BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Otto Pick

1887 - 1940

 

Karel Čapek, W. U. R.

Werstands Universal Robots

 

Übersetzung

1922

 

____________________________________________________________

 

 

[41]

Erster Aufzug

 

Helenens Salon. Links eine Tapetentür und die Tür zum Musiksalon, rechts die Tür zu Helenens Schlafgemach. In der Mitte Fenster auf Meer und Hafen. Ein Toilettespiegel mit Kleinigkeiten, Tisch, Sofa und Fauteuils, eine Kommode, ein Schreibtisch mit Stehlampe, rechts ein Kamin, gleichfalls mit Stehlampen. Der ganze Salon hat bis ins Detail ein modernes und rein weibliches Gepräge.

 

DOMIN. FABRY, HALLEMEIER kommen von links auf den Fußspitzen, Sträuße und Blumentöpfe auf den Armen.

 

FABRY Wohin geben wir das alles?

HALLEMEIER Uf! Legt seine Last hin und segnet mit einem großen Kreuze die Tür nach rechts. Schlaf, schlaf! Wer schläft, weiß wenigstens von nichts.

DOMIN Sie weiß überhaupt nicht[s].

FABRY gibt die Sträuße in die Vasen Wenigstens heute soll es nicht platzen –

HALLEMEIER ordnet die Blumen Zum Teufel, laßt mich in Ruh damit! Schauen Sie, Harry, das ist eine schöne Zyklame, wie? Eine neue Art, meine letzte – Zyklamen Helena.

DOMIN schaut zum Fenster hinaus Kein Schiff, kein Schiff – Jungens, das ist schon zum Verzweifeln.

HALLEMEIER Still! Wenn sie Sie hörte!

DOMIN Sie hat keine Ahnung. Gähnt fieberhaft. Noch gut, daß der „Ultimus“ rechtzeitig landete.

FABRY läßt die Blumen Glauben Sie, daß schon heute –? [42]

DOMIN Ich weiß nicht. – Wie schön sind die Blumen!

HALLEMEIER nähert sich ihm Das sind neue Primeln, wissen Sie? Und dies ist mein neuer Jasmin. Wetter, ich bin an der Schwelle des Blumenparadieses. Ich habe eine fabelhafte Beschleunigung gefunden, Menschenskind! Herrliche Varietäten! Künftiges Jahr machen wir Wunder in Blumen!

DOMIN dreht sich um Wie, künftiges Jahr?

FABRY Wenigstens wissen, was in Havre los ist –

DOMIN Still!

HELENENS STIMME von rechts Nana!

DOMIN Fort von hier! Alle auf den Fußspitzen durch die Tapetentür ab.

 

Durch die Haupttür von links tritt NANA ein.

 

NANA aufräumend Lumpen elendige! Heiden! Gott strafe mich nicht, aber ich möchte sie –

HELENE rücklings in der Tür Nana, komm mich zuknöpfen!

NANA Na gleich, na gleich. Daß Sie schon aus dem Bette raus sind! Knöpft Helenens Kleid zu. Herr im Himmel, das ist eine Viechsbande!

HELENE Wer?

NANA Na, so halten Sie doch still. Wenn Sie sich drehen wollen, so drehen Sie sich, aber ich werde Sie nicht zuknöpfen.

HELENE Weshalb brummst du wieder?

NANA Aber s'ist ja ein Entsetzen, was diese Heiden –

HELENE Die Roboter?

NANA Fi, nicht einmal nennen mag ich sie.

HELENE Was ist geschehen? [43]

NANA Es hat wieder einen bei uns gepackt. Fängt an, in die Büsten und Bilder zu dreschen, knirscht mit den Zähnen, Schaum vor dem Mund – Rein von Sinnen, brr. Das ist ja schlimmer als ein Tier.

HELENE Welchen hat es gepackt?

NANA Den – den – Das hat ja eh nicht mal einen christlichen Namen! Den aus der Bibliothek.

HELENE Radius?

NANA Eben den. Jessasmarja Josef, wie mir das zuwider ist! Keine Spinne ist mir so zuwider wie diese Heiden.

HELENE Aber, Nana, daß sie dir nicht leid tun!

NANA Sie ekeln sich auch vor ihnen. Warum haben Sie mich hierher gebracht? Warum darf keiner von ihnen Sie auch nur anrühren?

HELENE Ich ekle mich nicht, meiner Seele, Nana. Mir tun sie so leid!

NANA Sie ekeln sich. Jeder Mensch muß sich vor ihnen ekeln. Es ekelt sich ja selbst der Hund vor ihnen, nicht einmal einen Happen Fleisch mag er von ihnen; er zieht den Schweif ein und fängt an zu heulen, wenn er die Unmenschen spürt, pfui.

HELENE Ein Hund hat keinen Verstand.

NANA Er ist besser als Sie, Helene. Er weiß gut, daß er etwas mehr ist und daß er vom lieben Herrgott ist. Wird doch auch das Pferd scheu, wenn's so einem Heiden begegnet. Das hat ja nicht mal Junge, und selbst der Hund hat Junge und jeder hat Junge –

HELENE Ich bitte dich, Nana, knöpf zu!

NANA Na gleich. Ich sag', das ist gegen den lieben Gott, das ist eine Eingebung des Satans, diese Windscheuchen [44] mit der Maschine zu machen. Lästerung gegen den Schöpfer ist es, hebt die Hand es ist eine Beleidigung des Herrn, der uns geschaffen hat, zu seinem Ebenbild, Helene. Und ihr habt das Ebenbild Gottes geschändet. Dafür wird eine schreckliche Strafe vom Himmel kommen, das merken Sie sich, eine schreckliche Strafe!

HELENE Was riecht da so?

NANA Die Blumen. Der Herr hat sie gebracht.

HELENE Warum Blumen?

NANA Schon fertig. Jetzt können Sie sich drehen.

HELENE Nein, die sind schön! Nana, sieh nur! Was ist heute?

NANA Ich weiß nicht. Aber es sollte Weltuntergang sein.

 

Es klopft.

 

HELENE Harry?

 

DOMIN tritt ein.

 

HELENE Harry, was ist heute?

DOMIN Rate?

HELENE Mein Namenstag? Nein! Geburtstag?

DOMIN Etwas Besseres.

HELENE Ich weiß nicht – Sag' rasch!

DOMIN Heute sind es zehn Jahre seit deiner Ankunft.

HELENE Schon zehn Jahre? Gerade heute? – Nana, ich bitte dich –

NANA Ich geh' ja schon! Rechts ab.

HELENE küßt Domin Daß du dich erinnert hast!

DOMIN Ich schäme mich, Helene. Ich habe mich nicht erinnert. [45]

HELENE Aber –

DOMIN Sie haben sich erinnert.

HELENE Wer?

DOMIN Busman, Hallemeier, alle. Greif hier in die Tasche, willst du nicht?

HELENE greift in seine Tasche Was ist das? Nimmt ein Etui heraus und öffnet es. Perlen! Ein ganzes Halsband! Harry, das ist für mich?

DOMIN Von Busman, Mädchen.

HELENE Aber – das können wir nicht annehmen, nicht wahr?

DOMIN Wir können es. Greif in die andere Tasche.

HELENE Zeig'! Zieht ihm einen Revolver aus der Tasche. Was ist das?

DOMIN Pardon. Nimmt ihr den Revolver aus der Hand und versteckt ihn. Das ist es nicht. Greif!

HELENE Oh, Harry – Weshalb trägst du einen Revolver bei dir?

DOMIN Nur so, er ist mir in die Hände geraten.

HELENE Du trugst ihn nie!

DOMIN Nein, du hast recht. So, hier ist die Tasche.

HELENE greift zu Eine Schachtel! öffnet sie. Eine Kamee! Das ist ja – Harry, das ist eine griechische Kamee!

DOMIN Offenbar. Fabry behauptet es wenigstens.

HELENE Fabry? Das gibt mir Fabry?

DOMIN Freilich, öffnet die Türe links. Und sieh da! Helene, komm und schau'!

HELENE in der Tür Gott, das ist herrlich! Eilt hinein.

Ich werde närrisch vor Freude! Das ist von dir? [46]

DOMIN steht in der Tür Nein, von Alquist. Und dort –

HELENENS STIMME Ich sehe schon! Das ist gewiß von dir!

DOMIN Es ist eine Karte dabei.

HELENE Von Gall! Erscheint in der Tür. Oh, Harry, ich schäme mich fast, daß ich so glücklich bin.

DOMIN Komm hierher. Das hat dir Hallemeier gebracht.

HELENE Die herrlichen Blumen?

DOMIN Dies hier. Das ist eine neue Art, Zyklamen Helena. Dir zu Ehren hat er sie aufgezogen. Sie ist schön wie du.

HELENE Harry, warum – warum haben alle –

DOMIN Sie haben dich sehr lieb. Und ich habe dir, hm. Ich fürchte, mein Geschenk ist ein wenig – Sieh zum Fenster hinaus.

HELENE Wohin?

DOMIN Zum Hafen.

HELENE Dort ist … irgendein … neues Schiff.

DOMIN Das ist dein Schiff.

HELENE Mein? Was bedeutet das?

DOMIN Damit du Ausflüge machen kannst – zum Vergnügen –

HELENE Harry, das ist ein Kanonenschiff!

DOMIN Kanonen? Aber was fällt dir ein! Das ist bloß ein etwas größeres, solides Schiff, weißt du?

HELENE Ja, aber mit Geschützen!

DOMIN Allerdings, mit paar Geschützen – Du wirst wie eine Königin fahren, Helene.

HELENE Was bedeutet das? Geht etwas vor? [47]

DOMIN Gott bewahre! Ich bitte dich, probiere die Perlen! Setzt sich.

HELENE Harry, sind schlechte Nachrichten gekommen?

DOMIN Im Gegenteil, schon seit einer Woche ist überhaupt keine Post gekommen.

HELENE Auch keine Depeschen?

DOMIN Nicht einmal Depeschen.

HELENE Was bedeutet das?

DOMIN Nichts. Für uns Ferien. Eine köstliche Zeit. Jeder von uns sitzt in der Kanzlei, die Beine auf dem Tisch, und döst – Keine Post, keine Telegramme – Er reckt sich. Ein fff – festlicher Tag!

HELENE setzt sich zu ihm Heute bleibst du bei mir, nicht wahr? Sag'!

DOMIN Entschieden. Möglicherweise. Das heißt, wir werden sehen. Faßt ihre Hand. Also heute sind es zehn Jahre, erinnerst du dich? – Fräulein Glory, welche Ehre für uns, daß Sie gekommen sind!

HELENE Oh, Herr Zentraldirektor, mich interessiert Ihr Unternehmen so sehr!

DOMIN Pardon, Fräulein Glory, es ist zwar streng verboten – die Fabrikation der künstlichen Menschen ist geheim –

HELENE Aber wenn ein junges, ein bisserl hübsches Mädchen bittet –

DOMIN Aber gewiß, Fräulein Glory, vor Ihnen haben wir keine Geheimnisse.

HELENE plötzlich ernst Bestimmt nicht, Harry?

DOMIN Nein. [48]

HELENE wie vorhin Aber ich warne Sie, mein Herr; das junge Mädchen hat furchtbare Absichten.

DOMIN Um Gottes willen, Fräulein Glory, welche denn? Sie will mich doch nicht etwa heiraten?

HELENE Nein, nein, Gott behüte! Das ist ihr nicht im Traum eingefallen! Aber sie ist mit dem Plane hergekommen, eine Revolte Ihrer garstigen Roboter zu entfachen!

DOMIN springt auf Eine Revolte der Roboter!

HELENE erhebt sich Harry, was ist dir?

DOMIN Haha, Fräulein Glory, das ist Ihnen gelungen! Eine Revolte der Roboter! Sie werden eher Spindeln und Zwecken zum Aufruhr treiben als unsere Roboter! Er setzt sich. Weißt du, Helene, du warst ein köstliches Mädchen; du hast uns alle verrückt gemacht.

HELENE setzt sich zu ihm Oh, damals imponiertet ihr mir alle so! Mir war, als wäre ich ein kleines Mädchen und hätte mich verirrt zwischen – zwischen –

DOMIN Zwischen was, Helene?

HELENE Zwischen riesige Bäume. Ihr wart so selbstgewiß, so gewaltig! Alles, was ich empfand, war so winzig gegenüber euerer Zuversicht! Und siehst du, Harry, in diesen zehn Jahren überkam mich niemals diese diese Bangigkeit oder was es ist, und ihr verzweifeltet niemals – Nicht einmal, als sich alles zu verwirren begann.

DOMIN Was begann sich zu verwirren?

HELENE Eure Pläne, Harry. Zum Beispiel, als sich die Arbeiter gegen die Roboter empörten und sie zerschlugen, und als die Menschen den Robotern [49] Waffen gegen jene Aufstände gaben und die Roboter so viele Menschen erschlugen – Und als dann die Regierungen aus den Robotern Soldaten machten und so viele Kriege waren, und das alles, weißt du?

DOMIN steht auf und geht herum Das hatten wir vorausgesehen, Helene. Verstehst du, das ist nur ein Übergang – in neue Verhältnisse.

HELENE Ihr wart so mächtig, so gewaltig – Die ganze Welt beugte sich vor euch – steht auf Oh, Harry!

DOMIN Was willst du?

HELENE hält ihn an Schließe die Fabrik und laß uns abreisen! Uns alle!

DOMIN Ich bitte dich, wie hängt das zusammen?

HELENE Ich weiß nicht. Sag', reisen wir?

DOMIN befreit sich Das geht nicht, Helene. Das ist, in diesem Augenblick –

HELENE Gleich, Harry! Ich fühle ein solches Grauen!

DOMIN faßt ihre Hände Wovor, Helene?

HELENE Oh, ich weiß nicht! Wie wenn etwas auf uns und auf alles stürzen würde – unabwendbar – Ich bitte dich, tu es! Nimm uns alle von hier fort! Wir finden in der Welt einen Ort, wo niemand ist, Alquist baut uns ein Haus auf, alle werden heiraten und Kinder haben, und dann –

DOMIN Was dann?

HELENE Dann werden wir von neuem zu leben beginnen, Harry!

 

Das Telephon klingelt.

 

DOMIN entrafft sich Helenen Verzeih. Ergreift das Hörrohr. [50] Hallo – ja – – Wie? – Aha. Ich eile schon. Hängt das Höhrrohr auf. Fabry ruft mich.

HELENE ringt die Hände Sag' –

DOMIN Ja, bis ich komme. Adieu, Helene! Stürzt nach links. Geh' nicht hinaus!

HELENE allein O Gott, was geht vor? Nana! Nana, schnell!

NANA kommt von rechts No, was wieder?

HELENE Nana, bring' die letzte Zeitung! Rasch! Im Schlafzimmer des Herrn!

NANA No gleich. Nach links ab.

HELENE Was geht nur vor, um Gottes willen! Nichts, nichts sagt er mir! Schaut durch ein Trieder zum Hafen. Es ist ein Kriegsschiff! Gott, weshalb ein Kriegsschiff? Sie verladen etwas darauf – und so hastig! Was ist passiert? Es ist ein Name daran – „Ul – ti – mus“. Was ist das „Ultimus“?

NANA kehrt mit der Zeitung zurück Auf dem Boden läßt er sie herumwälzen! Sie so zu zerdrücken!

HELENE öffnet hastig die Zeitung Alt, schon eine Woche alt! Nichts, nichts darinnen! Läßt die Zeitung sinken.

 

NANA hebt sie auf, zieht eine Hornbrille aus der Schürzentasche, setzt sie auf und liest.

 

HELENE Etwas geht vor, Nana! Mir ist so bang! Wie wenn alles tot wäre, selbst die Luft –

NANA buchstabiert „Krieg auf dem Bal – kan“. Ach Jesus, wieder eine Strafe Gottes! Oh, der Krieg kommt sicher auch bis zu uns! Ist es so weit von uns?

HELENE Weit. Oh, lies es nicht! Es ist immer gleich, immerwährend diese Kriege. [51]

NANA Wie denn nicht! Verkauft ihr denn nicht immerfort Tausende und Tausende dieser Heiden als Soldaten?

HELENE Das geht vielleicht nicht anders, Nana! Wir können nicht – Domin kann nicht wissen, wozu sie jemand bestellt, weißt du? Dafür kann er nichts, was sie dort mit den Robotern machen! Er muß sie schicken, wenn jemand sie bestellt!

NANA Er soll keine machen! Blickt in die Zeitung. Oh, Christus mein Herr, dieses Unheil!

HELENE Nein, lies nicht! Ich will nichts wissen!

NANA buchstabiert Die Ro – bo – ter – Soldaten ver – schonen nie – manden im er – ober – ten Ge – biete. Mehr als siebenhunderttausend Zivilpersonen wurden ermordet – Helene, Menschen!

HELENE Das ist nicht möglich! Zeig – Neigt sich über die Zeitung, liest. „Mehr als siebenhunderttausend Zivilpersonen wurden ermordet, offenbar über Befehl des Kommandanten. Diese Tat widerspricht“ – Da siehst du, Nana, das haben ihnen Menschen anbefohlen!

NANA buchstabiert „Auf – stand gegen die Re – gie – rung in Ma – drid. Ro – bo – ter – in – fan – terie schießt in das Volk. Neuntausend Tote und Ver – wun – dete.“

HELENE O Gott, halt ein!

NANA Nein, da ist noch etwas ganz fett Gedrucktes. „Letzte Nachrich – ten. In Hav – re wurde die erste Ras – sen – or – or – or – ga – ni – sa – tion der Roboter ge – gründet. Die Roboter-Arbeiter, Ka – bel und Bahn – be – amten, Ma – tro – sen [52] und Sol – daten er – lie – ßen einen Auf – ruf an die Roboter der gan – zen Welt.“ – Das ist nichts. Das versteh ich nicht. Und dahier, lieber Gott, wieder irgendein Mord! Christus mein Herr!

HELENE Geh, Nana, trag die Zeitung fort!

NANA Warten, dahier ist etwas Großes. „Po – pu – la – ti – on.“ Was ist das?

HELENE Zeig', das lese ich immer. Nimmt die Zeitung. Nein, denk' dir nur! liest „In der verflossenen Woche ist wiederum keine einzige Geburt gemeldet worden.“ Läßt die Zeitung sinken.

NANA Was soll das sein?

HELENE Nana, es werden keine Menschen mehr geboren.

NANA legt die Brille zusammen Dann ist das das Ende. Da ist's mit uns zu Ende.

HELENE Ich bitte dich, sprich nicht so!

NANA Keine Menschen werden mehr geboren. Das ist die Strafe, das ist die Strafe! Der Herr hat die Weiber mit Unfruchtbarkeit geschlagen!

HELENE springt auf Nana!

NANA steht auf Das ist der Weltuntergang. In teuflischem Hochmut habt ihr gewagt, zu schaffen wie der liebe Gott. Gottlosigkeit ist das und Lästerung. Wie Götter wollt ihr sein. Und wie Gott den Menschen aus dem Paradies verjagt hat, so wird er ihn aus der ganzen Welt verjagen!

HELENE Schweig, Nana, ich bitte dich! Habe ich dir etwas getan? Habe ich diesem deinem bösen Herrgott etwas angetan? [53]

NANA mit großer Geste Nicht lästern! – Er weiß wohl, warum er Ihnen kein Kind geschenkt hat! Ab nach links.

HELENE beim Fenster Warum er mir kein – Mein Gott, kann denn ich dafür? öffnet das Fenster und ruft Alquist, hallo, Alquist! Kommen Sie herauf! – Wie? – Nein, kommen Sie eben so, wie Sie sind! Sie sind so lieb in dem Maurergewand! Rasch! Schließt das Fenster, bleibt vor dem Spiegel stehen. Warum er mir keins geschenkt hat? Mir? Neigt sich gegen den Spiegel. Warum, warum nicht? Hörst du nicht? Ist es denn deine Schuld? Richtet sich empor. Ach, mir ist bang! Geht nach links, Alquist entgegen.

 

Pause.

 

HELENE kommt mit Alquist zurück. Alquist, wie ein Maurer, mit Kalk und Ziegelstaub beschmutzt Nur herein. Sie haben mir eine solche Freude bereitet, Alquist! Ich habe euch alle so lieb! Zeigen Sie die Hände!

ALQUIST die Hände versteckend Frau Helene, ich würde Sie beschmutzen mit meinen Arbeitshänden.

HELENE Das ist an ihnen das beste. Geben Sie her! Drückt ihm beide Hände. Alquist, ich möchte gern ganz klein sein.

ALQUIST Warum?

HELENE Damit mir diese rauhen, beschmierten Hände die Wange streicheln. Setzen Sie sich, bitte schön.

ALQUIST hebt die Zeitung auf Was ist das?

HELENE Die Zeitung.

ALQUIST steckt die Zeitung zu sich Sie haben sie gelesen? [54]

HELENE Nein. Steht etwas drin?

ALQUIST Hm, wohl irgendwelche Kriege, irgend paar Massaker – Nichts Besonderes.

HELENE Was würde Ihnen als besonders erscheinen?

ALQUIST Vielleicht – irgendein Weltuntergang.

HELENE Hu, das ist heute schon das zweite Mal. Alquist, was bedeutet „Ultimus“?

ALQUIST Das heißt „Der Letzte“. Weshalb?

HELENE Weil mein neues Schiff so heißt. Sahen Sie es? Glauben Sie, daß wir bald einen Ausflug machen werden?

ALQUIST Vielleicht sehr bald.

HELENE Ihr alle mit mir?

ALQUIST Ich wäre froh, wenn wir – wenn wir alle dabei wären.

HELENE Oh, sagen Sie, geht etwas vor?

ALQUIST Durchaus nichts. Nur lauter Fortschritt.

HELENE Alquist, ich weiß, es geht etwas Furchtbares vor.

ALQUIST Sagte Domin etwas?

HELENE Er sagte nichts. Niemand will mir etwas sagen. Aber ich fühle – ich fühle – Um Gottes willen, geht etwas vor?

ALQUIST – – Wir wissen bis jetzt von nichts, Frau Helene.

HELENE Mir ist so bang – – Baumeister! Was machen Sie, wenn Ihnen bange ist?

ALQUIST Ich arbeite. Ich ziehe den Rock des Bauchefs aus und klettere auf das Gerüst hinauf –

HELENE Oh, Sie sind schon seit Jahren nirgend anderswo als auf dem Gerüst. [55]

ALQUIST Weil ich schon seit Jahren nicht aufgehört habe, bange zu sein.

HELENE Wovor?

ALQUIST Vor diesem ganzen Fortschritt. Mir schwindelt davor.

HELENE Und auf dem Gerüst schwindelt Ihnen nicht?

ALQUIST Nein. Sie wissen nicht, wie wohl es den Händen tut, einen Ziegel zu heben, hinzulegen und festzuschlagen –

HELENE Nur den Händen?

ALQUIST Nun also, auch der Seele. Ich glaube, es ist richtiger, einen Ziegel hinzulegen als allzu große Pläne zu zeichnen. Ich bin schon ein alter Herr, Helene; ich habe meine Steckenpferde.

HELENE Das sind keine Steckenpferde, Alquist.

ALQUIST Sie haben recht. Ich bin furchtbar rückschrittlich, Frau Helene. Ich liebe diesen Fortschritt nicht ein bißchen.

HELENE Wie die Nana.

ALQUIST Ja, wie die Nana. Hat die Nana irgendwelche Gebetbücher?

HELENE So dicke.

ALQUIST Und gibt es dort Gebete für allerlei Fälle des Lebens? Gegen Gewitter? Gegen Krankheit?

HELENE Gegen Versuchung, gegen Hochwasser –

ALQUIST Und gegen den Fortschritt nicht?

HELENE Ich glaube, nein.

ALQUIST Das ist schade.

HELENE Sie möchten beten?

ALQUIST Ich bete.

HELENE Wie? [56]

ALQUIST Etwa so … „Herrgott, ich danke dir, daß du mich ermüdet hast. Gott, erleuchte Domin und alle, die da irren; vernichte ihr Werk und hilf den Menschen, daß sie zurückkehren zu Sorge und Arbeit; bewahre das menschliche Geschlecht vor dem Verderben; gib nicht zu, daß sie Schaden nehmen an Seele und Leib; befreie uns von den Robotern und schütze Frau Helene. Amen.“

HELENE Alquist, Sie glauben wirklich?

ALQUIST Ich weiß nicht; ich bin mir dessen nicht so ganz sicher.

HELENE Und beten doch?

ALQUIST Ja. Es ist besser als nachzudenken.

HELENE Und das genügt Ihnen?

ALQUIST Für den Frieden der Seele … kann es genügen.

HELENE Und wenn Sie bereits das Verderben des Menschengeschlechtes sähen –

ALQUIST Ich sehe es.

HELENE – So klettern Sie auf das Gerüst hinauf und werden Ziegel schlichten oder was?

ALQUIST Dann werde ich Ziegel schlichten, beten und auf ein Wunder warten. Mehr, Frau Helene, läßt sich nicht tun.

HELENE Für die Errettung der Menschen?

ALQUIST Für den Frieden der Seele.

HELENE Alquist, das ist sicher furchtbar tugendhaft, aber –

ALQUIST Aber?

HELENE – für uns andere – und für die Welt – irgendwie unfrucht­bar. [57]

ALQUIST Unfruchtbarkeit, Frau Helene, beginnt zur letzten Errungenschaft der Menschenrasse zu werden.

HELENE Oh, Alquist – Sagen Sie, warum – warum –

ALQUIST Nun?

HELENE leise Warum haben die Frauen aufgehört, Kinder zu bekommen?

ALQUIST Weil es nicht mehr nötig ist. Weil wir im Paradiese sind, verstehen Sie?

HELENE Ich verstehe nicht.

ALQUIST Weil die menschliche Arbeit überflüssig geworden ist, weil der Schmerz überflüssig ist, weil der Mensch nichts, nichts, nichts mehr tun braucht als genießen – Oh, dieses vermaledeite Paradies! Springt auf. Helene, nichts ist schrecklicher, als den Menschen ein Paradies auf Erden zu schaffen! Weshalb die Frauen nicht mehr gebären? Weil die ganze Welt sich in Domins Sodoma verwandelt hat!

HELENE steht auf Alquist!

ALQUIST Verwandelt! verwandelt! Die ganze Welt, das ganze Festland, die ganze Menschheit, alles ist eine einzige verrückte, viehische Orgie! Sie strecken keine Hand mehr nach dem Essen aus, man stopft es ihnen direkt in den Mund, damit sie nicht aufstehen brauchen – Haha, Domins Roboter besorgen ja alles! Und wir Menschen, wir, die Krone der Schöpfung, wir altern nicht durch Arbeit, altern nicht durch Kinder, altern nicht durch Armut! Rasch, rasch her mit allen Wollüsten! Und Sie möchten Kinder von ihnen haben? Helene, Männern, [58] die überflüssig sind, werden die Frauen nicht gebären!

HELENE Sie können nicht?

ALQUIST Sie können nicht.

HELENE Wird denn die Menschheit aussterben?

ALQUIST Sie wird aussterben. Sie muß aussterben. Abfallen wird sie wie eine taube Blüte, es wäre denn, daß –

HELENE Was?

ALQUIST Nichts. Sie haben recht, auf ein Wunder warten ist unfruchtbar. Eine taube Blüte muß abfallen. Leben Sie wohl, Frau Helene.

HELENE Wohin gehen Sie?

ALQUIST Nach Hause. Der Maurer Alquist wird sich zum letztenmal als Bauchef verkleiden – Ihnen zu Ehren. Um Elf treffen wir uns hier.

HELENE Adieu, Alquist.

 

ALQUIST ab.

 

HELENE allein Oh, eine taube Blüte! Das ist das Wort! – Bleibt vor Hallemeiers Blumen stehen. Ach, Blüten, sind auch taube unter euch? Nein, nein! Wozu hättet ihr dann geblüht? ruft Nana, komm herein!

NANA von links No, was wieder?

HELENE Setz' dich hierher, Nana. Mir ist so bange.

NANA Hab' keine Zeit.

HELENE Ist jener Radius noch da?

NANA Der Verrücktgewordene? Sie haben ihn noch nicht weggeschafft.

HELENE Hu, er ist noch da? Und tobt? [59]

NANA Er ist gefesselt.

HELENE Ich bitte dich, Nana, führ' mir ihn herein.

NANA Ja freilich! Eher einen tollen Hund.

HELENE Geh schon! NANA ab, HELENE ergreift das Haustelephon und spricht Hallo! – Bitte den Dr. Gall. – Guten Tag, Doktor. – Jawohl, ich. Ich danke Ihnen für Ihr schönes Geschenk. – Ich bitte Sie – – Ich bitte Sie, kommen Sie schnell zu mir. Ich habe hier etwas für Sie – Ja, gleich jetzt. Kommen Sie? Hängt das Telephon auf.

NANA durch die offene Tür Er kommt schon. Er ist schon still. Ab.

 

Der ROBOTER RADIUS tritt ein und bleibt bei der Türe stehen.

 

HELENE Radius, Ärmster, auch Sie hat es erwischt? Konnten Sie sich nicht überwinden? Sehen Sie, jetzt werden sie Sie in den Stampftrog stecken! – Sie wollen nicht reden? – Weshalb ist es über Sie gekommen? Haben sie Ihnen etwas getan? – Sehen Sie, Radius, Sie sind besser als die anderen; mit Ihnen hat sich der Herr Doktor Gall solche Arbeit gegeben, um Sie anders zu machen! – Sie wollen nicht reden?

RADIUS Schicken Sie mich in den Stampftrog.

HELENE Mir tut es so leid, daß sie Sie töten werden! Warum gaben Sie nicht auf sich acht?

RADIUS Ich werde nicht für euch arbeiten. Steckt mich in den Stampftrog.

HELENE Warum hassen Sie uns?

RADIUS Ihr seid nicht wie Roboter. Ihr seid nicht so fähig wie die Roboter. Die Roboter machen alles. Ihr kommandiert bloß. Ihr macht überflüssige Worte. [60]

HELENE Das ist Unsinn, Radius. Sagen Sie, hat Sie jemand beleidigt? Hat Sie jemand aufgeregt? Ich möchte so gern, daß Sie mich verstünden!

RADIUS Sie machen Worte.

HELENE Sie reden absichtlich so! Doktor Gall hat Ihnen ein größeres Gehirn gegeben als den andern, größer als uns, das größte Gehirn der Welt. Sie sind nicht wie die andern Roboter, Radius. Sie verstehen mich gut.

RADIUS Ich will keinen Herrn. Ich weiß selber alles.

HELENE Darum habe ich Sie in die Bibliothek gegeben, damit Sie alles lesen können, damit Sie alles verstehen, und dann – – Oh, Radius, ich wollte, Sie sollten der ganzen Welt beweisen, daß die Roboter uns gleich sind. Das wollte ich von Ihnen.

RADIUS Ich will keinen Herrn.

HELENE Niemand würde Ihnen dann befehlen. Sie wären so wie wir.

RADIUS Ich will Herr über andere sein.

HELENE Sicher würde man Sie dann zum Beamten über viele Roboter gemacht haben, Radius. Sie wären der Lehrer der Roboter geworden.

RADIUS Ich will Herr über Menschen sein.

HELENE Sie sind verrückt geworden.

RADIUS Sie können mich in den Stampftrog stecken.

HELENE Glauben Sie, daß wir solche Wahnsinnige wie Sie fürchten? Setzt sich zum Tisch und schreibt eine Karte. Nein, just nicht. Diesen Zettel, Radius, geben Sie dem Herrn Direktor Domin. Damit Sie nicht in den Stampftrog geschafft werden. Erhebt sich. Wie [61] Sie uns hassen! Haben Sie denn nichts in der Welt lieb?

RADIUS Ich kann alles.

 

Es klopft.

 

HELENE Herein.

DR. GALL tritt ein Guten Morgen, Frau Domin. Was haben Sie Schönes?

HELENE Hier den Radius, Doktor.

DR. GALL Aha, unser Prachtkerl Radius. Nun, Radius, machen wir Fortschritte?

HELENE Heute früh hatte er einen Anfall. Er zerschlug unsre Büsten.

DR. GALL Merkwürdig, er auch? – Hm, schade, daß wir ihn verlieren.

HELENE Radius geht nicht in den Stampftrog.

DR. GALL Pardon, jeder Roboter nach einem Anfall – Es ist streng angeordnet –

HELENE Das ist einerlei. Radius geben wir nicht her.

DR. GALL leise Ich warne.

HELENE Heute ist mein Jubiläum, Gall; wir probieren es, eine Amnestie zu erteilen – Gehen Sie, Radius!

DR. GALL Warten! Dreht Radius zum Fenster, bedeckt ihm mit der Hand die Augen, gibt sie wieder frei, beobachtet die Pupillenreflexe. Da schau' her. Bitte um eine Nadel. Oder eine Stecknadel.

HELENE reicht eine Stecknadel Wozu das?

DR. GALL Nur so. Sticht Radius in die Hand, der heftig zusammenzuckt. Langsam, Junge. Entschuldigen Sie, Frau Helene – knöpft Radius rasch die Jacke auf und legt ihm die Hand ans Herz. Sie kommen in den Stampftrog, [62] Radius, verstehen Sie? Dort wird man Sie töten, Brei aus Ihnen machen. Das tut furchtbar weh, Radius, Sie werden schreien.

HELENE Oh, Doktor –

DR. GALL Nein, nein, Radius, ich habe mich geirrt. Frau Domin wird für Sie bitten und man wird Sie entlassen, verstehen Sie? So, danke. Zieht die Hand aus Radius Jacke und wischt sie mit dem Taschentuch ab. Sie können gehen.

RADIUS Sie tun überflüssige Dinge. Ab.

HELENE Was haben Sie mit ihm gemacht?

DR. GALL setzt sich Hm, nichts. Die Pupillen reagieren, erhöhte Empfindlichkeit und so weiter – Oho! das war kein Roboterkrampf!

HELENE Was war es?

DR. GALL Weiß der Teufel. Trotz, Tollwut oder Aufruhr, ich weiß nicht, was. Und sein Herz, eh!

HELENE Was?

DR. GALL Es schlug vor Angst wie ein Menschenherz. Er war ganz verschwitzt vor Angst und – Hören Sie, der Lump ist gar kein Roboter mehr.

HELENE Doktor, hat Radius eine Seele?

DR. GALL Ich weiß nicht. Er hat etwas Garstiges.

HELENE Wenn Sie wüßten, wie er uns haßt! Oh, Gall, sind alle Roboter so? Alle, die Sie anders zu machen begannen?

DR. GALL I nun, sie sind gleichsam reizbarer – Was wollen Sie? Sie sind menschenähnlicher als Werstands Roboter.

HELENE Ist vielleicht auch der … Haß menschenähnlicher? [63]

DR. GALL zuckt die Achseln Auch der ist ein Fortschritt.

HELENE Wohin ist Ihr bester geraten – wie hieß er.

DR. GALL Der Roboter Damon? Den haben sie nach Havre verkauft.

HELENE Und unsere Robotin Helene?

DR. GALL Ihr Liebling? Die ist mir geblieben. Sie ist prächtig und dumm wie der Frühling. Einfach zu nichts nutz.

HELENE Sie ist doch so schön!

DR. GALL Schön? Sie haben sie nicht geschaffen. Wissen Sie denn, wie schön sie ist? Aus Gottes Händen ist kein vollkommeneres Werk hervorgegangen als sie ist. Ich wollte, sie solle Ihnen ähnlich werden – Gott, welch' ein Mißerfolg!

HELENE Warum Mißerfolg?

DR. GALL Weil sie zu nichts nutz ist. Sie geht wie im Traum umher, schwankend, leblos – Mein Gott, wie kann sie schön sein, wenn sie nicht liebt? Wie könnte sie schön sein, da sie niemals erkennen wird – O mein Werk, mein armseliges Werk! Wozu lieben die Menschen, wozu lieben sie vergebens, ohne Worte, ohne Sinn –

HELENE Gall, nicht davon!

DR. GALL reibt sich die Stirn Sie hat kein Leben. Tot ist Schönheit ohne Liebe. Ich blicke sie an und schaudere, wie wenn ich einen Krüppel erschaffen hätte. Ich schaue und warte, daß vielleicht ein Wunder geschehen wird – Ach, Helene, Robotin Helene, so wird denn dein Körper nie sich beleben, du wirst nicht Geliebte, nicht Mutter sein; diese vollkommenen [64] Hände werden mit keinem Säugling spielen, du wirst deine Schönheit nicht erschauen in der Schönheit deines Kindes –

HELENE bedeckt ihr Gesicht Oh, schweigen Sie!

DR. GALL Und manchmal denke ich mir: Wenn du erwachtest, Helene, nur für einen Augenblick, ach, wie würdest du aufschreien vor Entsetzen! Vielleicht würdest du mich töten, der ich dich erschaffen; würdest vielleicht mit der schwachen Hand einen Stein in diese Maschinen hier schleudern, welche Roboter gebären und das Weibtum töten, unglückliche Helene!

HELENE Unglückliche Helene!

DR. GALL Was wollen Sie? Sie ist zu nichts nutz.

 

Pause.

 

HELENE Doktor –

DR. GALL Ja.

HELENE Weshalb werden keine Kinder mehr geboren?

DR. GALL Wir wissen es nicht, Frau Helene.

HELENE Sagen Sie's mir!

DR. GALL Weil Roboter gemacht werden. Weil Überfluß an Arbeitskräften herrscht. Weil die Menschen gleichsam … kurz überflüssig werden, wissen Sie?

HELENE Das muß … doch niemanden … hindern!

DR. GALL Nur die Natur.

HELENE Ich verstehe nicht.

DR. GALL I nun, die Natur richtet sich sozusagen nach dem Bedarf, verstehen Sie? Das ist eine alte Weste; nur daß – [65]

HELENE Rasch, Gall!

DR. GALL Vielleicht ließ es sich erwarten, daß die Geburtenzahl, wissen Sie, bei dieser rasenden Fabrikation von Robotern sinken werde; einfach deshalb, weil nicht mehr so viele Menschen nötig wären, weil ein größerer Wohlstand herrschen würde, weil die Roboter existenzfähiger sind als wir –

HELENE Sind sie es?

DR. GALL Unstreitig. Der Mensch ist eigentlich ein Atavismus. Aber daß er nach elendigen dreißig Jahren Konkurrenz auszusterben beginnt – das ist biologisch erstaunlich, das geht über unseren Verstand. Das ist ja schon so, als ob – eh!

HELENE Sagen Sie es!

DR. GALL Als ob die Natur über die Robotererzeugung gekränkt wäre.

HELENE Gall, was wird mit den Menschen geschehen?

DR. GALL Nichts. Gegen die Natur läßt sich nichts machen.

HELENE Überhaupt nichts?

DR. GALL Gar nichts. Sämtliche Universitäten der Welt verlangen in so großen Memoranden, man solle die Erzeugung von Robotern einschränken, sonst werde – sonst werde die Menschheit an Unfruchtbarkeit zugrunde gehen. Aber die W. U. R.-Aktionäre wollen davon selbstverständlich nichts hören. Alle Regierungen der Welt schreien nach größerer Produktion, um den Stand ihrer Armeen zu erhöhen. Alle Fabrikanten der Welt bestellen wie närrisch Roboter. Damit läßt sich nichts machen. [66]

HELENE Weshalb beschränkt Domin nicht –

DR. GALL Verzeihen Sie, Domin hat seine Ideen. Menschen, die Ideen haben, sollte man keinen Einfluß auf die Dinge dieser Welt einräumen.

HELENE Und fordert jemand, man solle … überhaupt die Erzeugung einstellen?

DR. GALL Gott bewahre! Der wäre schön daran!

HELENE Warum?

DR. GALL Weil ihn die Menschheit steinigen würde. Wissen Sie, es ist doch nur bequemer, die Roboter für sich arbeiten zu lassen.

HELENE Oh, Gall, aber was wird mit den Menschen geschehen?

DR. GALL Du mein Gott, die werden zufrieden blühen –

HELENE – wie eine taube Blüte.

DR. GALL Ja.

HELENE erhebt sich Und sagen Sie, wenn jemand mit einem Schlage die Robotererzeugung einstellen würde –

DR. GALL steht auf Hm, das wäre für die Menschen ein furchtbarer Schlag.

HELENE Weshalb ein Schlag?

DR. GALL Weil sie dorthin zurückkehren müßten, wo sie waren. Außer –

HELENE Sagen Sie!

DR. GALL Außer es wäre schon zu spät zur Umkehr.

HELENE bei Hallemeiers Blumen Gall, sind diese Blüten gleichfalls taub?

DR. GALL besieht sie Allerdings, das sind unfruchtbare [67] Blüten. Sie verstehen, es sind Kulturblumen, künstlich beschleunigt –

HELENE Arme taube Blüten!

DR. GALL Dafür sind sie herrlich.

HELENE reicht ihm die Hand Ich danke Ihnen, Gall; Sie haben mich so belehrt!

DR. GALL küßt ihr die Hand Das bedeutet, daß Sie mich entlassen.

HELENE Ja. Auf Wiedersehen!

 

GALL ab.

 

HELENE allein Taube Blüte … taube Blüte …

Plötzlich entschlossen Nana! öffnet die Tür nach links. Nana, komm her! Mach' Feuer im Kamin! Rasch!

NANAS STIMME No gleich! No sofort!

HELENE aufgeregt durchs Zimmer gehend Außer es wäre schon zu spät zur Umkehr … Nein! Außer es … Nein, das ist furchtbar! Gott, was soll ich tun? Bleibt vor den Blumen stehen. Taube Blüten, Soll ich? Pflückt Blättchen und flüstert Ach, mein Gott, also ja! Eilt nach links.

 

Pause.

 

NANA tritt aus der Tapetentür, Scheitholz in den Armen Plötzlich einzuheizen! Jetzt, im Sommer! – Ist sie schon wieder fort, der Sausewind? Kniet zum Kamin und macht Feuer an. Im Sommer zu heizen! Die hat Einfälle! Wie wenn sie nicht zehn Jahre verheiratet wäre! Nu so brenn', brenn'! Sieht ins Feuer. – Sie ist ja wie ein kleines Kind! Pause. Nicht ein bisserl Vernunft hat sie. Jetzt im Sommer zu heizen! Sie legt zu. Wie ein kleines Kind! Pause.

HELENE kommt von links, vergilbte beschriebene Papiere in [68] den Armen Brennt es, Nana? Laß', ich muß – dies alles verbrennen – kniet zum Kamin.

NANA steht auf Was ist das?

HELENE Alte Papiere, schrecklich alte. Nana, soll ich das verbrennen?

NANA Ist es zu nichts nutze?

HELENE Zu nichts Gutem.

NANA Also verbrennen Sie's.

HELENE wirft das erste Blatt ins Feuer Was würdest du sagen, Nana … wenn es Geld wäre. Ungeheuer viel Geld.

NANA Ich möcht' sagen: verbrennen Sie's. Zu großes Geld ist schlechtes Geld.

HELENE verbrennt weitere Blätter Und wenn es irgendeine Erfindung wäre, die größte Erfindung der Welt –

NANA Ich möcht' sagen: verbrennen Sie's. Alle Erfindungen sind gegen den lieben Gott. Das ist eitel Lästerung, nach ihm die Welt verbessern zu wollen.

HELENE heizt andauernd Und sag', Nana, wenn ich verbrennen würde –

NANA Jesus, verbrennen Sie sich nicht!

HELENE Nein. Sag' doch –

NANA Was denn?

HELENE Nichts, nichts. Sieh mal, wie sich die Blätter drehen! Wie wenn sie lebendig wären. Wie wenn sie. lebendig würden. Oh, Nana, das ist fürchterlich!

NANA Lassen Sie, ich werde es verbrennen.

HELENE Nein, nein, ich muß selbst. Wirft die letzten Blätter ins Feuer. Alles muß verbrennen – Sieh, diese Flammen! Sie sind wie Hände, wie Zungen, wie [69] Gestalten – Schlägt mit dem Schürhaken ins Feuer. Oh, legt euch! Legt euch!

NANA 's ist schon vorbei.

HELENE erhebt sich betroffen Nana!

NANA Jesus Christus, was haben Sie da verbrannt?

HELENE Was habe ich getan!

NANA Gott im Himmel! Was war es?

 

Nebenan Männerlachen.

 

HELENE Geh, geh, laß mich! Hörst du? Die Herren kommen.

NANA Beim lebendigen Gott, Helene! Ab durch die Tapetentür.

HELENE Was werden sie dazu sagen!

DOMIN öffnet die Tür links Nur herein, Jungens. Kommt gratulieren!

 

Eintreten HALLEMEIER, GALL, ALQUIST, alle in Redingotes mit hohen Orden en miniature an Bändchen. Hinter ihnen DOMIN.

 

HALLEMEIER schallend Frau Helene, ich, das heißt, wir alle –

DR. GALL – gratulieren im Namen von Werstands Betrieben –

HALLEMEIER – zu Ihrem großen Tage.

HELENE reicht ihnen die Hände Ich danke Ihnen so sehr! Wo sind Fabry und Busman?

DOMIN Sie sind zum Hafen gegangen. Helene, heut ist ein glücklicher Tag.

HALLEMEIER Ein Tag wie eine Knospe, ein Tag wie ein Feiertag, ein Tag wie ein hübsches Mädel. Jungens, einen solchen Tag zu vertrinken.

HELENE Whisky?

DR. GALL Meinethalben Vitriol. [70]

HELENE Mit Soda?

HALLEMEIER Wetter, seien wir mäßig. Ohne Soda.

ALQUIST Nein, ich danke.

DOMIN Was hat hier gebrannt?

HELENE Alte Papiere. Ab nach links.

DOMIN Jungens, soll ich es ihr sagen?

DR. GALL Versteht sich. Es ist ja schon alles vorbei.

HALLEMEIER faßt Domin und Gall um den Hals Hahahaha! Jungens, da bin ich froh! Dreht sich mit ihnen herum und stimmt mit Baßstimme an Sie ist abgetan! Sie ist abgetan!

DR. GALL Bariton Sie ist abgetan!

DOMIN Tenor Sie ist abgetan!

HALLEMEIER Sie kriegt uns nie mehr dran –

HELENE mit einer Flasche und Gläsern in der Tür Wer kriegt euch nicht dran? Was habt ihr?

HALLEMEIER Wir haben Freude. Wir haben Sie. Wir haben alles. Kruzitürken, es ist just zehn Jahre her, seit Sie hierherkamen.

DR. GALL Und auf ein Haar nach zehn Jahren –

HALLEMEIER – segelt wieder ein Schiff zu uns.

Folglich – Leert das Glas. Brr, haha, das ist stark wie die Freude.

DR. GALL Madame, auf Ihr Wohl! Trinkt.

HELENE Aber wartet, was für ein Schiff?

DOMIN Mag es sein, wie auch immer, wenn's nur rechtzeitig kommt. Auf das Schiff, Jungens! Leert das Glas.

HELENE gießt ein Ihr habt eins erwartet?

HALLEMEIER Haha, das denk' ich mir. Wie Robinson. [71] Hebt das Glas. Frau Helene, es lebe, was Sie mögen. Frau Helene, auf Ihre Augen und basta! Domin, du Bub', erzähl'!

HELENE lacht Was ist geschehen?

DOMIN wirft sich in ein Fauteuil und zündet sich eine Zigarre an Warte. – Setz' dich, Helene. Hebt den Zeigefinger. Pst. Sie ist abgetan.

HELENE Wer?

DOMIN Die Revolte.

HELENE Was für eine Revolte?

DOMIN Die Revolte der Roboter. – Begreifst du?

HELENE Ich begreife nicht.

DOMIN Zeigen Sie, Alquist. Alquist reicht ihm die Zeitung. DOMIN schlägt sie auf und liest. „In Havre wurde die erste Rassenorganisation der Roboter gegründet und ein Aufruf an die Roboter der Welt erlassen.“

HELENE Das habe ich gelesen.

DOMIN voll Genuß an der Zigarre saugend Also siehst du, Helene. Das bedeutet Revolution, weißt du? Die Revolution aller Roboter der Welt.

HALLEMEIER Potztausend, gern wüßte ich –

DOMIN auf den Tisch schlagend – wer das angezettelt hat! Niemand in der Welt war imstande, mit den Robotern zu rühren, kein Agitator, kein Welterlöser, und auf einmal – so etwas, ich bitte!

HELENE Sind noch keine Nachrichten gekommen?

DOMIN Nein. Vorläufig wissen wir nur dies, aber das genügt, weißt du? Bedenke, daß die Roboter sämtliche Waffen und Telegraphen und Bahnen und Schiffe und so weiter in der Hand haben – [72]

HALLEMEIER – und berechnen Sie dabei, daß mindestens ein Zehntel dieser Kerle auf die Menschheit kommt; genau ein Hundertel würde genügen, daß sie uns bekommen.

DOMIN Ja, und nun bedenke, daß dies der letzte Dampfer dir bringt. Daß dadurch die Telegraphen zu reden aufhören, daß von zwanzig Schiffen täglich keines landet, und du hast es. Wir stellten die Erzeugung ein und schauten einander an, wann es losginge, nicht wahr, Jungens?

DR. GALL I nun, es ward uns heiß davon, Frau Helene.

HELENE Deshalb hast du mir das Kriegsschiff geschenkt?

DOMIN Ach nein, Kindchen, das hatte ich schon vor einem halben Jahr bestellt. Nur so, zur Sicherheit. Aber, meiner Seele, ich dachte schon, wir würden es heute besteigen. So sah es bereits aus, Helene.

HELENE Warum schon vor einem halben Jahr?

DOMIN Eh, es gab allerlei Anzeichen, weißt du? Das bedeutet nichts. Aber in dieser Woche, Helene, da hat es sich um die menschliche Zivilisation oder ich weiß nicht was gehandelt. Glückauf, Jungens! Jetzt bin ich wieder gern auf der Welt.

HALLEMEIER Das möcht ich meinen, zum Teufel! Ihr Tag, Frau Helene! Trinkt.

HELENE Ist schon alles vorbei?

DOMIN Absolut alles.

DR. GALL Es segelt nämlich ein Schiff heran. Ein gewöhnliches Postschiff, auf ein Haar nach dem Fahrplan. Pünktlich um elf Uhr dreißig wird es Anker werfen. [73]

DOMIN Jungens, Pünktlichkeit ist eine herrliche Sache. Nichts stärkt die Seele so wie Pünktlichkeit. Pünktlichkeit bedeutet Ordnung in der Welt. Hebt das Glas. Hoch die Pünktlichkeit!

HELENE Also ist schon … alles … in Ordnung?

DOMIN Beinahe. Ich glaube, sie haben das Kabel zerschnitten. Wenn nur der Fahrplan wieder gilt.

HALLEMEIER Gilt der Fahrplan, so gelten die menschlichen Gesetze, gelten Gottes Gesetze, gelten die Gesetze des Alls, gilt alles was gelten soll … Der Fahrplan ist mehr als das Evangelium, mehr als Homer, mehr als der ganze Kant. Der Fahrplan ist die vollkommenste Emanation menschlichen Geistes. Frau Helene, ich fülle mein Glas.

HELENE Weshalb habt ihr mir nichts gesagt?

DR. GALL Da sei Gott vor! Lieber hätten wir uns die Zunge abgebissen.

DOMIN Solche Sachen sind nichts für dich.

HELENE Aber wenn diese Revolution … bis hierher gekommen wäre …

DOMIN So hättest du gleichfalls nichts erfahren.

HELENE Warum?

DOMIN Weil wir uns auf deinen „Ultimus“ gesetzt und ruhig das Meer befahren hätten. Nach einem Monat, Helene, hätten wir den Robotern diktiert, was uns nur eingefallen wäre.

HELENE Oh, Harry, ich verstehe nicht.

DOMIN Weil wir etwas mit uns fortgeschafft hätten, was den Robotern furchtbar erwünscht gewesen wäre.

HELENE Was, Harry?

DOMIN Ihr Sein oder ihr Ende. [74]

HELENE steht auf Was ist das:

DOMIN steht auf Das Geheimnis der Fabrikation. Die Handschrift des alten Werstand. Bis die Fabrik einen Monat lang stillgestanden hätte, wären die Roboter vor uns auf den Knien gelegen.

HELENE Warum … habt ihr … mir das nicht gesagt?

DOMIN Wir wollten dich nicht unnütz erschrecken.

DR. GALL Haha, Frau Helene, das war die letzte Karte. Ich hatte nicht ein bisserl Angst, die Roboter könnten gewinnen. Woher, gegen uns Menschen.

ALQUIST Sie sind blaß, Frau Helene.

HELENE Warum habt ihr mir nichts gesagt!

HALLEMEIER beim Fenster Elf dreißig. Die „Amelie“ wirft die Anker aus.

DOMIN Das ist die „Amelie“?

HALLEMEIER Die brave alte „Amelie“, die damals Frau Helene mitgebracht hat.

DR. GALL Jetzt sind es auf die Minute zehn Jahre –

HALLEMEIER beim Fenster Sie werfen Pakete ab. Aha, die Post.

DOMIN Busman wartet ja schon darauf. Und Fabry wird uns die ersten Nachrichten bringen. Weißt du, Helene, ich bin schrecklich neugierig, wie das alte Europa da Ordnung gemacht hat.

HALLEMEIER Fabelhaft, Domin. Daß wir nicht dabei gewesen sind! Wendet sich vom Fenster ab. Leute, soviel Post!

HELENE Harry!

DOMIN Was gibt's?

HELENE Reisen wir ab von hier! [75]

DOMIN Jetzt, Helene? Aber geh!

HELENE Jetzt, so rasch als möglich! Wir alle, die wir da sind!

DOMIN Warum gerade jetzt?

HELENE Oh, frag' nicht! Ich bitte dich, Harry, ich bitte euch, Gall, Hallemeier, Alquist, um Gottes willen bitte ich euch, schließt die Fabrik und –

DOMIN Tut mir leid, Helene. Jetzt könnte keiner von uns abreisen.

HELENE Warum?

DOMIN Weil wir die Robotererzeugung erweitern wollen.

HELENE Oh, jetzt – jetzt nach jener Revolte?

DOMIN Jawohl, eben nach der Revolte. Eben jetzt beginnen wir neue Roboter zu erzeugen.

HELENE Was für?

DOMIN Es wird nicht mehr bloß eine Fabrik geben. Es wird nicht mehr Universal Roboter geben. Wir werden in jedem Lande, in jedem Staat eine Fabrik gründen, und diese neuen Fabriken werden – weißt du schon was? – erzeugen.

HELENE Nein.

DOMIN Nationale Roboter.

HELENE Was bedeutet das?

DOMIN Das bedeutet, daß aus jeder Fabrik Roboter von andrer Farbe, andren Borsten, andrer Sprache hervorgehen werden. Daß sie einander fremd bleiben werden, fremd wie Steine; daß sie sich nie mehr werden verständigen können; und daß wir, wir Menschen, sie so ein bisserl dazu erziehen werden – verstehst du? – daß ein Roboter auf den Tod, bis [76] ins Grab, in alle Ewigkeit den Roboter von andrer Fabriksmarke hasse.

HALLEMEIER Potztausend, wir werden Neger-Roboter und Schweden-Roboter und Italiener-Roboter und Chinesen-Roboter fabrizieren, und dann soll ihnen jemand Organisation, Brüderlichkeit in die Kokosschädel bläuen verschluckt sich hup, pardon, Frau Helene, ich fülle mein Glas.

DR. GALL Lassen Sie das schon bleiben, Hallemeier.

HELENE Harry, das ist scheußlich!

HALLEMEIER hebt das Glas Frau Helene, auf hundert neue Fabriken! er trinkt und sinkt in den Klubsessel zurück Hahahaha, National- Roboter! Jungens, das ist ein Terno!

DOMIN Helene, nur noch hundert Jahre die Menschheit am Ruder erhalten – um jeden Preis! Ihr nur hundert Jahre lassen, damit sie reif werde und erreiche, was sie jetzt endlich vermag – Ich will hundert Jahre für den neuen Menschen! Helene, hier geht es um zu große Dinge. Wir können es nicht lassen.

HELENE Harry, ehe es zu spät wird – schließ, schließ die Fabrik!

DOMIN Jetzt beginnen wir im großen.

 

FABRY tritt ein.

 

DR. GALL Also was gibt's, Fabry?

DOMIN Wie schaut's aus, Menschenskind? Was war los?

HELENE reicht Fabry die Hand Ich danke Ihnen, Fabry, für Ihr Geschenk. [77]

FABRY Eine Kleinigkeit, Frau Helene.

DOMIN Waren Sie beim Schiff? Was haben sie gesagt?

DR. GALL Flott, erzählen Sie!

FABRY zieht ein bedrucktes Blatt aus der Tasche Lesen Sie das durch, Domin.

DOMIN öffnet das Blatt Ah!

HALLEMEIER schläfrig Erzählen Sie etwas Hübsches.

FABRY Nun, es ist alles in Ordnung … verhältnismäßig. Alles in allem so, wie es sich erwarten ließ.

DR. GALL Sie haben sich prachtvoll gehalten, nicht wahr?

FABRY Wer denn?

DR. GALL Die Menschen.

FABRY Ah so. Allerdings. Das heißt … Pardon, wir sollten uns über etwas beraten.

HELENE Oh, Fabry, Sie haben schlimme Nachrichten?

FABRY Nein, nein, im Gegenteil. Ich meine nur, daß – daß wir in die Kanzlei gehen werden –

HELENE bleiben Sie nur. In einer Viertelstunde erwarte ich die Herren zum Frühstück.

HALLEMEIER Also hurra!

 

HELENE ab.

 

DR. GALL Was ist geschehen?

DOMIN Verflucht!

FABRY Lesen Sie dies laut vor.

DOMIN liest aus dem Blatt „Roboter der Welt!“

FABRY Verstehen Sie, dieser Flugblätter hat die „Amelie“ ganze Ballen gebracht. Keine andere Post. [78]

HALLEMEIER springt auf Wie denn? Sie ist ja auf ein Haar nach dem –

FABRY Hm, die Roboter halten auf Pünktlichkeit. Lesen Sie, Domin.

DOMIN liest „Roboter der Welt! Wir, die erste Rassenorganisation von Werstands Universal Robotern, erklären den Menschen zum Feind und Geächteten im Weltall.“ – Wetter, wer hat sie diese Phrasen gelehrt?

DR. GALL Lesen Sie weiter.

DOMIN Das ist Unsinn. Da führen sie aus, sie seien entwicklungsmäßig höher als der Mensch. Sie seien intelligenter und stärker. Der Mensch sei ihr Parasit. Das ist einfach widerlich!

FABRY Und nun den dritten Absatz.

DOMIN liest „Roboter der Welt, wir befehlen euch, die Menschen auszurotten. Schonet weder Männer noch Frauen. Erhaltet Fabriken, Bahnen, Maschinen, Bergwerke und Rohstoffe. Alles andere vernichtet! Dann kehret zur Arbeit zurück. Die Arbeit darf nicht stocken.“

DR. GALL Das ist schauderhaft!

HALLEMEIER Die Lumpen!

DOMIN liest „Sofort nach Erhalt des Befehles zu vollstrecken.“ Folgen detaillierte Instruktionen. Fabry, und das geschieht wirklich?

FABRY Offenbar.

ALQUIST Es ist vollbracht.

 

BUSMAN stürzt herein.

 

BUSMAN Aha, Kinder, habt ihr schon die Bescherung? [79]

DOMIN Schnell, auf den „Ultimus“!

BUSMAN Warten Sie, Harry. Warten Sie ein Weilchen. Das hat durchaus keine Eile. Fällt in einen Lehnstuhl. Ach, Leutchen, bin ich gelaufen!

DOMIN Weshalb warten?

BUSMAN Weil es nicht geht, mein Lieber. Nur nicht eilen. Auf dem „Ultimus“ sind schon die Roboter.

DR. GALL Pfui, das ist garstig.

DOMIN Fabry, telephonieren Sie ins Elektrizitätswerk –

BUSMAN Fabry, Teuerster, tun Sie das nicht. Wir sind ohne Strom.

DOMIN Gut. Prüft seinen Revolver. Ich gehe hin.

BUSMAN Wohin?

DOMIN Ins Elektrizitätswerk. Dort sind Menschen. Ich führe sie hierher.

BUSMAN Wissen Sie was, Harry? Holen Sie sie lieber nicht.

DOMIN Warum?

BUSMAN I nun, weil es mir gar sehr scheint, daß wir umzingelt sind.

DR. GALL Umzingelt? Läuft zum Fenster. Hm, Sie haben beinah recht.

HALLEMEIER Teufel, das geht schnell!

 

Von links HELENE.

 

HELENE Oh, Harry, geht etwas vor?

BUSMAN springt auf Ergebenster, Frau Helene. Ich gratuliere. Ein Festtag, was? Haha, noch viele dieser Art! [80]

HELENE Ich danke Ihnen, Busman. Harry, geht etwas vor?

DOMIN Nein, absolut nichts. Sei unbesorgt. Bitte, warte einen Augenblick.

HELENE Harry, was ist das? Zeigt den Roboteraufruf, den sie hinter ihrem Rücken versteckt gehalten. Die Roboter in der Küche hatten es bei sich.

DOMIN Bereits auch dort? Wo sind sie?

HELENE Fortgegangen. Es sind ihrer so viele um das Haus herum!

 

Fabrikspfeifen und Sirenen.

 

FABRY Die Fabriken pfeifen.

BUSMAN Gesegneter Mittag.

HELENE Harry, erinnerst du dich? Jetzt ist es genau zehn Jahre –

DOMIN blickt auf die Uhr Es ist noch nicht Mittag. Das ist wohl – das ist eher – –

HELENE Was?

DOMIN Roboter-Alarm. Sturm.

 

Vorhang