BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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Ein Mädchen faßte ich besonders ins Auge, schnell nahm sie aus ihrem Haar die Rose und brachte sie mir. Jede junge Bewohnerin Menton's hat ihr Haar gewöhnlich in ein Tuch verborgen und zur Linken prangt eine Rose. Die Kirche ist hübsch und die schönen Säulen würden ihr ein feierliches Ansehen geben, wären sie nicht mit rothem Tuch umwickelt. Endlich gelangten wir zu den Ruinen des römischen Schlosses, und durch das hohe Gras wadend, schaute ich hinab durch die lustigen Fenster in die grüne Welt, und hinauf wieder zu der majestätischen Bergkette. Ein paar Weiber hatten ihre Dienste als Cicerone angeboten. Die Eine war ein wunderliches Exemplar, ihre Figur war in der That ein mathematisches Viereck, die Haare hingen, in einen schwarzen Sack gebunden, ihr zwischen den Schultern, und ihr Jäckchen war, wegen der bunten Lappen, einem Mosaikstück zu vergleichen. Im Grase stand ein Sarg und die Holde versicherte in dem drolligsten Patois: sie kommandire die Todten. Ihre Begleiterin aber verdollmetschte diese so mystische Rede damit, daß sie die Frau des Todtengräbers sey. Madame la Commandante des Morts bekräftigte dieß mit gewissen Geberden, um zu zeigen, sie lege auch wohl selbst Hand an. Ich dankte ihr einstweilen für die freundliche Empfehlung.

 

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Donnerstag am 14. Mai.   

 

Menton ist, wie fast die meisten italienischen Städt­chen an  der  Küste,  auf  Felsen  gebaut.  Die  Häuser sind male-

 

risch übereinander geschichtet und wie ein Fingerzeig zum Himmel ragt hier die Spitze der Kirche und die Ruinen des Römerschlosses. Ganz so gebaut ist Ventimiglia. Zwischen Menton krümmt sich der Weg um eine Felsenbrücke - Grotten, ausgehöhlte Straßen der Bergströme öffnen ihren schwarzen Rachen, aber die Wildheit der Gegend zu mildern, ragt in Mitte nackter Felsen ein Kranz von Oliven und Pinien, oder es duftet ein Strauch kräftig wilder Blumen dem Wanderer entgegen, und tief, tief unten glänzt das blaue Meer, die Klippen umschäumend. O Gott! dachte ich, als ich dieß Alles durch das Auge in's Herz faßte, ein Felsen, so starr er seyn mag, bricht gar in Blüthen aus - ein Herz mag lange verschlossen seyn, aber du weißt endlich die Blüthe der Erkenntnis; hervorzulocken! Das Meer ist umschlossen von einem Felsengürtel, so ist unser Heiland eine mächtige Burg wider die Zornfluthen des eifrigen [eifernden] Gottes.

 

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Bordighiera's Reichthum und Schmuck sind die Palmenwaldungen. Von hier aus werden jährlich Palmen in großer Menge nach Rom gesandt. Die Kirche auf hohem Felsen, altes Gemäuer, ein Römerthurm und von der Anhöhe bis in das Thal herab Palmbaum an Palmbaum, in meinen Augen korinthische Säulen, die hinanragen zum Dom   des  Himmels,   versetzten   mich   bald,   Dank  mei­ner   ewig   grünen   Phantasie!   in   das   gelobte   Land. Die Gegend ward mir zu Jerusalem. Längs dem Strande ruh­ten die  Fischerkähne und lagen die Netze ausgespannt.

 

 


 

Ventimiglia um 1830

 

Straße von Bordighera nach Ventimiglia

 

Die Palmen von Bordighera