BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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Dort seh ich eine Versammlung von Winzern, die, friedlich auf der Erde gelagert, ihr Mittagsmahl verzehren. Die Frauen hingegen abgeschieden, halten ihre Mahlzeit wieder für sich. Hoffentlich geschieht es hier nicht aus bon-ton! Auf jeden Fall ist die Erinnerung an die durchschmachteten Soireen meines Lebens mir widerlich, wo jedes aus Verzweiflung sich amüsirt, und sich aus gehöriger Entfernung beäugelt, weil zum Sprechen oft der Kopf fehlt.

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Ich durchwanderte heute mit meiner geliebten Luise das Amphitheater von Frejus, von den Römern Forum Julii genannt. Die Rotonde, die Thore, wodurch die wilden Thiere eingeführt wurden, sind hier noch sichtbar, so wie eine breite Treppe, welche zu den Gallerien führte. Durch die Arcaden sieht man in ein liebliches Thal. Im innern Hofraum nagen eben Ziegen am herabhangenden Gestrüp­pe und tiefer unten, wo eine Ziegelhütte steht, arbeitet ein Landmann, begleitet von seinem Gesange, und harmlos wie eine Lerche sucht die Stimme den Himmel. Frejus ward erbaut von Julius Cäsar. Bald verlor mein Geist sich in dem Labyrinth der Träume. Da standen sie, sagte ich mir, jene stolzen Römerhelden, und ihr Auge wie das meine sah diese Alpen, diese Felsen! Wenn ich Julius Cä­sars gedachte, so lag der Gedanke an Napoleon nicht ferne. Hier in Frejus begrüßte er zum ersten Male wieder sein liebes Frankreich, als er von Egypten siegreich heim­gekehrt.  Damals  landete  er  in St. Raphael, einem kleinen

 

Hafen, nächst Frejus. Auch besitzt dieses Thal eine römische Wasserleitung, zum Theil noch ganz unversehrt. – Als wir die Estreles bestiegen, ein Gebirg, was sich ungefähr fünf Stunden lang gegen Cannes hinzieht, erblickte ich, zum erstenmal, abwärts das mittelländische Meer. Die Wellen umspielten eine Strecke schroffer Felsen, und leichte Schiffchen segelten nach St. Raphael. Ich pflückte einen Zweig blühender Myrrhe, welche hier in großen Büschen am Abhange der Felsen prangt, und hier ihren süßen Geruch mit dem kräftiger Waldkräuter vermischt. Hohe, breitgewölbte Tannen bedecken die Berge. Gegen Cannes hin, wo die Gegend weniger steil wird, ist bald wieder der Olivenbaum da, und hier doppelt so hoch als in der Provence. Der Stamm dieses mir so interessanten Baumes ist kurz, und theilt sich bald in zwei, drei oder vier kleinere Stämme, die sich anmuthig in einander verzweigen. Da die Blätter sehr schmal sind, so ist trotz aller Fülle der Baum licht zu nennen; seine Farbe ist blaugrün, ganz dem mystischen Erlenbaum ähnlich, nur ist sein Bau weit idealischer. Wie mir scheint, hat jeder Baum, ja jeder Strauch, so gut wie jedes Menschen- und Thiergesicht seinen eigenthümlichen Charakter.

 

 

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Cannes. Sonntag. am 12. Oktober.   

 

Hier sitze ich auf einem Granitblock, hart am Meere, und  um  meine  Fuße  schäumt  die  Fluth,  und  wenn  die

 

 


 

Das Amphitheater von Frejus

 

Napoleon landet in St. Raphael