BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Rudolf Diesel

1858 - 1913

 

Die Entstehung des Dieselmotors

 

1913

 

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C. Gasförmige Brennstoffe.

 

Die ersten Gasversuche wurden, wie bereits auf Seite 30 u. ff. erwähnt, gemacht, weil es anfangs nicht gelang, den Motor mit flüssigem Brennstoff in Betrieb zu bringen und weil daraus geschlossen wurde, daß der flüssige Brennstoff außerhalb des Motors vorher vergast werden müsse. Es sollten dann aus den Versuchen mit reinem Gas Rückschlüsse auf die Behandlung der flüssigen Brennstoffe gezogen werden.

Die vierte Versuchsreihe war daher im wesentlichen den Gasversuchen gewidmet. Fig. 5 und 6 geben die damalige Versuchsanordnung für Leuchtgas wieder.

Im November 1894 erfolgte nach zahlreichen Vorversuchen der Zündung und Verbrennung von Gasströmen an offener Luft der erste Gasbetrieb in der ersten Versuchsmaschine, bei welcher die Verbrennungskammer noch im Kolben lag; er ergab unrichtige Diagrammformen und fortwährende Versager. Erkenntnis, daß dies von der Selbstisolierung der Flamme herrührte, weil keine Luft mit eingeblasen wurde. Die Versager werden durch gleichzeitige Einblasung geringer Mengen flüssigen Brennstoffes beseitigt, die Diagrammentwicklung durch kalibrierte Düsenmündungen beeinflußt (siehe S. 34); der Grundfehler, die Selbstisolierung [116] der Flamme und das damit verbundene Nachbrennen bleibt aber bestehen. Durch besondere, siebförmige Mischmundstücke wird dann die Selbstisolierung beseitigt und ein befriedigender Gasbetrieb erzielt.

In der fünften Versuchsreihe (S. 41) im April 1895 werden die Gasversuche mit einem anderen Motor wiederholt, bei welchem die Verbrennungskammer im Deckel liegt; gleiche Erfahrungen; durch Umkonstruktion des Brenners nach Fig. 21 wird ein regelrechter Gasbetrieb ohne Zündbrennstoff mit 7,5 kg cm² mittlerem Druck erzielt, und zwar in einem Motor, der mit demjenigen für flüssige Brennstoffe bis ins kleinste Detail, auch der Düsenkonstruktion, absolut identisch war. Gaskonsum bedeutend besser als bei allen damaligen Gasmotoren (Oktober 1896).

Diese Versuche wurden dann mit dem Motor von 1897, bei dem der Verbrennungs­raum zwischen Deckel und Kolben lag, häufig wiederholt; immer wieder zeigten sich Unregelmäßigkeit und Nachbrennen im Diagramm und viele Fehlzündungen. Immer aber war es möglich, die Fehlzündungen durch kleine Tropfen in der Düsenspitze vorgelager­tem Zündbrennstoffes zu beseitigen. Bei Erhöhung der Kompression auf 35 at konnte der Zündbrennstoff für den 20 PS-Motor auf 100 g pro Stunde, d. i. auf 5 g pro PSe/Stunde vermindert werden. Das selbständige Anlassen mit Gasbetrieb gelang stets sehr gut, aber der Streubrenner verstopfte sich bei Gas immer rascher als bei flüssigen Brennstoffen wegen des Gehalts des Gases an schweren Kohlenwasserstoffen und insbesondere an kleinen Teerpartikelchen. Im Herbste 1897 wurden Gasdiagramme bis 7,98 kg cm² bei gutem Auspuff ohne Rußbildung erzielt (20. September 1897). Die Messungen ergaben dann am 5. November 1897 als beste Leistung einen Gasverbrauch pro PSi/Stunde (auf 5000 Cal., 760 mm Barometerstand und 0° Celsius reduziert, Zündbrennstoff in Gas umgerechnet) von 344 l, und einen thermischen Wirkungsgrad von 37,1 %. Kontrollversuch am 8. November 1897 336 l und 38,0 %. Diese Wärmeausnutzung war identisch mit derjenigen für flüssige Brennstoffe.

Es wurden dann, wie bereits ausgeführt, längere Zeit die Versuche mit Leuchtgas systematisch am reparierten A-Motor unter Leitung des Herrn Dieterichs wiederholt; es hat keinen Wert, diese Versuche hier noch im einzelnen zu schildern. Als interessant mag nur erwähnt werden, daß die Regulierung des Gaszuflusses durch die Düse durch veränderliche Admissionsperiode erfolgte, mittels der Steuerung nach Fig. 54. Durch Drehung der kleinen Kurbel a konnte das am unteren Ende des Steuerhebels befindliche Steuerstück derartig um seine Achse verdreht werden, daß bei stets gleichbleibendem Eröffnungsbeginn [117] die Dauer und der Hub der Nadelöffnung in weiten Grenzen verändert werden konnte. Fig. 61 zeigt die Variation der Einblasedauer und des Nadelhubes für verschiedene Stellungen der Steuerung. Es wurden auch Versuche mit seitlicher Einblasung des Gasstromes gemacht (siehe Fig. 50 S. 99).

 

 

Trotz endloser Variationen der Versuchsorgane und der Versuchsbedingungen in bezug auf Füllungen, Kompression, Emblasedruck usw. wurde nichts Besseres mehr erzielt als schon im November 1897; d. h. rund Gaskonsum pro PSi/Stunde etwa 350 l und pro PSe/Stunde etwa 485 l bei einem thermischen Wirkungsgrad von etwa 36 %. Die oben aus der fünften Versuchsreihe gegebenen Zahlen waren sogar noch etwas besser, weil damals die Verbrennungskammer im Deckel für Gas eine günstigere Gestalt hatte als die flache Verbrennungskammer des jetzigen Motors; für die erstere Verbrennungskammer konnten bessere Mischmundstücke hergestellt werden.

Dagegen lohnt es sich auch heute noch darzulegen, warum der Gasmotor nach dem Dieselprinzip nicht ebenso wie der Motor für flüssige Brennstoffe ins Leben getreten ist.

 

 

Die graphische Auswertung der Gasversuche ist in der Fig. 62 bis 67 zusammen­gestellt. Dort ist zunächst das beste erzielte Gasdiagramm in Fig. 62 wiedergegeben. Das Verhalten des Dieselgasmotors wurde an Hand solcher Diagramme in eingehenden wissenschaftlichen Untersuchungen, die von den Herren Karl Dieterichs und Max Ensslin durchgeführt wurden, mit dem Dieselmotor für flüssige Brennstoffe mit dem Explosions­gasmotor verglichen. In Fig. 62 ist an den einzelnen Kurventeilen der Exponent der polytropischen Kompressions- und Expansionskurven eingetragen. Letztere zeigen ein Nachbrennen bis Punkt N weit über die Mitte der Expansionslinie hinaus. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß auch dieser Punkt N der Expansionslinie, von welcher ab scheinbar keine Wärmezufuhr mehr stattfindet, nur einen Gleichgewichtszustand markiert zwischen Wärmezufuhr (Nachbrennen) und Wärmeentziehung (durch das Kühlwasser). In den Fig. 63 und 64 ist noch der Verlauf der Exponenten graphisch dargestellt. [118]

 

 

 

In Fig. 65 ist in einem Netz von Adiabaten für reines Gas das vorige Diesel- Gasdiagramm und ein Explosionsgasdiagramm eingezeichnet; es zeigt sich, daß die Expansionslinie des Dieselmotors die Adiabaten schneidet, daß also starkes Nachbrennen auf ⅔ der Expansion (bis etwa Punkt N) stattfand, während beim Gasmotor umgekehrt die Verbrennung bald nach Erreichung des Höchstdruckes vorüber ist und während der Expansion ständig eine kleine Wärmeabfuhr stattfindet. Diese Verhältnisse wären noch viel schärfer in der Figur hervorgetreten, wenn das Adiabatennetz nicht mit dem Exponenten 1,41 für reines Gas, sondern mit dem veränderlichen Exponenten der wirklichen Verbrennungsprodukte eingetragen wäre. [119]

 

 

Die Fig. 66 zeigt die Abbildung des Dieselschen Indikatordiagramms für Gasbetrieb im Entropiediagramm nach Professor Stodola unter Berücksichtigung der Veränderlichkeit der spezifischen Wärme und der Zusammensetzung der Verbrennungsprodukte. Die Kompressionslinie zeigt in ihrem unteren Teile Wärmezufuhr durch die heißen Wandungen, dann Wärmeabfuhr in die Wandungen. Die Temperaturskala zeigt, daß die Wandungstemperatur ganz bedeutend niedriger ist als die Expansionsendtemperatur, von einem Rückströmen von Wärme aus den Wandungen während der Expansion an das arbeitende Medium also keine Rede sein kann. [120]

 

 

Fig. 67 zeigt die Abbildung für den Explosionsgasmotor. Es geht daraus schlagend hervor, daß hier kein Nachbrennen stattfindet; die Wärmezufuhr findet lediglich von 1–2, also bei steigendem Druck, statt; im Punkt 2 ist sämtlicher Brennstoff verbrannt, was aus dem scharfen Knick hervorgeht, mit dem die Expansionslinie umkehrt.

 

 

Fig. 68-71 zeigen zum Vergleich die Indicator- und Entropiediagramme des Dieselmotors für flüssige Brennstoffe bei voller und halber Belastung. Es ist ersichtlich, daß das Nachbrennen hier bei weitem nicht so intensiv auftritt, wie beim Diesel-Gasmotor. Fast der gesamte Brennstoff ist bei Abschluß der Zufuhr verbrannt. Dieser bedeutend bessere Verbrennungsvorgang beruht auf der Einblasung des flüssigen Brennstoffes mittels Luft.

Es ist als sicher anzunehmen, daß ein gleichzeitiges Einblasen von Luft mit dem Gasstrom den Motor wesentlich verbessert und ähnliche Verbrennungskurven wie für Petroleum erzeugt haben würde. [121]

Daran konnte aber nicht gedacht werden; denn neben der Gaspumpe noch eine Luftpumpe zu betreiben, hätte dem Motor eine Kompliziertheit gegeben, die von den thermischen Vorteilen nicht mehr aufgewogen worden wäre, namentlich bei Anwendung von Kraftgas, wo die Gaspumpe wegen des geringen Heizwertes zu bedeutende Dimensionen erfordert hätte und infolgedessen noch ein wesentlicher [122] Verlust durch unvollständige Expansion mit in den Kauf zu nehmen gewesen wäre.

Allerdings waren seit der Anmeldung des ersten Patentes anfangs 1892 bis jetzt, 1899, sieben Jahre verflossen und gerade in dieser Zeit hatte der Explosionsgasmotor, nachdem durch die Augsburger Versuche die Möglichkeit der hohen Kompressionen erwiesen war, einen gewaltigen Schritt vorwärts in der Wärmeausnützung getan, so daß der vom Dieselmotor erzielte Fortschritt in der Wärmeausnutzung inzwischen zu einem guten Teile auch vom Gasmotor erreicht worden war.

Die Bemühungen, die Kompression und dadurch die Wärmeausnützung im Explosionsmotor zu steigern, hatten sofort nach Bekanntwerden meiner Vorschläge im Januar 1893 eingesetzt, wie beispielsweise aus nachfolgendem Brief der Herren Gebrüder Körting vom 16. Januar 1893 hervorgeht, denen ich vorgeschlagen hatte, einen ersten Dieselmotor zu bauen: [123] [124]

 

 

[125] „Vor der Hand begnügen wir uns mit den verhältnismäßig leicht vorzunehmen­den Untersuchungen rein praktischer Natur mit den uns bereits zur Verfügung stehenden Modellen 1), d. i., wie weit man, ohne zu erheblichen Schwierigkeiten beim Bau und Betrieb zu begegnen, die Kompression führen kann.

gez. Gebrüder Körting.“

Damit war die Richtung gegeben, nach welcher sich der Gasmotor gegen die drohende Konkurrenz verteidigte.

Infolge der in dieser langen Zeit gemachten Fortschritte der Gasmotoren kamen wir mit unserem Gasmotor zu spät. Wir erreichten trotzdem auch jetzt noch etwas bessere Wärmeausnutzung aber mit umständlicheren Mitteln, die sich nicht mehr bezahlten. Deshalb wurde der Gasmotor nach dem Dieselprmzip aufgegeben, trotzdem die Kraftgasanlage und sämtliche Versuchseinrichtungen dazu schon eingerichtet waren.

 

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1) Also mit den damaligen Gasmotoren.