BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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Ahnung höherer Freuden, jene Ahnung, die wie ein Hauch vom Jenseits herüber weht, schlummernde Kräfte zu entwickeln, vergeistigt auch mich. Das kleinste Ereigniß im Leben, wie der Natur größte Wunder, sind mir Beziehungen für die Ewigkeit. Nur um eines flehe ich in dieser ernsten Stunde, es ist die Bitte um Weisheit. Nicht nach jenen Gaben verlangt es mich, wie die Welt sie liebt und bewundert, aber desto sehnsüchtiger nach denen, die Gott wohlgefällig sind. O Quell der Weisheit! heilige mich dir für Zeit und Ewigkeit, und Alle, die mir nah und ferne sind. Mit Gott sey das alte Jahr beschlossen, mit Ihm möge auch das künftige beginnen und enden!

 

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Wie unser Körper schon hier den Wurm der Verwesung birgt, so trägt auch unser Geist in sich die untrügliche Ahnung der Ewigkeit.

 

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Sonntag, den 15. Februar.   

 

Oft sehne ich mich nach dem Tode und dann erschreckt mich wieder die Flucht der Zeit. Wunderbarer Wechsel und Widerspruch! Wenn meinen strauchelnden Fuß die Stricke gänzlicher Verzagung umschlingen, ach! dann erleidet wohl die Seele einen tausendfachen Tod, dann ruft eine Stimme mir zu: ist das Leben zu Ende gelebt, so hast auch du vor dem Richterstuhle Gottes zu erscheinen.

 

Neulich, als ich ernstlicher dem zukünftigen Leben nachdachte, war es mir plötzlich, als würde ich losgerissen vom Leben. In immer tieferen Fernen sank unter mir die Welt, und indem auch das Letzte verschwand, enthoben sich ihr zwei Schatten, die an meine Sohlen sich heftend, mir anzugehören schienen. Ich floh weiter und weiter über Jahrhunderte hin – die Schatten mit mir in's Unendliche, bis auf der Spitze eines starren Felsen ich stille hielt und im Hinabsehen bemerkte, wie eine gefallene Sonne dort schwebend sich drehte, und ein Knäuel menschlicher Gestalten im Augenblick, als sie sich in ihrer Gluth verzehrten, von Neuem und immer wieder verkörperten. Aengstlich blickte ich rückwärts und da traf ein Strahl der gefallenen Sonne meine dunklen Begleiterinnen. Ich fragte die Eine: wer bist du? und sie antwortete mir: «ich bin, was du dachtest.» «Ich bin, was du fühltest,» rief die Andere, und die Gestalten, die du dort unten siehst, sind die Leidenschaften. Da umschlangen die beiden mich enger und enger – ich fühlte, daß ich so versinken müßte jener Sonne zu, um ewig mich zu verzehren, ewig mich zu verkörpern Doch aufwärts ringt sich mein Geist, und erblickt auf hoher Wolkenburg: Christus den Heiland, den Richter der Lebendigen und Todten.

 

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Am 5. April waren Luise und ich nach Chateauneuf geritten. Der Weg zwischen dem Kloster St. Bartholomeo und Cimiez ist höchst anmuthig, zumal da er sich durch einen    Wald    der   wunderschönsten   Olivenbäume   hin-

 

 


 

Im Vordergrund das Kloster St. Bartholomeo, im Hintergrund links oben das Schloß Chateauneuf, rechts Cimiez.