BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Daniel Stoppe

1697 - 1747

 

Der Parnaß im Sättler,

oder Scherz- und Ernsthafte Gedichte

 

1735

 

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S. 115

CANTATA

 

Aria.

 

Guten Morgen! faules Glücke!

Steh auf und zieh dich an! Es wird bald Mittag seyn.

Doch ach! du bleibst bey deiner Mode,

Und schläfst dich ganz gewiß noch endlich gar zur Tode;

Erwachst du gleich manchmal,

So schlummerst du doch stets zu meiner größten Qvaal

Wieder mein Verhoffen ein. Da Capo.

 

Erwache doch!

und reiß mich heute noch

Aus meinen dreyßigjährgen Sorgen!

Warum verschiebestu den Abschnitt meiner Noth

Auf den noch ungewissen Morgen?

Ich bin vielleicht wohl morgen todt,

Und übermorgen schon begraben.

Schläfert einst die letzte Nacht meine Augen tödtlich ein,

Was werden mir alsdenn die guten Tage nütze seyn?

Kan ich sie nicht lebend haben,

Todt verlang ich sie ja nicht.

Erwache! Sieh mich an, eh noch mein Lebensdrat zubricht!

Du bist gebeten gnug. Die Ungeduld fängt an,

Und raast, so sehr sie kan.

 

Aria.

 

Raase wütend, Ungeduld!

Wie wenn der Wind des Nachts die Schindeln pfeifend macht!

Stürme, bis das Glück erwacht!

Rufe, schreye und turnire!

Zeige mit geballter Hand

An der leisen Kammerthüre

Deines Eifers Unverstand!

Poche! Geh nicht eh zurücke,

Bis du das verschlafne Glücke

Aus der langen Ruh gebracht! Da Capo.

 

Stille! stille!

Der Himmel spricht: Es ist mein Wille,

Dein Glücke soll und muß beständig schläfrig seyn.

Ach! Ungeduld! Was werden ich und du

Uns dergestalt erpochen und erschreyn?

Nichts! Nichts! das Glücke bleibt in ungestörter Ruh,

Es schläft, es schnarcht noch immer zu.

Was ist zu thun? ihr kümmerlichen Sorgen!

Ihr müst dem Himmel schon die guten Tage borgen,

Wofern ihr nur geduldig seyd,

Wird er uns schon dereinst zu seiner Zeit

Zu vergnügten Leuten machen.

Die Hoffnung predigt mir viel Angenehmes vor,

Und ruft und schreyt mir in das Ohr:

Morgen wird dein Glück erwachen.

 

Aria.

 

Schlaf indessen, werthes Glücke!

Aber schlaf auch nicht zu lange,

Denke einst an mich zurücke,

Und vergnüge meine Qvaal

Endlich, endlich auch einmal!

Wo du mirs zu lange machst

Und nicht bald erwachst:

Macht mir endlich mit der Zeit

Deiner Blicke Schläfrigkeit

Das Leben feil, die Welt gedrange. Da Capo.