BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Daniel Stoppe

1697 - 1747

 

Der Parnaß im Sättler,

oder Scherz- und Ernsthafte Gedichte

 

1735

 

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S. 72

Cantata

Auf die Vergänglichkeit der Zeit.

 

Aria.

 

Die Zeit verzehrt die eignen Kinder

Weit geschwinder,

Als sie dieselbigen zur Welt gebohren hat.

Jahr, Monat, Wochen, Tag und Stunden,

Sind, wenn sie wirklich sind, schon wiederum verschwunden,

Der Leib, der sie gebährt, ist ihr gewisses Grab,

Die Mutter würgt sie selbsten ab,

Und hört nicht auf und frist und wird doch niemals satt.

Die Zeit verzehrt die eignen Kinder

Weit geschwinder,

Als sie dieselbigen zur Welt gebohren hat.

 

Der Anfang liegt hier stets beym Ende.

Kaum bricht der lichte Tag hervor,

So zieht die Nacht den braunen Flor

Den heitren Lüften an,

Sie nimmt den Schatten in die Hände,

Der auch sogar den Mittag selbst verdunkeln kan,

Und kehrt das Licht in Finsterniß.

Ach! braucht den Tag! die Nacht folgt bald, und das gewiß.

 

Aria.

 

So hizig kam kein Blitz die dicke Luft zertheilen,

So hurtig kan kein Pfeil sein nahes Ziel ereilen,

Als die geschwinde Zeit.

So flüchtig sucht kein Reh in schattichten Gebüschen

Dem Jäger zu entwischen.

Der Tag verliehret sich mit größrer Flüchtigkeit.

So hitzig kam kein Blitz die dicke Luft zertheilen,

So hurtig kan kein Pfeil sein nahes Ziel ereilen,

Als die geschwinde Zeit.

 

Sie nimmt beständig zu,

Ihr Gang hegt keine Ruh,

Ihr Lauf hat keinen Wiederhalt.

Welch Sterblicher kan ihre Schritte zehlen?

Man rechne noch so scharf, es wird uns stets was fehlen.

Wer sagt? ich bin so alt.

Er ist es nicht. Er war es nur. Denn während dieser Zeit,

Da er sein Alter sagt, steigt auch sein Alter höher.

Des Lebens Flüchtigkeit

Berechnet sich nicht eher,

Als bis ihr Lauf beym Grabe stille steht.

Da nun die Zeit so unvermerkt vergeht,

Und uns zugleich, indem sie fliehet,

In ihrem Strome mit sich reist,

So weis ich nicht, warum man sich nicht mehr bemühet,

Vergnügt zu seyn, weils heute heist.

 

Aria.

 

Nehmt Weiber, spielt Karten, trinkt Coffee, raucht Knaster,

Sucht Scherz und Vergnügen, singt, spielet und lacht!

Macht euch lustig; aber wisset,

Dass ihr einst von euer Lust Red' und Antwort geben müsset.

Darum bleibet in den Schranken! Nehmt die Grenzen wohl in Acht!

Da Capo.