denn der Mangel dieses Bewußtseins begründet eben die differentia specifica der Religion. Um diesen Mißverstand zu beseitigen, ist es besser zu sagen: die Religion ist die erste und zwar indirecte Selbsterkenntniß des Menschen. Die Religion geht daher überall der Philosophie voran, wie in der Geschichte der Menschheit, so auch in der [19] Geschichte der Einzelnen. Der Mensch verlegt sein Wesen zuerst außer sich, ehe er es in sich findet. Das eigne Wesen ist ihm zuerst als ein andres Wesen Gegenstand. Der geschichtliche Fortgang in den Religionen besteht deßwegen darin, daß das, was der frühern Religion für etwas Objectives galt, als etwas Subjectives, d. h. was als Gott angeschaut und angebetet wurde, jetzt als etwas Menschliches erkannt wird. Die frühere Religion ist der spätern Götzendienst: der Mensch hat sein eignes Wesen angebetet. Der Mensch hat sich verobjectivirt, aber den Gegenstand nicht als sein Wesen erkannt; die spätere Religion thut diesen Schritt. Jeder Fortschritt in der Religion ist daher eine tiefere Selbsterkenntniß. Aber jede bestimmte Religion, die ihre ältern Schwestern als Götzendienerinnen bezeichnet, nimmt sich selbst – und zwar nothwendig, sonst wäre sie nicht mehr Religion – von dem Schicksal, dem allgemeinen Wesen der Religion aus; sie schiebt nur auf die andern Religionen, was doch – wenn anders Schuld – die Schuld der Religion überhaupt ist. Weil sie einen andern Gegenstand, einen andern Inhalt hat, weil sie über den Inhalt der frühern sich erhoben, wähnt sie sich erhaben über die nothwendigen und ewigen Gesetze, die das Wesen der Religion constituiren, wähnt sie, daß ihr Gegenstand, ihr Inhalt ein übermenschlicher sei. Aber dafür durchschaut das ihr selbst verborgne Wesen der Religion der Denker, dem die Religion Gegenstand ist, was sich selbst die Religion nicht sein kann. Und unsre Aufgabe ist es eben, nachzuweisen, daß der Gegensatz des Göttlichen und Menschlichen ein durchaus illusorischer, daß folglich auch der Gegenstand und Inhalt der christlichen Religion ein durchaus menschlicher ist. [20]

Die Religion, wenigstens die christliche, ist das Verhalten des Menschen zu sich selbst, oder richtiger: zu seinem (und zwar subjectiven  3) Wesen, aber das Verhalten zu seinem Wesen als zu einem andern Wesen. Das göttliche Wesen ist nichts andres als das menschliche Wesen oder besser: das Wesen des Menschen, gereinigt, befreit von den Schranken des individuellen Menschen  4), verobjectivirt, d. h. angeschaut und verehrt als ein andres von ihm unterschiednes, eignes Wesen – alle Bestimmungen des göttlichen Wesens sind darum menschliche Bestimmungen.

In Beziehung auf die Bestimmungen, die Prädicate des göttlichen Wesens wird dieß denn auch ohne Anstand zugegeben, aber keineswegs in Beziehung auf das Subject dieser Prädicate. Die Negation des Subjects gilt für Irreligiosität, ja für Atheismus, nicht aber die Negation der Prädicate. Aber was keine Bestimmungen hat, das hat auch keine Wirkungen auf mich; was keine Wirkungen, auch kein Dasein für mich. Alle Bestimmungen negiren, ist so viel als das Wesen selbst negiren. Ein bestimmungsloses Wesen ist ein ungegenständliches Wesen, ein ungegenständliches ein nichtiges Wesen. Wo der Mensch alle Bestimmungen von Gott entfernt, [21] da ist ihm Gott nur noch ein negatives Wesen. Dem wahrhaft religiösen Menschen ist Gott kein bestimmungsloses Wesen, weil er ihm ein gewisses, wirkliches Wesen ist. Die Bestimmungslosigkeit und mit ihr identische Unerkennbarkeit Gottes ist daher nur eine Frucht der neuern Zeit, ein Product der modernen Ungläubigkeit.

Wie die Vernunft nur da als endlich bestimmt wird und bestimmt werden kann, wo dem Menschen der sinnliche Genuß oder das religiöse Gefühl oder die ästhetische Anschauung oder die moralische Gesinnung für das Absolute, das Wahre gilt: so kann nur da die Unerkennbarkeit oder Unbestimmbarkeit Gottes als ein Dogma ausgesprochen und fixirt werden, wo dieser Gegenstand kein Interesse mehr für die Erkenntniß hat, wo die Wirklichkeit allein den Menschen in Anspruch nimmt, das Wirkliche allein für ihn die Bedeutung des wesentlichen, des absoluten, göttlichen Gegenstandes hat, aber doch zugleich noch im Widerspruch mit dieser rein weltlichen Tendenz ein alter Rest von Religiosität vorhanden ist. Der Mensch entschuldigt mit der Unerkennbarkeit Gottes vor seinem noch übriggebliebenen religiösen Gewissen seine Gottvergessenheit, sein Verlorensein in die Welt; er negirt Gott praktisch durch die That – all sein Sinnen und Denken hat die Welt inne – aber er negirt ihn nicht theoretisch; er greift seine Existenz nicht an; er läßt ihn bestehen. Allein diese Existenz tangirt und incommodirt ihn nicht; sie ist eine nur negative Existenz, eine Existenz ohne Existenz, eine sich selbst widersprechende Existenz, – ein Sein, das seinen Wirkungen nach nicht unterscheidbar vom Nichtsein ist. Die Negation bestimmter, positiver Prädicate des göttlichen Wesens ist nichts andres als eine Negation der Religion, welche aber noch einen Schein [22] von Religion für sich hat, so daß sie nicht als Negation erkannt wird – nichts andres als ein subtiler, verschlagner Atheismus. Die angeblich religiöse Scheu, Gott durch bestimmte Prädicate zu verendlichen, ist nur der irreligiöse Wunsch, von Gott nichts mehr wissen zu wollen, Gott sich aus dem Sinne zu schlagen. Wer sich scheut, endlich zu sein, scheut sich zu existiren. Alle reale Existenz, d. h. alle Existenz, die wirklich, re vera Existenz ist, die ist qualitative, bestimmte und deßwegen endliche Existenz. Wer ernstlich, wirklich, wahrhaft an die Existenz Gottes glaubt, der stößt sich nicht an den selbst derbsinnlichen Eigenschaften Gottes. Wer nicht durch seine Existenz beleidigen, wer nicht derb sein will, der verzichte auf die Existenz. Ein Gott, der sich durch die Bestimmtheit beleidigt fühlt, hat nicht den Muth und nicht die Kraft zu existiren. Die Qualität ist das Feuer, die Lebensluft, der Sauerstoff, das Salz der Existenz. Eine Existenz überhaupt, eine Existenz ohne Qualität ist eine geschmacklose, eine abgeschmackte Existenz. In Gott ist aber nicht mehr als in der Religion ist. Nur da, wo der Mensch den Geschmack an der Religion verliert, die Religion selbst also geschmacklos wird, nur da wird daher auch die Existenz Gottes zu einer abgeschmackten Existenz.

Es gibt übrigens noch eine gelindere Weise der Negation der göttlichen Prädicate als die directe, eben bezeichnete. Man gibt zu, daß die Prädicate des göttlichen Wesens endliche, insbesondre menschliche Bestimmungen sind; aber man verwirft ihre Verwerfung; man nimmt sie sogar in Schutz, weil es dem Menschen nothwendig sei, sich bestimmte Vorstellungen von Gott zu machen, und weil er nun einmal Mensch sei, so könne er sich auch keine andern als eben menschliche [23] Vorstellungen von ihm machen. In Beziehung auf Gott, sagt man, sind diese Prädicate freilich ohne objective Bedeutung, aber für mich kann er, weil und wenn er für mich sein soll, nicht anders erscheinen als so, wie er mir erscheint, nämlich als ein menschliches oder doch menschenähnliches Wesen. Allein diese Unterscheidung zwischen dem, was Gott an sich und dem, was er für mich ist, zerstört den Frieden der Religion, und ist überdem an sich selbst eine grund- und haltungslose Distinction. Ich kann gar nicht wissen, ob Gott etwas andres an sich oder für sich ist, als er für mich ist; wie er für mich ist, so ist er Alles für mich. Für mich liegt eben in diesen Prädicaten, unter welchen er für mich ist, sein Ansichselbstsein, sein Wesen selbst; er ist für mich so, wie er für mich nur immer sein kann. Der religiöse Mensch ist in dem, was Gott in Bezug auf ihn ist – von einer andern Beziehung weiß er als Mensch nichts – vollkommen befriedigt, denn Gott ist ihm, was er dem Menschen überhaupt sein kann. In jener Distinction setzt sich der Mensch über sich selbst, d. h. über sein Wesen, sein absolutes Maaß hinweg; aber diese Hinwegsetzung ist nur eine Illusion. Den Unterschied nämlich zwischen dem Gegenstande, wie er an sich, und dem Gegenstand, wie er für mich ist, kann ich nur da machen, wo ein Gegenstand mir wirklich anders erscheinen kann, als er erscheint; aber nicht, wo er mir so erscheint, wie er mir nach meinem absoluten Maaße erscheint, wie er mir erscheinen muß. Wohl kann meine Vorstellung eine subjective sein, d. h. eine solche, an welche die Gattung nicht gebunden ist. Aber wenn meine Vorstellung dem Maaße der Gattung entspricht, so fällt die Unterscheidung zwischen Ansichsein und Fürmichsein weg; denn diese Vorstellung ist selbst [24] eine absolute. Das Maaß der Gattung ist das absolute Maaß, Gesetz und Kriterium des Menschen. Aber die Religion hat eben die Ueberzeugung, daß ihre Vorstellungen, ihre Prädicate von Gott solche sind, die jeder Mensch haben soll und haben muß, wenn er die wahren haben will, daß sie die nothwendigen Vorstellungen der menschlichen Natur, ja, die objectiven, die gottgemäßen Vorstellungen sind. Jeder Religion sind die Götter der andern Religionen nur Vorstellungen von Gott, aber die Vorstellung, die sie von Gott hat, ist ihr Gott selbst, Gott, wie sie ihn vorstellt, der ächte, wahre Gott, Gott, wie er an sich ist. Die Religion begnügt sich nur mit einem ganzen, rückhaltslosen Gott. Die Religion will nicht eine bloße Erscheinung von Gott; sie will Gott selbst, Gott in Person. Die Religion gibt sich selbst auf, wenn sie das Wesen Gottes aufgibt. Sie ist keine Wahrheit mehr, wo sie auf den Besitz des wahren Gottes verzichtet. Der Skepticismus ist der Erzfeind der Religion. Aber die Unterscheidung zwischen Object und Vorstellung, zwischen Gott an sich und Gott für mich ist eine skeptische irreligiöse Unterscheidung.

Was dem Menschen die Bedeutung des Ansichseienden hat, was ihm das höchste Wesen ist, das, worüber er nichts Höheres sich vorstellen kann, dieses ist ihm eben das göttliche Wesen. Wie könnte er also bei diesem Gegenstande noch fragen: was er an sich sei? Wenn Gott dem Vogel Gegenstand wäre, so wäre er ihm nur als ein geflügeltes Wesen Gegenstand: der Vogel kennt nichts Höheres, nichts Seligeres als das Geflügeltsein. Wie lächerlich wäre es, wenn dieser Vogel urtheilte: mir erscheint Gott als ein Vogel, aber was er an sich ist, weiß ich nicht. Das höchste Wesen ist dem [25] Vogel eben das Wesen des Vogels. Nimmst Du ihm die Vorstellung vom Wesen des Vogels, so nimmst Du ihm die Vorstellung des höchsten Wesens. Wie könnte er also fragen: ob Gott an sich geflügelt sei? Fragen: ob Gott an sich so ist, wie er für mich ist, heißt fragen: ob Gott Gott ist? heißt über seinen Gott sich erheben, gegen ihn sich empören.

Wo sich daher einmal das Bewußtsein des Menschen bemächtigt, daß die religiösen Prädicate nur Anthropomorphismen sind, da hat sich schon der Zweifel, der Unglaube des Glaubens bemächtigt. Und es ist nur die Inconsequenz der Herzensfeigheit und der Verstandesschwäche, die von diesem Bewußtsein aus nicht bis zur förmlichen Negation der Prädicate und von dieser bis zur Negation des zu Grunde liegenden Subjects fortgeht. Bezweifelst Du die objective Wahrheit der Prädicate, so mußt Du auch die objective Wahrheit des Subjects dieser Prädicate in Zweifel ziehen. Sind Deine Prädicate Anthropomorphismen, so ist auch das Subject derselben ein Anthropomorphismus. Sind Liebe, Güte, Persönlichkeit u. s. w. menschliche Bestimmungen, so ist auch das Subject derselben, welches Du ihnen voraussetzest, auch die Existenz Gottes, auch der Glaube, daß überhaupt ein Gott ist, ein Anthropomorphismus – eine durchaus menschliche Voraussetzung. Woher weißt Du, daß der Glaube an Gott überhaupt nicht eine Schranke der menschlichen Vorstellungsweise ist? Höhere Wesen – und Du nimmst ja deren an – sind vielleicht so selig in sich selbst, so einig mit sich, daß sie sich nicht mehr in der Spannung zwischen sich und einem höhern Wesen befinden. Gott zu wissen und nicht selbst Gott zu sein, Seligkeit zu kennen und nicht selbst zu genießen, das ist [26] ein Zwiespalt, ein Unglück. Höhere Wesen wissen nichts von diesem Unglück; sie haben keine Vorstellung von dem, was sie nicht sind.

Du glaubst an die Liebe als eine göttliche Eigenschaft, weil Du selbst liebst, Du glaubst, daß Gott ein weises, ein gütiges Wesen ist, weil Du nichts Besseres von Dir kennst als Güte und Verstand, und Du glaubst, daß Gott existirt, daß er also Subject ist – was existirt, ist ein Subject, werde dieses Subject nun als Substanz oder Person oder Wesen oder sonstwie bestimmt und bezeichnet – weil Du selbst existirst, selbst Subject bist. Du kennst kein höheres menschliches Gut, als zu lieben, als gut und weise zu sein, und eben so kennst Du kein höheres Glück, als überhaupt zu existiren, Subject zu sein; denn das Bewußtsein aller Realität, alles Glückes ist Dir an das Bewußtsein des Subjectseins, der Existenz gebunden. Gott ist Dir ein Existirendes, ein Subject aus demselben Grunde, aus welchem er Dir ein weises, ein seliges, ein persönliches Wesen ist. Der Unterschied zwischen den göttlichen Prädicaten und dem göttlichen Subject ist nur dieser, daß Dir das Subject, die Existenz nicht als ein Anthropomorphismus erscheint, weil in diesem Deinem Subjectsein die Nothwendigkeit liegt, daß Dir Gott ein Existirendes, ein Subject ist, die Prädicate dagegen als Anthropomorphismen erscheinen, weil die Nothwendigkeit derselben, die Nothwendigkeit, daß Gott weise, gut, bewußt u. s. w. ist, keine unmittelbare, mit dem Sein des Menschen identische, sondern durch sein Selbstbewußtsein, die Thätigkeit des Denkens vermittelte Nothwendigkeit ist. Subject bin ich, ich existire, ich mag weise oder unweise, gut oder schlecht sein. Existiren ist dem Menschen das Erste, das Subject in seiner Vorstellung, [27] die Voraussetzung der Prädicate. Die Prädicate gibt er daher frei, aber die Existenz Gottes ist ihm eine ausgemachte, unantastbare, schlechterdings unbezweifelbare, absolut gewisse, objective Wahrheit. Aber gleichwohl ist dieser Unterschied nur ein scheinbarer. Die Nothwendigkeit des Subjects liegt nur in der Nothwendigkeit des Prädicats. Du bist Subject nur als menschliches Subject. Die Gewißheit und Realität Deiner Existenz liegt nur in der Gewißheit und Realität Deiner menschlichen Eigenschaften. Was das Subject ist, das liegt nur im Prädicat; das Prädicat ist die Wahrheit des Subjects. Das Subject ist nun das personificirte, das existirende Prädicat. Subject und Prädicate unterscheiden sich nur wie Existenz und Wesen. Die Negation der Prädicate ist daher die Negation des Subjects. Was bleibt Dir vom menschlichen Subject übrig, wenn Du ihm die menschlichen Eigenschaften nimmst? Selbst in der Sprache des gemeinen Lebens setzt man die göttlichen Prädicate: die Vorsehung, die Weisheit, die Allmacht statt des göttlichen Subjects.

Die Gewißheit der Existenz Gottes, von welcher man gesagt hat, daß sie dem Menschen so gewiß, ja gewisser, als die eigne Existenz sei, hängt daher nur ab von der Gewißheit der Qualität Gottes – sie ist keine unmittelbare Gewißheit. Dem Christen ist nur die Existenz des christlichen, dem Heiden die Existenz des heidnischen Gottes eine Gewißheit. Der Heide bezweifelte nicht die Existenz Jupiters, weil er an dem Wesen Jupiters keinen Anstoß nahm, weil er sich Gott in keiner andern Qualität vorstellen konnte, weil ihm diese Qualität eine Gewißheit, eine göttliche Realität war. Die Realität des Prädicats ist allein die Bürgschaft der Existenz. Ein wahrer Atheist ist daher auch nur der, welchem [28] die göttlichen Prädicate, die Liebe, die Weisheit, die Gerechtigkeit Nichts sind, aber nicht der, welchem das Subject dieser Prädicate Nichts ist.

Wenn es nun aber ausgemacht ist, daß, was das Subject ist, lediglich in den Bestimmungen des Subjects liegt, d. h. daß das Prädicat es ist, wodurch das Subject uns allein in seinem Wesen Gegenstand ist; so ist auch erwiesen, daß, wenn die göttlichen Prädicate Bestimmungen des menschlichen Wesens sind, auch das Subject derselben menschlichen Wesens ist. Die göttlichen Prädicate sind aber einerseits allgemeine, andererseits persönliche. Die allgemeinen sind die metaphysischen, aber diese dienen nur der Religion zum äußersten Anknüpfungspunkte; sie sind nicht die charakteristischen Bestimmungen der Religion. Die persönlichen Prädicate allein sind es, welche das Wesen der Religion constituiren, in welchen das göttliche Wesen der Religion Gegenstand ist. Solche Prädicate sind, z. B. daß Gott Person, daß er der moralische Gesetzgeber, der Vater der Menschen, der Heilige, der Gerechte, der Gütige, der Barmherzige ist. Es erhellt nun aber sogleich von diesen und andern Bestimmungen, oder wird wenigstens im Verlaufe erhellen, daß sie, namentlich als persönliche Bestimmungen, rein menschliche Bestimmungen sind und daß sich folglich der Mensch in der Religion im Verhalten zu Gott zu seinem eignen Wesen verhält, denn der Religion sind diese Prädicate nicht Vorstellungen, nicht Bilder, die sich der Mensch von Gott macht, unterschieden von dem, was Gott an sich selbst ist, sondern Wahrheiten, Sachen, Realitäten. Die Religion weiß nichts von Anthropomorphismen: die Anthropomorphismen sind ihr keine Anthropomorphismen. Das Wesen der Religion ist gerade, daß [29] ihr diese Bestimmungen das Wesen Gottes ausdrücken. Nur der über die Religion reflectirende, sie, indem er sie vertheidigt, vor sich selbst verläugnende Verstand erklärt sie für Bilder. Aber der Religion ist Gott wirklicher Vater, wirkliche Liebe und Barmherzigkeit, denn er ist ihr ein wirkliches, ein lebendiges, persönliches Wesen, seine wahren Bestimmungen sind daher auch lebendige, persönliche Bestimmungen. Ja die adäquaten Bestimmungen sind gerade die, welche dem Verstande den meisten Anstoß geben, welche er in der Reflexion über die Religion verläugnet. Die Religion ist wesentlich Affect; nothwendig ist ihr daher auch objectiv der Affect göttlichen Wesens. Selbst der Zorn ist ihr kein Gottes unwürdiger Affect, wofern nur diesem Zorne ein religiöser Zweck zu Grunde liegt. 5)

Es ist aber hier sogleich wesentlich zu bemerken, daß – und diese Erscheinung ist eine höchst merkwürdige, das innerste Wesen der Religion charakterisirende – je menschlicher im Wesen das göttliche Subject ist, um so größer scheinbar die Differenz ist, welche zwischen Gott und dem Menschen gesetzt wird, um so mehr das Menschliche, wie es als solches dem Menschen Gegenstand seines Bewußtseins ist, negirt wird. Der Grund hievon ist: weil das Positive in der Anschauung des göttlichen Wesens allein das Menschliche, so kann die Anschauung des Menschen, wie er Gegenstand des [30] Bewußtseins ist, nur eine negative sein. Um Gott zu bereichern, muß der Mensch arm werden; damit Gott Alles sei, der Mensch nichts sein. Aber er braucht auch nichts für sich selbst zu sein, weil Alles, was er sich nimmt, in Gott nicht verloren geht, sondern in ihm erhalten wird. Der Mensch hat sein Wesen in Gott, wie sollte er es also in sich und für sich haben? Warum wäre es nothwendig, dasselbe zweimal zu setzen, zweimal zu haben? Je ähnlicher daher Gott in der Wahrheit dem Menschen ist, desto unähnlicher wird der Mensch Gott gemacht oder erscheint er sich selbst. Allein diese Selbstverneinung ist nur Selbstbejahung. Was der Mensch sich entzieht, was er an sich selbst entbehrt, genießt er nur in um so unvergleichlich höherem und reicheren Maaße in Gott.

Die Mönche gelobten die Keuschheit dem göttlichen Wesen, sie negirten die Geschlechterliebe an sich, aber dafür hatten sie im Himmel, in Gott, an der Jungfrau Maria das Bild des Weibes – ein Bild der Liebe. Sie konnten um so mehr des wirklichen Weibes entbehren, je mehr ihnen ein ideales, vorgestelltes Weib ein Gegenstand wirklicher Liebe war. Je größere Bedeutung sie auf die Negation der Sinnlichkeit legten, je größere Bedeutung hatte für sie die himmlische Jungfrau: sie trat ihnen selbst an die Stelle Christi, an die Stelle Gottes. Je mehr das Sinnliche negirt wird, desto sinnlicher ist der Gott, dem das Sinnliche geopfert wird. Aber diese himmlische Jungfrau ist nur eine sinnfällige Erscheinung einer allgemeinen, das Wesen der Religion betreffenden Wahrheit. Der Mensch negirt nur von sich, was er in Gott setzt. So negirt der Mensch in der Religion seine Vernunft: er weiß nichts aus sich von Gott, seine Gedanken sind nur weltlich, irdisch: er kann nur glauben, was Gott ihm geoffenbart. [31]

Aber dafür sind die Gedanken Gottes menschliche, irdische Gedanken; er hat Plane wie der Mensch im Kopf; er accomodirt sich den Umständen und Verstandeskräften, wie ein Lehrer seinen Schülern; er berechnet genau den Effect seiner Gaben und Offenbarungen; er beobachtet den Menschen in all seinem Thun und Treiben; er weiß Alles – auch das Irdischste, das Gemeinste, das Schlechteste. Kurz der Mensch negirt Gott gegenüber sein Wissen, sein Denken, um in Gott sein Wissen, sein Denken zu setzen. Der Mensch gibt seine Person auf, aber dafür ist ihm Gott, das allmächtige, unbeschränkte Wesen, ein persönliches Wesen; er negirt die menschliche Ehre, das menschliche Ich; aber dafür ist ihm Gott ein selbstisches, egoistisches Wesen, das in Allem nur sich, nur seine Ehre, seinen Nutzen sucht, Gott also die Selbstbefriedigung der eignen, gegen alles Andere mißgünstigen Selbstischkeit, Gott der Selbstgenuß des Egoismus 6). Die Religion negirt ferner das Gute als eine Beschaffenheit des menschlichen Wesens: der Mensch ist schlecht, verdorben, unfähig zum Guten; aber dafür ist Gott nur gut, Gott das gute Wesen. Es wird die wesentliche Forderung gemacht, daß das Gute als Gott dem Menschen Gegenstand sei; aber wird denn dadurch nicht das Gute als eine wesentliche Bestimmung des Menschen ausgesprochen? Wenn ich absolut, d. h. von Natur, von Wesen böse, unheilig bin, wie kann das Heilige, das Gute mir Gegenstand sein? gleichgültig ob dieser Gegenstand von Außen oder von Innen mir gegeben ist. Wenn mein [32] Herz böse, mein Verstand verdorben ist, wie kann ich was heilig, als heilig, was gut, als gut wahrnehmen und empfinden? Wie kann ich ein schönes Gemälde als schönes wahrnehmen, wenn meine Seele eine absolute ästhetische Schlechtigkeit ist? Wenn ich auch selbst kein Maler bin, nicht die Kraft habe, aus mir selbst Schönes zu produciren, so habe ich doch ästhetisches Gefühl, ästhetischen Verstand, indem ich Schönes außer mir wahrnehme. Entweder ist das Gute gar nicht für den Menschen, oder ist es für ihn, so offenbaret sich hierin dem einzelnen Menschen die Heiligkeit und Güte des menschlichen Wesens. Was absolut meiner Natur zuwider ist, womit mich kein Band der Gemeinschaft verknüpft, das ist mir auch nicht denkbar, nicht empfindbar. Das Heilige ist mir nur als Gegensatz gegen meine Persönlichkeit, aber als Einheit mit meinem Wesen Gegenstand. Das Heilige ist der Vorwurf meiner Sündhaftigkeit; ich erkenne mich in ihm als Sünder; aber darin tadle ich mich, erkenne ich, was ich nicht bin, aber sein soll, und eben deßwegen an sich, meiner Bestimmung nach, sein kann; denn ein Sollen ohne Können tangirt mich nicht, ist eine lächerliche Chimäre, ohne Affection des Gemüths. Aber eben indem ich das Gute als meine Bestimmung, als mein Gesetz erkenne, erkenne ich, sei es nun bewußt oder unbewußt, dasselbe als mein eignes Wesen. Ein anderes, seiner Natur nach von mir unterschiednes Wesen tangirt mich nicht. Die Sünde kann ich als Sünde nur empfinden, wenn ich sie als einen Widerspruch meiner mit mir selbst, d. h. meiner Persönlichkeit mit meiner Wesenheit empfinde. Als Widerspruch mit dem absoluten, als einem andern Wesen gedacht, ist das Gefühl der Sünde unerklärlich, sinnlos. [33]

Der Unterschied des Augustinianismus vom Pelagianismus beruht im Grunde nur auf einer religiösen Illusion. Beide sagen Dasselbe; nur der eine rationalistisch, der andere mystisch illusorisch; beide haben das nämliche Ziel, das nämliche Object; nur kommt der eine in gerader und darum kürzester Linie zum Ziel, während der andere Umwege macht. So lange das Gute als eine Wesensbestimmung Gottes ausgesprochen wird, so lange ist die augustinische Lehre eine Lüge, und ihr Unterschied vom Pelagianismus in der Grundbestimmung nur eine religiöse Illusion  7). Denn was dem Gott des Menschen gegeben wird, das wird in Wahrheit dem Menschen selbst gegeben; was der Mensch von Gott aussagt, das sagt er in Wahrheit von sich selbst aus. Der Augustinianismus wäre nur dann eine Wahrheit, wenn der Mensch den Teufel zu seinem Gotte hätte, den Teufel, und zwar mit dem Bewußtsein, daß er der Teufel ist, als sein höchstes Wesen verehrte und feierte. Aber so lange der Mensch ein gutes Wesen als Gott verehrt, so lange schaut er in Gott sein eignes gutes Wesen an.

Wie mit der Lehre von der Grundverdorbenheit des menschlichen Wesens, ist es mit der damit identischen Lehre, daß der Mensch nichts Gutes, d. h. in Wahrheit Nichts aus sich selbst, aus eigner Kraft vermöge. So wie die Lehre von der Grundverdorbenheit des Menschen nur dann, wie eben gesagt, eine Wahrheit wäre, wenn der Mensch den Ausbund der Häßlichkeit mit Bewußtsein und Wohlgefallen als das Ideal der höchsten Schönheit und Liebenswürdigkeit, als sein [34] wahres und höchstes Wesen verehrte und anbetete: so wäre die Negation der menschlichen Kraft und Thätigkeit nur dann eine wahre Negation, wenn der Mensch auch in Gott die moralische Thätigkeit negirte und sagte, wie der orientalische Nihilist oder Pantheist: das göttliche Wesen ist ein absolut willen- und thatloses, indifferentes, nichts von Discrimen des Bösen und Guten wissendes Wesen. Aber wer Gott als ein thätiges Wesen bestimmt und zwar als ein moralisch thätiges, moralisch kritisches Wesen, als ein Wesen, welches das Gute liebt, wirkt, belohnt, das Böse bestraft, verwirft, verdammt, wer Gott so bestimmt, der negirt nur scheinbar die menschliche Thätigkeit, in Wahrheit macht er sie zur höchsten, reellsten Thätigkeit. Wer Gott menschlich handeln läßt, erklärt die menschliche Thätigkeit für eine göttliche; der sagt: ein Gott, der nicht thätig ist und zwar moralisch oder menschlich thätig, ist kein Gott und macht daher vom Begriffe der Thätigkeit, respective der menschlichen – denn eine höhere kennt er nicht – den Begriff der Gottheit abhängig. Was ich zu einer Eigenschaft, einer Bestimmung Gottes mache, das habe ich schon vorher für etwas Göttliches erkannt. Eine Qualität ist nicht dadurch göttlich, daß sie Gott hat, sondern Gott hat sie, weil sie an und für sich, durch sich selbst göttlich ist, weil Gott nicht Gott ist, wenn sie ihm mangelt. Der Mensch – dieß ist das Geheimniß der Religion – vergegenständlicht sich sein Wesen und macht dann wieder sich zum Object dieses vergegenständlichten, in ein Subject verwandelten Wesens; er denkt sich, ist sich Object, aber als Object eines Objects, eines andern Wesens. So hier. Der Mensch ist ein Object Gottes. Daß der Mensch gut oder schlecht, das ist Gott nicht gleichgültig; nein! er hat ein lebhaftes, inniges Interesse [35] daran, daß er gut ist; er will, daß er gut, daß er selig sei – denn ohne Güte keine Seligkeit. Die menschlichen Gesinnungen und Handlungen sind also Gott nicht gleichgültig; sie sind Gegenstände Gottes, also göttliche Gegenstände, Gegenstände von höchstem Werthe und Interesse, weil sie für Gott Werth und Interesse haben. Die Nichtigkeit der menschlichen Thätigkeit widerruft also der religiöse Mensch wieder dadurch, daß er seine Gesinnungen und Handlungen zu einem Gegenstande Gottes, den Menschen zum Zweck Gottes – denn was Gegenstand im Geiste, ist Zweck im Handeln – die göttliche Thätigkeit zu einem Mittel des menschlichen Heils macht. Gott wirkt auf den Menschen, ist thätig, damit der Mensch gut und selig werde. So wird der Mensch, indem er scheinbar aufs Tiefste erniedrigt wird, in Wahrheit aufs Höchste erhoben! Der Mensch bezweckt sich selbst in und durch Gott. Der Mensch bezweckt Gott, aber Gott bezweckt nichts, als das moralische und ewige Heil des Menschen, also bezweckt der Mensch nur sich selbst. Die göttliche Thätigkeit unterscheidet sich nicht von der menschlichen.

Wie könnte aber auch die göttliche Thätigkeit auf mich als ihr Object, ja in mir selber wirken, wenn sie eine andere, eine wesentlich andere wäre, wie einen menschlichen Zweck haben, den Zweck, den Menschen zu bessern, zu beglücken, wenn sie nicht selbst eine menschliche wäre? Bestimmt der Zweck nicht die Handlung? Wenn der Mensch seine moralische Besserung sich zum Zwecke setzt, so hat er göttliche Entschlüsse, göttliche Vorsätze, wenn aber Gott des Menschen Heil bezweckt, so hat er menschliche Zwecke und diesen Zwecken entsprechende menschliche Thätigkeit. So ist dem Menschen in Gott nur seine eigene Thätigkeit Gegenstand. Aber weil er die eigne [36] Thätigkeit nur als eine objective, das Gute nur als Object anschaut, so empfängt er nothwendig auch den Impuls, den Antrieb nicht von sich selbst, sondern von diesem Object. Er schaut sein Wesen außer sich und dieses Wesen als das Gute an; es versteht sich also von selbst, es ist nur eine Tautologie, daß ihm der Impuls zum Guten auch nur daher kommt, wohin er das Gute verlegt.

Gott ist das ab- und ausgesonderte subjectivste Wesen des Menschen, also kann er nicht aus sich handeln, also kommt alles Gute aus Gott. Je subjectiver Gott ist, desto mehr entäußert der Mensch sich seiner Subjectivität, weil Gott per se sein entäußertes Selbst ist, welches er aber doch zugleich sich wieder vindicirt. Wie die arterielle Thätigkeit das Blut bis in die äußersten Extremitäten treibt, die Venenthätigkeit wieder zurückführt, wie das Leben überhaupt in einer fortwährenden Systole und Diastole besteht, so auch die Religion. In der religiösen Systole stößt der Mensch sein eignes Wesen von sich aus, er verstößt, verwirst sich selbst; in der religiösen Diastole nimmt er das verstoßne Wesen wieder in sein Herz auf. Gott nur ist das aus sich handelnde, aus sich thätige Wesen – dieß ist der Act der religiösen Repulsionskraft, Gott ist das in mir, mit mir, durch mich, auf mich, für mich handelnde Wesen, das Princip meines Heils, meiner guten Gesinnungen und Handlungen, folglich mein eignes gutes Princip und Wesen – dieß ist der Act der religiösen Attractionskraft.

 

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1) Unusquisque vestrum non cogitat, prius se debere Deum nosse, quam colere. M. Minucii Felicis Octavianus. c. 24. 

2) Wenn daher in der Hegel'schen Religionsphilosophie auf dem Standpunkt der mystisch-speculativen Vernunft der oberste Grundsatz der ist: „das Wissen des Menschen von Gott ist das Wissen Gottes von sich selbst,“ so gilt dagegen hier auf dem Standpunkt der natürlichen Vernunft der entgegengesetzte Grundsatz: das Wissen des Menschen von Gott ist das Wissen des Menschen von sich selbst. 

3) Die Bedeutung dieser parenthetischen Beschränkung wird im Verlaufe erhellen. 

4) Les perfections de Dieu sont celles de nos ames, mais il les possede sans bornes .... il y a en nous quelque puissance, quelque connaissance, quelque bonté, mais elles sont toutes entieres en Dieu. Leibnitz. (Theod. Préface.) Nihil in anima esse putemus eximium, quod non etiam divinae naturae proprium sit .... Quidquid a Deo alienum, extra definitionem animae. S. Gregorius Nyss. (Krabingerus Lips. 1837. p. 43.) 

5) Quodsi (igitur) irae detrahatur imperfectio, quae in rationis obnubilatione dolorisque sensu consistit, tantumque vidicandi voluntas relinquatur, Deo tribui potest, scripturae sacrae exemplo. .... Omnis scil. affectus, exceptis illis, qui per se mali aliquid involvunt, qualis est invidia, quam veteres (nein! auch die Christen, nur nicht dem Namen nach) inepte diis suis tribuebant, si pro appetitu rationali habeatur, seposito nempe sensitivo tumulto, Deo adscribi potest. Leibnitz L. ad Placcium. 

6) Gloriam suam plus amat Deus quam omnes creaturas. „Gott kann nur sich lieben, nur an sich denken, nur für sich selbst arbeiten. Gott sucht, indem er den Menschen macht, seinen Nutzen, seinen Ruhm“ u. s. w. S. P. Bayle. Ein Beitrag zur Geschichte der Philos. u. Menschh. p. 104 – 107. 

7) Eine Illusion, die aber, wie aus dieser Schrift sich ergibt, das eigenthümliche Wesen der Religion, und daher insofern einen wesentlichen Unterschied begründet.