BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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Ueber die Romantik unserer Tage.

 

Ich saß in der Sommerlaube, und wie ich bemerkte, war eben der. Gärtner beschäftigt an einem Apfelbäumchen zu schütteln. Nachdem die Erndte geschehen, sah er verdrießlich aus und suchte vergebens, das am Arm hängende Körbchen mit eßbaren Früchten zu füllen. Die rothwangigen sind wurmstichig, sprach er, allenfalls gut um Apfelbrei davon zu kochen, und die unreifen und faul gewordenen sind fast zum Futter des Viehs zu schlecht. Gemach, lieber Gärtner! dachte ich, mir geht es hier nicht besser. Auf meinem Tische lagen nämlich, fast baumhoch, die Früchte der neusten Literatur, Zeitschriften, elegant brochirte Gedichte aller Art, wovon Papier und Druck wohl das allein Bewunderungswürdige seyn mag. Eben hielt ich ein dickes Buch in Händen, und las und las immer wieder. Es waren ehrliche deutsche Kartoffel und Distelköpfe, mit orientalischem Flitter vergoldet, und als Aepfel der Hesperiden, in sinnigen Denkreimlein, dem gutmüthigen Leser aufgerücket. Fort! Ich griff nach einem Andern. Da sah ich einen Papa vor mir, zärtlicher als Ifflands Väter, der dem Publikum, diesem armen Jungen, dem wohl kräftige Fleischspeise gehörte, erzählend einen Kindsbrei in den Mund strich, und um solchen schmackhaft zu machen, christlich lautende Sentenzen, oder etwas Zimmt und Zucker­körnchen mit einstreute. Ihm bon appetit wünschend, rüttelte    ich    von    neuem   am   Bäumchen   der   Litera­tur,  und schnell fielen etliche  Bände  mir  in  den  Schooß.

 

 

Männer, in der schönsten Blüthe der Jahre, stehen vor mir, mit Lorbeer gekrönt, aber ach! wie geberden sie sich! Sie schlagen an ihren wunden Busen, wie sie es nennen, sie ra­sen alle von morschem Fahrzeug, von gebrochenem Him­mel etc. Der eine jammert, daß er nicht einmal an eine Bil­derbibel glauben könne, dahin! dahin! schreit er krampf­haft auf. Sie machen die unnatürlichsten Wendun­gen. Jeder will den anderen an wunderlichen, schauer­lichen Dichtungsmotiven übertreffen. Das Versmaaß muß nun gar das allerungewöhnlichste seyn, wo möglich im Roman­zen- oder Philomelen-Seufzerton. Hier kein Schim­mer von auch nur oberflächlichem Gottvertrauen – ein hohläugiges Ich starrt aus der Tiefe auf.

Genug hatte ich mir geschüttelt und gerüttelt, denn es schwindelte mir. – Nach Frankreich warf ich einen Blick. Ei! wie haben sich da die sonst klugen und feinen Franzosen von der deutschen Romantik so gar um alle Vernunft bringen lassen! Aus der romantischen Schule eines Tieck, Schiller, Göthes Faust, haben sie als Sprößlinge erhalten ihren Jules Janin, Victor Hugo etc. Ihre Poesie ist eine Furie, die die Rolle der ersten Liebhaberin spielt, und mit ihren Küssen eine ganze Nation vergiftet. Auch die bildende Kunst ist im Dienst dieses Scheusals, ja wie die neuern Kunstblätter über die Ausstellung in Paris melden, so ist nur das Gräßlichste der entmenschten Natur die Lockspeise der gebildeten Welt. Auch sie haben so zu sagen, als Vermittelungs-Prinzip, einen sogenannten romantisch-christlichen Dichter, der ganz artig himmelt, während  in  seinem  Gedicht Joselin er nicht nur par terre,